Syriza-Mobbing
Der Würgeengel

Ist die Syriza-Regierung zu konfrontativ?

In dieser Situation werden nun paradoxerweise nicht jene Stimmen lauter, die den fatalen Kurs der Eurozonen-Zampanos kritisieren, sondern jene, die dafür der griechischen Regierung die Schuld geben. Deren wesentliche Akteure würden ungeschickt und chaotisch agieren, unnötig konfrontativ und aggressiv sein und sogar mögliche Bündnispartner abschrecken, wird da auch von durchaus wohlwollenden Beobachtern kritisiert. Wenn es in Westeuropa je so etwas wie einen medialen Honeymoon für die Syriza-Leute gegeben hat – er ist jetzt jedenfalls vorbei. Spin-Doctoren und Journalisten, die der Macht, die mit Nähe lockt, bereitwillig auf den Leim gehen, haben daran einen nicht unerheblichen Anteil.

Jetzt ist freilich äußert fraglich, ob ein “konzilianteres” oder sonstwie geschickteres Agieren der Syriza-Repräsentanten irgendetwas am ganz offensichtlich planmäßigen Crash-Kurs der Eurogruppe geändert hätte – aber dennoch darf natürlich die Frage gestellt werden, ob die Syriza-Akteure auch ihrerseits etwas falsch gemacht haben. Eine echte, klare Strategie war ja nicht immer zu erkennen. Vor allem Tsipras und Varoufakis begannen ihre Amtszeit mit einer reisediplomatischen Charmeoffensive, haben sich dann aber auch zeitweise ostentativ kompromisslos gegeben. Die Frage, ob das einem raffinierten taktischen Konzept oder eher erratischem Tagesagieren geschuldet war, liegt natürlich auf der Hand.

Möglicherweise lag dem eine “Good-Cop/Bad Cop”-Strategie zugrunde, oder der Plan, man könnte mehr rausholen, wenn man eine Konfliktstrategie fährt, ein Plan, der bloß nicht aufgegangen ist. Gewiss haben beide auch ein paar Fehler gemacht. Die betreffen auch die mittlerweile zum Überdruss strapazierten Aspekte von “Stil” (Motorrad, offene Hemden, Homestorys), die natürlich eine zweischneidige Sache sind: Erst evozieren sie ein positives Bild im Sinne von “die sind frisch, unkonventionell, ganz anders”, bergen aber gleichzeitig die immense Gefahr, nach einer gewissen Zeit nach hinten los zu gehen (“haben die keine anderen Themen als Klamottenfragen?”). Viele der Vorwürfe werden eindeutig in einem Info-Krieg fabriziert: Da wird von Brüsseler Spin Doctoren gezielt gestreut, alle Euro-Finanzminister seien schon völlig genervt von Varoufakis’ makroökonomischen Belehrungen – und niemand fällt die Absurdität des Argumentes auf, dass man im Kreise von Finanzministern offenbar nicht über Wirtschaft diskutieren will.

Gewiss wurden auch eindeutige politische Fehler gemacht: Zu sagen, dass nach einem Grexit als nächstes Italien der Bankrott drohen würde, weil auch dieses Land praktisch insolvent ist, mag durchaus der Wahrheit entsprechen, ist aber dennoch nicht von überbordender Klugheit, wenn man die italienische Regierung oder auch nur Teile der italienischen Öffentlichkeit als Verbündeten gewinnen will. Auch die offenherzige Bekundung, dass Griechenland als illiquide behandelt wird, obwohl es eigentlich insolvent ist, erleichtert der EZB nicht gerade die weitere Versorgung des Landes mit Geld, wenn man weiß, dass deren Statuten nur erlauben, Mittel für “illiquide” Institutionen zur Verfügung zu stellen, nicht aber für “insolvente” (gleiches gilt auch für das Regelwerk des IMF).

Gleichzeitig kann man einwenden, dass die Syriza-Akteure hier einfach in einem Zielkonflikt sind: Einerseits ist der Umstand, dass sie Tacheles sprechen, ein wesentlicher Teil ihres Erfolges bei den Leuten, andererseits macht man sich damit in der Welt der Diplomatie ebenso wenig Freunde wie in der Finanzwelt, in der man ja das Kapital, das scheu wie ein Reh ist, nicht durch flotte Sprüche verstimmen darf.

Diese Kritik wird nicht nur aus den Kreisen neokonservativer Feinde der griechischen Regierung vorgetragen, sondern auch von gemäßigt Mitte-Links-Akteuren in Politik und Medien, die durchaus ein gewisses Wohlwollen haben. Oft werden hier natürlich Petitessen aufgeblasen, und man kann schon nach der Verhältnismäßigkeit fragen, wenn bei dem einen Finanzminister tagelang über seinen Mittelfinger gestritten wird, während kaum jemand etwas dabei findet, dass sein deutscher Amtskollege seinerzeit gerne 100.000 D-Mark Schwarzgeld in verschlossenen Briefumschlägen entgegen nahm. Aber all das heißt natürlich deswegen noch lange nicht, dass alle Aspekte der Kritik falsch sind. Und natürlich kann man sagen: Fehler macht ein jeder. Man kann aber auch hinzusagen: In einer prekären Situation, in der es darum geht, Bündnisse zu schmieden und Terrain zu gewinnen, sollte man eher so wenige Fehler wie möglich machen.

Seite 3: Ist die Syriza-Führung zu angepasst?

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2 Kommentare zu "Syriza-Mobbing
Der Würgeengel"

  1. Mike sagt:

    Endlich mal ein etwas ausgewogenerer, unaufgeregterer Artikel der nicht in das Schwarz/Weiß-Schema – Gläubiger/Deutsche=Böse / Arme Griechen=Gute – eines Eric Bonse verfällt. Es wurden und werden eben auf beiden Seiten Fehler gemacht. Gute Hintergrundinformationen – hatte ich von Herrn Misik ehrlich gesagt gar nicht erwartet.

  2. Ralf Dahrendorf sagt:

    Dieser Artikel wird versuchen, denjenigen, die mit der gegenwärtigen Situation in Griechenland nicht vertraut sind, die Grundursachen des gegenwärtigen griechischen Dramas zu erläutern.

    Trotz der weithin geförderten Vorstellung, daß Griechenlands Problem hauptsächlich finanzieller Art ist, könnte dies nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Was diesem uralten Land heutzutage bevorsteht, ist sein totaler Zusammenbruch als Nationalstaat. Die angebliche Wirtschaftskrise ist in Wirklichkeit weitgehend fiktiv, und sie wird von der gegenwärtigen Regierung und von äußeren Kräften als Vorwand und als Mittel benutzt, um die wirtschaftliche Erschöpfung der griechischen Mittelschicht und die schließliche Auflösung des Staates zu fördern.

    Meine Hauptthese lautet, daß kurz nach dem Ende des Kalten Krieges ein Plan zur effektiven Demontage Griechenlands und zur Auslöschung der nationalen Identität der Griechen entworfen und umgesetzt wurde, der mathematisch zu ihrem Verschwinden als homogene Menschengruppe führen würde. Der Leser sollte ob solcher Behauptungen nicht verblüfft sein; der Artikel wird ihm all die notwendigen Beweise zur Stützung dieser These präsentieren. Der erste Teil des Artikels wird sich auf einen notwendigen Crashkurs über die politische Geschichte Griechenlands konzentrieren, vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Wahl der gegenwärtigen griechischen Regierung.

    Von Alexios Synodinos

    https://schwertasblog.wordpress.com/2013/11/03/die-griechische-krise-verstehen-teil-1/

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