Syriza-Mobbing
Der Würgeengel

Die Heuchelei der Syriza-Kritiker

Mit einem Wort: Man kann durchaus auch als solidarische/r Linke/r kritikwürdige Aspekte am Agieren der griechischen Syriza-Regierung in den vergangenen knappen zwei Monaten finden. Das ist ja gar nicht der Punkt. Es wird nie jemanden geben, der völlig fehlerfrei ist, und die Renationalisierung der europäischen Diskurse, für die Syriza nicht verantwortlich ist, geht auch an ihr nicht spurlos vorüber. Es hat aber durchaus auch ein Geschmäckle, wenn neutrale und völlig passive Beobachter oder gar aktive Gegner der Syriza-Regierung vorwerfen, sie würde diesen oder jenen Fehler machen, wenn sie sich de fakto in einem Belagerungszustand befindet. Hat denn jemand den europäischen Konservativen befohlen, die ausgestreckte Hand von Tsipras, Varoufakis und Co. zurückzuschlagen? Hat denn jemand den Mainstream der europäischen Sozialdemokratie dazu gezwungen, sich – von wenigen lobenswerten Ausnahmen abgesehen -, aus Angst vor Merkel und Schäuble einer eigenständigen Position zu entsagen? Hat jemand gesagt, dass sich die verschiedenen europäischen Sozialbewegungen damit zu begnügen haben, interessiert-solidarisch nach Athen zu blicken, sich aber ansonsten relativ still verhalten müssen? Glaubt das erdrückende Gros der deutschsprachigen Journalistinnen und Journalisten, ihre Beteiligung am Diffamierungs-Herdentrieb gegenüber der Syriza-Regierung würde irgendwelche positiven Folgen haben? Wer will, dass Syriza einen weniger konfrontativen Kurs fährt, könnte ja damit beginnen, der griechischen Regierung mit einer Prise Wohlwollen zu begegnen statt mit dem täglichen Stakkato an Diffamierungen, Beleidigungen und Drohungen.

Kurzum: Das Problem von Syriza ist ihre Isolation. Wenn man einer jungen Regierung nicht einmal ein paar Wochen gibt, um eine Routine zu entwickeln, wenn man sie vom Tag Eins an dazu zwingt, sich mit nichts anderem als Notfalls-Maßnahmen zur Abwendung eines ökonomischen Kollapses zu beschäftigen und ihr damit die Zeit nimmt, sich um mittel- und langfristige Stabilisierungsmaßnahmen zu kümmern, mit einem Wort, wenn man dafür sorgt, dass sie permanent mit dem Rücken zur Wand steht, dann braucht man sich auch nicht wundern, wenn sie den einen oder anderen Fehler macht, den man eben macht, wenn man mit dem Rücken zur Wand steht.

Freilich ist auch wahr, dass es in der Linken immer schon die fragwürdige Tendenz gibt, die Ursache für die eigenen Fehler oder auch die eigene Schwäche bei den anderen zu suchen (wahlweise beim Kapital, den Neoliberalen, den Sozialdemokraten, dem Fernsehprogramm, der Kronen Zeitung, der Konterrevolution). Man liegt damit nie falsch aber macht es sich damit zugleich immer auch sehr leicht. Der ideologische Kampf ist ja kein Freundschaftsspiel und deshalb ist ja auch nicht zu erwarten, dass eine Linke, die sich nicht unterwirft, von den herrschenden Eliten freundlich behandelt wird. Die Antwort darauf muss sein, eine Politik zu betreiben und Bündnisse so zu schmieden, dass man die Isolation überwindet statt sie zu verschärfen. Syriza ist eine Partei, die das auf ihrem nationalstaatlichen Terrain mit fulminantem Erfolg geschafft hat, aber die Mittel, die ihr das ermöglicht haben, bergen zugleich die Gefahr, ein Hemmnis dafür zu sein, vergleichbare Erfolge auf transnationalem Terrain zu erzielen.

Die Linke generell hat in ihrer Geschichte an dieser Aufgabe oft versagt, manchmal aber auch nicht. Zur Geschichte des Versagens gehört etwa die Geschichte des Sektierertums, das gewissermaßen ein falsches Foto der eigenen Gesellschaft im Kopf hatte, und den Kreis der “echten Linken” und der zu gewinnenden “Verbündeten” viel zu eng zog; zur Geschichte des Erfolges gehören etwa gramscianisch inspirierte Bündnisstrategien, die über die engen, eigenen Kreise hinaus Verbündete zu einem, wie Gramsci das nannte, “historischen Block” zusammenzufügen suchten. Wie ein solcher Block aussieht, wer dazu gehört und was eigentlich seine Ziele sind (Aufbau eines Wohlfahrtsstaates im Kapitalismus, langsame Transformation des Kapitalismus, Bekämpfung der Austerität, Revolution etc.) das variiert je nach Epoche und ist ohnehin immer umstritten und der heterogene Block zeichnet sich ja gerade dadurch aus, dass über ein paar unmittelbare Ziele Einigkeit herrscht, aber nicht unbedingt über alle Fernziele. Dass man dafür jedenfalls Leute und Milieus gewinnen muss, mit denen man nicht in allem einer Meinung ist, aber zumindest temporär an einem Strang zieht, sollte sich von selbst verstehen. Und dass der Feind nicht schläft, ist ohnehin sonnenklar.

Was wir in Europa in den vergangenen zwei Monaten erlebt haben ist, um im fragwürdigen Jargon militärischer Metaphern zu sprechen, ein Stellungskrieg. Dem Austeritätscamp um Merkel, Schäuble und Co. ist es leichter gelungen, als vielleicht mancher erwartet hätte, ihr Terrain zu behaupten. Syriza ist es im Gegenzug dazu schlechter gelungen, als manche erhofft hätte, ihr Terrain auszuweiten. Das ist grundsätzlich noch kein Beinbruch, wenngleich die ökonomische Situation für die griechische Regierung äußerst schwierig ist. Aber es ist ein Sachverhalt, den man nicht ignorieren soll und wenn man etwas besser machen kann, dann soll man das tun.

Der Beitrag erschien ursprünglich auf misik.at und steht unter CC-Lizenz

Print Friendly, PDF & Email
Filed in: Politik Tags: , , , , ,

Ähnliche Artikel:

<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>Grenzüberschreitender Lebensentwurf</span><br/>Keine Grenzen, nirgends Grenzüberschreitender Lebensentwurf
Keine Grenzen, nirgends
<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>Demokratie</span><br/>Gedanken zu Europa Demokratie
Gedanken zu Europa
<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>EPAs</span><br/>Die Alternativen zum Freihandel EPAs
Die Alternativen zum Freihandel

2 Kommentare zu "Syriza-Mobbing
Der Würgeengel"

  1. Mike sagt:

    Endlich mal ein etwas ausgewogenerer, unaufgeregterer Artikel der nicht in das Schwarz/Weiß-Schema – Gläubiger/Deutsche=Böse / Arme Griechen=Gute – eines Eric Bonse verfällt. Es wurden und werden eben auf beiden Seiten Fehler gemacht. Gute Hintergrundinformationen – hatte ich von Herrn Misik ehrlich gesagt gar nicht erwartet.

  2. Ralf Dahrendorf sagt:

    Dieser Artikel wird versuchen, denjenigen, die mit der gegenwärtigen Situation in Griechenland nicht vertraut sind, die Grundursachen des gegenwärtigen griechischen Dramas zu erläutern.

    Trotz der weithin geförderten Vorstellung, daß Griechenlands Problem hauptsächlich finanzieller Art ist, könnte dies nicht weiter von der Wahrheit entfernt sein. Was diesem uralten Land heutzutage bevorsteht, ist sein totaler Zusammenbruch als Nationalstaat. Die angebliche Wirtschaftskrise ist in Wirklichkeit weitgehend fiktiv, und sie wird von der gegenwärtigen Regierung und von äußeren Kräften als Vorwand und als Mittel benutzt, um die wirtschaftliche Erschöpfung der griechischen Mittelschicht und die schließliche Auflösung des Staates zu fördern.

    Meine Hauptthese lautet, daß kurz nach dem Ende des Kalten Krieges ein Plan zur effektiven Demontage Griechenlands und zur Auslöschung der nationalen Identität der Griechen entworfen und umgesetzt wurde, der mathematisch zu ihrem Verschwinden als homogene Menschengruppe führen würde. Der Leser sollte ob solcher Behauptungen nicht verblüfft sein; der Artikel wird ihm all die notwendigen Beweise zur Stützung dieser These präsentieren. Der erste Teil des Artikels wird sich auf einen notwendigen Crashkurs über die politische Geschichte Griechenlands konzentrieren, vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis zur Wahl der gegenwärtigen griechischen Regierung.

    Von Alexios Synodinos

    https://schwertasblog.wordpress.com/2013/11/03/die-griechische-krise-verstehen-teil-1/

Einen Kommentar hinterlassen

Kommentar abschicken

le-bohemien