EPAs
Die Alternativen zum Freihandel

Die EPAs verhindern den regionalen Handel und die Industrialisierung der Länder des globalen Südens. Doch die EU wird auch für den immensen Druck auf die afrikanischen Partner kritisiert. Dabei gäbe es Alternativen zum Freihandel.

Freihandel

Bild: Africa Renewal via Foter.com / CC BY-NC-SA

Schwächung des Verhandlungspartners

Wie schon in Teil 1 dieser Analyse verdeutlicht, gefährden die Freihandelsabkommen zwischen der EU und den afrikanischen Staaten die Industrialisierung der Länder des globalen Südens. Neben der inhaltlichen Ausrichtung der EPAs am Freihandel ist jedoch auch die Verhandlungsführung der EU zu kritisieren.

Die EU verhandelt die EPAs nicht mit Einzelstaaten, sondern mit regionalen Staatengruppen. Dabei wählte die EU nicht die schon vorhandenen regionalen Zusammenschlüsse von afrikanischen Staaten als Verhandlungspartner, sondern gruppierte diese stattdessen in neue Blöcke. Diese Umgruppierung führt dazu, dass die eingespielte Zusammenarbeit unter afrikanischen Staaten aufgebrochen wird.

Unter diesen Bedingungen ist es schwieriger, gemeinsame Positionen zu entwickeln und in den Verhandlungen mit einer Stimme zu sprechen. Auch verfügen die afrikanischen Verhandlungsteams über weniger Fachexpertise als ihre europäischen Gegenüber, so Timothy Kondo, Aktivist aus der südafrikanischen Zivilgesellschaft. Während die EU ein Expertenteam zusammenstellen könne, müssten die afrikanischen Staaten auf ihr Personal vertrauen, das in den Botschaften in Europa arbeitet.

EU übt wirtschaftlichen Druck aus – und verstößt gegen eigene Prinzipien

Als wäre diese ungleiche Verhandlungsposition nicht schon schlimm genug, übte die EU auch noch immensen wirtschaftlichen Druck auf ihre Verhandlungspartner aus. So entzog die EU allen afrikanischen Staaten, die ihr EPA nicht unterschrieben haben, zum 1. Oktober 2014 den zollfreien Zugang zum europäischen Markt. Deren Produkte wurden dementsprechend teurer und verloren an Attraktivität für europäische Importeure. Die kenianische Regierung beugte sich diesem Druck und steht kurz davor, einem EPA mit der EU zuzustimmen. Ska Keller, Abgeordnete des Europaparlaments, beschreibt die Situation wie folgt:

Den Entwicklungsländern [wurde] die Pistole auf die Brust gesetzt – entweder, sie unterzeichnen, oder ihr Marktzugang zur EU wird eingeschränkt. Die EPAs sind das Gegenteil von Entwicklungszusammenarbeit.

Durch dieses Vorgehen widersprechen die EPAs auch EU-Zielsetzungen. So hatten die EU-Staaten Ende 2007 beschlossen, handelspolitische Maßnahmen mit den Zielen der EU-Entwicklungspolitik abzugleichen und ihnen Rechnung zu tragen (1). So gefährdet die EU-Handelspolitik Arbeitsplätze in afrikanischen Staaten und konterkariert die mit Steuergeldern finanzierte EU-Entwicklungspolitik.

Selbst Günter Nooke, Afrika-Beauftragter von Kanzlerin Merkel, betont die Gefahr der EPAs. Er kritisiert:

Man sollte nicht mit den Wirtschaftsverhandlungen auf der einen Seite kaputt machen, was man auf der anderen Seite als Entwicklungsministerium versucht aufzubauen. (ab Minute 5:50 im Video)

Reformierte EPAs als Werkzeug der Entwicklungszusammenarbeit

Doch wie könnte eine Alternative zu den EPAs aussehen, die wirklich als Entwicklungszusammenarbeit zu bezeichnen wäre? Schließlich konnten sich auch andere Länder in einer globalisierten Welt entwickeln und vom Weltmarkt profitieren, wie beispielsweise Südkorea, Taiwan, und Vietnam.

Ein reformiertes EPA müsste einen Freihandel auf Augenhöhe anstreben, d.h. ein Abkommen, welches es den afrikanischen Staaten ermöglicht, eigene Industrien aufzubauen. Von einem solchen Abkommen würden sowohl die EU als auch die afrikanischen „Partner“ profitieren. Durch eine Industrialisierung würden die afrikanischen Staaten Arbeitsplätze schaffen. Dadurch käme es zu einem Anstieg der Löhne und Einkommen.

Von einem solchen breitenwirksamen Wachstum würden auch europäische Industrien profitieren. Denn afrikanische Produzenten würden Anlagen und Maschinen aus Europa kaufen und afrikanische Konsumenten hätten mehr Einkommen zur freien Verfügung, um neben den afrikanischen auch europäische Güter zu konsumieren. Gleichzeitig würden durch solch ein Wachstum und durch die Schaffung von Arbeitsplätzen Fluchtursachen überwunden werden.

Doch um eine solche Win-Win-Situation zu erreichen, bedarf es einer übergangsweisen Abkehr vom Freihandel. Afrikanische Industrien brauchen Zeit und den Zugang zu Technologien und Wissen, um sich zu modernisieren und die für den Weltmarkt notwendige Konkurrenzfähigkeit zu erlangen. Dafür bedarf es nicht nur der richtigen Handelspolitik (übergangsweiser Schutz vor der internationalen Konkurrenz), sondern auch einer durchdachten Industriepolitik.

Die „späten Industrieländer“, namentlich Südkorea, Taiwan und einige andere, verfolgten eine eben solche Industriepolitik. Dabei förderten sie nationale Unternehmen, kontrollierten aber gleichzeitig deren Modernisierungserfolge. Sie belohnten die erfolgreichen Unternehmen und bestraften jene Unternehmen, die keine oder zu wenig Fortschritte vorweisen konnten. Die Kombination aus erstens diesem Kontrollmechanismus, zweitens einer beflügelnden Konkurrenz zwischen nationalen Unternehmen bei einer gleichzeitigen, übergangsweisen Abschottung vor konkurrenzfähigeren Importen und drittens der Möglichkeit, eigene Produkte zollfrei auf dem Weltmarkt zu verkaufen, führte zur „Entwicklung“ der „späten Industrieländer“.

Reformierte EPAs könnten eine solche übergangsweise Abschottung bei gleichzeitigem zollfreien Zugang für afrikanische Güter auf den europäischen Markt ermöglichen, während die europäische Entwicklungszusammenarbeit Mittel und Anreize schafft, um einen ähnlichen nationalen Kontrollmechanismus in afrikanischen Staaten zu installieren.

Reformierte EPAs als Notwendigkeit in Zeiten von Flucht und Terrorismus

Entwicklungsprozesse wie in Südkorea und Taiwan waren jedoch auch durch die damaligen internationalen Strukturen bedingt. Im Kalten Krieg hatten die westlichen Mächte Interesse daran, dass Südkorea und Taiwan ökonomisch und industriell aufholen, um nicht dem kommunistischen Block anheim zu fallen. Diese deutliche Zweiteilung der Welt besteht heute zwar nicht mehr. Allerdings behält Willy Brandts Vision, dass Entwicklungspolitik die beste Friedenspolitik ist, weiterhin Gültigkeit.

In Zeiten des globalen Terrorismus und der zunehmenden Flüchtlingszahlen wäre eine Neuausrichtung der Handels- und Entwicklungspolitik hin zu einer Industrialisierung und einem Aufholen der Länder des globalen Südens mehr als notwendig. Eine solche Neuausrichtung würde nicht nur Arbeitsplätze schaffen und Perspektiven eröffnen. Sie würde auch den Worten von der Bekämpfung der Fluchtursachen endlich Taten folgen lassen. Die Gesellschaften Nigerias, Malis, Somalias und anderer afrikanischer Staaten wären gegen Terrororganisationen (Boko Haram, Al Qaida) und andere Kriegsprofiteure gestärkt. Eine reformierte Handels- und Entwicklungspolitik müsste so auch im Interesse der westlichen Staaten und Gesellschaften sein.

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(1) Die EU setzte sich im Lissabon Vertrag folgende Zielsetzung: „Bei der Durchführung politischer Maßnahmen, die sich auf die Entwicklungsländer auswirken können, trägt die Union den Zielen der Entwicklungszusammenarbeit Rechnung.“

Artikelbild: Africa Renewal via Foter.com / CC BY-NC-SA

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4 Kommentare zu "EPAs
Die Alternativen zum Freihandel"

  1. Bernd Engelking sagt:

    Ich möchte auf einige Sachverhalte hinweisen:

    Afrikanische Länder brauchen keine Hilfe bei der Industrialisierung und sie brauchen generell keine Hilfe, vor allem nicht von der westlichen “Wertegemeinschaft”.

    Was diese Organisationen nämlich auszeichnet ist, dass sie diese Hilfe, sei es in Form von Entwicklungs- oder Wirtschafts- oder Finanzhilfe nahezu immer in Ausbeutung mündet. IWF und EU könnten davon viele Lieder singen, wenn sie so was nicht lieber geheim halten würden.

    Ein erster Schritt könnte sein, dass man die betroffenen Länder von der Hilfe des Westens befreit, vor allem von den Krediten. Dann könnten diese Länder nämlich wieder ihre Selbstversorgung und ihre Unabhängigkeit zurückgewinnen, die sie durch die Inanspruchnahme der westlichen Hilfe verloren haben.

    Das ist nämlich das was sie brauchen um zufrieden zu leben, keine Industrie. Sollen die Großkonzerne und Investoren dieser Industrie auch dort alles zerstören, wie sie es bereit bei uns und überall getan haben?

    Die für Selbstversorgung und Unabhängigkeit sowie den Zusammenhalt der dörflichen Gemeinschaften extrem wichtige kleinbäuerliche Landwirtschaft ist systematisch geschwächt worden durch die “Hilfe des “Westens”.

    Außerdem verlieren die Menschen dadurch ebenso ihre Perspektive wie durch Kriege und das Ergebnis sind die Ströme der Perspektivlosen, die sich auf die Suche begeben. Die Landflucht kann man doch selbst bei uns noch bewundern, einen ähnlichen Vorschlag für diese Länder zu bereiten, ist mehr als zynisch.

    Vor allem brauchen Schwellen- und Entwicklungsländer keine schlauen Ratschläge von der Westlichen Wertegemeinschaft, die mit ihren Werten nichts anderes will, als neue Märkte und Ausbeutungspotential zu schaffen.

    Dieser Artikel verharmlost extrem die Zerstörungswut der Länder der westlichen Wertegemeinschaft mit ihren Großkonzernen und Investoren, die mit Hilfe weniger als nichts am Hut haben, es sei denn es hebt den Profit maximal.

  2. Eric Boule sagt:

    Betrifft AfrikaReise v/d Bundeskanzlerin Merkel-Oktober 2016
    Wenn man Artikel in Fuldainfo.de(8.Oktober)+Heise.de/Tel (1.Oktober 2016) liest ist die MerkelAfrikaReise fast eine Unverschaemtheit.Dort wird beschrieben wie desaströse EU-Freihandelsdeals Afrika aufgenötigt wurden.Der frühere Bundespräsident Horst Köhler hat dem Westen i/d Afrika-Politik Heuchelei+koloniales Denken vorgeworfen.
    Seit mehr als zehn Jahren bemüht sich EU, mit afrikanischen Ländern langfristige Freihandelsabkommen (EPA-EconomicPartnershipAgreement) abzuschließen,um diese in ein möglichst enges ökonomisches Abhängigkeitsverhältnis zumanövrieren.Langfristige Strategie Brüssels erinnert an das Vorgehen eines Drogendealers,Kolonialismus+RaubtierKapitalismus in uebelster Form.Wachsende afrikanische Abhängigkeiten verschafften Brüssel den Hebel,m/d der afrikanische Widerstand gegen weitgehende Öffnung seiner Märkte für die gnadenlos überlegene europäische Konkurrenz gebrochen wird.Mitte 2013 hat Brüssel in übler neokolonialer Manier etlichen afrikanischen Staaten ein Ultimatum gestellt.Entweder sie unterzeichnen die EPA bis Oktober 2014 oder es werden ihnen sämtliche Handelserleichterungen m/d EU gestrichen.Langfristig drohen den Ländern Afrikas schwere sozioökonomische Verwerfungen aufgrund der weitgehenden Öffnung ihrer Märkte für europäisches Kapital.Kommt Merkel kontrollieren ob Afrika schon reif ist als Emigrantenlieferant? Das Endresultat wird sein Revolutionen in Afrika,China uebernimmt den Kontinent,Europa wird rausgeschmissen

  3. Eddy sagt:

    Einige der geannten Prämissen sind doch stark in Zweifel zu ziehen.
    a) Die EU ist nicht verantwortlich für den Ist-Zsutand in Afrika
    b) Das Einmischungsverbot in die inneren Angelegenheiten gilt auch für die EU
    c) Eingedenk des Klimawandels wäre ein CO2 footprint Steuer auf Importwaren zu fordern. Wozu Rosen für 6t CO2 in Kenia (incl Transport) herstellen, wenn das in Norddeutschland mit 2t CO2 geht? Vice versa natürlich.
    d) Auf Augenhöhe? Das ist wegen der grundlegenden strukturellen Unterschiede irreal. Suggeriert wird dabei, dass Recht und Gesetzt bzw. des Realisierung in allen Ländern gleich sei. Das sit bereits innerhalb der Eu eine Fiktion, die nur schlecht als recht funktioniert. Nicht umsonst hat man ja versucht Handelsstreitigkeiten von den nationalen Gerichten zu trennen.
    Ralisieren wird bitte, dass die regionale Armut auch den herrschenden Verhätlnissen geschuldet ist. Die Erträge (wie die Förderungen) fließen in die Hände überschaubar kleinen Gruppen von korrupten Ausbeutern – in den jeweiligen Ländern. Diese Herrscher, Oligarchen, et. al. sind die de facto Repräsentanten der jeweiligen Staaten. Das mag einem nicht gefallen, aber “isso”. Die dortigen Gesellschaften lassen sich das gefallen und uns steht darüber kein Recht zu zu urteilen. Der eingangs genannte Grundsatz der NIchteinmischung in innere Angelegenheiten steht dem elementar im Wege (soweit es sich nicht um Völkerstrafrecht handelt). Es sit also schlicht nicht unsere Angelegenheit. Jedes Volk hat das Recht sich selbst zu organisieren, wie es will und kein anderes das Recht das zu ändern (Vgl. UN Charta). Also bitte herab vom hohen Roß!
    Geben wir also diesen Grundsatz auf? Weil wir es besser wissen? Wer so denkt, darf aufhören die 12 Jahre des ewigen Reiches zu verteufeln. Die Menschen damals wußten es auch “besser” als alle Anderen udn verscuhten sich mit allen Mitteln durchzusetzen. Was macht deren Meinung besser als die der Anderen? Wir wären dann also wieder im (gutmeinenden) Imperialismus. Dessen Zeil war es ja nicht nur “auszubeuten”, sondern die Kolonien zu zivilisieren. Oder behalten wir ihn bei und versuchen andere, indirekte Mechanismen zu nutzen? Dann sollte man das Vorgehen der EU, bestehende Strukturen aufzubrechen eigentlich eher begrüßen. Egal, welchen Weg man beschreitet und ettikettiert es geht darum den afrikanischen Staaten unsere Meinung aufzudrücken, wie sie zu sein haben. Unmittelbar oder mittelbar. Wer hier also die Ethische oder Moralische Keule schwingt, befindet sich ganz gewaltig auf dem Holzweg und verhält sich im Kern unterdrückerisch.
    Kenia hätte sich anders entscheiden und Koalitionäre finden können, die diesen Weg auch nicht gehen wollen.

    Im Ergebnis zeigt sich, dass trotz der Entwicklungshilfe, trotz Geburtenüberschüsse und trotz teils imperialistischen Engagements die Armut und der Hunger erfreulicherweise sinkt.
    Ein “Kampf gegen Fluchtursachen” z.Bsp., um eine weitere fiktive Figur aufzugreifen, müßte daher vermutlich eher in Europa als in Afrika geführt werden: Phantasiegebilden wie Klimaflüchtlingen, dem agressive-expansivionistischen (regressiven) Islam, oder dem revisionistischen Evangelikalismus (eher USA), etc. als akute Bedrohungen der Aufklärung und Freiheit z.Bsp.

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