Geopolitik
Russland, Hindernis für das “Globale Amerika”

Russland stellt eines der wichtigsten geopolitischen Hindernisse für Washington dar. Es weitet seine Einflusssphäre aus und zeigt der Welt, das es im Bereich der Energiepolitik nicht übergangen werden kann.

Dieser Beitrag erschien bereits vor der Ukraine-Krise und wurde aus aktuellem Anlass erneut veröffentlicht. Der Autor des Textes ist unterdessen als Kandidat der Front National ins Europäische Parlament eingezogen. Die Redaktion distanziert sich aufgrund dessen von Chauprade, hält aber den Text als solchen nach wie vor für lesenswert.

Von Aymeric Chauprade

Während die Vereinigten Staaten seit dem 11. September 2001 versuchen, ihr Projekt der Umgestaltung der Welt nach dem Bildnis der von ihren Gründervätern erträumten demokratischen und liberalen Gesellschaft zu beschleunigen, treten die nicht-westlichen Gesellschaften ihr auf diesem Weg entgegen und behaupten ihren Willen zur Macht.

Insbesondere Russland stellt einen der wichtigsten geopolitischen Hindernisse für Washington dar. Es weitet seine Einflusssphäre aus und zeigt der Welt, das es im Bereich der Energiepolitik nicht übergangen werden kann.

Einer der klassischen Autoren der Geopolitik, der Brite Halford J. Mackinder (1861-1947), der in Oxford Geographie unterrichtete, vertrat als zentrale These, dass sich die großen geopolitischen Dynamiken rund um das Herzland (Heartland) Eurasiens anordneten. Der Dreh- und Angelpunkt (Pivot) der Weltpolitik im Herz Eurasiens, den die Seemächte nicht erreichen konnten, ist Russland – ein Imperium, “das in der gesamten Welt die gleiche strategische Position einnimmt, wie Deutschland in Europa.”

Rund um dieses Epizentrum der weltweiten geopolitischen Erdstöße, geschützt durch einen Gürtel natürlicher Hindernisse (sibirische Leere, Himalaya, Wüste von Gobi, Tibet), den Mackinder den inneren Halbmond (inner crescent) nennt, breiten sich die Ufer des eurasischen Kontinents aus: Westeuropa, der Nahe und Mittlere Osten, Süd- und Ostasien.

Jenseits dieser Ufer, hinter den maritimen Hindernissen, vervollständigen zwei Inselsysteme den Rahmen rund um das Heartland: Großbritannien und Japan, Brückenköpfe eines weiter entfernten Halbmondes, zu dem die Vereinigten Staaten zählen.

Nach dieser Sicht der Welt müssen die globalen Seemächte, die Thalassokratien, deren Interessen Mackinder verteidigt, die kontinentale Einheit Eurasiens verhindern. Sie müssen die Ost-West-Spaltung der wichtigsten Kontinentalmächten aufrechterhalten, die in der Lage wären ein Bündnis einzugehen (Frankreich/Deutschland, Deutschland/Russland, Russland/China) aber auch die Küsten des eurasischen Kontinents kontrollieren.

Diese angelsächsische Matrix, die man sowohl im Fall des britischen Empires des 19. Jahrhunderts, als auch bei der amerikanischen Thalassokratie des 20. Jahrhunderts anwenden kann, ist weiterhin relevant, um die heutige Geopolitik zu begreifen.

Die Theorie von Mackinder erinnert uns an zwei Dinge, die die angelsächsischen Thalassokratien nie vergessen haben: es kann kein Projekt einer Großmacht Europa geben ohne ein starkes und unabhängiges Deutschland (Deutschland ist seit 1945 weitgehend unter amerikanischem Einfluss); es gibt kein weltweites Gleichgewicht gegenüber dem amerikanischen Globalismus ohne ein starkes Russland.

Amerika will das “Globale Amerika”; das Ziel seiner Aussenpolitik, jenseits der bloßen Optimierung der ökonomischen und strategischen Interessen des Landes, ist die Umwandlung der Welt nach dem Bildnis der amerikanischen Gesellschaft. Amerika ist messianisch und das ist der innerste Antrieb seiner Machtprojektion. Als sie 1941 die Atlantikcharta unterzeichneten, gaben Roosevelt und Churchill einer erträumten Weltregierung eine Agenda zur Organisation der liberalen und demokratischen Globalisierung.

Bis 1947 strebte Amerika eine Konvergenz mit der UdSSR an, um mit ihr eine Weltregierung zu bilden, obwohl die beiden amerikanischen und sowjetischen Globalismen offensichtlich unvereinbar waren. Zwei Jahre nach dem europäischen Zusammenbruch von 1945 verstanden die Amerikaner, dass sie die Sowjets nicht in ihren liberalen Globalismus werden aufnehmen können und sie fanden sich damit ab, ihr Projekt geographisch einzuengen: Der Atlantizismus ersetzte vorübergehend den Globalismus.

Seite 2: Ein neuer globaler Feind

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7 Kommentare zu "Geopolitik
Russland, Hindernis für das “Globale Amerika”"

  1. Hallo sagt:

    Also dass die USA eine liberale und demokratische Welt wollen, so wie sie von ihren Gründervätern erwünscht war, lässt sich doch schon daran widerlegen, dass die USA viele Diktaturen (Saudi-Arabien, Quatar etc.) unterstützen oder sogar den Umsturz von demokratisch gewählten Politikern bewirkt haben (Salvatore Allende etc.).

    • tiara013 sagt:

      Man könnte sich auch ansehen, wie viele der USA-Gründerväter persönlich Sklavenhalter waren. Thomas Jefferson etwa (Präsident 1801–1809) war Besitzer einer Tabak-Plantage in Virginia, auf der versklavte Afrikaner arbeiteten. Jefferson war es, der “all men are created equal” in die US-Unabhängigkeitserklärung schrieb. Aber natürlich, auch von jenen die keine Plantagen besassen, gab es keine Gegnerschaft zur sklavereibasierten Plantagenökonomie. Das “Liberale” galt nur für Jene, die als gleichrangig gesehen wurden, und das wurden auch viel später auch Iren (Einwandrerer) oder Spanier (Krieg 1898) nicht

  2. blogfighter sagt:

    Eine hervorragende Analyse, die in fast allen Erkenntnissen übereinstimmt (und sie ergänzt) mit der hervorragenden Analyse Egon Bahrs in “Das Blättchen”, deren Studium und Propagierung ich ebenfalls nur empfehlen kann/muss: http://das-blaettchen.de/2012/06/im-gespraech-mit-egon-bahr-12607.html

  3. vonkorf sagt:

    Keine Frage, die USA, das meint, bestimmte sehr einflussreiche Figuren aus Finanzwelt und Wirtschaft, wollen die gesamte Welt (den Globus) nach ihren Bedürfnissen gestalten. Ein solcher Vorgang erfordert zudem die Kontrolle des öffentlichen Bewusstseins mit dem Ziel, den entsprechenden Konsens im Volke zu organisieren, ohne dass das Volk zustimmt. Adäquat ist beispielsweise die permanente Berichterstattung in den wichtigsten Medien. Was aber für Uncle Sam gut ist, wird nicht zwangsläufig gut für andere sein.

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