Geopolitik
Russland, Hindernis für das “Globale Amerika”

Ein neuer globaler Feind

Als 1989 die UdSSR wankte, erhob der globalistische Traum das Haupt und brachte Amerika dazu, seine weltweite Präsenz zu verstärken. Auf dem Totenbett des Kommunismus bot ein neuer globaler Feind einen neuen Vorwand für die globale Machtprojektion: der islamistische Terrorismus.

Während des Kalten Krieges hatten die Amerikaner diesen Feind gedeihen lassen, damit dieser sozialistische Revolutionen verhindert, die sich dem sowjetischen Russland zugewandt hätten. Der sunnitische Islamismus war der Verbündete der Amerikaner gegen das sowjetische Russland in Afghanistan gewesen. Dies war die Geburtsstunde der sunnitischen islamistischen Kombattanten, der Matrix von Al Qaida wie auch der der algerischen Islamisten.

Dann gab es 1979 die schiitische fundamentalistische Revolution und die Abkehr der USA vom Shah von Iran. Washingtons Kalkül war dabei, dass sich der schiitische fundamentalistische Iran, – im Gegensatz zu einer marxistischen Revolution -, nicht mit der UdSSR verbünden würde, und dass er ein Gegengewicht zu den sunnitischen Fundamentalisten bilden würde.

In der arabischen Welt waren es die Muslimbrüder, die von Ägypten bis Syrien gefördert wurden. Washington drängte den Irak zum Krieg gegen den Iran und umgekehrt, gemäß des Prinzips des “let them kill themselves” (lasst sie sich gegenseitig umbringen), das bereits bei Deutschland und Russland angewandt worden war, mit dem Ziel, den arabischen Nationalismus auszulöschen, der den israelischen Interessen widersprach. Dieses Bündniss bestand bis nach dem Untergang der UdSSR fort. Es war bei der Zerstörung Jugoslawiens am Werk, und bei der Schaffung zweier muslimischer Staaten in Europa: Bosnien-Herzegowina und der Kosovo.

Der Islamismus war den Amerikanern immer nützlich gewesen, sowohl als Verbündeter gegen den Kommunismus während des Kalten Krieges, wie auch in seiner neuen Funktion als offizieller Feind nach dem Ende der Bipolarität. Natürlich gibt es die Islamisten wirklich; sie sind keine eingebildete Schöpfung Amerikas; sie können unbestreitbar Schaden anrichten und destabilisieren. Aber auch wenn sie Menschen töten, werden sie die Kräfteverhältnisse in der Welt nicht ändern können.

Der Krieg gegen den Islamismus ist nur der offizielle Deckmantel eines viel realeren Krieges: der Krieg Amerikas gegen die Mächte Eurasiens.

Nach dem Verschwinden der UdSSR wurde den Amerikanern deutlich, dass eine Kontinentalmacht, durch die Kombination ihrer demographischen Masse und ihres industriellen Potenzials, das Projekt des Globalen Amerikas zum Scheitern bringen könnte: China. Der großartige industrielle und kommerzielle Aufstieg Chinas gegenüber Amerika erinnert an die Situation Deutschlands, das am Vorabend des Ersten Weltkrieges gegenüber den angelsächsischen Thalassokratien aufholte und sie zu überholen drohte. Dies war der wichtigste Grund für den Ersten Weltkrieg.

Der Gedankengang der amerikanischen Strategen lautet wie folgt: wenn China mit seinem wirtschaftlichen Aufstieg und seiner geopolitischen Unabhängigkeit zur wichtigsten Großmacht aufsteigt und dabei sein konfuzianisches Modell beibehält, das ihn von der westlichen Demokratie abschirmt, dann bedeutet dies das Ende des “Globalen Amerika”. Dann müssten die Amerikaner auf ihr “Prinzip der Offenkundigen Bestimmung” (Principle of Manifest Destiny) von 1845, sowie auf den Messianismus ihrer Gründerväter verzichten.

Als die UdSSR gerade zusammengebrochen war, dachten die amerikanischen Strategen bereits darüber nach, wie sie den Aufstieg Chinas würden eindämmen können. Vermutlich verstanden sie damals, wie aktuell der Gedankengang Mackinders ist. Die Angelsachsen hatten zuerst das eurasische Projekt Deutschlands beendet, dann das der Russen; jetzt mussten sie das der Chinesen beenden. Erneut wollte die See das Land kontern.

Die humanitären Kriege und der Krieg gegen den Terrorismus würden die neuen Vorwände sein, die über die wirklichen Ziele des neuen großen eurasischen Krieges hinwegtäuschen sollten: China als Ziel und Russland als Bedingung um diese Schlacht zu gewinnen.

China als Ziel, weil China die einzige Großmacht ist, die Amerika in einem Zeithorizont von zwanzig Jahren den Rang ablaufen könnte. Russland als Bedingung, da von seiner strategischen Ausrichtung sich in weiten Teilen die Organisation der Welt von morgen ergeben wird: unipolar oder multipolar.

Gegenüber China entwickelten die Amerikaner eine neue globale Strategie, die auf mehreren Punkten beruhte:

– Ausdehnung eines erweiterten transatlantischen Blocks bis an die Grenzen Russlands und den Westen Chinas.

– Kontrolle der Energieabhängigkeit Chinas.

– Einkreisung Chinas, indem Bündnisse mit den jahrhundertealten Gegnern des Reichs der Mitte gesucht oder verstärkt werden (Indien, Vietnam, Korea, Japan, Taiwan…).

– Aufhebung des Gleichgewichts zwischen den großen Atommächten durch die Entwicklung eines Raketenabwehrschirms.

– Instrumentalisierung des Separatismus (in Serbien, in Russland, in China bis an die Grenzen Indonesiens) und neue Grenzziehungen (im arabischen Mittleren Osten).

Washington hatte nach 1990 geglaubt, Russland auf seine Seite ziehen zu können, um einen großen transatlanischen Block von Washington bis Moskau zu bilden, in dessen Mitte sich eine europäische Peripherie befindet, die seit dem europäischen Zusammenbruch von 1945 atlantisch ausgerichtet ist. Dies drückte 1989 George Bush senior aus, als er zur Bildung einer Allianz “von Wladiwostok bis Vancouver” aufrief; gewissermaßen die weiße Welt organisiert unter der Vorherrschaft Amerikas, paradoxerweise einer Nation, die ab 2050 nicht mehr mehrheitlich weiß sein wird.

Die Ausdehnung des transatlantischen Blocks ist die erste Dimension des großen eurasischen Spiels. Die Amerikaner haben nicht nur die NATO nach dem Verschwinden des Warschauer Pakts am Leben erhalten, sie haben ihr neue Kraft gegeben: zuerst hat sich die NATO vom klassischen Völkerrecht  (Kriegseinsatz nur im Falle einer Aggression gegen ein Mitgliedsland der Allianz) zum Recht auf Intervention weiterentwickelt. Anschließend hat die NATO die Länder Mittel- und Osteuropas aufgenommen. Die baltischen und jugoslawischen Räume (Kroatien, Bosnien, Kosovo) wurden Teil der Einflußsphäre der NATO.

Um die NATO noch weiter auszudehnen und die Schlinge um Russland zusammenzuziehen, haben die Amerikaner bunte Revolutionen angezettelt (Georgien 2003, Ukraine 2004, Kirgisien 2005). Diese gewaltfreien politischen Umstürze, finanziert und unterstützt von amerikanischen Stiftungen und NGOs, zielten darauf ab, antirussische Regierungen einzusetzen. Sogleich an der Macht, verlangte der pro-westliche Präsident der Ukraine natürlich den Abzug der russischen Flotte aus den Häfen der Krim und den Beitritt seines Landes in die NATO. Der georgische Präsident setzte sich ab 2003 ebenfalls für den Beitritt seines Landes in die NATO und den Abzug der russischen Friedenstruppen ein, die seit 1992 zum Schutz der abchasischen und südossetischen Bevölkerung in seinem Land stationiert waren.

Seite 3: Europa muss aufwachen

Print Friendly, PDF & Email
Filed in: Dossier Tags: , , , , , , ,

Ähnliche Artikel:

<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>Establishment</span><br/>Trump und das Eherne Gesetz der Oligarchie Establishment
Trump und das Eherne Gesetz der Oligarchie
<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>Nationale Erzählungen und Parteienwettbewerb</span><br/>Profillosigkeit, Heimatverlust, Verschwörungsvorwürfe Nationale Erzählungen und Parteienwettbewerb
Profillosigkeit, Heimatverlust, Verschwörungsvorwürfe
<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>Ostpolitik</span><br/>Die verkannte Demütigung der Russen Ostpolitik
Die verkannte Demütigung der Russen

7 Kommentare zu "Geopolitik
Russland, Hindernis für das “Globale Amerika”"

  1. Hallo sagt:

    Also dass die USA eine liberale und demokratische Welt wollen, so wie sie von ihren Gründervätern erwünscht war, lässt sich doch schon daran widerlegen, dass die USA viele Diktaturen (Saudi-Arabien, Quatar etc.) unterstützen oder sogar den Umsturz von demokratisch gewählten Politikern bewirkt haben (Salvatore Allende etc.).

    • tiara013 sagt:

      Man könnte sich auch ansehen, wie viele der USA-Gründerväter persönlich Sklavenhalter waren. Thomas Jefferson etwa (Präsident 1801–1809) war Besitzer einer Tabak-Plantage in Virginia, auf der versklavte Afrikaner arbeiteten. Jefferson war es, der “all men are created equal” in die US-Unabhängigkeitserklärung schrieb. Aber natürlich, auch von jenen die keine Plantagen besassen, gab es keine Gegnerschaft zur sklavereibasierten Plantagenökonomie. Das “Liberale” galt nur für Jene, die als gleichrangig gesehen wurden, und das wurden auch viel später auch Iren (Einwandrerer) oder Spanier (Krieg 1898) nicht

  2. blogfighter sagt:

    Eine hervorragende Analyse, die in fast allen Erkenntnissen übereinstimmt (und sie ergänzt) mit der hervorragenden Analyse Egon Bahrs in “Das Blättchen”, deren Studium und Propagierung ich ebenfalls nur empfehlen kann/muss: http://das-blaettchen.de/2012/06/im-gespraech-mit-egon-bahr-12607.html

  3. vonkorf sagt:

    Keine Frage, die USA, das meint, bestimmte sehr einflussreiche Figuren aus Finanzwelt und Wirtschaft, wollen die gesamte Welt (den Globus) nach ihren Bedürfnissen gestalten. Ein solcher Vorgang erfordert zudem die Kontrolle des öffentlichen Bewusstseins mit dem Ziel, den entsprechenden Konsens im Volke zu organisieren, ohne dass das Volk zustimmt. Adäquat ist beispielsweise die permanente Berichterstattung in den wichtigsten Medien. Was aber für Uncle Sam gut ist, wird nicht zwangsläufig gut für andere sein.

Einen Kommentar hinterlassen

Kommentar abschicken

le-bohemien