Das Ende aktiver Wirtschaftspolitik

Von Eric Bonse

Redwolf2, "Wolfgang Schäuble". Some rights reserved. Quelle: wikimedia.orgDie Masterpläne zur Überwindung der Eurokrise und zum Aufbau einer “echten” Wirtschaftsunion häufen sich. Nach Van Rompuy I und II hat nun auch Finanzminister Schäuble eigene Vorschläge für einen neuen “Euro-Staat” (“Die Zeit”) vorgelegt, die offenbar mit Kanzlerin Merkel abgestimmt sind. So unterschiedlich die Pläne im Detail sind, eins ist ihnen allen gemein: Sie bauen auf dem umstrittenen Fiskalpakt auf, höhlen das nationale Budgetrecht weiter aus und machen eine aktive, antizyklische oder gar expansive Wirtschafts- und Finanzpolitik fast unmöglich.

Als vor zehn Monaten der Fiskalpakt aus dem Hut gezaubert wurde – in einem Coup des Merkozy-Duos, gegen die gesamte EU-Spitze, ohne Rücksicht auf Großbritannien – sollte dies der Grundstein für eine neue, krisensichere Währungsunion sein. Zusammen mit dem dauerhaften Rettungsschirm ESM und der EZB-Geldschwemme für die europäischen Banken, so gab sich Kanzlerin Merkel noch auf dem März-Gipfel sicher, würde dieser Pakt die akute Phase der Eurokrise beenden und den Krisenstaaten einige Jahre Luft verschaffen.

Tatsächlich wurde alles nur noch schlimmer. Fiskalpakt und ESM sorgten für einen Regierungswechsel in Frankreich, eine Verfassungskrise in Deutschland, und eine Flucht der Krisenstaaten vor den Euro“rettern“. Heute möchte sich niemand mehr dem Schreckensregime der Troika im ESM unterwerfen, und der Fiskalpakt ist bereits in mehreren Ländern gescheitert (u.a. Spanien, Portugal, Niederlande). Grund genug, den hoffnungslosen Kurs der Austeritätspolitk und der Spar- und Reformdiktate zu verlassen, und wenigstens einige Elemente einer wachstums- und beschäftigungsfreundlichen Wirtschaftspolitik einzuführen, sollte man meinen.

Man könnte z.B. den zahnlosen Wachstumspakt aufstocken, die sozialen und ökologischen Ziele der EU-Agenda 2020 in das Reformprogramm aufnehmen und das EU-Budget derart aufstocken, dass sich all dies finanzieren ließe. Man könnte auch eine „Wirtschaftsregierung“ einführen, die diesen Namen verdient. Sie würde sich nicht nur um Budgetdisziplin, sondern auch um Wachstumsimpulse kümmern und Länder wie Deutschland, die Niederlande und Finnland, die das Spitzenrating „AAA“ genießen, zu einer expansiveren Finanzpolitk ermuntern – mit Steuersenkungen. Lohnerhöhungen, weniger strikten Sparvorgaben etc. pp.

Entsprechende Vorschläge liegen auf dem Tisch, namhafte Brüsseler Thinktanks wie Bruegel haben sie durchgerechnet und ausformuliert. Doch auf dem EU-Gipfel Ende dieser Woche ist davon nichts zu sehen. Van Rompuy, Schäuble & Co. haben sich nur den wohlfeilen Slogan „mehr Europa“ zu eigen gemacht, um weniger Budgethoheit, weniger wirtschaftspolitische Spielräume und weniger Demokratie durchzusetzen. Wer sich ihre Entwürfe durchliest, wird Worte wie expansive Finanzpolitik, antizyklische Wirtschaftspolitik oder gar ehrgeizige Wachstums- und Beschäftigungsziele vergeblich suchen.

Überall herrscht die Logik von Austerität und neoliberaler Reform vor. Der Fiskalpakt soll noch restriktiver werden, Liberalisierung und Privatisierung werden durch „Reformverträge“ weiter vorangetrieben, Geld gibt es nur für gefolgsame Schüler der Agenda 2010. Van Rompuy denkt immerhin noch über ein gemeinsames Euro-Budget nach, um „asymetrische Schocks“ abzufedern. Bei Schäuble ist auch davon keine Rede mehr; stattdessen will er den nicht gewählten Wirtschafts- und Währungskommissar zum Euro-Finanzminister machen, der zwar über kein Budget und keine Steuern, dafür aber über absolute Kontroll- und Disziplinierungsmittel verfügt. Das ist selbst dem ARD-Korrespondenten R.-D. Krause zu viel: „Schäubles Vorschläge hebeln die Demokratie aus“, kritisiert er.

Wer gehofft hatte, dass sich das Europaparlament gegen diesen Putsch der Exekutive auflehnt, sieht sich wieder mal enttäuscht. Ein Positionspapier der MEPs enthält zwar viele wichtige Punkte wie einen Schuldentilgungsfonds oder eine Jobgarantie für Jugendliche, doch er bricht nicht mit der fatalen Logik der Euro-“Retter“. Selbst das eklatante Demokratiedefizit nehmen die Europaparlamentarier mehr oder weniger achselzuckend hin – schließlich sollen sie ja irgendwie in die künftigen Strukturen eingebunden werden. Für sie wird “mehr Europa” also einige Vorteile bringen, auf jeden Fall mehr Macht.

Die Bürger hingegen müssen sich auf mehr Zumutungen gefasst machen. Wenn es nach Schäubles Plan läuft, dürfen sie 2014, bei der nächsten Europawahl, über die neue EU-Reform abstimmen. Doch für eine andere Wirtschafts- und Finanzpolitik dürfte es dann schon zu spät sein…

Eric Bonse ist Journalist und bloggt über die EU-Politik auf Lostin EUrope, wo auch dieser Artikel ursprünglich erschien.

Artikelbild: Redwolf2, “Wolfgang Schäuble”. Some rights reserved. Quelle: wikimedia.org

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3 Kommentare zu "Das Ende aktiver Wirtschaftspolitik"

  1. Pistepirkko sagt:

    Klar doch!
    Neo-Lib.
    Wir werden alles tun damit die, die schon alles haben noch mehr haben werden, damit diese das Geld dadurch vermehren indem man (Staaten) es sich von ihnen leiht.
    Wer die Schulden kontrolliert, kontrolliert den Konflikt.
    War schon immer so, aber wir können es ändern!

    • cashca sagt:

      @Pistepirkko
      aber wir können es ändern!
      ———–
      Schön wär´s, aber der Zug ist abgefahren.Die haben alles schon soweit vorangetreiben, da gibt es keine Einwirkungsmöglichkeiten mehr von Seiten der .Bürger. Das haben alle verpennt, sie waren naiv und gutgläubig, jetzt gibt es kein Zurück mehr.
      Die nächste Wahl wird genauso verlaufen wie die Letzte, die Krisen-Verursacher-Parteien und Politiker werden wieder gewählt werden. die Masse hat noch nicht begriffen, welches Spiel da gespielt wird. Sehen sie die Umfragen, die Macht der Medien, alles wird in die gewünschte Richtung gesteuert.
      Wir können da gar nichts mehr ändern.

  2. Viator sagt:

    Dass man das Volk über eine Reform abstimmen lassen wird, glauben Sie doch wohl selbst nicht… und falls, dann wird eben so oft abgestimmt und fleissig Propaganda betrieben, bis die Mehrheit dafür ist. Natürlich zahlt für beides auch wieder das Volk, so gesehen wäre es fast schon schlau, beim ersten Mal dafür zu stimmen oder den Regenten gleich einen uneingeschränkten Freischein für jede Massnahme auszustellen. Dahin soll’s ja im Endeffekt sowieso gehen.

    Mir fällt zur momentanen EU-Lage und dem Bestreben der EU-Politiker nur folgendes Zitat ein: “Die Definition von Wahnsinn ist, immer wieder das Gleiche zu tun und andere Ergebnisse zu erwarten.” ~Albert Einstein

    Aber eigentlich ist es noch viel schlimmer. Man tut nicht nur wiederholt das Gleiche, sondern setzt jedesmal noch einen drauf, frei nach dem Motto: Ein Schlag mit dem Hammer tut unheimlich weh, aber zwei Schläge werden sicher gut tun. Versuchen wir es mal.

    Böse Zungen mutmassen, dass hinter dem Wahnsinn eine andere Agenda verborgen liegt. Dafür spricht zumindest, dass es so viel konzentrierte Dummheit und Inkompetenz unmöglich geben kann, ohne dass ein schwarzes Loch entsteht, aber vielleicht stehen wir ja auch schon am Ereignishorizont.

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