DiEM25
Yanis Varoufakis lässt es im Theater donnern

Die von Yanis Varoufakis ins Leben gerufene Initiative DiEM25 droht wie Syriza zwischen der Dialektik von radikaler Rhetorik und neoliberaler Realpolitik zu versanden.

yanis varoufakis

Trotz der vielen Jubelmeldungen über die erfolgreich praktizierte Wirtschaftspolitik in der Eurozone, lassen sich die Fakten nicht verleugnen. Das Eurozonen BIP hat bislang noch immer nicht wieder das Niveau von 2007 erreicht und die Arbeitslosigkeit beträgt noch immer nahezu 11%. In vielen südlichen Ländern der Eurozone, wie z.B. in Spanien, Portugal und Griechenland, droht gar einer ganzen Generation der unumkehrbare wirtschaftliche und soziale Abstieg und bleibt als Ausweg oft nur noch die Emigration. Die Deindustrialisierung in vielen Ländern der Eurozone – selbst von Gründungsmitgliedern der EU wie Italien und Frankreich – schreitet weiter voran und auch in den vermeintlichen nördlichen Siegerländern führt der neoliberale Wirtschaftskurs der dort Regierenden zu Sozialabbau und zunehmender sozialer Spaltung.

Kein Zweifel kann daran bestehen, dass für das wirtschaftliche und soziale Desaster der Eurozone die Medizin der von der deutschen Bundesregierung angeführten Marktradikalen mit Namen „Austerität“ dazu einen ganz wesentlichen Beitrag geleistet hat und dass in den „Programmländer“ elementarste Anforderungen an demokratisch legitimierte Entscheidungsprozesse verletzt und diese Länder zu bloßen Befehlsempfängern der Troika degradiert wurden.

Bis hier hin dürfte es unter europäischen Linken kaum einen Dissens geben. Dissens aber gibt es darüber, welche politische Strategie unter den gegebenen Umständen als zielführend erachtet werden kann, um den Menschen gerade in den Krisenländern wieder die Möglichkeit zu geben, ihre wirtschaftliche und soziale Situation rasch zu verbessern und ihre demokratische Souveränität wieder herzustellen.

Ich habe in vielen Beiträgen kein Geheimnis daraus gemacht, dass ich als den einzig gangbaren Weg die Auflösung der Europäischen Währungsunion erachte (z.B. hier). Denn ohne dass diese Länder wieder über eine eigene Zentralbank verfügen, die es ihnen erlaubt, eine expansive Fiskalpolitik zu betreiben und durch Abwertung die entstandene Wettbewerbslücke mit kluger Wirtschaftspolitik zu schließen, wird es keinen wirtschaftlichen Aufschwung in vielen Ländern der Eurozone geben können, der die dort entstandene Massenarbeitslosigkeit zu beseitigen imstande ist und wird die Souveränität des Volkes durch die Macht von Kapitalmärkten und EZB ersetzt bleiben.

Wer die Rückübertragung bestimmter Kompetenzen, wie z.B. der Währungssouveränität, von der EU auf die nationalstaatliche Ebene fordert, muss, wie die Reaktionen auf Wagenknechts entsprechenden Vorstoß zeigten, damit rechnen von der politischen Linken entweder ignoriert oder gar als „sozialnationalistisch“ diffamiert zu werden (hier habe ich darüber berichtet und dazu Stellung genommen). Warum aber ist die Forderung nach der Übertragung von Kompetenzen von der EU- auf die Nationalstaatsebene abzulehnen und wie sieht eine realistische Alternative zu dieser Strategie aus?

Üblicherweise wird behauptet, dass die europäische Integration ein richtiger Schritt hin zur Überwindung des Nationalstaates sei, der in Zeiten der Globalisierung eh die vielen Probleme der Menschheit nicht zu lösen vermag und mit der Integrationsleistung der EU die reale Gefahr innereuropäischer kriegerischer Konflikte gebannt worden sei. Kaum wird auf die Frage eingegangen, wie eine demokratische Ordnung jenseits des Prinzips der nationalen Souveränität genau aussehen soll und kann.

Vor diesem Hintergrund ist die von Yanis Varoufakis ins Leben gerufene Initiative DiEM25, deren primäres Ziel ja die Gründung der „Vereinigten Staaten von Europa“ ist, durchaus zu begrüßen. Denn anstatt nebulös über die Demokratisierung der EU zu reden, wird hier – wenn auch eher implizit – zuzugeben, dass ohne ein Parlament, das den Willen der europäischen Bürger repräsentiert und ohne exekutive Organe, die ihm entsprechend zu handeln in der Lage sind, von Demokratie keine Rede sein kann.

Freilich dürfte selbst von Berufsoptimisten der geplante Zeitpunkt der feierlichen Vereinigung der Völker der EU im Jahre 2025 als arg ehrgeizig erachtet werden und es stellt sich die Frage, was man in der möglicherweise doch auch sehr viel längeren „Zwischenzeit“ genau zu tun gedenkt, um den wirtschaftlichen und sozialen Problemen in der EU zu begegnen. In dem Manifest der DiEM25 liest man dazu, dass die „aktuelle Wirtschaftskrise mit den bestehenden Institutionen und im Rahmen der bestehenden EU-Verträge“ angegangen werden soll. Wie sich das mit der dort auch zu findenden Behauptung verträgt, dass für den erbärmlichen Zustand der Eurozone „eine gemeinsame Bürokratie und eine gemeinsame Währung“ verantwortlich zu machen sind und „ heute die europäischen Völker trennen“, bleibt das Geheimnis von Varoufakis und seinen Mitstreitern.

Der als radikal medial inszenierte Widerstand in der Berliner Volksbühne gegen die EU-Nomenklatura erweist sich damit aber als Theaterdonner, der der Empörung besorgter und wohlmeinender Menschen aus ganz Europa ein Ventil bietet, um den aufgestauten Frustrationsdampf ablassen zu können. Während das für die Psyche dieser Menschen als durchaus begrüßenswert zu beurteilen ist, ist diese Initiative für die Organisation wirksamen politischen Widerstands als fatal zu erachten. Denn die EU und der Euro werden als alternativlos gezeichnet und insinuiert wird gar, dass die Probleme der EU mit etwas gutem Willen selbst innerhalb der bestehenden Institutionen begegnet werden kann.

Das Ergebnis dieser Dialektik von radikaler Rhetorik und neoliberaler Realpolitik lässt sich gerade in Griechenland bestaunen, wo eine sich selbst als linksradikal verstehende Partei, die von der Troika vorgeschriebene Politik exekutiert. Vor diesem Hintergrund macht dann auch das auf der Eintrittskarte zur Auftaktveranstaltung der DiEM25 aufgedruckte Motto überraschend viel Sinn: „Announcing the Democrazy“.

Dieser Artikel erschien ursprünglich bei flassbeck-economics

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Ein Kommentar zu "DiEM25
Yanis Varoufakis lässt es im Theater donnern"

  1. fakeraol sagt:

    > ” … und ihre demokratische Souveränität wieder herzustellen.”
    Hat es die überhaupt je gegeben? Und welches Ereignis hat dazu geführt, daß ihnen die abgenommen werden konnte?
    Antort: KEINS, die rechtlichen Verhältnisse waren schon immer so, nur der Umgang damit hat sich verändert: jetzt nutzen Politiker die Möglichkeiten aus, die sie schon immer hatten.

    Wer nur diesen Umgang der Politiker mit der Macht wieder ändern will, der entscheidet sich für einen ewigen Kampf des Don Quichotte gegen die Windmührenflügel, in dem die jetzige Situation jederzeit wieder eintreten kann.

    Wer jetzt “andere Parteien wählen” will, egal ob aus Protest eine, die unter 5% bleibt, oder um die regierende Partei abzustrafen eine der anderen großen etablierten, die alle auch das gleiche Konzept verfolgt haben, der ändert garnichts, denn ob in Regierung oder “Opposition”, alle diese Parteien bleiben weiter an der Macht beteiligt.

    Jeder Wähler stimmt aber mit der bloßen Teilnahme an dieser Veranstaltung schon dem Prinzip an sich zu, durch jemand anderen vertreten zu werden, über dessen Handlungen er keine Kontrolle mehr hat. Er gibt damit seine zuStimmUng dazu, was auch immer Politiker beschließen, mitzutragen. Ob Waffenexporte an Diktaturen, Angriffskriege, Bankenrettung und Sozialabbau, Verschärfung des Überwachungsstaates, der auch Voraussetzung und Mittel für den deutschen Faschismus war (und diesen wieder ermöglichen könnte), all diese Möglichkeiten für Politiker legitimiert er mit seiner Stimme.
    Er legitimiert, daß in seinem Namen und mit seiner Zustimmung solche Entscheidungen getroffen werden können, er nimmt auch ertrunkene Flüchtlinge als Ergebnis dieser Politik in Kauf, er erklärt sie als Ergebnis der in seinem Namen durchgeführten Politik für akzeptabel.

    Wenn wir eine humane Welt wollen, dann müssen wir zuerst die Grundlagen des Zusammenlebens auf dieser Welt neu definieren und wir dürfen niemandem mehr erlauben, sich für die freiwillige Abgabe seiner Selbstbestimmung, seiner Freiheit; sich vor der Verantwortung für die Folgen wegducken zu dürfen.

    Der General kann nur befehlen, wenn die Soldaten folgen, nur durch ihre Unterwerfung erhält er Macht, nur durch ihre Verantwortungslosigkeit.

    Schon die Behauptung, das Volk habe in diesem Land je die Souveränität, die Freiheit der selbstbestimmten Entscheidung, besessen, ist falsch.
    Was entschieden werden darf, bestimmen Politiker, und diese Entscheidung beschränkt sich lediglich darauf, eine Auswahl zwischen größeren und kleineren Übeln zu treffen, aber schon die Feststellung, daß keines der zur Auswahl stehenden Angebote unsere Minimalanforderungen erfüllt, ist nicht erlaubt, und daß sich das vermeindlich kleinere Übel regelmäßig als Mogelpackung herausstellt und die anderen Übel noch übertrifft, begründet kein Reklamationsrecht (und das weiß auch jeder Wähler schon vorher!). Die Entscheidung ist also die zwischen Mitläufer und Mittäter; und der als Rebell den bestehenden Machtverhältnissen die Unterwerfung zu verweigern und selbstbestimmt und frei im Bewusstsein der eigenen Verantwortung und Haftbarkeit Entscheidungen gemeinsam mit anderen Likedeelern zu treffen.

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