Hollywood machte Oskar Schindler weltberühmt. Doch nun könnte das Buch einer tschechischen Historikerin das verbreitete Bild vom “guten Nazi” relativieren.
Von Norbert Haenschke
Als der Sarg des überraschend verstorbenen Hans Wieck abtransportiert wird, steht bereits ein Kamerateam vor dem Haus, um der Welt mitzuteilen, dass dieser nicht nur Diplomat und Geschäftsmann, sondern auch selbstloser Retter hunderter Juden gewesen sei. So endet der Film „Gloomy Sunday“. Der Zuschauer weiß es besser: dieser Wieck war ein typischer Kriegsgewinnler, der zwar wohlhabenden Juden für Geld Ausreisepapiere besorgte, andere aber mit leeren Versprechungen hinhielt. Hinterbliebene eines so Betrogenen haben jetzt Rache geübt.
Man denkt hier unweigerlich an Oskar Schindler und fragt sich: was macht uns eigentlich sicher, dass dieser anders war? Ohne Spielbergs Autoritätsbeweis wäre man kaum bereit, die Geschichte vom fingierten KZ zu glauben, würde bezweifeln, dass alles Bestechungsgeld der Welt ausgereicht hätte, so eine gigantische Täuschung aufrecht zu erhalten. Tatsächlich konstatierte eine amerikanische Schindler-Biographie bereits 2004: Ein Held war er nicht.
Weitaus heftigere Kritik kommt aus Osteuropa, unter anderem von der tschechischen Historikerin Jitka Gruntova, deren Buch „Die Wahrheit über Oskar Schindler“ jetzt in deutscher Übersetzung vorliegt.
Zwei Dinge fallen auf: erstens, die positiven Zeugnisse über Schindler stammen meist von höheren Angestellten aus seiner direkten Umgebung, während den Aussagen einfacher Fabrikarbeiter wenig Beachtung geschenkt wurde. Laut den von der Autorin gesammelten Berichten gab es auch in Schindlers Fabriken Hunger und Misshandlung, und die Sterblichkeit war keineswegs geringer als in vergleichbaren Arbeitslagern. Er selbst war zwar nicht gefürchtet, wurde aber auch nicht als Verbündeter betrachtet. Kleine humanitäre Gesten kamen meist von seiner Frau.
Dass Arbeiter dem Herrn Direktor Schindler aus Dankbarkeit einen Ring schmiedeten, gehört für Frau Gruntova ins Reich der Legende.
Der zweite überraschende Aspekt ist Schindlers Rolle als Doppelagent: Seinen Vertrauten deutete er an, sowohl für die Engländer als auch für den Nachrichtendienst des JOINT American Jewish Distribution Committee zu arbeiten. Vor allem aber, belegt die Autorin, blieb er bis zum Schluss der Deutschen Abwehr treu, der er schon vor dem Krieg gedient hatte. Diese betrieb ganz offiziell den Freikauf von Juden zur Sanierung der deutschen Kriegskasse – was einige von Schindlers Aktivitäten in anderem Licht erscheinen lässt. Selbst seine Kontaktaufnahme mit JOINT könnte im Auftrag der Abwehr erfolgt, der Fabrikdirektor Schindler gar nur eine übliche Tarnung des Agentenführers Schindler gewesen sein.
Auch wenn man nicht jeder These folgt: klar wird, dass eine – unter Schindlers Zutun entstandene – Heiligenlegende den Blick auf die Historie verstellt. Nicht Wahrheitsliebe ermöglichte ihm, den NS-Apparat auszutricksen und nicht Wahrheitsliebe verhalf ihm später zur Berühmtheit.
“Schindlers Liste” ist ein Hollywood-Film. Es ist eine dramatische und darum unterhaltsame Geschichte über Heldentum, wie so viele anderen Hollywood-Produktionen. Sowas darf man nicht übermässig ernst nehmen, genauso wenig, wie Abraham Lincoln gegen Vampire gekämpft hat. Dass es trotzdem getan wird, beweisst nur Spielbergs Fähigkeiten, eine bewegende Geschichte cinematisch umzusetzen.
hat man dem schindler nicht ein denkmal in israel gesetzt? und hat spielberg nicht mehr getan in bezug auf schindlers verehrung als nur einen film zu drehen.
So war er, der gewöhnliche Faschismus!
@Klaus Baum: “Denkmal” ist knapp daneben. Schindler wurde als Gerechter der Völker geehrt. Bei Wikipedia steht – unauffällig verkürzt – Schindler pflanzte 1962 einen Baum in der Allee der Gerechten. Hinzuzufügen wäre noch: er tat es nicht zum offiziell bekannt gegebenen Termin, da zwei ehemalige Häftlinge dagegen protestiert hatten.
Nathan Wurzel und Julius Wiener, beide aus Krakau stammende, nunmehr in Israel ansässige Juden, fühlten sich von Schindler um ihr Eigentum betrogen, Wurzel gab außerdem an, Schindler habe einen SS-Mann aufgefordert, ihn zu verprügeln.
Fairerweise muss man noch sagen, dass Schindler seinerseits schwere Vorwürfe gegen Wurzel hatte: er habe im Auftrag von SS-Leuten betrügerische Fluchthilfeangebote an Juden vermittelt.
Die volle Ehrung inklusive Medaille erhielt Schindler erst posthum: Sie wurde Emilie Schindler überreicht, als diese 1993 zum Dreh der Schlußszene von “Schindlers Liste” nach Israel kam.
Alle diese Angaben können in David M. Crowe “Oskar Schindler – die Biographie” nachgelesen werden. NH.