Warum der Westen Russland braucht

Die erstaunliche Wandlung des Zbigniew Brzezinski

Von Hauke Ritz

Der 1928 geborene Zbigniew Brzezinski ist eine der schillerndsten Figuren der außenpolitischen Elite der Vereinigten Staaten. Seine Schriften bestechen durch ihren Sinn für die machtpolitische Realität und irritieren zugleich durch die Konsequenz, mit der diese Machtpolitik entfaltet wird. Da Brzezinski an der Gestaltung des Kalten Krieges aktiv beteiligt war und bis heute eng mit den politischen Eliten Amerikas verbunden ist, sind seine Bücher nicht nur historische, sondern immer zugleich auch politische Dokumente, die einen tiefen Einblick in das Selbstverständnis amerikanischer Außenpolitik gewähren.

Nun ist Brzezinski mit einem neuen Buch an die Öffentlichkeit getreten. Dieses trägt den Titel „Strategic Vision“ und ist insofern höchst bemerkenswert, als Brzezinski darin eine weitreichende politische Wende vornimmt. Er fordert eine umfassende Revision der bisherigen Ausrichtung der amerikanischen Außenpolitik seit dem Ende des Kalten Krieges. Die zentrale These des Buches lautet, dass die USA sich heute in einer ähnlichen Situation befinden wie die Sowjetunion in den 80er Jahren.

Ging es in seinem letzten großen Buch „The Grand Chessboard“ noch darum, die politische Kontrolle über Zentralasien zu gewinnen und sprach er 2008 immerhin noch von einer „Second Chance“ zur Errichtung einer unipolaren Welt, so gesteht er jetzt ein, dass der Machtverlust der USA und die multipolare Welt Realität geworden sind. Damit kommt es zu einer ganzen Reihe von Neubewertungen. Am erstaunlichsten ist, dass er seine radikale Gegnerschaft gegenüber Russland, die in all seinen früheren Büchern direkt oder unterschwellig präsent ist, aufgegeben hat. Mehr noch: Für das Überleben des Westens sei es zentral, Russland zu integrieren.

Von Carter zu Reagan

Die ganze Bedeutung dieser Kehrtwende wird jedoch erst verständlich, wenn man sich den Verlauf von Brzezinskis Karriere vergegenwärtigt. Man könnte Brzezinski als eine moderne Erscheinung des königlichen Beraters bezeichnen. In ihm verbinden sich die Eigenschaften eines politischen Denkers und kühlen Praktikers fast bis zur Ununterscheidbarkeit. Schon in seinen frühen Büchern wird seine Faszination für Macht und ihre Analyse deutlich. Seinem vorrangigen Interesse, die bestehenden Machtstrukturen im Dienste und Sinne der Vereinigten Staaten zu stärken, folgte auch seine Arbeit als Sicherheitsberater unter Jimmy Carter. Damals, in den Jahren 1977 bis 1981, war er direkt an der Ausgestaltung des Kalten Krieges beteiligt.

Waren Nixon und Kissinger noch primär um eine Erhaltung des Status Quo bemüht gewesen, interessierte Brzezinski von Beginn an die Frage, wie man den Kalten Krieg erneut verschärfen und zu einer endgültigen Entscheidung bringen könnte. Sein Einfluss muss auch deshalb hoch veranschlagt werden, weil viele seiner Konzepte anschließend auch von der Reagan-Administration fortgeführt wurden. 1998 enthüllte er in einem Interview mit der französischen Zeitung „Le Nouvel Observateur“, dass die USA bereits vor dem Einmarsch der Sowjetunion in Afghanistan die Mudschaheddin finanziell unterstützt hätten. Ziel dieser Politik sei es gewesen, so Brzezinski, die Wahrscheinlichkeit eines Einmarsches der UdSSR in Afghanistan zu erhöhen. Gefragt, ob er die Unterstützung fundamentalistischer islamischer Gruppen inzwischen bereuen würde, antwortete er: „Was soll ich bereuen? Diese verdeckte Operation war eine hervorragende Idee. Sie bewirkte, dass die Russen in die afghanische Falle tappten und Sie erwarten ernsthaft, dass ich das bereue. Am Tag, da die Russen offiziell die Grenze überschritten, schrieb ich Präsident Carter: Jetzt haben wir die Möglichkeit, der UdSSR ihr Vietnam zu liefern.“ Als der Interviewpartner nachhakt und auf die Verknüpfung von islamischem Fundamentalismus und Terrorismus hinweist, antwortet Brzezinski: „Was ist wohl bedeutender für den Lauf der Weltgeschichte? […] Ein paar verwirrte Muslime oder die Befreiung Mitteleuropas und das Ende des Kalten Krieges?“[1]

>> weiter in den ‘Blättern für deutsche und internationale Politik

Zum Thema:

– Russland, wichtigstes Hindernis auf dem Weg zum “Globalen Amerika”

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8 Kommentare zu "Warum der Westen Russland braucht"

  1. maschkom sagt:

    Das sind wahrlich brisante Erkenntnisse. Eine sehr schöne Aufarbeitung des Themas.

    “Wenn ich meinen Feind nicht besiegen kann, muss ich ihn umarmen.”

    Ob das wirklich ernst gemeint ist und vielleicht eine Art von Einsicht erkennbar sein wird, werden wir in Kürze erleben, wenn der Syrien Krieg überwunden ist.

    Eins ist doch klar, sollte es dann zu Glaubenskriegen in der Region kommen. Es ist zu befürchten, dass diese sich bis weit in die russischen Gebiete ausbreiten werden. Das ist für Russland eine ernste Bedrohung. Im Militär-Industriellen Komplex, dessen Berater Zbigniew Kazimierz Brzeziński ja war, oder immer noch ist, freuen sich alle schon ein Lock in den Arsch. Denn “Den Gegner ohne Krieg bezwingen” ist das höchste der Kriegskunst. Die Vermutung ist groß, dass dieses Szenario von Anfang an geplant war.

    Ich würde mich wirklich sehr über einen Sinneswandel freuen, wenngleich er sicher mit einem Zähneknirschen zustande kommt.

    Und noch ein Spruch, der wie die Faust aufs Auge passt. “In der Not frisst der Teufel Fliegen.” Sie werden alles tun, um in den Genuss der eigenen Vorteile zu kommen. Und wenn das eine angebiederte Freundschaft ist. (anbiedern = einschmeicheln)

    Wir werden sehen, welche Taten die Geschichte schreibt.

    Vielen Dank für die Information

  2. Honeymoon sagt:

    aaah, das erklärt es! ;) russlands wto-beitritt!
    lassen die eliten den derzeitigen “westen” etwa fallen?

  3. almabu sagt:

    Dieser intelligente Mann räumt damit praktisch ein, über Jahrzehnte seines Lebens als Strategieberater , falschen Strategien angehangen zu haben. Bemerkenswert!

    Kein Wort allerdings – so wird es ja erwähnt – zu seinem Anteil an der Verantwortung an zahlreichen Kriegen und Millionen von Toten verursacht durch die USA. Diese Einsicht kommt spät.

    Sie kam allerdings erst zu einem Zeitpunkt, als der wirtschaftliche, infrastrukturelle, soziale und politische Niedergang der USA unübersehbar geworden sind.

    Werden die USA sich zum Besseren wandeln, sich reformieren? Werden sie den kurzen Weg in eine Diktatur des militärisch-industriellen Komplexes gehen und eine eigene Faschismus-Variante einführen?
    Oder werden sie versuchen, durch Aktionen wie den Arabischen Frühling in allen Teilen der Welt, ihren Vorsprung durch systematische Zerstörung der wirtschaftlichen und sozialen Strukturen der Länder zu behaupten, nach dem Motto “unter den Blinden ist der Einäugige König”?

    Dieser Hintergrund spielt auch beim Währungskrieg gegen den Euro eine Rolle, denn an einem zu starken erfolgreichen Europa haben die USA kein Interesse. Es muss so zurechtgestutzt werden, dass es nicht auf dumme Gedanken kommt und kontrollierbar bleibt. Dafür bietet sich der Euro mit seinen Sollbruchstellen geradezu idealtypisch an…

  4. melanie Gatzke sagt:

    Die erstaunliche Wandlung des Zbigniew Brzezinski
    ——-
    Dieser Mann wandelt sich nicht, er ändert nur seine Taktik, seine Strategie.
    dieser Mann ist unberechenbar, gefährlich und er wird es bleiben. Er hat alles unter Kontrolle,
    Ohne ihn läuft nichts. Er ist der Strippenziehr für alle Machenschaften der USA Geheimdienste und Rebellionen der Welt . So ein alter verknöcherter Mann ändert sich niemals. Er lebt doch im Dauerrausch der Macht und der Kriegsvorbereitungen und Handlungen.

    • maschkom sagt:

      @melanie Gatzke; Da ist was dran. Es scheint so, dass sich nichts ändert. Anhand des Romney Wahlkampfes kann man bereits jetzt erkennen, dass es schon wieder los geht. Wenn sich die Militärindustrie hinter einen Kandidaten stellt, hat dieser eigentlich schon gewonnen. Obwohl der eigentlich keine Chance hätte. Er macht den Militärs das entscheidende Angebot. Romney möchte die USA wieder zur Supermacht machen. Da winken riesen Geschäfte bei den Militärs und bei den Finanzinstituten, die den Wahlkampf finanzieren.

      Was folgt daraus? Erneute Erpressungen in der Welt. Wer nicht will, bekommt einen Bürgerkrieg frei Haus geliefert, bis er will. Da kommen wir zur Strategie Vision Brzezinskis, der die Welt mit “Friedlichen und anderen Mitteln” davon überzeugen möchte, dass die USA die Führungsrolle in der Weltregierung übernehmen muss.

      Russland wird eingekreist und umzingelt sein, von Staaten, die ihre Souveränität aufgeben werden. Die Frage ist, was China machen wird und ob Russland aufgeben wird.

      Aber die entscheidende Frage ist: Warum? Warum soll Russland auf diese Art bezwungen werden? Warum bekommt man es nicht hin, ‘Leben und Leben lassen’ regieren zu lassen?

      Weil der Finanzmarkt Russlands noch nicht den Rothschilds und Co. gehört? Weil Russland zu viele wertvolle Bodenschätze besitzt?

  5. eco sagt:

    maschkom hat geschrieben: “Aber die entscheidende Frage ist: Warum?”

    Warum?

    Zbigniew Brzezinski hat nicht in allen Dingen recht, man kann auch Russland schlichtweg noch mindestens ein Jahrhundert ignorieren, dass geht auch! So schlecht ist der industrielle Fortschritt durch die Globalisierungspolitik nun doch nicht! Allerdings mit Europa und China sind zwar jetzt die “erwünschten” Größenordnungen entstanden, allerdings ist da auch dann eine “Einmischungspolitik” völlig etwas anderes!
    Bei Europa geht das so la la, bei China nicht!

    Warum?

    Warum ist Deutschland nicht gerade glücklich über die Entscheidung der EZB? Dass die Entscheidung früher oder später erfolgt wäre, steht außer Zweifel, allerdings was hat DE dadurch verloren?
    Einflußnahme auf den europäischen Einigungsprozess!
    Somit hat die Bundesbank natürlich ihren Einspruch berechtigt erhoben, richtig so, mal sehen, wie DE diesen Einspruch noch einmal zu seinem Vorteil verwenden kann…

    Warum?

    …schreib ich nicht!

    …zum Artikel zurück kommend!

    Warum?

    Was ist mit der Weltgeschichte?
    Dieses “sehr hoch” ambitionierte Ziel, die Erdbevölkerung zu erhalten oder nur doch sich selbst einen würdigen Errinnerungsplatz izu setzen so lange es diese noch gibt? Was ist Glaubhafter, was ist Wahrscheinlicher?

    Bemerkung meinerseits:
    Allerdings gibt es auch nicht unbedingt “uneigennützige” Berater! Klar sollte dies zumindest sein! Ist da etwas dran, an der Weltgeschichte?
    Warum geht dies nicht mit Kleinstaaten und Kommunen?

    Was vermuten Sie?

    Die Antwort müßte bekannt sein!

  6. Eco sagt:

    …um es einfacher zu erklären, selbst Cäsar hatte bestimmt seine Vision von einem Weltreich und natürlich auch seine Berater! Die Nachfolger natürlich auch, allerdings ging es bis zum World War II nur darum um an Ressourcen heran zu kommen, dass ist bis heute zwar wichtig, allerdings, hat man ausgerechnet mit der Beendigung der SU als Gegenpart daraus gelernt!
    Es muss also nicht unbedingt Krieg sein! Natürlich nicht! Allerdings wenn sich 2 Atomwaffennationen so lange gegenüber standen, ist es bisweilen schwer daran zu glauben ob dies nun auch tatsächlich aus ist!
    US testet dies und weil mittlerweile überzeugt, dass Russia nicht unbedingt diese Waffen einsetzt, allerdings auch besser auf diese und ihrem Gebiet aufpassen soll, Scharmützel, dass sollte bekannt sein aus einer soliden “Wachrüttelpolitik”, ja…
    Der Vorstoß von Russland (Botschafter) ist ein bisschen zu kurz, Landmaschinen will er bauen und so einen russischen Mittelstand aufbauen, das ist wohl zu vorsichtig gedacht, Russland muss als “Mittelland” zwischen Asien und Europa seinen Weg finden und dies heißt auch, dass Russland seine ehemaligen Verbündeten als Handelspartner einbeziehen muss! Weiterhin wäre es sicherlich hilfreich einen zweiten Weg nicht aus den Augen zu verlieren, der selbst für uns im Westen sehr hilfreich ist!
    China als Partner gewinnen, ihr habt zwar, aber habt ja, gruselig!!!
    Selbst eine Brücke wurde noch nicht gebaut und dabei können Rus und China nur voneinander gewinnen und selbst wir hätten etwas davon, den wenn China jetzt strauchelt haben wir alle nichts davon, oder einfach noch ein größeres Problem als die Eurokrise!!
    Klar nach der Doktrin kann alles friedlich verlaufen, ich gebe auch hierzu gerne Literaturlinks frei, wenn denn dies erlaubt ist! Eine friedliche Lösung ist sicherlich das erstrebenswerteste und unter fast mehrheitlichen Umständen auch am lukrativsten!!! Nur Russland macht seine Hausaufgaben nicht (Oder der Chef hat die verändert…) K.A. allerdings sollte Russland nicht zurück zum “reinen” Rohstofflieferant gehen sondern seine Aufgaben gegenüber seinen russischen Nachbarstaaten wahrnehmen und mit China bitte auf gleichem Niveau auch eine Partnerschaft intensivieren….

    Es gibt also noch eine Menge zu tun, die Welt zu retten und keiner kann es allein!
    Ich hoffe persönlich, das es China gelingt, die Raumfahrt so in den Griff zu bekommen, wie Russland lange Zeit ein zuverlässiger Partner ist!

    Dann können die 3 Nationen zumindest schon mal eine “bemannte” Mars Operation planen, hoffen wir alle gemeinsam, das Europa bis dahin sich zumindest in der Hinsicht wieder einbekommt!

    Russland kann vieles, es macht es aber nicht! Wieso weiß nur Russland selbst! Allerdings gibt es auch die Möglichkeit der “Selbstfindung” mal sehen…

  7. Eco sagt:

    Werden immer alle meine letzen Beiträge gelöscht oder seid ihr gehackt worden?
    Egal, wie auch immer, somit kann ich nicht mehr hier schreiben, heißt – Ziel erreicht!

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