Friedensaktivist Pedram Shahyar
“Du hast deinen Ruf riskiert”

Die vielgeschmähte Friedensbewegung mobilisiert für das Frühjahr wieder zu Demos, Kundgebungen und Aktionskonferenzen. Mittendrin ist Pedram Shahyar.

„Wir sind – wie Millionen Menschen in unserem Land und weltweit – tief besorgt. Kriege breiten sich weltweit in einer immensen Geschwindigkeit aus, sie kehren mit dem Krieg in der Ukraine nach Europa zurück. Hundertausende Tote und Verwundete, Millionen Flüchtlinge, noch mehr Hunger und Armut sind die dramatischen Folgen von Kriegen, die primär für wirtschaftliche und geostrategische Interessen geführt werden – in Europa, im Nahen/Mittleren Osten, Afghanistan und in anderen Ländern. Die NATO und besonders die USA führen weltweit völkerrechtswidrige Kriege und geben 72 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben aus. Die Bundesregierung ist ein aktiver Bestandteil dieser militaristischen Politik.“

So heißt es im Aufruf des Friedenswinter-Bündnisses, das aktuell bundesweite Aktionen für den Mai diesen Jahres plant. Anlässlich der am Samstag, den 14. März in Frankfurt stattfindenden Aktionskonferenz sprach Jens Wernicke mit Pedram Shahyar zu seiner Einschätzung bezüglich des Kampfes um Frieden.

Herr Shahyar, Sie sind Unterstützer und Redner des so genannten Friedenswinters, der aktuell oft und ungut in den Schlagzeilen ist. Was bewegt Sie zu Ihrem Engagement?

In der Ukraine tobt ein schlimmer Bürgerkrieg, der vom Westen, auch von der Bundesregierung angestachelt wurde. Hintergrund ist ein in neuer geopolitischer Großkonflikt des Westen gegen Russland. Der Krieg hat bereits viele Menschenleben gekostet, birgt aber darüber hinaus sehr große Gefahren einer weiteren Eskalationsdynamik. Es gibt fanatische Kräfte auf beiden Seiten. Und es ist ein Verbrechen, dass der Westen solche Kräfte, unter denen auch Faschisten sind, hofiert, um seine wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen durchzuboxen. Dagegen brauchen wir dringend eine starke Friedensbewegung, eine laute Stimme für eine Politik des Dialogs statt der Konfrontation.

Aber ist der Friedenswinter denn nicht eine Sammlung von Wirrköpfen, Querfrontlern, Neurechten, Verschwörungstheoretikern und … entschuldigen Sie, aber all die anderen Stigmata fallen mir schon gar nicht mehr ein, wie dies in den Medien so gern behauptet und dargestellt wird?

Was die Mahnwachen für den Frieden betrifft, gab es vieles an Aussagen und Denkweisen, das ich überhaupt nicht teile. Aber das ist halt so bei in einer spontanen und dezentralen Bewegung. Sie waren an manchen Stellen auch offen für einige rechte Gedanken. Aber in Mehrheit und im Kern war hier derselbe Schlag von Menschen auf der Straße, der auch bei Occupy Wallstreet aktiv gewesen ist. Manch ein Veteran meinte sogar, die Bewegung erinnere an die Anfänge der Friedensbewegung der 80er Jahre.

Die einsetzende mediale Verleumdung hat zum einen typisch deutsche Vorurteile und Denkstrukturen berührt. Denn hier tut man sich schwer mit breiten zivilgesellschaftlichen und noch in Lernprozessen befindlichen Bewegungen, weil es hier selten wirklich solche Bewegungen gibt, Bewegungen also, die nicht „von oben“ gelenkt und gesteuert werden etc.

Und zum anderen war die Hetze gegen den Friedenswinter natürlich auch Ausdruck einer medialen Kriegsvorbereitung, zu der auch die Delegitimierung der Kriegsgegner gehört. In den etablierten Medien war so auch nicht der geringste Versuch zu sehen, die neue Generation von Friedensaktivisten wirklich verstehen zu wollen, sondern wurde diese umgehend stigmatisiert.

Wer aber den ganzen Friedenswinter mit seinen Aufrufen, Treffen, Strukturen und Akteuren in die rechte Ecke stellen will, der will die Friedensbewegung an sich treffen und zerstören. Und dass dabei auch einige sich selbst links nennende geradezu manisch gegen die Bewegung hetzen, ist auch nicht neu. Wir kennen das aus der Tradition der „Antideutschen“, die die Friedensbewegungen gegen die vergangenen Irak-Kriege jeweils als „nationalistischen Mob“ attackierten.

Diese Kräfte haben aber mit Humanismus und linker Gesinnung in Wirklichkeit nichts zu tun. Stattdessen sind sie unter dem Deckmantel des „Antifaschismus“ inzwischen zu den aggressivsten Apologeten des imperialen Blockes geworden. Den „Spin“ hierzu hat der Grüne Fischer in seiner Zeit als Außenminister vorgegeben. Denn da wurde der erste Angriffskrieg der BRD mit dem angeblich antifaschistischen Erbe begründet und wurde ein Land bombardiert, um angeblich „Konzentrationslager“ und „ethnische Säuberungen“ zu verhindern. Nichts daran war jedoch wahr. Und diese Argumentation machen sich nun linkslackierte Neokonservative zu eigen, die meinen „gegen Faschisten“ nicht nur aber auch Angriffskriege rechtfertigen zu müssen, und die ich seit einiger Zeit nur noch als „imperiale Pseudo-Antifa“ bezeichne, die, wenn man so will, eher für statt wider die faschistischen Entwicklungen allerorten agiert.

Und das mit dem „rechten Denken“ auf einigen der Friedensdemos? Ich meine: Ist jemand, der etwa die FED auf diese oder jene Art kritisiert, nun ein Nazi oder nicht?

Dass etwa Lars Mährholz die FED kritisiert, hat mit rechtsradikalem Gedankengut nichts zu tun. Er verteidigt gleichzeitig die Rechte von Flüchtlingen und hat sich klar gegen PEGIDA und andere rassistische Projekte positioniert. Die Kritik an der FED speist sich aus vielen verschiedenen Quellen und einige hiervon stehen tatsächlich in antisemitischer Tradition. Diese sind bei den Mahnwachen für den Frieden aber nicht präsent – und wenn irgendwo wirklich einmal antisemitische Ausdrucke verwendet wurden, gab es umgehend eine Gegenreaktion und wurden derlei Positionen rausgedrängt.

Die heutige FED-Kritik hat ihre Wurzel eher in den marktradikal-libertären Strömungen in den USA, insbesondere dem Wirken eines Rand Paul, und ist aber auch im Diskurs von Occupy Wallstreet zu finden. Hier geht es vor allem um die künstlichen Geldströme und das Kreditwesen. Und zwar weil durch das künstliche Aufblähen von Krediten auch Enteignung stattfindet, wie wir das aktuell beispielsweise anhand der Austeritätspolitik in Südeuropa beobachten können. David Graber schätzt, dass inzwischen etwa ein Drittel des Einkommens der normalen Haushalte in den USA über die Zinslast direkt an die Wallstreet fließt.

Und auf der anderen Seite geht es natürlich auch um die Rolle des Dollars als Weltleitwährung und dessen imperiale Funktion. Ich habe den Eindruck, dass einige Linke aus Unwissen über solche Diskurse sofort in eine dämonisierende Abwehrhaltung geraten anstatt, was notwendig wäre, hier in die Debatte zu gehen und progressive Antworten zu suchen.

Klar versuchen auch Neonazis und Rechtsradikale auf Antiamerikanismus zu setzten, weil sie „Großdeutschland“ zurückwollen und das ihrer Auffassung nach am besten auf diese Weise erreichbar ist.

Das alles kann und darf aber kein Grund sein, die notwendige Kritik am US-Imperialismus und dessen Unterstützung durch die BRD nicht zu formulieren. Ganz im Gegenteil: Unsere Epoche ist geprägt vom Versuch einer US-amerikanischen Welthegemonie, der vor allem auf militärischer Macht basiert. Und diese Hegemonie muss gebrochen werden. Wir brauchen daher ein starkes friedensbewegtes Projekt weltweit, bei dem es allerdings immer auch darum gehen muss, die imperiale Rolle der je eigenen Regierung in den Vordergrund zu stellen. Und die BRD ist ein immens wichtiger Teil des westlichen Hegemonieprojektes.

Diskussionen um eine notwendige „Abgrenzung nach rechts“ gab es aber sehr wohl? Zu welchem Ergebnis haben diese geführt?

Es gab und es gibt immer wieder Versuche von rechtsradikalen Kreisen, die Friedensfrage zu okkupieren. Die Mahnwachen für den Frieden haben sich deswegen immer wieder in Positionen nach rechts abgegrenzt. Das erste Mal auf dem bundesweiten Orga-Treffen in Weitersroda, dann auf dem 2. Bundestreffen in Zeitz.

Darüber hinaus wurde der gut getarnte rechtsradikale Autor Elsässer zuerst in Berlin und dann auch bundesweit von allen Veranstaltungen offiziell ausgeschlossen, nachdem er auf insgesamt 3 von 100 Mahnwachen gesprochen hatte.

Dass rechte Kreise immer wieder versuchen, in den Mahnwachen zu agieren, kann man nicht ganz verhindern. Es wurde aber viel und erfolgreich versucht, diese rauszudrängen. Im Projekt Friedenswinter haben Rechtsradikale aber nie einen Fuß drin gehabt, dafür war der Rahmen klar zu ausschließend für sie.

Sie betreiben auf Facebook ja auch einen eigenen Videokanal, auf dem Sie Medienkritik und Sachaufklärung betreiben. Haben Sie ob der ganzen Geschehnisse und aktuellen Entwicklungen Ihr Vertrauen in die Medien etwa endgültig verloren oder wie kam es dazu?

Mein Vertrauen in den etablierten Medien hielt sich schon immer in Grenzen. Wir wissen aus vergangen Zeiten: Wenn es hart auf hart kommt, ist es vorbei mit der differenzierten Berichterstattung. Man denke nur an die 60ern Jahre und was es da an Hetze gegen die Studentenbewegung gab. Oder an die Zeiten des Jugoslawienkriegs.

Allerdings war auch für mich erstaunlich, wie extrem einseitig und in welch Propaganda-Manier die Russlanddebatte in den großen Medien verlaufen ist. Das muss man klar als Kriegsvorbereitung einstufen.

Und wie mobilisieren die Kriegsgegner nun weiter zu Friedensdemos in diesen Zeiten?

Also, ich denke, wir brauchen einen gewissen Alarmismus, weil die Konflikte wirklich gefährlich sind. Dennoch brauchen wir auch Geduld und langen Atem und gute Analyse und Sachaufklärung.

Im letzten Jahr ist es unseren Gegnern leider gelungen, die spontane Dynamik einer neuen Friedensbewegung durch Verleumdung stark zu bremsen. Es ist regelrecht „gefährlich“ geworden, sich in der Friedensbewegung zu engagieren: Du hast deinen Ruf riskiert, wenn Du auf Demos gegangen bist! Mit dem Friedenswinter brechen wir das nun auf. Eine nachhaltige Spaltung der Friedensbewegung konnte verhindert werden. Der Demagogie gegen unsere Positionen wird man allerdings weiter begegnen müssen.

Und wir brauchen jetzt eine Verstetigung der Aktionen. Denn auch wenn wir erst einmal viele sind: Die neue Friedensbewegung muss permanent in der Öffentlichkeit präsent sein, um weiter zu wachsen und Druck auf die Politik aufzubauen.

Außerdem gilt es, über zivilen Ungehorsam nachzudenken. Die ersten Aktionen gegen Rüstungskonzerne laufen inzwischen an – so beispielsweise am 7. März in Krefeld.

Und wir müssen die neue Friedensbewegung mit kapitalismuskritischen Aktivitäten verbinden. Bei der Blockupy-Demo am 18. März in Frankfurt gegen die Europäische Zentralbank und ihre üble Politik in Südeuropa werden daher auch viele Friedensaktivisten dabei sein. Denn auch „EZB“ steht für ein imperiales Projekt, das es zu brechen gilt.

Wann finden denn welche nächsten großen Aktionen des Friedenswinters statt?

Der nächste Höhepunkt des Friedenswinters sind die Demos am 10. Mai anlässlich des Jahrestages der Befreiung vom Faschismus. An diesem Tag gilt es, an den Schwur von Buchenwald „Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg“ zu erinnern und diesen ins Land hinaus zu tragen. Wir sollten hier massenhaft auf die Straße gehen. Für Frieden mit Russland und gegen den westlichen Imperialismus.

Ich bedanke mich für das Gespräch.

Pedram Shahyar ist Aktivist und Blogger sowie Lehrbeauftragter an der Freien Universität Berlin. Seit Anfang der 90er ist er in außerparlamentarischen Bewegungen aktiv und war mehrere Jahre im Sprecherkreis von Attac Deutschland.

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5 Kommentare zu "Friedensaktivist Pedram Shahyar
“Du hast deinen Ruf riskiert”"

  1. svenja sagt:

    hier ein kleiner videomitschnitt der auftaktveranstaltung des friedenswinters in hamburg, damit man sich selbst ein bild machen kann was da so gesprochen wurde … https://www.youtube.com/watch?v=w0oZeDCV8kU

  2. Florian Hohenwarter sagt:

    Warum wurden meine Kommentare gelöscht?
    Sind andere Meinungen als die des Autors etwa nicht erwünscht?

  3. Torben Smith sagt:

    “Sammlung von Wirrköpfen, Querfrontlern, Neurechten, Verschwörungstheoretikern”

    ICH KANN ES NICHT MEHR LESEN!

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=25401

    Warum ist Jürgen Elsässer rechtsradikal? Das müsste man doch beweisen können? Na?

    Warum ist Ken Jebsen ein Verschwörungstheoretiker? Oder ist er das nur nicht mehr, weil Pedram von ihm eine TV-Show produziert bekommt?

    Wer so wie ihr mit anderen Menschen umgeht, braucht sich nicht so wundern, wenn ihr dann am Ende ziemlich alleine dasteht und eine Demonstration für Frieden eine ziemlich einsame Sache wird, die die echten Eliten (also nicht ihr) in diesem Land überhaupt nicht beeindrucken und auch sonst kaum jemanden.

    Sollten wir dann wirklich mal von den Russen genuked werden, wird es euch auch nicht vergönnt sein, den Besserwisser zu spielen.

  4. Christian Schüler sagt:

    Gerade die Person Pedram Shahyar ist als extrem kritisch zu betrachten. Nicht nur, dass dieser impertinente Demagoge mit eigenwilliger Grammatik und Ausdrucksweise (Lehrbeauftragter der FU, hä? der? Rudi Dutschke würde sich im Grab umdrehen) erst aus seinem Loch gekrochen kam, als die Montagsmahnwachen längt eine nicht mehr aufzuhaltende Eigendynamik entwickelt haben, er hat weiter auch mit den aus der Vergangenheit bekannten trotzkistischen Methoden die Mahnwachenbewegung infiltriert und den Zug in seine Richtung gelenkt. Wahrscheinlich aus Profilierungssucht, Geltungsdrang und einer Unfähigkeit heraus, eine eigene Bewegung zu initiieren, hat er die Mahnwachenbewegung als willkommene Chance gesehen, seine Person in der Öffentlichkeit zu präsentieren.

    Leider haben sich aufrichtige Protagonisten wie Lars Mährholz und Ken Jebsen nach allen Regeln der Demagogie von Shahyar verführen lassen.

    Schade, wirklich schade, da ich die Montagsmahnwachen in ihrer Gesamtheit für eine gute und ernst zu nehmende Bewegung halte.

    Was seine Arbeit bei Attac angeht, was ist denn Attac? Attac ist eine Lobbyorganisation, welche mit massiver finanzieller Unterstützung eines George Soros seine außenpolitischen und wirtschaftlichen Interessen durchsetzen möchte, unter anderen die Destabilisierung von souveränen Staaten. Das Ziel könnte wohl die Abschaffung nationale Völkerrechtssubjekte im Sinne einer Einheitsregierung unter US-Hegemonie sein.

    Die Taktik beschreibe ich so und zitiere damit eine mir bekannte Teilnehmerin der Mahnwachen: [Man gibt sich als Opposition zur Regierung aus, betreibt aber die übliche Taktik der Globalisten. Man weist auf ein angebliches Problem hin (das die Herrschenden geschaffen haben) und bietet eine Lösung (natürlich im Sinne der Globalisten).]

    Ein gewisses aufrichtiges Engagement in anderen Bereichen möchte ich Soros nicht absprechen, aber seine Rolle im Ukrainekonflikt ist sicher nicht in Einklang zu bringen mit seinem übrigen Einsatz für humanitäre Zwecke.

    An dieser Stelle mein Dank an die zitierte Mahnwachenteilnehmerin, welche mich erst über diese Zusammenhänge aufgeklärt hat, welche mir vorher nicht bekannt waren und mir erst diese neue Sichtweise ermöglichte. Erst nach dem Einlesen in dieses Thema wurde mir das bewusst.

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