Der Krieg und die Medien

Nachbetrachtungen zur umstrittenen Iran-Konferenz in Hamburg

Von Sebastian Müller

Zu der Iran-Konferenz, dessen Namen bereits andere Veranstaltungen trugen, und zu der diesmal die bisher recht unbekannte Orient-Okzident-Gesellschaft mbh am 11. Februar 2010 in Hamburg aufrief, hatten sich die Enfants Terribles der Mediengesellschaft angesagt: Prof. Dr. Udo Steinbach, Nahostexperte der Uni Marburg, Christoph Hörstel, ARD Mitarbeiter, der seinen Job an den Nagel hing, weil er die Berichterstattung über den Nahen Osten als völlig verfehlt ansah, der Querfrontler Jürgen Elsässer, und Thomas Immanuel Steinberg, Betreiber der Webseite SteinbergRecherche und zum Schluss noch der iranische Botschafter Ali Reza Scheikh Attar, der als enger Gefolgsmann Mahmud Ahmadinedschads gilt.

Alleine diese umstrittene und fragwürdige Besetzung führte nicht nur zu einer Diskreditierung der Veranstaltung im Vorfeld, sondern auch dazu, dass man es – gerade durch das Treiben antideutscher Gruppierungen – mit verbalen Ausfällen und Anwürfen zu tun hatte. Kein Wunder, schlagen doch die Wellen immer hoch, wenn sich die einschlägigen Gruppierungen bei dem Reizthema Nahost gegenüberstehen.

Doch die mediale Resonanz zu dieser Konferenz unter dem Titel »Islamische Republik Iran: am Ende oder im Aufschwung?«, war trotz oder gerade wegen der im Vorfeld getätigten Skandalisierung überraschend dürftig. Gerade einmal die Financial Times Deutschland und die einschlägige antideutsche Blogosphäre schenkten dem Thema größere, wenn auch abschätzige Beachtung. Die Irandebatte bleibt in jederlei Hinsicht polarisierend.

Allerdings ist es ein Unterschied, ob man den Journalismus – auf den wir noch zurückkommen – kritisch beleuchtet, was bei einer differenzierten Betrachtung des Themas wichtig wäre, oder sich aber um so weniger differenziert auf die Seite eines autoritären Gottesstaates schlägt. Dies schienen zwar, und damit greifen wir vorweg, weder Steinberg, Steinbach noch Elsässer zu tun, dafür aber um so mehr die Organisatoren um die OOG, die nicht umsonst im Verdacht steht, eine Außenstelle des iranischen Geheimdienstes zu sein.

Die Orient-Okzident-Gesellschaft mbh mit ihrem Geschäftsführer Bahman Berenjian ist dubios. Sie besitzt keine eigene Website. Bei der Recherche stößt man lediglich auf die Internationale Orient-Okzident-Gesellschaft e.V. Besteht hier eine Verbindung? Die Professorin Angelika Neuwirth, die zum Kurratorium der Internationalen Orient-Okzident-Gesellschaft gehört, hat sich nicht gerade mit säkularisierten, wissenschaftlichen Betrachtungsweisen hervorgetan. In ihrer letzten Publikation schwadronierte sie über den göttlichen Ursprung des Korans, welcher sich in seiner Sprache manifestiere. Und zumindest der Orient-Okzident-Gesellschaft mbh muss man bescheinigen, Solidarität mit dem konservativen Islam zu propagieren.

Um so mehr ist Bahman Berenjian bekannt. Ihm werden enge Kontakte zu den Drahtziehern des »Mykonos«-Attentats auf iranische Oppositionelle in Berlin im Jahr 1992 nachgesagt. Auch er ist ein enger Gefolgsmann Ahmadinedschads und war langjähriges Führungsmitglied des regimetreuen Islamischen Studentenvereins U.I.S.A in den neunziger Jahren, als auch Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes Vevak. Insofern ist die OOG durchaus als eine Außenstelle der iranischen Regierung zu bezeichnen. Yavuz Özoguz, der die Konferenz einleitete, war – was kaum überraschte – die Sympathie für das Mullah-Regime deutlich anzumerken.

Steinbach, Steinberg und Elsässer müssen sich hier die Frage gefallen lassen, warum sie sich vor den Karren einer solch obskuren, islamistischen Allianz spannen lassen, obwohl sie dem Regime angeblich kritisch gegenüberstehen. Aus kritischer Perspektive muss ebenso erwähnt werden, dass Christoph Hörstel, Mitveranstaltert der Konferenz, in Afghanistan-Kreisen zwar sehr bekannt ist – er gibt sich als möglicher Kontaktmann zum Taliban Lager in Afghanistan – seine persönlichen Kontakte aber aus der Zeit des Krieges gegen die Sowjetunion stammen sollen. Viele sehen in ihm einen Populisten und Opportunisten, der die Lage in dem zerrütteten Land als wesentlich einfacher darstelle, als sie wirklich sei.

Auf der anderen Seite ist auch die affekthafte, chronische mediale Panikmache gegenüber dem Iran auffällig, und die der Hintergrund des Auftritts der Dreien sein soll. Man muss kein Freund Ahmadinedschads sein, um bei der westlichen Berichterstattung über den Iran, die oftmals aus einem Konglomerat aus Fehlinformationen und einem Kampagnenjournalismus samt Falschzitierungen Ahmadinedschads Aussagen besteht, befremdet zu sein. Dass alles trägt den faden Beigeschmack einer PR jener Mächte mit sich, die ihrer Iranpolitik mit all ihrem wirtschaftlichen, diplomatischen und militärischen Druck das Feld ebnen wollen. Man könnte dies als geopolitischen Interessensjournalimus bezeichnen, der die Destabilisierung der Region absegnen soll, und nicht mehr viel mit der Ethik und Arbeitsweise des klassischen Journalismus zu tun haben mag. Dennoch reicht dies nicht aus, um dem Problem der Auslandskorrespondenten im Nahen Osten gerecht zu werden.

Den freien und unabhängigen Journalismus gibt es durchaus. Doch den Medien, die unabhängig, möglichst neutral und nahe an den Fakten berichten wollen, stellt sich ein Problem. Ähnlich wie auch für den Jemen gibt es für den Iran fast keine Journalistenvisa. Wenn aber Visa ausgestellt werden, dann nur unter staatlicher Aufsicht und Zensur. Denn auch der Iran ist um ein Meinungsmonopol für die Flankierung seiner Machtpolitik bemüht. Daher bleibt den Journalisten oft gar nichts anderes übrig, als überspitzt formuliert – eine “Copy and Paste – Berichterstattung” zu betreiben. Wenn die iranische Presse sich kritisch äußert, drohen Gefängnis- oder sogar Todesstrafen, wie der tragische Fall eines iranischen Bloggers beweist. So stehen sich Pressemonopol und Pressemonopol gegenüber. Die kritischen Stimmen werden von westlicher und iranischer Seite zerrieben.

Auch die berechtigte Kritik an westlichen und US-amerikanischen Interventionsbestrebungen relativiert sich zumindest dann, wenn man sich mitunter die Perspektive sunnitischer Araber vergegenwärtigt. Diese Gruppe sieht die größte Gefahr nicht in den USA, sondern eben in der Regionalmacht Iran. Im Nordjemen häufen sich die Anzeichen für einen Stellvertreter-Krieg zwischen den beiden großen Blöcken Saudi-Arabien und Satellitenstaaten, sowie Iran und den schiitischen Bevölkerungsanteilen.

Doch dass die Versuche, sich dem Nahost-Problem zu nähern, selbst in der westlichen Hemisphäre nicht immer einfach ist, beweisen nicht zuletzt die Umstände,  die die Planungen der Iran-Konferenz begleiteten. Der Hotelmanager, welcher der Konferenz ursprünglich einen Raum zur Miete angeboten hatte, musste einen Tag vor der Konferenz nach massiven Drohungen bekanntgeben, dass der vereinbarte und gemietete Raum nun doch nicht zur Verfügung stehe. Der Hotelvorstand hatte Angst, man würde das Hotel in Schutt und Asche legen. Kurze Zeit später wurde der Manager von seinem Vorgesetzten entlassen, weil er der Konferenz einen Raum organisiert hatte. Einem Tag vor Selbiger stand fest, dass das Hotel nicht mehr zur Verfügung stand. Stattdessen wolle man aufgrund der Drohungen von Antideutschen an einen unveröffentlichten Tagungsort gehen, der erst kurz vor Beginn der Konferenz bekannt gegeben würde.

Der massive Druck  gegen die Veranstalter mag vor dem geschilderten Hintergrund derselbigen gerechtfertigt sein, nicht aber gegen die Journalisten, die berichten wollten. Völlig unnötig ist dabei nochmals festzuhalten, dass die Aussagen der Konferenzteilnehmer nicht zwangsweise die des Verfassers sind.

Fadenscheinig aber ist, wie im Nahen Osten von westlicher Seite mit zweierlei Maß gemessen wird. Das Regime im Iran wird als fundamentalistisch und terroristisch gebrandmarkt, ständig werden verbale Aggressionen Ahmadinedschads gegenüber Israel skandalisiert. Allerdings ging vom iranischen Staat in der gesamten modernen Geschichte kein Krieg mehr aus.

Doch diese Konsequenz, die angeblich auf humanitären Gründen basiert, müsste dann auch für israelischen Staat gelten. Israels menschenrechtswidriges Verhalten gegenüber den Palästinensern wird vom Westen indes kaum beachtet. UN-Sanktionen scheitern regelmäßig an dem Veto der USA und Deutschlands. Die aggressive Politik Israels gegenüber dem Iran, die atomare Bedrohung, die vom jüdischen Staat ausgeht, liegt im Interesse der westlichen Geopolitik. Israel kann sich der finanziellen und militärischen Unterstützung der USA und Deutschlands, dessen Solidarität zu Israel Teil der Staatsräson ist,  gewiss sein.

Nicht zuletzt aus diesem Grund entspringt die Kritik des Westens am Iran einer Doppelmoral. Auch hat der Westen noch nie vor und auch seit der islamischen Revolution 1979 – die durch den Einfluss der USA und Großbritanniens durchaus mit heraufbeschworen wurde – ein ernsthaftes Interesse an einer demokratischen Entwicklung des Landes gehabt.

Der letzte demokratische Premierminister, Mohammad Mossadegh, wurde mit Hilfe des britischen Geheimdienstes gestürzt, weil er die nationalen Ölvorkommen verstaatlichen wollte. Der diktatorisch herrschende Schah von Persien, Mohammad Reza Schah Pahlavi wurde von dem Westen hofiert und unterstützt. Auch den Präsidenten, die seit der islamischen Republik für eine westliche Öffnung des Landes eintraten, wurde durch eine aggressive Diplomatie seitens der USA das Wasser abgegraben. Es wäre daher allein aus der historischen Perspektive naiv zu glauben, dass es dem Westen um Demokratie, und nicht lediglich um die Durchsetzung macht- und geopolitischer Interessen ginge.

Jetzt, da die Konferenz schon einige Monate vorüber ist, und sich die Wogen vorerst geglättet haben, bleibt Raum für eine Bestandsaufnahme. Die Konferenz war zwiespältig und in ihrer Präsentation gefährlich unkritisch. Die Referentan sollten wohl im Sinne des OOG instrumentalisiert werden. Dennoch wurde sie nicht zu einer plumpen Propagandaveranstaltung für das Mullah-Regime, wie die meisten Medien berichteten. Dafür war die Besetzung der Veranstaltung zu heterogen, die Analysen von Steinbach, Steinberg und Elsässer sachlich und oft fundiert. Man mag die Thesen der genannten Personen hinterfragen können, doch ihre Kritik an den Medien und den politischen Eliten des Westens ist mitunter nachvollziehbar. Dennoch wäre es einem tiefgreifenden Diskurs um den Nahost-Komplex insgesamt, als auch der Reputation der deutschen Referenten dienlich, wenn er zukünftig von unabhängigen und seriösen Organisatoren ins Leben gerufen wird.

Im folgendem bieten wir einen Teil der Konferenz als bisher unveröffentlichten Videomitschnitt an, auf dessen Grundlage jeder Betrachter sein eigenes Urteil fällen kann. Die auf den Aufnahmen zu sehenden Demonstranten am Elbe-Ufer rekrutierten sich größtenteils aus Exil-Iranern und antideutschen Aktivisten. Die Sprecher auf dem Podium waren von l. n. r.: Jürgen Elsässer, Udo Steinbach, Yavuz Özoguz, Thomas Immanuel Steinberg und Ali Reza Scheikh Attar.

Iran-Konferenz, Teil 1:

Iran-Konferenz, Teil 2:

Iran-Konferenz, Teil 3:

Iran-Konferenz, Teil 4:

Iran-Konferenz, Teil 5:

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Ein Kommentar zu "Der Krieg und die Medien"

  1. ole sagt:

    tja, meinungsvielfalt und freie äußerung funktionieren eben nur so lange, so lange man nicht den rahmen verlässt. schön, hier im netz doch noch die konferenz zu finden.

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