Mark Zuckerbergs PR-Coup
Die “Spenden” der Reichen

In Europa wird am Sozialstaat gesägt, derweil ein PR-Coup Schlagzeilen macht: Mark Zuckerberg wolle 99 Prozent seines Vermögens spenden. Eine Episode vom Weg der Wohlfahrt zur inszenierten Wohltätigkeit.

Mark Zuckerberg

Bild: Dan Farber / flickr / CC BY-NC 2.0

Aktienwerte in Höhe von 45 Milliarden Dollar soll das Vermögen des Facebook-Gründer Mark Zuckerberg nach eigenen Angaben betragen. Das, so die Meldungen der vergangenen Tage, soll nun anlässlich der Geburt seiner Tochter fast gänzlich in die eigens gegründete Chan Zuckerberg Initiative übergehen. Die angeblich gemeinnützige “Initiative” soll in “personalisiertes Lernen”, in die “Heilung von Krankheiten”, die “Vernetzung von Menschen” sowie in den Aufbau von “starken Communities” investieren, so die schwammige Zielsetzung.

Letzteres heißt nichts anderes, als die Zielgruppe von Facebook zu erweitern und noch mehr Nutzer an den Social-Media-Konzern zu binden; ein klassisches Unternehmensziel also, für das bereits konkrete Pläne vorliegen. Mit „Internet.org“ verfolgt Facebook die Entwicklung hin zu einem geschlossenen, durchkommerzialisierten Netz, in dem fast nur eigene Dienste zugänglich sind, und das dafür in bestimmten Entwicklungsländern zum Nulltarif angeboten werden soll. Für solche Projekte will Zuckerberg auch politisch Einfluss nehmen.

Doch weder der Anspruch, politische Entscheidungsprozesse in Form einer Public-Private-Governance zu beeinflussen, noch der vermeintliche Anflug von Wohltätigkeit sind neu. Bereits einige Jahre zuvor wurden 40 Milliardäre wie der Initiator und Microsoft-Gründer Bill Gates, Warren Buffet oder der Investor George Soros für ihr Vorhaben, mindestens die Hälfte ihres Vermögens für wohltätige Zwecke zu spenden, medial gefeiert.

So wie die FAZ und der Spiegel-Online die PR-Aktion von Zuckerberg gänzlich unhinterfragt übernahmen, war es vor gut 5 Jahren die Schlagzeile des Sommerlochs. SPON lobte die amerikanischen Superreichen in höchsten Tönen: “…eine Revolution des Spendenwesens, “…eine neue Ära der Wohltätigkeit” oder “…ein beispielloser Schritt“, so schrieb das Magazin euphorisch. Zuckerberg dürfte sich von der immens gestiegenen Reputation seines Kindheitsidols Bill Gates seit der Gründung der Bill and Melinda Gates Foundation inspirieren lassen haben. Dank der Foundation wird Gates heute von den Medien als wichtiger Vordenker im Kampf gegen Krankheit und in Debatten zur Bildungsreform geschätzt.

Die größte Ungleichheit seit 100 Jahren

Solche Storys lassen den Umstand, dass der ebenso beispiellose Reichtum der derzeit etwa 400 amerikanischen Milliardäre auch die Vermögensentwicklung und die Verteilung des Reichtums generell widerspiegelt, für einen Moment zur Fußnote werden. Doch mit Thomas Piketty fulminanter Empirie ist die – trotz mannigfaltiger Spenden und Stiftungen – seit Jahrzehnten stetig steigende Ungleichheit endlich wieder in den Fokus der Debatten gerückt. Während die Armut in den meisten Industrienationen seit der Finanzkrise zunimmt, erklimmen die Vermögen der reichsten 10 Prozent, auch aus Spekulationsgewinnen, stetig neue Rekordzahlen. Paul Krugman spricht von der größten sozialen Ungleichheit in den USA seit 100 Jahren.

Sind also all die Initiativen und Charitys das Ergebnis eines Erkenntnisprozesses der Reichsten? So oder so kommt da eine medienwirksame, vermeintliche Spendenaktion in dieser Größenordnung gerade recht. Die PR-Industrie der Unternehmen kann nun endlich auf den von der neoliberalen Theorie postulierten Trickle-Down-Effect verweisen: Geht es den Reichen gut, profitieren alle davon.

Doch spätestens die Zahlen, die Piketty in “Das Kapital des 21.Jahrhunderts” vorlegt, zeigen, dass diese gelebte Theorie ein Mythos ist. Die Superreichen sind Nutznießer eines politischen Systems, das immer freundlichere Rahmenbedingungen für sie schafft – auf Kosten der überwiegenden Mehrheit. In den USA hatte George W. Bush für den letzten Streich einer neofeudalen Politik gesorgt, als er im Herbst 2003 den Spitzensteuersatz von 33 auf 31 Prozent drückte, während die letzten Reste des US-amerikanischen Sozialsystems zusammengestrichen wurden.

Zuckerberg & Co beschenken sich selbst

Genau in dieser Steuerpolitik sehen Ökonomen wie Joseph Stiglitz, Krugman und Piketty die Ursache für die wachsende Ungleichheit. Wo man beim eigentlichen Kern der Sache angelangt wäre. Hintergrund der ganzen Spendenaktionen und Stiftungen ist primär steuerpolitisches Kalkül, altruistische Motive sind dagegen eher zweitrangig. Vor allem Zuckerbergs Spendenmärchen ist bei genauerem Hinsehen lediglich eine Vermögensverschiebung. Denn bei der Chan Zuckerberg Initiative handelt es sich um eine Limited Liability Company (LLC), vergleichbar mit einer deutschen GmbH, und bei der vermeintlichen Spende schlicht um eine schrittweise vonstatten gehende Transferierung seines Privatvermögens in ein Firmenvermögen, welches er als Hauptaktionär kontrolliert.

Das ist nicht gemeinnützig, geschweige denn eine Schenkung, steuerrechtlich aber äußerst vorteilhaft. Mit der Rochade kann Zuckerberg als Privatperson die Kapitalertragssteuer umgehen. Selbstredend gelten diese Möglichkeiten der steuerlichen Abschreibung auch für gemeinnützige, nicht-profitorientierte Stiftungen. Just diese Steuervorteile im Verbund mit einer Publicity als Wohltäter dürfte kein unwichtiges Motiv der so en Vogue gewordenen Großspenden und Stiftungen bekannter Milliardäre sein.

Dieses Kalkül im Verbund mit der Politik der Senkung der Spitzensteuersätze stehen aber keinesfalls für sich alleine. Der Kontext des Ganzen erschließt sich erst aus einer größeren Perspektive. Das Phänomen entspringt nicht zufällig dem Zeitgeist des “schlanken Staates” und dem Rückbau der sozialen Sicherungssysteme im Zuge des neoliberalen Paradigmas weltweit. Durch Stiftungen und Initiativen den politischen Einfluss zu erweitern – nicht nur auf staatliche Sozialpolitik – ist dabei der neueste Schrei der Silicon-Valley-Unternehmer.

fin de siècle der Sozialstaatsidee

Wenn der alte, gesellschaftspolitisch verankerte Konsensus, das Eigentum verpflichtet, in Auflösung begriffen ist – oder aber zur Privatsache werden soll, dann hat das auch verheerende Konsequenzen für ein politisches System, das formal für sich in Anspruch nimmt, ein demokratisches zu sein. Jede brauchbare Demokratietheorie aber erkennt einen gewissen Grad an sozialer Gleichheit als Voraussetzung für politische Gleichheit und somit für die Demokratie als evident an.

Die Beobachtung, dass diese Voraussetzungen erodieren, firmiert längst unter dem Begriff der Postdemokratie. Durch die fast überall zu beobachtende Senkung von Unternehmens- und Spitzensteuersätzen wird die progressive Umverteilung bisweilen gar zu einer regressiven. Nicht nur, dass sich die Staaten in Folge von Liberalisierung und Privatisierung zunehmend selbst entmachten, sie rauben sich auch die ökonomischen Ressourcen, um die soziale Infrastruktur aufrecht erhalten zu können.

Genau in diese selbst geschlagene Bresche springen nun Unternehmen und Unternehmer wie Gates, Zuckerberg, Facebook oder Google und leiten damit das fin de siècle der Sozialstaatsidee ein. Statt hoher Steuerbeiträge für ein staatliches Wohlfahrtssystem zu entrichten, wollen diese Akteure Sozialpolitik privatisieren, oder zumindest Beeinflussen – zum eigenen Vorteil. Sozialpolitik, sprich Bildungspolitik, Gesundheitspolitik als auch Infrastrukturpolitik insgesamt, werden so zum Einflussgebiet und Geschäftsfeld der Unternehmen, während gleichzeitig dem Staat Steuermittel entzogen werden.

Bei den gemeinnützigen Stiftungen und Spenden der Superreichen handelt es sich also kaum um Akte der Solidarität. Indem der Unternehmer zum parastaatlichen Akteur wird, werden Gewaltmonopol und Sozialausgleich ad Absurdum geführt. Jedes Geld, das ein Milliardär erfolgreich an Steuern spart, ist zugleich Geld, dass der Staatskasse entrissen worden ist. Die 10 Milliarden an Dollar, die Zuckerberg an Steuern zahlen könnte, würden das diesjährige 69 Milliarden-Dollar Budget der USA für öffentliche Bildungsausgaben erhöhen, wie Jason Farbman in einem Beitrag für das US-Magazin Jacobin anmerkte.

In letzter Konsequenz wird so der gesetzliche Anspruch auf staatliche Leistungen durch die Willkür des privaten Wohltäters ersetzt, der ohne demokratische Kontrolle Einfluss auf die Verteilung von Geld nehmen kann. Großspenden für wohltätige Zwecke geben nicht einmal das wieder her, was der Öffentlichkeit durch die neoliberale Umverteilungspolitik von unten nach oben geraubt wurde. Auch sind paternalistische Spendenaktionen von gutbetuchten Gönnern so alt wie die Geschichte selbst. Und schon immer dienten sie politischem Kalkül und Machtanspruch.

Seit jeher gab und gibt es Stiftungen und Wohltätigkeitsorganisationen. Armut als strukturelles Phänomen konnten sie jedoch nie lindern – geschweige denn ein flächendeckendes Sicherungssystem gewährleisten. Erst die modernen Sozialstaaten der Nachkriegszeit waren in der Lage, die sozialen Risse zu kitten und für einen breiten gesellschaftlichen Wohlstand zu sorgen.

So bleibt der Umriss eines privatisierten Wohltätigkeitssystems, das auf die Gaben von gnädigen Patriarchen angewiesen ist, ein trübes, wenn auch von einigen Interessensgruppen gewolltes Erbe des verblassenden demokratischen Wohlfahrtsstaates.

Artikelbild: Dan Farber / flickr / CC BY-NC 2.0

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10 Kommentare zu "Mark Zuckerbergs PR-Coup
Die “Spenden” der Reichen"

  1. spinne sagt:

    Habt ihr mal das Browser plugin Ghostery benutzt, für diese Seite bzw. diesen Artikel?
    Ihr habt Facebook Sozial Plugins Widgets eingebunden, damit unterstützt ihr Facebook. Und außerdem liefert ihr damit selbst nicht Facebookbenutzer dem Konzern aus. Vielleicht solltet ihr euch mal die frage stellen ob ihr Bigott seid?
    Aber ihr werdet bestimmt auch noch Microsoft und Appelprodukte benutzen sind ja Statussymbole.Jeder braucht seinen herausragenden Status! Und damit befördert ihr all das was ihr hier anprangert.
    Es gibt schon lange bessere Alternativen die nicht unsere Gesellschaft zerstören. Ach ja ich weiß die benutzt ja keiner, stimmt ihr benutzt die nicht!

    Nun wenn ihr eine Feudale Sklavenhaltergesellschaft bevorzugt dann weiterso, wir sind auf dem Besten Wege dorthin. Den Neoliberal bedeutet zurück zu den Wurzeln des Liberalismus, also in die Sklavenhaltergesellschaft!
    Im übrigen werden 2 Kommentare angezeigt wo sind die denn?

    • Mag sein, das hier auch eine gewisse Bigotterie mitspielt. Fakt ist, das Medienverlage generell zunehmend von Facebook abhängig sind. Auch wir. Diese Kritik an den Praktiken Zuckerbergs z.B. würden noch nicht einmal halb so viele Leute lesen, wenn der Artikel nicht über Facebook geshared und geliked werden würde – das ist die Ironie an der ganzen Geschichte: Facebook ist, will man Resonanz erfahren, kaum mehr aus dem medialen Raum wegzudenken. Doch wem will man dafür letztendlich die Schuld geben?
      Sind es immer die Konsumenten und User, die für die Machtstellung eines Konzerns verantwortlich sind, oder vllt. auch die Politik und eine fehlende Wettbewerbskontrolle? Selbst die Ordoliberalen erkannten in zu großer Marktmacht ein wirtschaftliches und gesellschaftliches Problem.
      Davon abgesehen: Wer will denn die Idee von Facebook verurteilen? Entscheidend ist eher, was aus der Idee gemacht und wie sie pervertiert wird.

      • spinne sagt:

        Nun ja, wenn ich mein eigenes Mitwirken nicht als Schuld anerkennen will, dann kann man sich jegliche Kritik, abgesehen vom Trollen, sparen.
        Und wenn ihr hier wieder die Ausrede “euch liest sonst keiner” benutzt und bei FB etwas postet das ist das ja eure Entscheidung und hat mit der Entscheidung Spionagetools auf eurem Blog bzw. Internetseite zu installieren nichts zu tun, aber damit gefährdet ihr auch Leute die nichts mit FB zu tun haben wollen.
        Das ist die eigene Verantwortung die man für ein handeln trägt.
        Wie sangen die Ärzte: Es ist nicht deine Schuld das die Welt ist wie sie ist, es ist nur Deine Schuld wenn sie so bleibt!

        Und wegen eurer Ausrede das euch so wenige lesen würden, auf welchen Freien Sozialen Netzwerken seid ihr denn zu finden?

        Diaspora, Quitter, Friendica, gnusocial
        es gibt noch mehr.
        https://www.gnu.org/philosophy/social-inertia.de.html

        Zitat: Soziale Trägheit besteht aus Menschen, die der sozialen Trägheit nachgegeben haben. Wenn Sie sich der sozialen Trägheit ergeben, werden Sie Teil des Drucks, den sie auf andere ausübt; wenn Sie ihr widerstehen, verringern Sie diesen Druck. Wir bekämpfen soziale Trägheit, indem wir sie erkennen und uns entscheiden, kein Teil von ihr zu werden Zitatende

        http://pb21.de/2014/08/gruppen-bildung-v-soziale-netzwerke-selber-aufsetzen/

        http://pb21.de/category/dienste-werkzeuge/soziale-netzwerke-communities/

        Ihr könntet wenn ihr es denn wolltet gut und gerne auf die Plugins verzichten auf eurer Seite, das würde nicht einmal eure Beiträge in FB tangieren.

        So jetzt habt ihr noch ein paar Anhaltspunkte bekommen, ihr seid Journalisten und müsstet Recherchieren können.
        Jetzt fehlt nur noch die ausrede: das die Zeit fehlt!

        Man muss das was man ändern möchte, warum auch immer, wenigstens vorleben, sonst wird das nix.
        Und nein das ist alles nicht leicht! So mehr habe ich nicht zu diesem Thema beizusteuern, das hatten wir alles im Netz schon zu oft.

  2. Paul Simon sagt:

    “So bleibt der Umriss eines privatisierten Wohltätigkeitssystems, das auf die Gaben von gnädigen Patriarchen angewiesen ist, ein trübes, wenn auch von einigen Interessensgruppen gewolltes Erbe des verblassenden demokratischen Wohlfahrtsstaates.”
    Das finde ich den entscheidenden Punkt, dass mit dem Wohlfahrtsstaat und einer relativen Gleichheit auch irgendwann die Bedingungen der Demokratie verschwinden. Besonders befremdlich am amerikanischen System ist ja, wie sehr über angeblich “philantropische” Stiftungen auch die gesellschaftliche und politische Diskussion gelenkt wird, wie sehr also viele Intellektuelle, Forschungseinrichtungen, Think Tanks, etc., ja sogar Medien wie “The Intercept” im Grunde von der Largesse von Milliardären abhängig sind. Und das schließt “progressive” Institutionen mit ein, die dann so ur-neoliberale Ideen wie die Privatisierung des Bildungssystems, oder Mikrokredite anstatt Entwicklungspolitik, etc. als Siege für die soziale Gerechtigkeit verkaufen.
    Zuckerberg ist auch ein großer Freund von “charter schools.” So jemand wie Jan Phillipp Reemtsma ist selbst in Deutschland eine vollkommene Ausnahme – in den USA hatten “Stiftungen” meist eine konservative Wirkung.

    Doug Henwood sagte zu dem Thema kürzlich:
    “Foundations, almost without exception, exist to put a friendly face on plutocracy, and the last thing that plutocrats want is scrutiny of themselves. They’re interested in melioration but quite opposed to anything too structurally radical. Their role in shaping social science research is profound: recall my interview with Leah Gordon last June about how elite foundations shifted the emphasis in research on race relations away from structural issues towards individual psychology, “from power to prejudice,” as the title of her book put it. Questions interest them far more than answers.

    Philanthropy doesn’t get anywhere near the critical attention it deserves, in large part because the kinds of intellectuals who could do that work are dependent on those philanthropies for funding. (I don’t blame the grantees—it’s hard to get by in this world.) I’m not dependent on their generosity, so I’m doing my best to fill in that gap.”
    (http://lbo-news.com/2015/12/07/comment-on-foundations/)

  3. Paul Simon sagt:

    Hier ist auch noch eine etwas ältere, aber immer noch interessante kritische Auseinandersetzung mit dem politischen Einfluss von Stiftungen. Aus Doug Henwoods alter Zeitung, von 1995:
    http://www.leftbusinessobserver.com/Foundations.html

    Ich schätze heute ist die Situation sogar noch schlimmer, denn der Trend geht offenbar dahin, nicht mehr sein Geld einer professionellen Organisation zu überantworten, sondern viel stärker persönlich die Kontrolle zu behalten. So wird es einfacher, seine Stiftung auch für persönliche politische und geschäftliche Zwecke zu benutzen, wie ja oben angesprochen mit Bezug auf die Initiative Internet.org.

    Auch beim Thema Schulprivatisierung verschwimmt die Grenze zwischen (progressiv-gemeinter) Ideologie und wirtschaflichen Interessen ziemlich.

  4. Trader sagt:

    Dass ein Zuckerberg die ganze Aktion nicht wegen Philantrophie aufzieht, dies dürfte jedem mit etwas Grips klar sein. In welche Richtung jedoch das Ganze abzielen könnte, das war mir bisher noch nicht ganz klar. Vielen Dank für das Enlightment.

  5. Thomas sagt:

    Hallo Sebastian,

    danke für diesen und auch Deine regelmäßigen anderen Artikel, die sich inhaltlich und stilistisch deutlich von vielen Leitartikeln der etablierten „Qualitätsmedien“ abheben.
    Da es schon um Facebook geht – nur aus Neugier – wie viele Follower hat eigentlich „le bohemien“?

    Facebooks Börsenwert von c.a. 300 Milliarden Dollar ist wie das Unternehmen selbst vor allem virtueller Natur. Dem Preisanstieg von 38 Dollar im Jahr 2012 auf aktuell 108 Dollar pro Aktie steht kein adäquater Kapitalstock mit vergleichbaren „realen“ Werte gegenüber. 99 Prozent dieser virtuellen Werte wollen Zuckerberg und seine Frau nach eigenen Worten „im Laufe ihres Lebens“ in eine Stiftung überführen. Da die weitere Wertentwicklung innerhalb dieser Zeitspanne völlig unvorhersehbar ist und genauso gut wieder wie ein Napfkuchen in sich zusammenfallen kann, erscheint Zuckerbergs Schritt bei Lichte betrachtet weit weniger generös, als wenn er z.B. seine Riesenimmobilie auf Hawai ( http://www.manager-magazin.de/immobilien/artikel/facebook-mark-zuckerberg-kauft-mega-immobilie-auf-hawaii-a-997000.html ) wieder verkaufen und den Erlös direkt spenden würde.

    Auch ohne in Alarmismus zu verfallen: Die Refeudalisierung der Gesellschaft – in den USA bereits kurz vor dem Abschluss – steht auch in Deutschland viel dichter bevor, als viele ahnen. Der gute alte klassische „Kapitalismus“, an dem man sich als kritischer Geist bisher politisch abgearbeitet hat, wird dann mangels ökonomischer Basis und Notwendigkeit nicht mehr das Thema sein. Formiert sich innerhalb der nächsten 10 Jahre keine ernsthafte soziale Gegenbewegung, dann schätze ich, dass der Wandel nur noch zwischen 1 und 2 Generationen dauern wird. Historisch betrachtet ist das sehr rasant – da bekommt man als politisch denkender Mensch und besorgter Familienvater allmählich doch kalte Füsse.

    In diesem Zusammenhang würde ich mir wünschen, dass auch „le bohemien“ nicht nur eine aufklärende, sondern auch eine Netzwerkfunktion erfüllen könnte.

    Viele Grüße
    Thomas

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