Brüsseler Technokratie
Schlimmer als die Papstwahl

Wann fällt die Entscheidung über die Hilfe für Griechenland? Und wie? Die Entscheidungsprozesse in Brüssel sind komplizierter und undurchsichtiger als im Vatikan – sie verwischen die politische Verantwortung.

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Foto: Martin Fisch / flickr / CC BY-SA 2.0

Von Eric Bonse

Seit Donnerstag Abend um 22 Uhr liegt das Sparpaket aus Athen in Brüssel. Doch 24 Stunden später lag immer noch kein Urteil im wohl wichtigsten Prozess der EU-Geschichte vor. Das hat seine Gründe. Denn am Freitag wurde Stillschweigen vereinbart. Erst tagte die Troika (am Telefon), dann wurden diverse Analysen etwa zur Schuldentragfähigheit erarbeitet – ein technokratischer Vorgang.Am Samstag Morgen trafen sich die Experten der Euro Working Group, dann kam der Austeritäts-Club (genannt Eurogruppe) – und erst ganz zum Schluss, am heutigen Sonntag, die große Politik.

Technokraten zuerst, Politiker zuletzt

Insgesamt ein undurchsichtiger Prozess, bei dem nicht gewählte Technokraten und demokratieferne Institutionen die Weichen stellen und die politische Verantwortung systematisch verschleiert wird.

Noch absurder ist aber der Entscheidungsbaum, der zum Urteil über Griechenland führen soll. Erst redet man – siehe oben – über die Schuldentragfähigkeit – aber nicht über eine mögliche Umschuldung (die kommt wohl erst im Herbst dran). Danach soll es um Einsparungen und Reformen gehen – aber nicht unter volkswirtschaftlichen oder gar sozialen Aspekten, sondern mit Blick auf die Vorgaben des „aide mémoire“ aus dem Berliner Kanzleramt.

Hilfe gegen den Kollaps erst ganz zum Schluss

Erst im dritten Schritt redet man dann über das Hilfsprogramm – aber nicht darüber, wie es am besten hilft, sondern unter dem Aspekt, ob und wann die Verhandlungen aufgenommen werden können.Und erst danach, ganz zum Schluss (so stellte es jedenfalls die Kanzlerin dar) soll es um kurzfristige Geldspritzen gegen die akute, vom Eurosystem bewusst herbeigeführte Not im griechischen Finanzsektor gehen.

Das ist so, als würde man einem Patienten bei der Notaufnahme sagen, man könne ihn erst behandeln, wenn seine Lebenserwartung für die nächsten Jahre zweifelsfrei geklärt sei.

Es geht nicht um den Patienten Griechenland

Auf die Idee, erst den angerichteten Schaden bei den Banken und Bürgern zu reparieren, dann erfolgsorientiert zu verhandeln und schließlich ein neues Hilfsprogramm aufzulegen, ist niemand gekommen.

Im Kern geht es nämlich nicht darum, den halbtoten Patienten Griechenland und seine rebellischen Bürger zu retten – sondern darum, die alten und neuen Kredite der Gläubiger abzusichern…

…und außerdem wollen sich die EU-Granden die Möglichkeit des Scheiterns (also den Grexit) offenhalten. Anders als im Vatikan kam man diesmal nicht sicher sein, dass am Ende weißer Rauch aufsteigt!

Der Beitrag erschien zuerst auf Lost in EUrope

Artikelbild: Martin Fisch / flickr / CC BY-SA 2.0

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Ein Kommentar zu "Brüsseler Technokratie
Schlimmer als die Papstwahl"

  1. Was mich wirklich mal interessieren würde ist die Frage, ob die hier erwähnten Institutionen und Fachpersonal die gleichen sind, die damals die “gefälschten” Papiere der Griechen begutachtet haben, als es um die Zulassung zu EU ging? Es würde im Grunde schon reichen, wenn die heutigen Fachpersonen von den gleichen Institutionen wären. Denn dann gibt es für mich nur zwei mögliche Beurteilungen dazu:
    1.) Es sind keine Fachleute und absolute Stümper oder
    2.) man hat wissentlich den Beitritt gestattet und somit den heutigen Stand hervorgerufen.

    Das führt dann dazu dass man verstehe kann warum man versucht am besten alles zu verschleiern und immer lautstark andere beschuldigt. So lenkt man von seiner eigenen Inkompetenz oder Fehlern ab (das ist zumindest das Denken von Kindern).

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