Befehlen, abkanzeln, schulmeistern: Die deutsche Politik und Öffentlichkeit & die Griechen.
Von Robert Misik
“Der Geisterfahrer”, titelte der “Spiegel” unmittelbar nach der Wahl von Alexis Tsipras, in den “Tagesthemen” der öffentlich-rechtlichen ARD wird EU-Parlamentspräsident Martin Schulz von einer Moderatorin mit Objektivitätsverpflichtung salopp gefragt, ob er dem Griechen-Premier auch ordentlich “auf die Finger geklopft” habe, die BILD-Zeitung bittet ihre Leser, Poster gegen die “gierigen Griechen” ins Internet hochzuladen, und auch die normalerweise seriöse Süddeutsche Zeitung fährt seit Wochen eine Kampagne mit einem Stakkato an antigriechischen Kommentaren, die oft nicht einmal mehr tangential etwas mit der Realität zu tun haben – so wird das Ergebnis einer demokratischen Wahl ungeniert als “Machtübernahme links-rechter Radikalpopulisten” bezeichnet.
Von FAZ & Co. brauchen wir gar nicht zu reden. Dass in öffentlich-rechtlichen Talkshows Videos manipulativ zusammengeschnitten werden und die Diskreditierungsabsicht gar nicht einmal mehr verborgen wird, ist dann nur mehr die letzte Zugabe. Der abstoßende Rudel-, Meute- und Kampagnenjournalismus der (nahezu gesamten) deutschen Publizistik ist mittlerweile derart augenfällig, dass man darüber keine besonderen Worte mehr verlieren muss. “Langsam glaub ich auch an die Lügenpresse”, Worte wie diese kann man hinter vorgehaltener Hand mittlerweile von nüchternen Zeitgenossen ebenso hören wie von TV-Chefredakteuren und den paar anderen verbliebenen dissidenten Stimmen, die das Ausmaß an flächendeckender Einseitigkeit gar nicht mehr fassen können.
Es ist ein schönes Beispiel dafür, wie sich eine ganze nationale Öffentlichkeit in einen Tunnelblick hineinschreibt, eine Überbietungsstrategie, bis sich der Diskurs in immer groteskere Sphären hochgeschraubt hat. Bis sich der nüchterne Leser fragt: Wie kann das denn sein?
Kein Wunder, dass der Beobachter, der nur oberflächlich mit dem Funktionieren von Medien vertraut ist, da sogar an eine gesteuerte “Lügenpresse” zu glauben beginnt oder den Verdacht hegt, Journalisten würden einfach gekauft. Aber so funktioniert das natürlich nicht. Im Grunde ist es ja in vielen anderen Fragen ähnlich, wenngleich nicht so krass: Es entwickelt sich in der medialen Berichterstattung eine hegemoniale Haltung, sodass klar ist, welche Meinung eher dominant, welche eher die dissidente Meinung ist. Das spiegelt sich in aller Regel dann auch schnell im politischen Feld wieder, weil Politiker und Parteien sich der hegemonialen Meinung oft unterwerfen, sei es, weil sie sich nicht isolieren, sei es, weil sie nicht anecken wollen. Auch Journalisten, sofern sie eine abweichende Meinung haben, entscheiden sich bisweilen dann dafür, besser nicht querzutreiben. Oder sie haben keine Meinung und schließen sich instinktiv der gängige Deutung an. Herdentrieb ist der grundlegende Mechanismus.
Aber das ist natürlich längst nicht alles: mächtige Interessensgruppen sehen nicht unbeteiligt zu, wie sich eine hegemoniale Haltung entwickelt, sondern versuchen diese Entwicklung aktiv zu beeinflussen. Sie gründen Lobbygruppen, Spin-Doktoren werden aktiv, sogenannte “unabhängige” Think-Tanks bringen ihre Deutung unter die Leute. Je mehr Geld zur Verfügung steht, umso größer das Rad, das man drehen kann. Eitelkeit spielt natürlich auch eine Rolle, wenn sich Journalisten die Meinung der herrschenden Macht zu eigen machen – denn die lockt schmeichelnd mit Nähe, gibt dem Journalisten das Gefühl, “wichtig” zu sein, wenn sie ihn mit Informationen versorgt, und der Journalist macht sich dann zum Propagandainstrument der Macht, oft ohne es überhaupt zu merken. Der hegemoniale Diskurs ist auch der, innerhalb dessen die “seriösen Haltungen” angesiedelt sind, während man jenseits davon allenfalls als Querdenker reüssieren kann. Es sind Prozesse wie diese, in denen sich eine regelrechte mediale Einheitsmeinung, ein Einheitsdenken breit macht.
All diese Mechanismen können bei jeder beliebigen politischen Frage ähnliche Resultate zeitigen und das geschieht auch: dass Deregulierung eine “Modernisierung” ist, dass es sich beim Abbau von Arbeitsmarktregeln um “Reformen” handelt, die “fit machen” für den internationalen “Wettbewerb”, dass “Strukturreformen” (welche immer), eine gute Sache sind, die Linken dagegen “rückwärtsgewandt”, das sind ähnliche zu Phrasen und leerem Jargon gewordene Ideologiebruchstücke, die schon in der Vergangenheit zu schieren Einheitsmeinungen geworden sind. Allerdings gibt es eine Sache, die es erheblich erleichtert, in nationalen Öffentlichkeiten eine Einheitssicht zu etablieren und – im Umkehrschluss – Gegenpositionen zu marginalisieren: und zwar indem man sie nationalistisch “einframed”, wie das die Fachleute sagen, also in einen nationalistischen Deutungsrahmen einbaut.
Im konkreten Fall lauten die Storyline ja nicht bloß “Austerität gut, Keynesianismus böse” oder “Neoliberalismus gut, Sozialismus böse”, was eine Differenz entlang der politischen links-rechts Achse eröffnen und somit nie zur Auslöschung jeder Gegenposition führen würde, sondern sie ist nationalistisch kodiert: Fleißige Deutsche gegen faule Griechen. Solide Deutsche gegen südlich-mediterranen Schlendrian. “Sie” sind pleite und wollen “unser” Geld. Und frech sind “sie” auch noch. Es ist eine Art “Neoliberal-Nationalismus”, der langfristig diskursiv aufgebaut wurde. “Das Deutschland-Prinzip. Was uns stark macht”, lautet beispielsweise ein Buch, das jüngst eine wirtschaftliberale Lobbyorganisation auf den Markt brachte.
In den europäischen Gläubigerländern, Deutschland voran, hat sich in den vergangen fünf Jahren ein “ökonomischer Rassismus” breit gemacht. Es wird nicht nur scheel auf die “unsoliden Schuldnerländer” herabgeblickt, sondern deren ökonomische Probleme werden mit angeblichen ethnisch-kulturellen Eigenschaften verbunden: Schlendrian, Faulheit, ein Hang zur Korruption.
Einher geht damit eine Rhetorik des Herrenreitertums und der Arroganz, man glaubt, das Recht zu haben, andere von oben herab belehren zu können. Europäische Regierungen, ja, ganze Gesellschaften werden wie infantile Pennäler geschulmeistert. Der Jargon der Zuspitzung wird immer haarsträubender. Da höhnt Finanzminister Wolfgang Schäuble, “die Griechen tun mir leid” (weil die Dummchen die falsche Regierung gewählt hätten), in jedem zweiten Satz wird drohend verlangt, irgendjemand habe “seine Hausaufgaben” zu machen und täte das “nicht ausreichend”. Legendär der Ausruf von CDU-CSU-Fraktionschef Volker Kauder, der in nationalbesoffenem Jubel postulierte, nun werde “in Europa Deutsch gesprochen”. Selbst die sozialdemokratische SPD glaubt, sich dem rhetorischen nationalen Schulterschluss nicht entziehen zu können und erweckt bisweilen den Eindruck, sich mit den Konservativen einen Überbietungswettbewerb zu liefern, wer die Griechen am schroffsten abkanzelt.
Deutschland führt zur Zeit vor, wie gut Wirtschaftsliberalismus und Krawallnationalismus zusammenpassen.
Der Beitrag erschien ursprünglich auf misik.at und steht unter CC-Lizenz
warum seht ihr euch nicht die umfragen an? keiner hat lust den griechen noch mehr geld zu schicken, was nicht zurückgezahlt wird. da muss man keinen journalisten kaufen. niemanden interessiert, welche politik in GR geführt wird, hauptsache es kommen nicht ständig irgendwelche forderungen.
Liebe Pille…
Welches Geld haben “Wir” denn den Griechen geschickt? Keinen einzigen Euro. “Die Griechen” haben Kredite bekommen die sie bisher brav alle bedient haben. Ueber 300 Mio an Zinsen hat alleine die Bundesdeutsche Staatskasse an EINNAHMEN bisher gehabt. Die durch die Eurokrise massgeblich bedingten Rekordniedrigzinsen fuer deutsche Staatsanleihen , welche “die schwarze Null” erst ermoeglichen zaehlen wir da noch gar nicht rein.
Ausserdem fordern “die Griechen” gar nix neues sondern nur das was ohnehin bereits lange beschlossen und bewillgt war. Nur auf eine Weise die NICHT einfach nur die einfache Bevoelkerung abwuergt. Um nix anderes gehts hier. Geld hat damit gar nix zu tun auf “Deutscher” Seite.
Nur eine Anmerkung
Über die heutige Verwendung des Rassismus-Begriffs sollte reflektiert werden:
https://sciencefiles.files.wordpress.com/2015/02/sf_diefenbach_2015_kritik-der-rassismuskritik2.pdf
Wenn Person (oder Gruppe) A die Person (oder Gruppe) B beschuldigt ein Z zu sein, wobei Z hier etwas politisch oder moralisch ganz Verwerfliches ist, ist damit dann belegt, dass Person (oder Gruppe A) im Recht ist?
Nein. Das ist einfach nur Diffamierung. Aber als irrationale Ersatzstrategie verdrängt sich in dem Maße eine rationale politische Auseinandersetzung, wie die Argumente schwinden. Und Interessen sind nicht nicht notwendig an Rationalität oder Seriosität orientiert, sondern am Ziel der Durchsetzung, “gleichviel mit welchen Mitteln”.
Nun, Argumente wurden doch von Herrn Misik geliefert. Er argumentiert m.E. recht plausibel, warum er hier von ökonomischen Rassismus spricht. Und die “rationale politische Auseinandersetzung” findet doch gerade genau in der medialen Berichterstattung über Griechenland kaum noch statt – das ist doch der springende Punkt.
http://www.zdf.de/ZDFmediathek/kanaluebersicht/2078314#/beitrag/video/2351516/%22Die-Anstalt%22-vom-31-M%C3%A4rz-2015
Ich habe nichts gegen die inhaltlichen Argumente von Herr Misik; und ich schätze ihn. Selbstverständlich ist die mediale Auseinandersetzung mit dem Griechenland-Thema unterirdisch schlecht und moralisch zweifelhaft.
Aber ich würde eine solch fragwürdige Begrifflichkeit (Rassismus) doch lieber gemieden sehen, an dieser, und viel mehr noch an anderen Stellen. Das ist keine gute Tendenz, und sie kann auch vermieden werden, indem einfach andere Ausdrücke gesucht werden, die deutlich und sachlich und gleichwohl deutlich und scharf sein können.
Ganz meiner Meinung. Der inflationäre Gebrauch des Begriffes “Rassismus” stört mich auch schon seit längerem. Wird inzwischen überall sorglos eingesetzt. Dadurch wird er entschärft und beliebig.
Wenn es denn wirklich war wäre, dass dieses Verhalten der Medienmeute auf niederen Rudelinstinkten und Eitelkeit beruht, dann wäre Druck eine der möglichen Gegenmaßnahmen. Dieser Druck könnte durch Auflagenschwund, Protest oder auch Baseballschläger ausgeübt werden.
Ich glaube jedoch, dass das Geld der Anzeigenkunden der vorherrschende Meinungsverstärker ist. Springers Welt z.B. hat noch nie schwarze Zahlen geschrieben. Selbst wenn diese Zeitung gratis unter die werte Leserschaft verteilt werden müsste, als systemrelevantes Blatt würde sie genausowenig untergehen wie die Kulturtempel der durchlauchten Oberschicht (Welt-Leser halten sich dafür, pruuust). Sie sind gezwungen, das zu schreiben wofür sie bezahlt werden. Es ist die schiere Existenznot. Das Geld, das durch den Verkauf einer Zeitungsauflage reinkommt wird immer weniger weil immer mehr von der gedruckten Auflage gar nicht mehr verkauft wird, dieser Anteil aber wohl den Anzeigenpreis hochtreibt. GEZ-Medien haben mit der Zwangsgebühr eine Gelddruckmaschine wie sie sonst nur Bankster vorweisen können, bei privaten Analogmedien ist die strikte ideologische Ausrichtung von vorn herein klar.
Das Sein bestimmt das Bewusstsein. Amen.
Der Vollständigkeit halber sollte auch mal die Gegenseite beleuchtet werden: In der Parteizeitung wird der deutsche Finanzminister wiederholt als “Gauleiter Schäuble” tituliert. Die deutsche Kanzlerin sieht man in Karikaturen, wie sie mit Hitler telefoniert und ihm ewige Treue gelobt. Tsipras selbst hat davon gesprochen, dass ein “sozialer Holocaust” drohe, wenn man den Deutschen nicht endlich entgegentrete.
In solchen Vergleichen nur das törichte Gerede eines Mannes zu sehen, dessen Kenntnis über das Verbrechen an den Juden offenbar hinter dem jedes deutschen Achtklässlers zurückbleibt, hieße, seine politischen Instinkte zu unterschätzen. Es geht darum, moralisches Kapital aufzubauen, und was wäre dazu besser geeignet, als die Verbrechen des Nationalsozialismus zum eigenen Nutzen zu monetarisieren?
Sehen wir uns den sozialen Holocaust, von dem der neue griechische Regierungschef redet, genauer an. Die Deutschen haben zum jetzigen Stand 65 Milliarden Euro nach Athen transferiert, damit das Land weiter Löhne und Renten zahlen kann und auch ansonsten seinen Verpflichtungen einigermaßen gerecht wird.
Die Rückzahlung der Kredite ist auf Jahrzehnte gestreckt, die erste Rate wird erst im Jahr 2020 fällig. Die vereinbarten Zinssätze sind so gering, dass Griechenland weit weniger zur Begleichung seiner Schulden ausgibt als andere Mitgliedstaaten in der Eurozone, die viel niedriger verschuldet sind.
Es gibt viele Möglichkeiten, die Opfer des Nationalsozialismus zu verhöhnen. Man kann die Existenz der Gaskammern bezweifeln oder an der Zahl der Toten herumdeuteln. Man kann aber auch einfach so tun, als ob das Schicksal eines griechischen Staatsbediensteten, dem sein Gehalt gekürzt wurde oder der seine Anstellung verloren hat, mit dem Leid der Unglücklichen vergleichbar sei, die ihr Leben in den Gaskammern in Polen oder einem Massengrab in der Ukraine ließen. Es ist die Frage, welche Methode die perfidere ist.
Wir haben in Deutschland nicht viele Tabus, die Verharmlosung des Holocaust gehört dazu. So wie es verboten ist, sich mit SS-Runen zu schmücken oder den Hitlergruß zu zeigen, so zuverlässig bringt einen die Relativierung des Schreckens des Nationalsozialismus mit der Justiz in Konflikt.
Der ehemalige RAF-Anwalt Horst Mahler verbüßt derzeit eine mehrjährige Haftstrafe, weil er beharrlich den Mord an den Juden kleingeredet hatte. Diese Härte bildet den Willen des deutschen Staates ab, zu diesem Thema kein loses Gerede zu dulden. Dass nun ausgerechnet auf Seiten der Linken ein stilles Einverständnis zu Tage tritt, wenn von einer europäischen Regierung das Gedenken an die Opfer zu politischen Zwecken trivialisiert wird, ist eine der verrückten Volten dieser Tage.
Die Apologeten der neuen Regierung in Athen wollen uns weismachen, dass es nichts zu bedeuten habe, wenn dort die radikale Linke mit der radikalen Rechten paktiert. Der rechtspopulistische Verteidigungsminister der neuen griechischen Regierung musste als erste Amtshandlung ein unbewohnte Insel überfliugen, um die sich GR und der Türkei streiten.
Wahrscheinlich ist, dass nun auch im Süden Europas zusammenfindet, was zusammengehört. Der Historiker Thomas Weber hat in einem Beitrag für “Die Welt” dargelegt, wie weit die Judenfeindlichkeit bei Tsipras und seinen Leuten geht.
Man kann dort zum Beispiel nachlesen, dass der nun zum Finanzmister aufgestiegene Hochschulprofessor Giannis Varoufakis seinen Job als regelmäßiger Kommentator bei einem australischen Sender verlor, weil die Senderleitung zu dem Schluss gelangt war, dass Varoufakis “negative Stereotypen über Juden und besonders über israelische Juden fördere”.
@ willi
“Der Historiker Thomas Weber hat in einem Beitrag….”
Wie journalistisch unsauber das ist, zeigt das Fehlen einer wichtigen, zum Zeitpunkt der Veröffentlichung des Welt-Artikels bereits verfügbaren Quelle. Im Interview mit der Jüdischen Allgemeinen hatte nämlich Moses Constantinis, Präsident des Zentralrats der Juden in Griechenland, bereits alles zu dem Thema gesagt: „Wir vertrauen Syriza“ und: „Wir hoffen, dass unser Land mit ihr die Krise endlich überwindet.“ Befragt nach dem Antizionismus von Syriza erläutert Constantinis: „Es ist nicht nur meine Hoffnung, sondern ich glaube auch wirklich daran, dass Syriza nicht nur die gute Zusammenarbeit, die es zwischen Griechenland und Israel seit Jahrzehnten gibt, nicht gefährdet, sondern vielleicht sogar stärkt. Wir sind auch zuversichtlich, dass Syriza vielleicht einmal in der Lage sein wird, im Friedensprozess im Nahen Osten eine positive Rolle zu spielen.“ Das hätte Weber nicht verschweigen dürfen. Aber umgekehrt, hätte er es nicht verschwiegen, hätte er auch keinen Artikel über Syrizas „Judenfeinde“ schreiben können.
Es ist naiv zu glauben, nur Deutschland würde in der Eurokrise nationale Interessen verfolgen und alle anderen Länder Europas wären nur hilfose Opfer deutscher Politik. Die EU ist Teil des amerikanischen Weltsystems, die US-Regierung spielt daher eine erhebliche Rolle in dieser Krise:
http://deutsche-wirtschafts-nachrichten.de/2015/03/17/ehemaliger-ezb-direktor-euro-wurde-auf-druck-von-obama-gerettet/
Es sind aber gerade jene USA, die Deutschland wegen seines Austeritätskurses rügen und schon immer von selbigem die Rolle des Konjunkturmotors für Europa gefordert haben. Die USA haben selbst nämlich haben mit einer Konjunkturpolitik des Deficit Spending aus der Wirtschaftskrise gefunden. In diesem Fall sind die USA also überhaupt nicht für die Politik Deutschlands verantwortlich – im Gegenteil. Ihr geteilter Link ist das beste Beispiel, denn Merkel hat die interventionistische und von Obama unterstützte Politik der EZB immer abgelehnt.
Ganz genau, die USA kritisieren Deutschland dafür, dass es sich gegen das Deficit Spending sperrt. D.h. die nationalen Interessen Deutschlands und der USA befinden sich in der Eurokrise im Konflikt und die Interessen der USA decken sich mit denen der Südeuropäischen Ländern. Das ist, nüchtern betrachtet, die Lage.
Ob, die USA mit Deficit Spending wirklich den Weg aus der Wirtschaftskrise gefunden haben, und od dies nicht vielmehr ein Strohfeuer entfacht hat, sei mal dahin gestellt.
Nur: Warum sollte Deutschland keine Politik im nationale Interesse betreiben dürfen und warum wird eine solche Politik nur im Falle Deutschlands als Nationalismus gegeißelt?
Die Austeritätspolitik ist wirtschaftstheoretisch und empirisch falsch, und zwar für alle Beteiligten und Betroffenen. Die Bundesregierung der GroKo verfügt erstens über keinerlei Sachverstand und sie wird zweitens schlecht beraten, nämlich von Neoklassikern. Auf Basis einer falschen Theorie kann aber keine wirksame Wirtschaftspoltik betrieben werden. Sie funktioniert ja tatsächlich nicht. Ich verweise hier der Kürze halber auf die Publikationen von Heiner Flassbeck (Flassbeck-economics.de).
Dem gibt es nichts hinzuzufügen. Deutschland schneidet sich als Exportnation über kurz oder lang ins eigene Fleisch, wenn es den Abnehmern der Exporte das Wasser abdreht. Es ist ein Widerspruch in sich, wenn Deutschland einerseits ein Interesse an dem fortbestehen der EU und der Währungsunion haben muss, andererseits aber durch seine nationalen Interessen diese zur Auflösung bringt! Zudem lässt sich die humanitäre Tragödie in Griechenland durch kein Interesse rechtfertigen.
Ex-Goldman-Sachs-Banker Mario Draghi leitet seit 2011 die EZB. Das einzige nennenswerte Ergebnis seiner lockeren Geldpolitik sind steigende Aktienkurse und ein fallender Euro, der im Vergleich zum Dollar 30% seines Wertes verloren hat. Draghis Politik hat hingegen zu keinerlei Aufschwung in der Eurozone geführt und die wirtschaftliche Situation in den südlichen Euroländer nicht verbessert.
Klar, weil Geldpolitik nur in Kombination mit fiskalpolitischen Maßnahmen funktionieren kann. Diese bleiben aber durch den Druck Deutschlands in Europa aus. Deutschland konterkariert sozusagen die an sich sinnvollen geldpolitischen Maßnahmen des Niedrigzinses seitens Draghi. Nicht dass ich nicht vieles an der EZB kritisieren würde, aber wie man ernsthaft versuchen kann, die fatale und destruktive Rolle Deutschlands an diesem Schlamassel zu leugnen, ist mir schleierhaft.
Keynesianismus funktioniert höchstens innerhalb einer Volkswirtschaft, aber nicht innerhalb einer Wirtschafts- und Währungsgemeinschaft. Es ist auch naiv anzunehmen, irgendeine deutsche Regierung würde ein Konjunkturprogramm für andere EU-Staaten finanzieren. In welcher Koalitionskonstellation sollte das denn möglich sein? Absolut unrealistisch. Und das Budget der EU ist dafür auch zu gering.
Es ist sinnvoller, mal über ernsthafte Lösungsmöglichkeiten der Krise wie einen Schuldenschnitt oder einen Grexit nachzudenken.
Draghi kann derzeit schwerlich etwas anderes machen als eine sehr lockere Geldpolitik, wenn er eine Deflations-Depressionsspirale verhindern will. Aber wenn die EZB ´Gas gibt´ und wenn die Finanzminister zugleich ´auf der Bremse´ stehen, dann haben wir den ganzen Widerspruch. Wenn alle, auch die Unternehmen und der Staat ´sparen´, also nichts ausgeben und keine Nachfrage schaffen, dann ist Stagnation die Folge. Die kann nur durchbrochen werden, indem der Staat Infrastrukturausgaben tätigt, und das Nullzinsniveau lädt geradezu dazu ein. Diese staatlich, auch technisch gebotenen Anschub-investitionen werden dann durch den Kreislaufzusammenhang auch die privaten Investititonen anspringen lassen, indem Lohnerhöhungen zu Nachfrage-steigerungen führen, die ihrerseits private Investitionen veranlassen.
Lieber Mitch,
ich tendiere hier im Forum zu deiner Sicht der Dinge. Es ist schon erstaunlich, wie viele Leute hier einem Deficit Spending das Wort reden.
Im Grunde hatte Griechenland ja unmittelbar nach der Einführung des Euro (unter betrügerischer Hilfe von Goldman Sachs!!) die Chance, ein solches Programm aufzulegen: Zinsen so niedrig wie noch nie und ein Aufholbedarf an Investitionen. Doch was hat es gemacht? Das nicht vorhandene Geldwurde lieber in konsumptive Sektoren gelenkt statt in investive.
Griechenland hat beispielsweise von der EU Gelder bekommen um ein Brandmeldesystem aufzubauen mit Feuer-Wachttürmen rund um Athen. Kaum als es fertig war, gab es einen Regierungswechsel und weil die Vorgängerregierung ihre Parteigenossen mit den Posten als Brandmelder vorsorgt hatte, baute die neue Regierung das alles wieder ab. daher gibt es auch nach wie vor Waldbrände im Sommer rund um Athen. Das Geld durfte Athen behalten
Und für die Errichtung eines Liegenschaftskatasters flossen aus EU-Mitteln zweimal Geld, weil ja das Geld beim erstenmal zweckentfremdet worden war.
Leider floss beim zweiten Mal auch wieder das EU-Geld (als auch das der hier Mitdiskutierenden) in schwarze Kassen – und daher gibt es noch immer kein Liegenschaftskataster. Das veruntreute Geld durfte Athen behalten. Griechen mit Posten im öffentlichen Dienst sind eben nicht zu vergleichen mit den Beamten in nördlichen Ländern- sagen zumindest die Griechen selbst.
Somit können sie noch immer keine Grundsteuer erheben und für die Steuerausfälle kommt ja die Nord-EU auf. Das ist ja praktisch und kann so bleiben.
Das Hauptproblem Griechenlands ist und bleibt das fehlende Geschäftsmodell: die benachbarte Türkei ist im Tourismus billiger. Und die nordeuropäischen Länder können mit ihren durchrationalisierten Fabriken (bis hin zum Lebensmittelsektor) Griechenland mal eben so mit versorgen- das Gesetz der Skalenvorteile bei Großmengenproduktion machts möglich. Die niederländische Landwirtschaft ist hoch durchrationalisiert und versorgt Griechenland -nicht lachen – mit Tomaten! Die Fleischproduzenten und Molkereifabriken Mittel- und Westeuropas machen auf dem Balkan nach und nach alles platt. Da würden nur Importzölle helfen. Genau das ist es was Griechenland braucht: befristet Importzölle zur Entwicklung von Wirtschaftssektoren, Kapitalverkehrskontrollen,
eine funktionieren öffentliche Verwaltung einschließlich einer effizienten Finanzverwaltung. Doch davon ist weit und breit nicht zu sehen.
Selbst wenn die Ansprüche aus der Nazizeit teilweise berechtigt sind – und vieles spricht dafür- so ist doch klar, was GR mit dem Geld machen würde: in ein paar Jahren wäre es futsch -weil wieder nicht investiert.