Demokratie. Ein Abgesang?

Bild: Andreas Praefcke, "Reichstag, Plenarsaal des Bundestags". Some rights reserved. Quelle: wikimedia commonsDie Frage nach dem Zustand unserer Demokratie ist längst in den Mittelpunkt der wissenschaftlichen und gesellschaftlichen Debatte gerückt. Grund genug, sich diesem elementaren Thema einmal mehr zu widmen.

Der folgende Beitrag ist eine Ergänzung zu der Artikelreihe Demokratie, oder fatalistischer – Postdemokratie, die auf leBoh erschienen ist. Alle bisherigen Texte beleuchten die demokratische Frage aus verschiedenen Blickwinkeln und ergänzen sich dabei: Aus ökonomisch-politikwissenschaftlicher Perspektive der Aufsatz “Shareholder Value, Postdemokratie oder vom Wandel des Kapitalismus” von Sebastian Müller, aus soziologisch-historischer Perspektive “Die Zukunft der Demokratie” von Günter Buchholz und, fast als essayistische Replik darauf zu verstehen, “Vom Ende der Demokratie” wiederum von Sebastian Müller.

“Demokratie. Ein Abgesang?” ist eine Sammelrezension über jüngere Werke, die sich mit der Demokratie beschäftigen und greift fast vergessene Gedanken zu dieser Staatsform neu auf. Der Text wurde leBoh von dasDossier und dem Autor zur Verfügung gestellt.

Von Jan Rolletschek

Im Moment ihrer Bedrohung wird die Demokratie zum Gegenstand des politischen Gesprächs. Ob man sie so bestärkt oder ihr unversehens den letzten Stoß versetzt, ist nicht immer ganz klar.

Zur Alltagsweisheit ist geworden, dass es für demokratische Aushandlungsprozesse wenig Spielraum gibt, wo während der vergangenen Jahrzehnte ein vormals öffentlicher Sektor privatisiert oder – formal in öffentlicher Hand – dem Verwertungsimperativ rigoroser unterworfen wurde. Das Kapital hat ein deutliches Gesetz und kennt nur eine Verantwortlichkeit: Profit und mehr Profit. Wozu noch diskutieren? So regiert der Reichtum unumwunden. Die Begrenzung der Macht des Reichtums aber war es, die Unterbrechung gerade der Verbindung, die von der Schuld in die Sklaverei führte, die mit den Reformen Solons um 594 v.u.Z. am Anfang der Demokratie stand. Und die der Politik den Spielraum erst eröffnete.

TINAs alte Kleider

In kritischer Absicht ist die neoliberale Situation einer wieder erstarkten Verbindung von Staat und Kapital als „postdemokratisch“ beschrieben worden. Der „Postdemokratie“ − Jacques Rancière prägte den Begriff vor 20 Jahren[1] −, die den Schein demokratischer Legitimität mehr schlecht als recht noch wahrte, inhärierte bereits eine autoritäre Tendenz. Wenn es, wie derzeit in der Finanzkrise, bei der Durchsetzung des Wertgesetzes hart auf hart kommt, tritt diese nur besonders deutlich hervor. Sie äußert sich im Zeitdruck, unter den weitreichende fiskalische Entscheidungen gesetzt werden oder in der Installation technokratischer Regierungen, die, degradiert zur Exekutive der Troika und machtvollkommen zugleich, Spardiktate gegen die eigene Bevölkerung durchsetzen. Sie zeigt sich im Hang zum Durchregieren, in der Demokratie als Standortnachteil und ihrer bonapartistischen Interpretation, deren aktuelles Emporkommen Thomas Wagner, dem italienischen Philosophen Dominico Losurdo folgend, letztes Jahr für Deutschland beschrieben hat.[2] Wo es vermeintlich doch keine Alternative gibt, erscheint der Citoyen vor allem als potenzieller Querulant, dem das Demonstrationsrecht, wie noch im Mai in Frankfurt, auch schon mal entzogen wird. Die Demokratie ist im Gespräch. Über sie wird geredet in Zeitungen, Blogs und Büchern. Sie wird problematisch im Augenblick des drohenden Verschwindens noch ihrer „konsensuellen“, ihrer „postdemokratischen“ Variante im offenen Autoritarismus.

Umstrittene Demokratie

In dieser Situation erscheint nun in deutscher Übersetzung der kleine Sammelband Demokratie? Eine Debatte, der sich grundsätzlich mit der Demokratie befassen will.[3] Einig sind sich die AutorInnen des lange erwarteten Büchleins lediglich darin, dass die Demokratie ein vieldeutiger und umstrittener, ein politischer Begriff sei, beansprucht von den verschiedensten Seiten, für die gegensätzlichsten Anliegen. Immer wieder wird bemerkt, dass es gerade auch Antidemokraten sind, die sich einer demokratischen Rhetorik bedienen. Ausgehend von einer Äußerung Louis-Auguste Blanquis, der das Wort „Demokratie“ schon 1852 einen „Gummibegriff“ nannte, beschreibt Kristin Ross seinen tiefgehenden Bedeutungswandel: Vom revolutionären Erbe 1789, über seine bonapartistische Ingebrauchnahme, markiert durch das Zweite Kaiserreich und die besagte Bemerkung Blanquis, bis hin zu seiner offensiven Aneignung durch die Reaktion nach der „Blutwoche“ 1871, am Ende der  Pariser Kommune. Einig sind sich die AutorInnen – bis hin zu Alain Badiou – aber auch darin, dass der Begriff, dessen Verwendung gleichwohl strittig bleibt, nicht aufgegeben werden könne.

Herrschaft des demokratischen Menschen

Zwar denunziert Badiou die Demokratie zunächst im, wie er meint, geläufigen Verständnis, indem er ihre Gleichheit etwas eilig mit der Äquivalenzlogik des Warenflusses identifiziert. Denn der »demokratische Mensch« ist Badiou − mit Platon und Lacan – jener »Subjekt-Typus«, dessen endlose Jagd nach den kleinen Genüssen die »Maschinerie« am Laufen hält. Jedoch nur um schließlich zu proklamieren, dass wir heute, wollten wir „echte Demokraten“ sein, in noch ungekannter Weise „wieder Kommunisten werden“ müssten. Denn die Demokratie des »demokratischen Menschen« sei nur eine Verfallsform der Demokratie und stehe im Zeichen eines »Parlamentarismus des Kapitals«.

Dass Badiou die demokratische Subjektivität derart als eine konsumistische solche und diverse Minderheiten, wie auch die rebellierenden Jugendlichen der Vorstädte, als ihre idealtypischen Verkörperungen beschreibt – „Klamotten, Schuhe von Nike, dazu mein Hasch“ –, lässt ihn allerdings selbst in die Nähe eines „neuen antidemokratischen Diskurses“ rücken, dessen Herkommen Rancière in seinem bereits letztes Jahr auf Deutsch erschienenen Buch Der Hass der Demokratie beschrieben hat.[4]

Der so analysierte Diskurs will, um das geregelte Funktionieren der Demokratie vor ihrem Exzess zu bewahren, ein Zuviel demokratischer Vitalität in privatem Glücksstreben verebben lassen. Nur um sich auch in diesem Bereich mit Forderungen konfrontiert zu sehen, die einzuhegen, ihm nicht leichter fällt. Zum vorzüglichen Objekt seines Hasses werden daher ausgerechnet all jene, „deren Konsumfähigkeit am eingeschränktesten ist.“ Eben weil sie vom Genuss des gesellschaftlich erzeugten Reichtums weitgehend ausgeschlossen sind, müssen diese Klassen als bedrohlich gelten. Stichwort „spätrömische Dekadenz“.

Gegen den Beteiligungswillen der Leute empfiehlt der neu-alte Antidemokratismus die Absorption im Privaten. Badiou klagt sie an. Doch Kraft dieser gemeinsamen Verschiebung, die im verhinderten respektive plündernden Konsumenten den demokratischen Individualismus denunziert, konnte Rancières ironische Rede von der „monströsen Herrschaft der Jugend“ und dem „demokratischen Menschen“ als einem „vor Gleichheit trunkenen Verbraucher“ auch als indirekter Angriff auf Badiou verstanden werden.

In seiner Zurückweisung des „demokratischen Materialismus“ ist Badiou dem ordinären Antidemokratismus gefährlich nah. Und auch sein positives Verständnis demokratischer Politik, die er als „Führung“ des „tatfreudig sich zusammenballenden Volk[es]“ entwirft, lässt einige Fragen offen. Angesichts von Badious Rechtfertigung des Personenkults könnte es sich bei diesem vermeintlich neuartigen Kommunismus sehr wohl um Altbekanntes handeln.

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5 Kommentare zu "Demokratie. Ein Abgesang?"

  1. Gerd Weghorn sagt:

    Ehrlich: ich habe weder das erkenntnisleitende Interesse, noch die „Erkenntnis“ selbst verstanden, die der Autor mit Sätzen wie diesen zum Ausdruck bringen wollte: „Gegen den Beteiligungswillen der Leute empfiehlt der neu-alte Antidemokratismus die Absorption im Privaten“, von der „Herrschaft des demokratischen Menschen“. Oder mit dieser Schlussfolgerung: „Und auch sein positives Verständnis demokratischer Politik, die er als „Führung“ des „tatfreudig sich zusammenballenden Volk[es]“ entwirft, lässt einige Fragen offen.“
    Bei mir sind diesbezüglich alle Fragen offen geblieben, weshalb ich hier den kessen Versuch unternehme, mit meinen eigenen Erkenntnissen Denkanstöße in Richtung: ist Deutschland überhaupt eine „Demokratie“ – oder nur der Schatten einer solchen? Was voraussetzt, dass man sich über seinen Begriff von Demokratie ins Benehmen setzt. I
    Dies habe ich am 7. April 2011 am Beispiel eines Artikels von Jürgen Habermas in der SZ vom gleichen Tage gemacht, der, wie ich es formulierte, mir „mit dem Gewicht seiner Lebenserfahrung und seiner Qualifikation wesentliche Denkanstöße zu meinem Generalthema „Funktionen von Politik und Publizistik in der deutschen Demokratie“ vermittelt hat. https://profiprofil.wordpress.com/2011/04/07/zeitgenosse-jurgen-habermas/
    Habermas“, so fahre ich fort, „geißelt ein „Verständnis von Demokratie“, welches Opfermentalitäter in politische bzw. publizistische Machtpositionen befördert, die nichts anderes im Sinn haben (können) als den karrieristischen Ausbau ihrer privilegierten Position als Opinionleader der Plappernden Kaste gegenüber den von ihrem jeweiligen „Milieu“ sozialisierten Opfermentalitätern der so genannten “Wahlbürger”.
    Da ist zum ersten Habermas´ Kritik an jener „Orientierung der deutschen Außenpolitik“, die ich mit „Militarisierung der deutschen Außenpolitik“ auf den Begriff gebracht hatte:
    „Die nationale Einigung“, so schreibt Habermas, „hat in Deutschland einen Mentalitätswandel in Gang gesetzt, der (wie politikwissenschaftliche Untersuchungen belegen) auch das Selbstverständnis und die Orientierung der deutschen Außenpolitik erfasst und in Richtung einer stärkeren Selbstzentrierung verändert hat. Seit den neunziger Jahren wächst allmählich das Selbstbewusstsein einer militärisch gestützten ‘Mittelmacht’, die als Spieler auf weltpolitischer Bühne agiert. Dieses Selbstverständnis verdrängt die bis dahin gehegte Kultur der Zurückhaltung einer Zivilmacht, die vor allem einen Beitrag zur Verrechtlichung des Systems der ungezügelten Staatenkonkurrenz leisten wollte.“ (ders.)
    Dieses „Verschwinden“, bemerkte ich, ist allerdings kein „naturwüchsiger“ Akt, sondern das Resultat der Feigheit der Sozialdemokratie vor den Feinden einer Politik der friedlichen Koexistenz, ihre Unterwerfung 1999 ff. unter die Weltherrschaftspläne des Pentagon.
    Eine Begründung für meinen Vorwurf lieferte Egon Bahr im August diesen Jahres, wenn er sagte: der 11. September 2001, „das war die Emanzipation Amerikas von der NATO und hat diese aus einem Instrument zur Verteidigung der Freiheit zu einem Instrument hegemonialer Bestrebungen der USA gewandelt. Nicht zuletzt deshalb wurden die Rüstungspläne der Bush-Junior-Administration anschließend auch ohne Rücksicht auf die Verbündeten realisiert – allerdings zugleich mit der Erwartung an diese, mitzuziehen und sich anzupassen, um kompatibel zur Kriegführung an der Seite amerikanischer Verbände zu sein.
    Auf Habermas und seine Demokratiedefinition zurückkommend schrieb ich in 2011: „Da ist zum zweiten Habermas´ Kritik an jenem “Verständnis von Demokratie“, das von dem bestimmt wird, was ich als Feigheit vor dem wirklichen Feind der Demokratie bezeichnet habe: der Verzicht des Gros der „politischen Klasse“ – die sich insgesamt als Elite versteht und sich als solche auch selbst benimmt/bedient/privilegiert – auf alle wesentlichen „normativen Bindungen“, hier insbesondere auf die normative Verpflichtungen, die sich für die Sozialdemokratie aus den Art. 14, 25 und 26 GG ergeben: Sozialismus und Pazifismus als Kernthemen einer Linken, die sich als Interessenvertreterin der arbeitenden Menschen und ihrer Angehörigen versteht.
    Als Ursache für diese Feigheit vor dem Feind der arbeitenden Menschen liegt hier auf Seiten der staatstragenden Parteien nach Habermas „ein Verständnis von Demokratie zugrunde, das die New York Times nach der Wiederwahl von George W. Bush auf die Formel von der post-truth democracy gebracht hat. In dem Maße, wie die Politik ihr gesamtes Handeln von der Konkordanz mit Stimmungslagen abhängig macht, denen sie von Wahltermin zu Wahltermin hinterherhechelt, verliert das demokratische Verfahren seinen Sinn. Eine demokratische Wahl ist nicht dazu da, ein naturwüchsiges ( sic) Meinungsspektrum bloß abzubilden; vielmehr soll sie das Ergebnis eines öffentlichen Prozesses der Meinungsbildung wiedergeben. Die in der Wahlkabine abgegebenen Stimmen erhalten das institutionelle Gewicht demokratischer Mitbestimmung erst in Verbindung mit den öffentlich artikulierten Meinungen, die sich im kommunikativen Austausch von themenrelevanten Stellungnahmen, Informationen und Gründen herausgebildet haben. Aus diesem Grunde privilegiert das Grundgesetz die Parteien, die nach Artikel 21 ‘an der politischen Willensbildung des Volkes mitwirken’. (Quelle: https://profiprofil.wordpress.com/2011/04/07/zeitgenosse-jurgen-habermas/ )
    Nun wirken die „marktkonformen“ Parteien zweifellos „bei der Willensbildung des Volkes“ mit, doch tut dies (leider auch) die SPD in Abhängigkeit „von der Konkordanz mit Stimmungslagen“ (Habermas), die von der vierten Gewalt und dem Bildungssystem in einem Prozess der endlosen Manipulation nach dem Belieben der herrschenden Lehre gestaltet werden kann – und gestaltet wird!
    Daraus folgt für mein Verständnis von Demokratie im Sinne der Verfassungsgeber, dass die Parteien nach Art, 21 GG die verdammte Pflicht und Verpflichtung haben, durch die „Willensbildung des Volkes“ die Menschen zur Mitbestimmung und Mitwirkung zu erziehen und zu befähigen, wozu es in erster Linie einer professionellen Beziehungs-, Führungs- und Kampfkompetenz in all den Rollenfeldern bedarf, in denen persönliche Mitwirkung und Mitbestimmung möglich sind.
    „Demokratie“ ist also ein politisches System, das auch und nicht zuletzt dem pädagogischen Auftrag der „Volksbildung“ im Sinne des Grundgesetzes gerecht werden muss, damit ihr repräsentativer Charakter auf die Entscheidungsprozesse zurückgeführt werden kann, die aus der Einsicht ihrer historischen Notwendigkeit erwachsen, die man auch als „Sachzwänge“ bezeichnen könnte.
    Fazit: Eine „politische Willensbildung des Volkes“, die wenigstens in Zukunft nicht darauf abstellt, „mehr Demokratie, also persönliche Mitbestimmung und Mitwirkung, zu wagen“, eine solche politische Willensbildung, wie sie ja heute vorherrscht, endet in der Tat als „Absorption des Einzelnen im Privaten.“

  2. Wolf sagt:

    Amüsant, wie intellektuell- verbrämt immer noch dem Glauben an die Demokratie Zeit- und Kraftopfer dargebracht werden.

    “EIGENTLICH IST SCHON DAS WORT DEMOKRATIE eine Zumutung. ›Demokratie‹ heißt ›Volksherrschaft‹. Herrscht irgendwo ›das Volk‹? Natürlich nicht, bestenfalls darf das Volk Menschen wählen, von denen es sich beherrschen läßt. Und selbst die bekommt es vorsortiert angeboten.

    Eine wirkliche Demokratie wäre, wenn das ganze Volk über das ganze Volk herrschte, also jeder Mensch jedem anderen genausoviel zu sagen hätte, wie er sich von anderen zu sagen lassen hat. Das ist entweder Unsinn oder das Ende der Herrschaft von Menschen über Menschen. Denn wenn jeder jeden ›beherrscht‹, ist das genau dasselbe, wie wenn niemand herrscht. Da Menschen aber unterschiedliche Meinungen haben, kann solch eine Demokratie in einem Staat nicht funktionieren, es sei denn, eine Meinung setzte sich durch und unterdrückte viele andere. Genau das aber ist in unseren ›Demokratien‹ der Fall. Der Unterschied zwischen Diktaturen und Demokratien besteht genau besehen darin, daß in ersteren eine Minderheit die Mehrheit und in letzteren eine Mehrheit zahlreiche Minderheiten unterdrückt. Beides aber ist eine Herrschaft einiger über viele, also eine Oligarchie und keine Demokratie – auch, wenn sich die Herrschenden ihre Herrschaft von einer Mehrheit legitimieren lassen.

    Weil aber Menschen verschiedene Meinungen haben, die sich eben nicht in einer Gesellschaft unter einen Hut bringen lassen, ist Demokratie – die Herrschaft aller über alle
    – entweder nur in kleineren Gruppen möglich oder gar nicht. Ein Netz kleiner Gruppen, eine Föderation verschiedener Gesellschaften aber ist nichts anderes als Anarchie. Wirkliche Demokratie ist also entweder an-archisch oder unsinnig.
    Natürlich kann man sagen, die Partei X ist ein wenig liberaler, sozialer und freiheitlicher als die Partei Y. Wenn aber das Ziel Freiheit ist, und Freiheit nur ohne Staat und Regierung geht, alle Parteien aber Staat und Regierung sind, so kann ich eben nicht das wählen, was ich will. Ich muß es schon selber herstellen, erreichen, aufbauen. Wenn ich ein Leben ohne Regierung will, ist es absurd, mir die Leute auszuwählen, die mich regieren sollen.”

    Horst Stowasser in “Freiheit pur”, kostenlos unter http://www.mama-anarchija.net/media/downloads/FreiheitPurPlus4-2007.pdf

  3. Jan Rolletschek sagt:

    Ich möchte bei Gelegenheit – nicht jetzt – etwas genauer auf einige in der Diskussion aufgeworfene Fragen eingehen. Zu diesem Zeitpunkt will ich nur rasch deutlicher herausstellen, was der spezifische Einsatz des Textes war. Die nominelle Demokratie, unter der wir leben, ist, soviel sollte deutlich geworden sein, in den Augen der meisten der rezensierten Autor_innen eben dies: nur eine nominelle Demokratie, tatsächlich aber ein Form oligarchischer Regierung. Das ist auch meine Ansicht. Wenn hier also von “Demokratie” die Rede ist, muss in jedem besonderen Fall unterschieden werden, was (welcher Gegenstand) sich hinter dem Wort verbirgt. Das Wort “Demokratie”, steht dort, ist ein umstrittenes Wort. Deshalb ginge man fehl, hielte man sich an der Oberfläche dieses Wortes auf, betriebe man “Wortfetischismus”. Das Wort wird für ganz unterschiedliche Anliegen beansprucht, steht dort. Man geht also fehl darin, einfach zu tun, was die Oligarchen so gerne wollen: ihre Oligarchie für eine “Demokratie” zu erklären, für d i e Demokratie schlechthin, um sodann die Demokratie ü b e r h a u p t zu kritisieren. Will man verstehen, worum es in der Debatte um die Demokratie geht, muss man zunächst die Polysemie des Wortes einräumen, anstatt sich Strohpuppen und Begriffsfetischhe aufzustellen und sie dann umzuschlagen.
    Der besondere Einsatz des Textes steht zwei Gedankenschritte weiter auf dem Spiel. Die Auseinandersetzung findet dort statt, wo ein Begriff der Demokratie, der diese keineswegs als Staats- oder Regierungsform, sondern als deren jeweilige Unterbrechung denkt (Schritt eins), selbst wieder ein Ergänzungsverhältnis mit einem Begriff der Demokratie als ebens solche Staats-oder Regierungsform eingeht – kurz, das Umkippen von Dekonstruktion in Konservatismus. Die Reihe, die kritisiert wird und dieses seltsame Bündnis verdeutlicht, lautet: “Demokraten”, Störung, Exzess, Querulanten,”Widerstand”, Pickel am Arsch des Staates. Denn die post-heideggerianische linke Philosophie, ebenso wie die Macht selbst sind gegenwärtig darin übereingekommen, dass es keine herrschaftslose Organisationsform gibt. Die einzige, sehr bescheidene Uneinigkeit besteht darin, ob man die Macht oder deren Unterbrechung mit dem schönen Wort “Demokratie” auszeichnen soll.

  4. Herle King sagt:

    Edelmetallmesse 2012: Max Otte
    “Es hat sich eine parasitäre Kaste gebildet”
    http://youtu.be/ENIhnoHoAyE

  5. Manuel Schnabel sagt:

    nur eine kurze Anmerkdung: meines Erachtens wurde der Begriff der Postdemokratie, vor allem im deutschen Raum durch Colin Crouch geprägt und populär. Es kann aber sein, dass Rancière ihn zuvor benutzte.

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