Sturm auf die Akropolis

Der reaktionäre Geist des Griechen-Bashings

Von Gerd R. Rueger

Der mediale Rechtspopulismus setzt heute nicht mehr auf den traditionellen Rassismus des Kolonialismus und Nazionalsozialismus, sondern auf einen modernisierten Ethno-Rassismus nach Huntingtons “Kampf der Kulturen”. Die Griechen wurden in diesem Sinne in Deutschland zum Prügelknaben und Sündenbock für die von der Finanzindustrie verursachten Krise gemacht.

Von ARD über BILD bis Bertelsmann polemisierten die Medien gegen ein Land, das bislang als Wiege des abendländischen Kultur galt. Theodor Heuss bezeichnete die Akropolis einst neben Golgota und dem Kapitol als einen der Hügel, auf denen Europa gründet. Gut 60 Jahre später durfte der Bertelsmann-Journalist Walter Wüllenweber bei der Talk-Masterin Anne Will über seinen “Offenen Brief an die Griechen” verkünden, das Volk der Hellenen hätte sich “unser Misstrauen redlich verdient”. Visuell unterstützt wurde dies von eingespielten Bildern prall gefüllter Fleischplatten, feiernden Griechen serviert zu fröhlichen Sirtaki-Klängen. Bis heute setzt sich die ethnorassistische Kampagne fort, findet immer wieder neue Nachahmer, wenn Milliarden-Programme zur Bankenrettung via griechischer Staatsschulden anstehen.

Als jüngste Entgleisung schwarzgelber Spitzenpolitik empfahl der FDP-Bundestagsfraktionsvorsitzende Rainer Brüderle den Hellenen: “Maßhalten bei Schulden und Demonstrationen”. Abgesehen davon, dass man einer solchen Äußerung ohne weiteres ein gehöriges Maß an unreflektierter Selbstgerechtigkeit attestieren kann, offenbart sie auch, wie weit es heute noch mit dem Liberalismus in der FDP her ist. Das Demonstrationsrecht ist schließlich ein elementares Freiheitsrecht, und was ist das für eine Partei, die ein Maßhalten bei der Ausübung von Bürgerrechten verlangt?

Die Europäer gegeneinander auszuspielen, um von den lachenden Dritten abzulenken, so scheint die wohlfeile Politik zu funktionieren, die von Berlin über Springer-Presse derzeit betrieben wird. Rechtspopulismus braucht Feindbilder – aber warum dienen gerade die Griechen als Feindbild?

Die Reaktion aus Athen, Angela Merkel mit einer Hakenkreuzbinde darzustellen, ist zwar die passende Antwort auf gleichem Niveau; aber leider lenkt dies genauso Wasser auf die Mühlen der Apologeten, wie dies deutsche Journalisten mit ihren Berichten über den angeblichen griechischen Schlendrian tun. Es sind dieselben Journalisten, die seit einem Jahrzehnt verschlafen haben, die deutsche Regierung zur Ratifizierung der internationalen Anti-Korruptionskonvention zu bewegen. Es sind dieselben Journalisten, deren beruflicher Schlendrian – der bis zur Korruption reicht – sie nichts über die wahren Ursachen der griechischen Misere berichten lässt: Zu kompliziert, zu politisch – das könnte Verleger, Chefs oder Anzeigenkunden befremden.

Die Mär vom faulen Griechen

Die deutsche Medienkampagne mit der rassistischen Mär von den faulen Griechen, die jahrelang über ihre Verhältnisse gelebt hätten, hatte 2010 ihr Ziel erreicht: Als Vorbedingung für die Hilfsprogramme von Europäischer Union (EU) und Internationalem Währungsfonds (IWF) beschloss das Parlament in Athen ein drakonisches Sparprogramm nach dem anderen.

Doch weshalb hat die Verschuldung Griechenlands in den letzten Jahren derart zugenommen? Die deutsche Presse scheint darauf nur eine Antwort zu kennen, nämlich eine für dieses Land vermeintlich typische Vetternwirtschaft, Korruption und ein angeblich “dekadentes” Sozialsystem – Guido Westerwelles Entgleisungen über die “spätrömische Dekadenz” deutscher Hartz-IV-Bezieher lassen grüßen. Die Vorurteile schaffen die Stimmung für die neoliberalen Rezepte, auf konjunkturelle Krisen mit strukturellen “Reformen” zu antworten, die wiederum die konjunkturelle Krise nur verschärfen.

Einen vermeintlich dekadenten Lebensstandard der Griechen als Ursache für die Krise zu sehen war schon damals abwegig – ihn heute immer noch zu unterstellen, wie Brüderle mit seinem erneuten Appell zur “Mäßigung”, grenzt beinahe an Volksverhetzung. Das Haushaltsdefizit hatte zwar zu Beginn der Krise 2009 einen Stand von 12,7 % des BIP erreicht, doch dieser Wert lag immer noch unter dem Irlands und Großbritanniens. Der Schuldenstand von ca. 120%, der für 2010 erreicht wurde, liegt beim Niveau Italiens und Belgiens.

Bankenrettung verschärfte Verschuldung Griechenlands

Tatsächlich ist die Krise Griechenlands vor allem eine Folge falscher Reaktionen der Politik auf die globale Finanzkrise. Sie wäre leicht abwendbar gewesen, wären die Banken nicht in der bisherigen Form gerettet worden. Stattdessen versäumte man eine Regulierung der Finanzmärkte und setzte in Form der Hilfspakete für Athen die bisherige “Bankenrettung” fort, indem die EU die Bedienung der griechischen Staatsschulden garantierte, während sie den Griechen ein drastisches Sparprogramm auferlegte: Privatisierung von Staatseigentum, massive finanzielle Einschnitte auf Bildung, Freiheit, Gesundheit; totalitär diktierte Lohnsenkungen auch für den Privatsektor durch das Verbot von Tarifverhandlungen; Preisexplosion via Mehrwertsteuer, bei einer weiterhin unangetasteten Vermögenselite.

Laut einer Studie der Europäischen Zentralbank (EZB) war es vor allem die Bankenrettung, welche die Verschuldung Griechenlands verschärfte – nicht anders als in anderen Staaten. Die Maßnahmen entfalteten in Europa einen fatalen Mechanismus: In dem Maße, in dem das – auf den Finanzmärkten ermittelte – Kreditrisiko der Banken sank, stieg das der Staaten. Denn die Krise Griechenlands ist vor allem der herabgesetzten Kreditwürdigkeit und Spekulationen auf den Staatsbankrott geschuldet, die das Land dazu zwingt, immer höhere Zinsen für seine Staatsanleihen zu zahlen – zum Nutzen und Frommen der Finanzwirtschaft, die noch einmal Milliarden an Zinsgewinnen aus den Hellenen herauspressen konnte.

Der Anfang März beschlossene Schuldenschnitt wird daran nichts ändern, da dadurch die Staatsschulden lediglich auf den Stand von 2009 gesetzt werden, nämlich auf 120 % des BIP. Angesichts des massiven Konjunktureinbruchs infolge der bisherigen Sparpakete, werden die griechischen Staatsschulden rasch wieder explodieren. Die derzeitige Form der Bankenrettung auf Kosten der Staatshaushalte gewährt umfangreiche Garantien für Banken nebst Finanzspritzen und verlagert die Verluste der Finanzinstitute durch das Aufkaufen von “Schrottpapieren” in Bad Banks. Das alles bedeutet nichts anderes, als dass Gewinne privatisiert, Risiken und Verluste hingegen sozialisiert werden.

Gleichzeitig verzichtete die Politik darauf, die Kontrolle über die geretteten Finanzhäuser zu übernehmen oder sie wenigstens an den Kosten zu beteiligen, etwa durch eine Bankenabgabe oder eine Finanztransaktionssteuer. Inzwischen ist – im Zuge des französischen Wahlkampfes – Sarkozy in diesem Punkt angeblich klüger geworden.

Auch die drei global dominierenden, allesamt angelsächsischen Rating-Agenturen, welche die Bonität von Griechenlands Staatsanleihen herab stuften, wurden nicht schärfer kontrolliert oder verstaatlicht. Aber gerade sie hatten mit ihren positiven Bewertungen von verbrieften US-Hypothekenkrediten (den späteren “Schrottpapieren”) entscheidend zur Spekulationsblase des letzten Jahrzehnts beigetragen, deren Platzen die derzeitige Finanzkrise auslöste. Es scheint, als hätte die Politik kein allzu großes Interesse daran, die Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten schnell zu unterbinden.

Die ausbleibende Regulierung aber rächte sich: Die gerettete Finanzwelt attackierte ihre Retter, die Nationalstaaten. Die Spekulationen gegen diese bringt den Banken Milliarden ein. Inzwischen gelten die von drangsalierenden Auflagen strotzenden Hilfen für Griechenland als maßgeblicher Schritt in Richtung einer europäischen “Wirtschaftsregierung”. Da die Maßnahmen aber nicht von einer wirklich verbesserten Kontrolle der Finanzmärkte und von Konjunkturprogrammen flankiert wurden, waren sie doch nur eine Fortsetzung der bisherigen Praxis der Bankenrettung. Schließlich ist Griechenland vor allem bei deutschen und französischen Geldinstituten in der Kreide. So werden die Steuerzahler zum Aufpäppeln der Banken zur Kasse gebeten.

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21 Kommentare zu "Sturm auf die Akropolis"

  1. NebbStar sagt:

    Genau das erklärt uns Gregor Gysi Woche für Woche, Monat für Monat im deutschen Bundestag. Fast gebetsmühlenartig gegen die Dramatik eines scheinbar zu Ende gehenden Systems.
    Problem ist nur, niemand hört zu, keiner will den ollen Sozialisten auch nur ein Wort glauben. Deswegen finde ich einen Satz in diesem Artikel hervorragend (Zitat): “Es scheint, als hätte die Politik kein allzu großes Interesse daran, die Fehlentwicklungen auf den Finanzmärkten schnell zu unterbinden.”

    Traurig, aber mit großer Sicherheit die Wahrheit!

  2. würden die politganoven und ihre schreiberlinge vom “qualitätsjournaillismus” den bürgern erzählen, daß griechenland der testfall für die weltweit geplanten verarmungs- oder ausplünderungsstrategien gegen die bevölkerung ist, hätten wir schon morgen weltweite aufstände. da ist es allemal angebrachter, der blöden masse, einen schuldigen zu präsentieren. denn erst wenn diese strategie nicht mehr funktioniert, wird es für die “abzockereliten” kritisch. allerdings: “schuldige” werden sie noch genügend entdecken und den noch auszuplündernden präsentieren.

  3. Marie sagt:

    Wer auch nur die geringste Ahnung vo volkswirtschaftlichen Zusammenhängen hat, weiß natürlich, dass es die Lehmann Pleite und die nachfolgende Bankenkrise war, welche die Staatsverschuldung Griechenlands explodieren ließ. Der weiß natürlich auch, dass das Spardiktat zum völligen Ruin Griechenlands und zur Verelendung breiter Schichten führen wird. Dass die Verantwortlichen für das Spardiktat das nicht wissen, kann ich ehrlich gesagt nicht glauben – ich halte die Griechenlandhetze und die Spardiktate für eine bewusste Irreführung der Öffentlichkeit (ebenso, wie beispielsweise die Kriegshetze gegen den Iran) und den auf diese Weise mutwilig herbeigeführten bevorstehenden Totalkollaps der griechischen Wirtschaft für gewollt. Griechenland ist m.E. ein Testfall, wie weit man die Verelendung breiter Bevölkerungsschichten zugunsten des Kapitals treiben kann und alle anderen EU-Staaten werden folgen..Und anstatt dagegen endlich die Stimme zu erheben und dem verbrecherischen Finanzkapital und den Verantwortlichen in unserer sogenannten “Demokratie” die rote Karte zu zeigen, anstatt sich mit den Menschen in Griechenland zu solidarisieren, von denen viele mittlerweile um ihre nackte Existenz kämpfen, lässt sich der typische deutsche Michel von der Verblödungszeitung Nr. 1 und auch von den anderen jawoll gleichgeschalteten Medien aufhetzen und ist zu blöde, um zu realisieren, dass ihm über kurz oder lang dasselbe Schicksal blüht. Einen Artikel wie den obenstehenden, der die Zusammenhänge so kar benennt, habe ich bisher in der Medienlandschaft noch nicht gelesen und die Hetze gegen die Griechen ist einfach ekelhaft und widerlich.

  4. [Aya] sagt:

    Es gibt nur einen Weg aus der Krise:
    http://www.stop-esm.org/unterzeichner

    Bitte unterschreiben auch sie, damit dieser Wahnsinn gestoppt wird.

  5. hatten wir doch alles schon…das system gibts aber nicht erst seit lehman und eine falsche politik macht fehler im system letztendlich lediglich deutlicher sichtbar….dennoch liegt der fehler IM system…und da wir hier über finanzen reden im geldsystem..da liegt der hund begraben: https://le-bohemien.net/2011/09/09/wie-banken-geld-machen/

  6. wem das nicht reicht, hier gibt es nochmal eine umfangreiche zusammenstellung vieler artikel zum geldsystem aus dem vergangenen jahr. von faz über handelsblatt bis zeit alles dabei: http://the-babyshambler.com/2011/12/20/im-blick-zuruck-entstehen-die-dinge-teil-2/

    …es nervt einfach nur wenn in analysen zum finanzsystem so getan wird als gäbe es dieses wissen nicht…woran auch dieser artikel hier krankt.

    ansonsten stimmts natürlich dass die politischen schritte zusätzlich fatal sind, aber naja das wusste ja schon der adorno: es gibt kein richtiges leben im falschen!

  7. HaJoWei sagt:

    Genau es liegt am SYSTEM und uns ALLEN, da wir dieses System tagtäglich bedienen, der Eine mehr der Andere weniger.
    Geld hat keine Macht – wir geben Ihm die Macht
    Der Konsument hat die Macht und nicht der Produzent!
    Also um was geht es in diesem System?
    Es gibt Lösungen in allen gesellschaftlichen Bereichen!
    Es gibt Arbeit (wenn wir sie neu definieren) für alle Menschen auf dieser Erde!
    Lassen wir uns nicht in Schubladen packen, erkennen das wir eins gemeinsam haben (das wir Menschen sind) -> dann hat dieses SYSTEM keine Chance!
    Ursachen erforschen – aus den Ergebnissen Lösungswege erarbeiten
    Selbstverantwortung übernehmen!
    Global denken -regional handeln!
    Es macht mir jedesmal eine enorme Freude euer Geschriebenes zu lesen!
    Es inspiriert mich!
    Danke für eure Worte!
    HaJoWei

  8. Piwi sagt:

    Statt über Banken sollte über Bankbesitzer gesprochen werden, denn die steuern die Politik. Eine Finanztransaktionssteuer wird daran nichts ändern, auch wenn ich sicher bin – die wird nicht kommen!

    Noch geht es vielen zu gut – sie haben etwas zu verlieren – und deshalb werden sie ruhig sein. Wenn es denen nicht mehr gut geht, dann gibt es einen Krieg!

    Und alles geht von vorne los. Also genießt das Leben – es ist nicht unendlich!

  9. Karin Dorr sagt:

    Ich habe es schon zweimal gelesen.
    BWL und VWL sind Glaubensrichtungen. Glauben kann man ändern.
    Glauben wir an uns und greifen endlich zu den Waffen!

  10. NebbStar sagt:

    Genau es liegt an UNS selbst!!!
    Wir sind die Konsumenten, wir können abstimmen über die Zukunft von Unternehmen!
    Genau wie bei Schlecker! Wir sind jetzt alle solange gemeinsam nicht mehr zu Schlecker gegangen, bis die dort 12.000 Leute entlassen mussten!
    Funktioniert doch! Weiter so!
    Wenn das so gut klappt könn wir diese Vorgehensweise doch fortführen!
    Nur endlich mal bei den wirklich wichtigen Unternehmen!

  11. Karin Dorr sagt:

    Waffen, nicht Komsumverweigerung

  12. Marie sagt:

    Was da jetzt so besonders erfreulich sein soll, wenn bei Schlecker eine Unmenge von regulären, vergleichsweise gut bezahlten Arbeitsplätzen (Schlecker hat im Gegensatz zu vielen Konkurrenten nach Tarif bezaht, weitgehend ohne prekäre Minijobs etc, das waren für VerkäuferInnen im Vergleich gute Arbeitspätze)abgebaut wurden, erschließt sich mir nicht. Ich kann diesen “Jubel” nicht nachvollziehen. Ich bin Übrigens selbstverständlich weiter zu Schlecker gegangen – mir lag (ebenso wie den dort Beschäftigten) daran, diese Arbeitsplätze möglichst zu erhalten. Und dass der Konsument angeblich so wahnsinnig viel Macht hätte, halte ich für reines Wunschdenken, mehr theoretisch, sozusagen. Wie wollen Sie denn Millionern von Konsumenten dazu bewegen, ihre angebliche Macht gemeinsam im Einklang auszuüben? Der Einzelne hat Null Macht und nun alle Konsumenten zu einem diesbezüglichen Umdenken zu bewegen, das ist eine nette Phsntasie, mehr nicht. Mich würde es aber schon mal interessieren, NebbStar, was Sie so wahnsinnig bejubelnswert finden, wenn 12.000 Menschen ihre Arbeitsplätze verlieren. Kann ich irgendwie überhaupt nicht nachvollziehen, ebensowenig wie das Geschreibe mit den Waffen, Frau Dorr. Wieviel Blut soll Ihrer Meinung nach denn fließen?.

  13. NebbStar sagt:

    Konsumverweigerung ist ein einfaches Mittel des Konsumenten, darüber abzustimmen, welche Produkte sich lohnen unterstüzt zu werden und welche nicht.
    Ich gebe Ihnen insofern recht, als dass es schwierig wird, das Denken des Konsumenten allgemein und großflächig in Einklang zu bringen. Das is aber gar nicht primär mein Ziel, das erledigt sich schon von alleine!
    Ich wollte eigentlich zum Ausdruck bringen, dass es nichts nützt immer nur darüber zu reden, was sich ändern muß. Veränderung fängt bei jedem selbst an. Jeder entscheidet selbst, ob es die Kiwi aus Neuseeland sein muß, oder ob es auch der Apfel aus Bayern sein kann. Jeder entscheidet selbst ob er Kinderarbeitsschuhe von Nike anzieht, ob er sich ein iPhone kauft, oder bei McDoof essen geht, oder, oder, oder … Schlecker habe ich lediglich als Beispiel benutzt, um zu zeigen, wie schnell es gehen kann, wenn sich eine bestimmte Anzahl von Menschen dazu entscheidet, dort nicht mehr einzukaufen! Der Konsens hat mit Schlecker im Detail gar nichts zu tun, Schlecker ist nur das jüngste Beispiel. Ich merke übrigens an, das Schlecker damals Mitarbeiter/innen entlassen hat um sie danach für die Hälfte vom Lohn unter einer Zeitarbeitsfirma wieder einzustellen. Und ich merke weiterhin an, dass Schlecker auch beim Skandal mit der Überwachung der Kassiererinnen vorne mitgemischt hat. Und da wundert ihr euch hier, dass die Menschen diesen Laden großspurig gemieden haben, nicht euer Ernst oder ???

    Und jetzt muß ich mich noch bei Hagen Rether bedienen (ich bitte das zu verzeihen), Zitat:

    “Freiheit heißt ja immer UNSERE Freiheit und Verantwortung sollen gefälligst die anderen übernehmen. Unsere asiatischen Arbeitssklaven produzieren von Panasonic bis IKEA, unsere ganzen Konsumgüter und wir empören uns, dass in China die Schlote rauchen. Wir schlagen immer den fremden Sack, obwohl wir den eigenen Esel meinen. Wir essen Leberkäse, aber Stierkämpfe finden wir wahnsinnig grausam! In einer Curry-Wurst steckt mehr Elend, als in hundert Stierkämpfen zusammen. Unseren asiatischen Rohstoffsklaven danken wir ihre Arbeit, indem wir sie mit unserer perversen Agrarpolitik in die Knie zwingen und mit Getreidespekulationen in Hungerskatastrophen biblischen Ausmaßes stürzen. Und kurz bevor sie dann vor unseren Nachrichtenkameras krepieren, schicken wir 2,50€ Spendengelder und Blauhelmtruppen runter und fühlen uns humanistisch und demokratisch!!! ”

    Wir sind die Verbraucher! Wir haben die Macht! Jeder einzelne hat die Macht! Und wenn wir es schon nicht für unsere Gesellschaft tun, dann wenigstens für unser Gewissen!

  14. Marie sagt:

    Also, nein, das erledigt sich nicht von alleine – und Schlecker ist auch nicht pleite, weil die Konsumenten wegen der “Behandlung” des Personals diesen Laden boykottiert haben, das interessiert die Masse der Kunden nicht die Bohne, die kaufen da, wo es am billigsten ist und/oder die größte Auswahl vorhanden ist. Oder da, wo sie meinen, ein Schnäppchen zu machen, weil die Werbung Ihnen das suggeriert. Wenn Sie tatsächlich glauben, daran etwas Nennenswertes ändern zu können, sind Sie ein hoffnungsloser Phantast. Es wird doch immer noch, obwohl die Probleme beispielsweise der Massentierhaltung mittlerweile dem letzten Deppen bekannt sind, Billigfleich gekauft, was das Zeug hält, Fastfood und so weiter und so fort. Nach dem Motto: Geiz ist geil. Und wenn Sie davon träumen sollten, dass “Wir” (also die Mehrzahl der Konsumenten)jetzt plötzlich zum aufgeklärten Konsumenten mutieren, der die Umwelt und die Arbeitsbedingungen in seine Kaufentscheidung einbezieht, dann können Sie m.E. genausogut an den Osterhasen glauben.
    Das mit der Überwachung der Verkäuferinnen ist längst Geschichte, und Schlecker hat erheblich bessere Arbeitsplätze mittlerweile geboten, als die Konkurrenz, die nicht pleite ist. Wenn die Konsumenten die Arbeitsbedingungen in ihre Kaufentscheidung einbezogen hätten, hätten Sie bei Schlecker gekauft und nicht bei der billigeren Konkurrenz mit dem breiteren Sortiment und den großräumigeren Läden. Schlecker hat nach Tarif bezahlt und hatte überdurchschnittlich viele Vollzeitarbeitsplätze, kaum prekäre Arbeitsplätze, ganz im Gegensatz zu der Konkurrenz, die nicht pleite ging. Aber Sie dürfen gerne weiterträumen.

  15. NebbStar sagt:

    Also ich gehe mal von mir aus. Ich bin ein aufgeklärter Konsument, der sich darum bemüht, ökologische Gesichtspunkte und Arbeitsbedingungen sehrwohl bei seiner Kaufentscheidung einfließen zu lassen, so gut es geht und soweit es mir möglich ist. Fleisch esse ich schon mal gar keins!
    Ich unterstelle Ihnen ja gar nicht, dass Sie nicht bewusst konsumieren. Aber es gibt von uns (ich schließe Sie mal mit ein) mehr als Sie sich jetzt vielleicht vorstellen können. Das zur Umsetzung des gelernten immer noch mehr Aspekte gehören, müssen Sie auch einsehen. Es gibt soviel Menschen, die wissen was für einen Müll von Lebensmitteln sie täglich in sich hineinstopfen, aber aufgrund von großflächigem Sozialabbau in Europa können es sich viele gar nicht anders leisten. Ökologisch nachhaltige Produkte sind nun mal teurer als die anderen, das ist Fakt. Ich kann mir auch nicht vorstellen dass die oberen 10% unserer Gesellschaft nur annähernd so viel schrottische Nahrungsmittel zu sich nehmen, wie die unteren 90%.
    Die Masse interessiert das alles einen scheiß, geb ich ja zu, aber daran ändere ich nichts, wenn ich mich ständig darüber aufrege. Es bringt viel mehr Punkte, wenn ich mit der Veränderung bei mir selbst anfange und erst danach versuche mit meinen Argumenten, die Menschen in meiner Umgebung zu überzeugen. Ich fasse mir lieber selbst an meine eigene Nase bevor ich über die Masse urteile!
    Alle über einen Kamm zu scheren hat uns auch nie wirklich weiter gebracht, das aber nur nebenbei!

    Wir können hier unendlich lange drüber diskutieren, welcher einzelne Fakt daran Schuld ist, das Schlecker massive Umsatzeinbußen hatte. Klar ist doch aber eins, die Leute haben dort zu wenig eingekauft. Das ein falsches Bild in den Medien auch einer der Gründe dafür war, kann ja sein, aber sicher nicht der einzigste!

  16. Marie sagt:

    Der einzelne Konsument hat keinerei Macht, sicher ist es sinnvoll, seine Kaufentscheidungen an den von Ihnen genannten Kriterien zu orientieren, trotzdem bleibt es eine Tatsache, dass das beileibe nicht DER Konsument tut, sondern lediglich ein geringer Prozentsatz. DER Konsument hätte nur dann eine Macht, wenn ein erheblicher Prozentsatz der Menschen dies berücksichtigen würden – tun sie aber nicht. Ein Konsument ist nur ein Konsument unter Millionen von Konsumenten und hat somit überhaupt keine Macht und wenn Sie auch noch so euphorisch von der angeblichen Macht DES Konsumenten fabulieren, bleibt es leider eine Tatsache, dass DIE Konsumenten in ihrer Mehrzahl sich weder um ökologische Gesichtspunkte oder Arbeitsbedingungen im Mindesten scheren. Es ist eben absolut utopisch, davon zu träumen, dass DER Konsument (also die Mehrzahl) sich hiervon beeindrucken lassen, ein m.E. unerreichbares, utopisches Ziel und der Einzelne hat keinerlei Macht.

    Um das an dem Beispiel meines Haushates (2 Personen) zu verdeutlichen: Wir haben das Auto vor mehr as fünf Jahren abgeschafft, benutzen nur das Fahrrad und Bahn, Bus, etc. Wie wohnen zur Miete und hanben unseren Verbrauch an Öl (Heizung) auf ein Drittel des Durchschnittsverbrauchs in unserem “Objekt” gesenkt, der Wasserverbrauch liegt bei knapp der Hälfte des Durchschnitts. Wir ernähren uns vegan, ohne Fleich, Wurst, Ei, und Milchprodukte und beziehen sämliche Lebensmittel aus ökologischem Anbau. Ich habe beispielsweise berechnet, dass unsere Produktion an klimaschädlichen Gasen nur bei einem Drittel des Deutschen Durchschnitts liegt und wir achten auch darauf, keinerlei unnötige Konsumware oder Billigprodukte zu kaufen. Trotzdem haben wir leider Null Macht – denn die weit überwiegende Zahl von Konsumenten macht das eben nicht und es wird auch im Leben nicht gelingen, sämtliche Konsumenten davon zu überzeugen, sich wie ein “aufgeklärter Konsument” zu verhalten. Insgesamt wird es leider immer schlimmer.

    Zu Schlecker: Die Konsumenten haben da nicht mehr gekauft, weil die Produkte teurer waren, als die der Konkurrenz, weil das Produktsortiment deutlich geringer war und weil die meisten Läden eng waren und wenig Platzangebot vorhanden war. Auch waren die Produkte oft nicht vorrätig, weil es Probleme mit den Lieferanten gab. Mit “aufgeklärten Konsumenten” hatte diese Pleite nicht das Mindeste zu tun, ganz im Gegenteil. Schlecker hatte in den letzten Jahren seine Personalpolitik erheblich verbessert und die Arbeitsbedingungen waren im Gegensatz zu denen bei der Konkurrenz in den letzten Jahren geradezu vorbildlich.

  17. NebbStar sagt:

    Dann lebt Ihr ja genau so wie ich es anstrebe, bzw. grad dabei bin mein Lebensstil umzustellen. Respekt!

    Für mich bleibt der Verzicht auf Konsum weiterhin Thema, und ich gebe zu das es etwas träumerisch ist, das mal die Masse dabei mitmacht. Aber ich habe diesen Traum, warum auch nicht.

    Letztendlich mache ich es nur für mich und mein Gewissen. Wenn meine Kinder oder Enkel mich mal fragen … “Warum habt ihr damals nichts gegen den Klimawandel gemacht? Ihr wusstet doch dass das schlimm wird.” Dann muß ich halt später mal sagen … “Wir haben die Glühbirne abgeschafft !!!”

  18. Karin Dorr sagt:

    So wenig wie möglich, so viel Blut wie nötig!
    Wir sollten töten was uns tötet

  19. Marie sagt:

    Hallo, NebbStar,

    ich persönlich habe noch nie an dem ganzen Konsumschrott gehangen, ich halte diese Jagd nach immer mehr technischen und sonstigen Geräten für eine Ersatzbefriedigung in einem immer mehr sinnentleerten Dasein. Als ich mein Auto abgeschafft hatte (wir wohnen in der Großstadt, de geht das natürlich einfacher als in einem kleinen Dorf) habe ich festgestelt, dass mein Leben erheblich stressfreier wurde. Und die vegane Ernährung war zunächst aus gesundheitlichen Gründen – vor gut zwanzig Jahren war man da noch ein totaler Außenseiter. Diese Ernährungsweise steigert erheblich die Gesundheit und viele chronische schwere Krankheiten verschwinden dadurch, außerdem ist es super-lecker. Es ist also kein Verzicht, sondern das genaue Gegenteil.Erforderlich ist es allerdings, sich sehr gut in Sachen Ernährung auszukennen, um micht in einen Mangel zu rutschen. Aber wenn man es richtig macht, wird man toppfit und gesund. Da wünsche ich Ihnen viel Erfolg und Freude bei der Umstellung, sinnvoll ist das auf jeden Fall, auch wenn ich nicht daran glaube, dass das zu einer Massenbewegung wird.Sinnvoll ist das auf jeden Fall auch für einen selbst und für die Umwelt sowieso.

  20. Der Salzige (LaSalle) sagt:

    Ein neuer Artikel von Rueger hat gerade Rechtspopulisten auf den Plan gerufen, schön wenn die sich über solche Analysen ärgern ;)
    http://www.theintelligence.de/index.php/politik/eu-europaeische-union/4332-ungarn-unter-orban-eu-klagt-rechtsstaat-im-zwielicht.html

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