Syrien – Eine geopolitische Frage

Syrien ist zum zentralen außenpolitischen Thema der Welt geworden. Die arabische Halbinsel war noch nie von besonders stabilen Machtverhältnissen geprägt, doch nun mutiert sie zu einem geopolitischen Brennpunkt.

Von Heinz Sauren 

Vor mehr als zwei Jahren begann der arabische Frühling und mit ihm die Neuordnung der politischen Machtverhältnisse. Was Anfangs als demokratische Revolutionen verstanden wurde, entpuppte sich in den betroffenen Ländern als pseudodemokratische Islamisierung. Auch in Syrien schien eine demokratische Opposition gegen einen despotischen Herrscher aufzubegehren und doch zeigte sich bald, dass das vielleicht der Anfang war, aber nun in Syrien alles anders ist.

In Syrien geht es nicht nur um den Machterhalt einer Erbdiktatur und auch nicht um einen viel gewünschten Sieg aufrechter Demokraten. Zu viele Akteure mischen in diesem Bürgerkrieg mit, als das die wahren Zielrichtungen und Interessen offensichtlich wären. Der Konflikt wurde zu einem Stellvertreterkrieg der Global Player der internationalen Politik. Es sind religiöse Erzfeindschaften, strategische Interessen der Supermächte und Israels, der internationale Krieg gegen den Terror und ein bemerkenswert kleingeistiger Versuch eines sich formierenden Europas, das seinen Platz auf dem großen diplomatischen Parkett sucht, die diesen Konflikt prägen. Fast schon nebensächlich sind die Interessen und Leiden derer geworden, auf denen das Kräftemessen der Großen ausgetragen wird. Den Menschen die in diesem Land leben – den Syrern.

So sind die Erklärungen für das, was in Syrien geschieht, mittlerweile nur noch auf der Reaktionsebene in Damaskus zu suchen. Die Ursachen dessen was geschieht, werden in Washington, Moskau, Brüssel, Ankara, Teheran und Tel Aviv gelegt und folgen den strategischen Erwägungen, die sich aus einer übergeordneten Fragestellung ergeben. Wer wird die Vormachtsstellung auf der arabischen Halbinsel übernehmen und damit zu einem Global Player der Weltpolitik aufsteigen? Der elitäre Club der Staaten, die bereits solche Global Player sind oder zu diesen selbst aufsteigen wollen, wacht argwöhnisch über die, denen man in Zukunft vielleicht auf Augenhöhe gegenüber stehen muss und unternimmt alle notwendigen Schritte, diese Entscheidung im eigenen Sinne zu beeinflussen. Manchmal gemeinsam, manchmal durchaus konträr, aber immer diesem übergeordneten Ziel folgend. Der syrische Konflikt wird militärisch auf die arabische Halbinsel begrenzt bleiben, aber das machtpolitische Gefüge der Welt verändern.

Es gibt nur eine Antwort auf diese tatsächliche Frage dieses Konfliktes, da sowohl durch einen kriegerischen Flächenbrand als auch im Falle eines Verhandlungsfriedens nur eine Seite als zukünftig Machtbestimmend hervorgehen wird. Wer diesen Konflikt für sich entscheidet, kontrolliert zukünftig eine der sensibelsten Regionen der Welt und erweitert damit sein eigenes Einflussgebiet enorm. Zwei Allianzen stehen sich gegenüber, jeweils vereint hinter der Symbolfrage des Konflikts. Pro oder Kontra Assad.

Die Allianz pro Assad wird geopolitisch von Russland und regional von Teheran und teilweise von Libanon vertreten. Sie unterstützt das Regime Assad.

Die Allianz kontra Assad wird geopolitisch von den USA und regional von der Türkei, als auch Europa vertreten. Sie unterstützt die Aufständischen.

Eine Sonderrolle nimmt Israel ein, welches zwar ein erklärter Feind Syriens ist, aber auch ein eigenes vitales Interesse hat einen Umsturz in Damaskus zu verhindern, da die dann drohende Radikalislamisierung Syriens, Assad zum kleineren Übel aus israelischer Sicht macht.

Der amerikanische Wunsch nach dem Status quo

Die USA verstehen sich als Schutzmacht Israels und sehen sich durch das enge Verhältnis zu Saudi Arabien als dominierende Macht auf der arabischen Halbinsel. Diese Dominanz wird auch zunehmend in den arabischen Staaten so wahrgenommen und ist mitbestimmend für die politische und kulturelle Spaltung auf der arabischen Halbinsel. Die USA möchten im Grunde keine Veränderung, und daher ist auch die amerikanische Motivation in diesen Konflikt aktiv einzusteigen, eher gering.

Die verbleibende Motivation ergibt sich aus dem geopolitischen Vertreter der gegnerischen Allianz, Russland. Washington fürchtet den zunehmenden Einfluss Moskaus in der Region. Ein weiterer, in einer Reihe geopolitischer Schlagabtausche die sich Russland und Amerika in den letzten Jahren geliefert haben und der seinen letzten Höhepunkt in dem Versuch Washingtons, quasi vor den Stadttoren Moskaus einen Raketenschild zu installieren, gipfelte.

Die kürzlich eigens verbreitete Ankündigung, zukünftig mit Hilfe von Fracking die eigene Energieversorgung Importunabhängig sichern zu können, lässt darauf schließen, dass Amerikas Interesse an arabischem Öl als eigenes nationales Interesse mittelfristig erlöschen wird.

Beruhigend aus amerikanischer Sicht ist auch, dass sie als einzige in der Region nahezu jede Entwicklung im Notfall militärisch stoppen könnten. Diese Ultima Ratio ist der Garant für Israels Fortbestand. Jeder amerikanische Präsident – und so auch der jetzige – hat sich öffentlich für die Sicherheit Israels verbürgt und wird in letzter Konsequenz seine gesamte militärische Macht einsetzen, um die Existenz Israels zu sichern. Auch wenn sich Amerika lieber heute als morgen aus den Problemen dieser Region zurückziehen würde, ist es von jeder Entwicklung betroffen, da sich jede Entwicklung auch auf die israelische Sicherheitslage auswirkt. Für Amerika ist Zeit der entscheidende Faktor im Syrien Konflikt. Jeder Tag ohne eine tatsächliche politische Machtverschiebung ist für die USA ein guter Tag.

Russland, Gegenspieler der westlichen Allianz

Nach dem Machtverlust in Osteuropa und dem Innen- wie Außenpolitischen Niedergang Russlands in den 1990er Jahren ist der Kreml wieder erstarkt. Innenpolitische Probleme haben für Russlands Präsidenten nicht mehr den Stellenwert außenpolitischer Interessen. Russland strebt wieder den machtpolitischen Einfluss einer Supermacht an. Die strategische Expansion des Einflussbereichs ist erklärtes Ziel russischer Außenpolitik. Der einzige Fuß, den Moskau im Mittelmeerraum hat, ist sein Flottenstützpunkt in Syrien. Aus russischer Sicht ist der Erhalt dieses Stützpunktes elementar für die eigenen geopolitischen Machtansprüche, und ein Machtwechsel in Damaskus würde diesen gefährden.

Moskau will den Machterhalt Assads, als Garant des Fortbestandes des Stützpunkts, aber es will keine Eskalation. Ein offener Krieg könnte amerikanische Truppen vor den eigenen Stützpunkt führen und wäre auch sonst in seinem Ausgang schwer kalkulierbar. Russland unterstützt Assad durch sein Veto-Recht im Weltsicherheitsrat und mit wohldosierten Waffenlieferungen.

Die Lieferung von militärischen Gütern an Syrien ist indes keine Neuausrüstung der syrischen Armee. Russland stattet das syrische Militär seit langem mit russischer Waffentechnik aus und ersetzt nun die eigene Technik durch neue, als Ersatz für zerstörte oder unbrauchbar gewordenes Material. Solche Bündnisse sind auch in allen anderen Staaten Normalität. Moskau erfüllt nur seit langem bestehende Nachlieferungsverträge und bleibt bei diesen Lieferungen völkerrechtlich unangreifbar.

Die medial gepuschte Lieferung von hochmodernen Boden-Luft Raketen und MIG 29 Flugzeugen passt da durchaus ins Bild, da es keine Angriffswaffen sind. Bei den Raketen handelt es sich Luftabwehrakten zur Zerstörung fliegender Ziele. Da die Aufständischen aber über keine eigenen Flugzeuge verfügen, können diese Waffen nicht gegen sie gerichtet werden. Es sind Defensivwaffen. Die Aufregung ergibt sich aus dem Umstand, das Assad sich mit ihrer Hilfe wirkungsvoll gegen einen Angriff von jemandem der über Flugzeuge verfügt, zur Wehr setzen könnte. Zum Beispiel dem Versuch der Errichtung einer Flugverbotszone, wie sie von einer internationalen Koalition in Libyen errichtet wurde. Das gleiche gilt für die MIG 29 Flugzeuge. Zwar könnte Assad sie gegen oppositionelle Stellungen nutzen, aber dazu bräuchte er sie nicht. Flugzeuge hat er selber. Die MIG 29 ist ein Luftüberlegenheitsjäger, der dafür konzipiert wurde, die Luftüberlegenheit in einem Luftraum zu erzielen. Er ist auch für die modernsten Jagdflugzeuge Israels und Amerikas eine ernst zu nehmende Gefahr und erschwert israelische Angriffsplanungen.

Russland reagiert mit diesen Lieferungen auf eine zunehmende Bereitschaft der kontra Assad Allianz, eine militärische Lösung herbei zu führen und schafft Waffengleichheit. Keine Waffengleichheit gegenüber den Aufständischen, sondern gegenüber möglichen Angreifern von Außen. Gemeint sind Israel, die Türkei und indirekt natürlich die USA. Russland bekennt sich offen zu seinem Bündnispartner Assad und macht damit klar, dass es seine Interessen nicht auf diplomatischen Weg aufgeben wird. Auch die offensichtlich gewordene Machtprobe gegen russische Interessen lassen aus russischer Sicht keinen bedingungslosen Rücktritt zu.

Iran oder der Feind meines Feindes

Der Iran ist international weitgehend isoliert, aber eng verbunden mit der vom Iran geförderten libanesischen Hizballah Miliz. Die Logistik dieser Unterstützung wurde mit Duldung Assads über Syrien abgewickelt. Ein Verlust dieser syrischen Brücke würde die Existenz der Hizballah gefährden, den Druck auf Irans Erzfeind Israel verringern, den Iran selbst vollends isolieren und damit einen israelischen Angriff auf den Iran erleichtern. Folgerichtig hat der Iran schon früh Assad mit Logistik, Know How und Truppen unterstützt.

Aus iranischer Sicht ist der Syrien Konflikt auch ein religiöser Kampf gegen die weiter fortschreitende Vormacht der Sunniten, die die zahlenmäßig größte Gruppe der Aufständischen stellen. Obwohl Assad kein Schiit ist, fühlen sich der Iran und Syrien durch die gemeinsame Feindschaft zu Israel eng verbunden. Für die Mullahs in Teheran ist der Syrien-Konflikt eine Verteidigungsschlacht zur Abwehr des sunnitischen Einflusses, den sie durch einen Machtwechsel befürchten und eine Stärkung des israelischen Einflusses, den sie nach einem Machtwechsel erwarten.

Die Hizballah ist im Libanon ein Staat im Staate und agiert damit an der Nordgrenze Israels, ohne Einschränkungen befürchten zu müssen. Ihre Milizen kämpfen ebenfalls seit geraumer Zeit auf Seiten Assads. Offenkundig wurde das aber erst durch die Brandrede ihres Anführers, nachdem Raketen syrischer Aufständischer den Libanon trafen. Aus Sicht der syrischen Aufständischen galt der Beschuss dem Rückzugsgebiet der Truppen, die sich ihnen auf syrischen Boden entgegenstellten, hat aber tatsächlich das Potential, einen Bürgerkrieg über die Grenzen hinaus zu tragen und damit einen überregionalen Krieg hervorzurufen. Für die Hizbollah ist der Eintritt in den syrischen Bürgerkrieg auf Seiten Assads eine Überlebensfrage, da nur das politische Überleben Assads auch das ihre garantiert. Die aufständischen Sunniten würden sofort die überlebenswichtige Landverbindung zwischen dem Iran und der Hizballah kappen.

Säbelrasseln am Bosporus

Auch die Türkei hat ungewollt einen Fuß in diesem Konflikt. Es ist ihre südliche Provinz Hatay, die nicht nur direkt an Syrien grenzt und deren Bevölkerung sich weniger türkisch als arabisch versteht. Die kulturellen und familiären Bande nach Syrien sind vielfältig und für die Provinz bezeichnend. Diese Kollaborationsbewegung beantwortet die türkische Regierung mit öffentlich zur Schau gestellten Führungsanspruch und einer Politik der Stärke, die zwar offiziell gegen Syrien gerichtet ist, tatsächlich aber gegen die separatistischen Bewegungen im eigenen Land gerichtet ist. Aus diesem Grund hat die Türkei die militärisch völlig unsinnigen Patriot Luftabwehrsysteme von der Nato angefordert – als Zeichen der internationalen Legitimation.

Ebenfalls befindet sich in Hatay ein großer amerikanischer Luftwaffenstützpunkt, der bei einer militärischen Intervention in Syrien durch internationale Truppen eine Schlüsselrolle spielen würde. Der türkische Ministerpräsident selbst sieht für sich die Möglichkeit, sich seines ehemaligen Freundes und ständigen Konkurrenten um die politische Führungsrolle der region, Assad, nun endgültig zu entledigen. Die Türkei unterstützt die kontra Assad Allianz durch die Errichtung von Flüchtlingslagern und die einseitige Grenzöffnung zu Syrien für Waffenlieferungen an die Opposition.

Israel in der Zwickmühle

Israel befindet sich mit allen Bürgerkriegsparteien in einem erklärten oder heimlichen Kriegszustand. Wer auch immer aus diesem Konflikt gestärkt hervortritt, wird Israels zukünftiger Gegner sein. Es ist Israels Interesse, den nächsten Feind so klein als möglich zu wählen. Insofern unterstützt Israel keine der Konfliktparteien, behält sich aber vor jede einzeln oder auch zusammen anzugreifen, wenn es in seinem Interesse ist. Israels Politik ist es nicht einen einzelnen Feind zu bekämpfen, sondern alle gleichzeitig, um auch in einer Zerstörung das Gleichgewicht der Feinde aufrecht zu erhalten um den Aufstieg eines einzelnen zu verhindern.

Aus israelischer Sicht wäre der worst Case der Sturz Assads mit einer anschließenden Islamisierung Syriens. Das, so glaubt die Regierung, wäre der sichere Beginn weiterer Angriffe auf Israel und eine weitere radikal islamische Bastion an den Grenzen des Landes. “Nach Ägypten nun auch Syrien” ist ein Gedanke, der Schrecken in Israel auslöst. Israel glaubt, dass die Niederschlagung des Aufstandes, sowohl die Hizballah als auch den Iran in ein syrisches Wiederaufbauprogramm einbinden würde und damit eine Weile beschäftigen könnte. Aber es ist sich auch bewusst, dass diese Möglichkeit langfristig wieder zu einer Erstarkung der Koalition gegen Israel von Seiten des Iran und der Hizballah führen wird.

Europas Chaos und das Märchen der Demokratie

Europa hat sich eine ganz eigene Rolle in diesem Konflikt gegeben. Obwohl einige europäische Mitgliedstaaten durchaus außenpolitische Schwergewichte sind, galt Europa als Gemeinschaft als politisch unwichtig, wollte aber für wichtig genommen werden, um durch unkoordinierten Aktionismus nun noch unwichtiger zu sein als zuvor.

Insbesondere die deutsche Außenpolitik ist ein gutes Beispiel für grundsätzliches Versagen auf diplomatischem Parkett. Angetreten mit dem Anspruch, als ein einiges Europa zu sprechen, ist schlussendlich gar keine innereuropäische Einigung mehr möglich und so macht jetzt jeder das was er will.  Als Ergebnis werden Großbritannien und Frankreich nun die Aufständischen mit Waffen beliefern, während die übrigen EU-Länder passive beobachter sind. Politisch wird auf eine internationale Friedenskonferenz gehofft, bei der zwar der iranische Außenminister vermisst werden würde, so er denn nicht käme, aber nicht die europäische Außenbeauftragte.

Die gewünschte Gesetzmäßigkeit der arabischen Revolutionen, nach der jeder Herrscher zu gehen hatte, wenn ein Volk aufbegehrte, funktionierte schon in Libyen nur mit Hilfe internationaler Truppen und Flugverbotszonen. Dennoch entschied sich Europa und allen voran der deutsche Außenminister sehr frühzeitig auch ohne direkte Notwendigkeit und ohne das Wissen, dass dies auch so eintreten werde, Assad für politisch Tod zu erklären und kappte damit alle Verbindungen nach Damaskus. Assad war und ist aber politisch nicht tot und jetzt wo sich abzeichnet, dass er sogar als Gewinner aus dem Konflikt hervor gehen könnte, ist jede europäische Mitgestaltungsmöglichkeit verspielt.

Auch die Unterstützung der Aufständischen ist kaum noch möglich, da in Europa und Amerika niemand gesehen hat, was in ganz Arabien in den letzten Jahren wiederholt vorgeführt wurde. Arabische Revolutionen werden zwar von Demokratiebewegungen initiiert, aber diese haben in keinem arabischen Land genügend Rückhalt in der eigenen Bevölkerung, als dass mit Hilfe demokratischer Wahlen säkulare Reformkräfte nennenswerte Regierungsbeteiligungen erreichen könnten. Demokratische Wahlfreiheiten führen in arabischen Ländern zur Islamisierung. Dieses nicht erkannt zu haben, ist nicht nur das große Versagen europäischer Außenpolitik, sondern führt auch zur Bedeutungslosigkeit Europas bei der Suche nach einer Lösung im syrischen Bürgerkrieg.

Die Opposition ist auf dem Rückzug und hat nahezu alle strategischen Positionen verloren. Sie versucht nun ihr militärisches Versagen auf die mangelnde Unterstützung von Außen und den Eintritt der Hizballah in die Kampfhandlungen zurück zu führen. Doch die Gründe sind andere. Die demokratischen Gruppen, die einst den Aufstand initiierten sind eine unbedeutende Minderheit geworden. Die militärischen Aktionen der Opposition werden von einer Vielzahl einzelner Gruppierungen durchgeführt, die größtenteils selbst untereinander verfeindet sind und das Volk noch mehr drangsalieren, als dies zuvor unter dem Assad Regime geschah. Warlords machen ihren Profit, Famlienclans stecken ihre Machtbereiche neu ab und die Scharia findet in den vermeintlich befreiten Gebieten ihren Einzug. Die Opposition ist untereinander so zerstritten, dass es ihr, einzig in dem Hass gegen Assad geeint, nicht gelingt, eine gemeinsame Delegation zu stellen.

Die religiösen Randgruppen der Schiiten, Alewiten und Christen genossen unter dem Alewiten Assad die Freiheit ihren Glauben ausleben zu können und müssen nun darum fürchten. Es gab zu keinem Zeitpunkt eine Mehrheit des syrischen Volkes, die den Aufstand unterstützt hätte. Dagegen sieht nun eine Mehrzahl ihre Zukunft von der Opposition gefährdet, sich sogar persönlich bedroht. Für das syrische Volk steht Assad zwar für politische Unfreiheit und eine Diktatur, die keine Opposition duldet, aber auch – im Vergleich mit anderen Staaten der Region – für relativen Wohlstand und Sicherheit, grundsätzliche religiöse Freiheit und staatliche Einheit.

Die Opposition lässt einen politischen Wandel erhoffen, bringt aber auch Separation der Ethnien, innere Unruhen und den religiösen Minderheiten die Verfolgung. Die Opposition scheitert nicht an fehlenden Waffen oder mangelnder internationaler Unterstützung, sondern an sich selbst. Noch bevor sie die internationale Gemeinschaft brüskierte, verängstigte sie ihr eigenes Volk und wird heute dem Bild der Verbrecherbanden, das Assad über sie zeichnet, mehr gerecht, als jenen Ansprüchen, mit denen sie einst angetreten war.

Wie auch immer eine syrische Lösung aussehen wird, es wird nur dann eine dauerhafte sein, wenn sie durch das syrische Volk selber, auf der Basis der eigenen Interessen bestimmt wurde. Assad ist ein Despot und es gibt gute Gründe für seinen Sturz zu sein. Die aktuelle Situation in Syrien und die vielfältigen Interessen der internationalen Protagonisten, die durchgängig eigenen nationalen Interessen und selten denen des syrischen Volks folgen, lassen jedoch hoffen, das Assad den Konflikt für sich entscheiden kann. Das führt vielleicht nicht zu der besten aller denkbaren Lösungen, aber wohl zu der einzigen Entwicklung Syriens im Sinne des Völkerrechts. Assad ist zurzeit die einzige Option, die den unterschiedlichsten ausländischen Interessen widerstehen kann. Als Spielball ausländischer Interessen würde Syrien dem Schicksal Iraks folgen und die Region auch langfristig als permanentes Pulverfass besehen bleiben.

Der alte völkerrechtliche Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates, scheint seine Bedeutung immer weiter zu verlieren. Ein Grundsatz der in das Völkerrecht geschrieben wurde, als fundamentaler Baustein zu Verhinderung von Krieg.

Heinz Sauren studierte Rechtswissenschaften und Philosophie. Er ist Buchautor, Kolumnist und Essayist. Er bloggt auf Freigeist, wo auch dieser Artikel erschien.

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4 Kommentare zu "Syrien – Eine geopolitische Frage"

  1. Fabian Buschtrommel sagt:

    “Die Allianz kontra Assad wird geopolitisch von den USA und regional von der Türkei, als auch Europa vertreten. Sie unterstützt die Aufständischen.”

    -Saudi Arabien und Katar wären wären ja vieleicht auch “erwähnenswert” gewesen, zum einen wegen der rolle im “sunni shia divide” um den sich die zunehmend eskalierenden sektiererischen gewalltausbrüche um syrien anordnen und zum anderen aufgrund der energiepolitischen impliaktionen. Und nicht zuletzt als hauptfinanziers der opposition! oO

    “Die …Ankündigung, zukünftig mit Hilfe von Fracking die eigene Energieversorgung Export unabhängig sichern zu können, lässt darauf schließen, dass Amerikas Interesse an arabischem Öl als eigenes nationales Interesse mittelfristig erlöschen wird.”

    -abgesehen davon das wohl “import unabhängig” gemeint ist, ich persönlich habe noch nirgends eine plausible begründung für diese einschätzung zu gesicht bekommen. Zumal kontrolle und nutzung der fossilenresourcen der region seit jeher zwei verschiedene paar schuhe gewesen sind.

    “Auch die Türkei hat ungewollt einen Fuß in diesem Konflikt.”

    -ungewollt? die türkei hat einiges zu gewinnen bei diesem konflikt und das drückt sich wohl auch in der amerikansichen, wie türkischen, strategischen ausrichtung, der vergangenheit und der gegenwart aus.

    “Nach Ägypten nun auch Syrien” ist ein Gedanke, der Schrecken in Israel auslöst.”

    -dieser gedanke mag sicherlich subjektiv so empfunden werden in israel aber überschneidet sich das mit den kalkulationen der israelischen sicherheitspolitik?
    Ägypten ist nach Israel doch weiterhin zweitgrößter empfänger von US militärhilfe und “major non-nato ally”, die muslim brüder sind wohl eher saudi arabien, also dem wichtigsten arabischen verbündeten der USA, zugewandt, als dem Iran und haben sich auch sonst bereitwillig in das “US hegemonialsystem” eingeordnet, abgesehen von einer möglichen einflussnahme auf den “friedensprozess” mit den palästinensern sollte israel also nicht viel von einem ägypten unter muslimbrüdern zu befürchten haben, zumal sich diese zum friedensvertrag von 1979 bekannt haben.

    • Sebastian Müller sagt:

      “-abgesehen davon das wohl “import unabhängig” gemeint ist,” Danke, der Fehler ist korrigiert.
      .
      “-ungewollt? die türkei hat einiges zu gewinnen bei diesem konflikt und das drückt sich wohl auch in der amerikansichen, wie türkischen, strategischen ausrichtung, der vergangenheit und der gegenwart aus.” Dass die Türkei ungewollt in den Konflikt hineingezogen wurde, glaube ich auch nicht, aber was genau hätte sie denn deiner Ansicht nach zu gewinnen?
      .
      “die muslim brüder sind wohl eher saudi arabien, also dem wichtigsten arabischen verbündeten der USA, zugewandt, als dem Iran und haben sich auch sonst bereitwillig in das “US hegemonialsystem” eingeordnet” Es ist in der Tat erstaunlich, wie sehr sich im übrigen auch ein islamistisches Regime mit einem neoliberalen Wirtschaftssystem arrangieren kann.

  2. “Syrien ist zum zentralen außenpolitischen Thema der Welt geworden. Die arabische Halbinsel war noch nie von besonders stabilen Machtverhältnissen geprägt” beginnen Sie.
    Erstens ist Syrien nicht auf der arabischen Halbinsel.
    Zweitens sind die Machtverhältnisse auf der arabischen Halbinsel sehr stabil. Wann gab es denn in Saudi-Arabien den letzten Umsturz? In Kuwait?

    Wenn ein Artikel so anfängt, lese ich nicht weiter.
    Wenn Sie mal etwas Fundiertes über den Mittleren Osten geschrieben haben wollen, geben Sie mir Bescheid.

  3. Jetzt habe ich auch noch den letzten Absatz gelesen: “Der alte völkerrechtliche Grundsatz der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten eines Staates, scheint seine Bedeutung immer weiter zu verlieren. Ein Grundsatz der in das Völkerrecht geschrieben wurde, als fundamentaler Baustein zu Verhinderung von Krieg.”

    Das ist angesichts der auch von der UNO akzeptierten “responsibility to protect” rechtlich überholt. Die Nichteinmischung in innere Angelegenheiten dient nicht der Friedenssicherung, sondern dem ungestraften Missachten von Menschenrechten und dem Unterdrücken von Minderheiten im eigenen Land. Zur Freindessicherung besteht im Völkerrecht der Grundsatz der Nichtagression, der dafür vollkommen ausreicht.

    Als Jurist erweitere ich mein im vorigen Kommentar abgegebenes Angebot auf Abhandlungen zum Völkerrecht.

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