Armutszeugnis der FIFA

Die Fußball-Weltmeisterschaft verkommt zu einem Instrument der Ausbeutung

Von Sebastian Müller

Wie sich die FIFA (Fédération Internationale de Football Association, dt. Internationale Föderation des Verbandsfußballs) selbst repräsentiert und sehen möchte, nämlich als Organisator eines weltoffenen, völkerverbindenden globalen Fußballtuniers, das nebenbei noch ein Meilenstein der Entwicklungshilfe darstellen soll, steht im krassen Gegensatz zu den Interessen und Vorgehensweisen der Fußballföderation.

Offiziell soll die Fußballweltmeisterschaft 2010 ganz Afrika zugute kommen. Und Präsident Sepp Blatter, der Herrscher über ein Milliardenimperium, über eine Supermacht im Sport ist, wirbt zwar mit einer offensiv propagierten Botschaft: dem Kampf für eine bessere Welt, für Frieden und Freiheit. Dafür sehe es Blatter gerne, wenn man, vulgo: er, dafür den Friedensnobelpreis bekäme.

Doch tatsächlich ist die FIFA eine knallharte, rein profitorientierte Instanz. Aus kommerzieller Sicht ist die WM ein exzellentes Sprungbrett für die Expansion in den afrikanischen Markt, konstatiert der Soziologe Patrick Vassort, ein Experte für die Beziehungen zwischen Fußball und Politik.
Die globalisierte Enter­tain­mentindustrie, aus der die FIFA den Fußball mitunter machte, rekrutiert ihre Arbeitskräfte aus allen Teilen der Welt. Fußballstars wurden zu kulturellen Ikonen und weltweit funktionierenden Rollenmodellen, die von Sponsoren und der Werbewirtschaft begehrt werden. Sie verkörpern wie kaum eine andere Berufsgruppe eine neoliberale Ideologie des Erfolgs und der Leistung.

Die Leistung der FIFA hingegen spricht klar für sich. Im Jahr 2009 hat der Umsatz der Fifa mit 1059 Millionen Dollar erstmals die Milliardengrenze überschritten. Dank des Gewinnes von 196 Millionen Dollar ist das Eigenkapital auf 1,061 Milliarden Dollar gestiegen. Hinter dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) ist die Fifa der zweitgrößte Konzern des Sports. Dabei profitiert die Fifa von ihrem Sitz: Im März 2009 wurde im Schweizer Nationalrat mit 116:58 Stimmen ein Antrag abgelehnt, dessen Ziel es war, dass die Fifa und der auch in der Schweiz ansässige europäische Verband Uefa auf ihre Gewinne aus Welt- und Europameisterschaften Steuern zahlen müssen.

Das Interesse, ein Ereignis auszutragen, das für alle Menschen zugänglich ist, bzw. von dem alle profitieren, tritt angesichts dieser Zahlen klar in den Hintergrund, falls dieses überhaupt noch vorhanden ist. Die Stadionpreise sind für die überwiegende Mehrheit der Menschen völlig überhöht. Auf ein großes Kontigent von Karten haben zudem die Sponsoren ein Anrecht. Wie befürchtet, sieht man in Südafrikas Stadien in regelmäßiger Häufigkeit große Flächen freigebliebener Sitzplätze. Wie da die FIFA von 95 Prozentiger Auslastung sprechen kann, bleibt hier schleierhaft.

Doch neben dem Kommerziellen Ausverkauf, den die FIFA betreibt, scheint die WM in Südafrika vor allem ein Großereignis der Ausbeutung zu sein. Zum wiederholten Male scheinen private Sicherheitsfirmen, die für die Sicherheit in und rund um die Stadien verantwortlich sind, Ordnungskräften den vertraglich zugesicherten Lohn verweigert zu haben. Die darauf folgenden Proteste sind von der südafrikanischen Polizei niedergeschlagen worden.
Die FIFA kümmert dieser Skandal offentsichtlich nicht, sie möchte sich in den Konflikt nicht einmischen. Ein Armutszeugnis für die Organisatoren um Sepp Blatter, die damit ihrer altruistischen Suada Hohn sprechen.

Doch die Indizien, die die diesjährige WM zu einem schmutzigen Ereignis werden lassen, reichen weiter. Das Schweizerische Arbeitshilfswerk (SAH) erhebt schwere Vorwürfe: So seien in Folge der WM Armenviertel plattgewalzt worden, Arbeiter auf den Baustellen der neuen Stadien und Infrastruktur arbeiteten für einen Hungerlohn und Strassenverkäufer seien zugunsten der WM-Sponsoren von den Strassen verjagt und somit ihrer Einkommensquelle beraubt worden.

Die FIFA habe, so die SAH, diese Übergriffe zwar nicht selber veranlasst, aber auch nichts dagegen unternommen – obwohl Menschenrechtsverletzungen in Südafrika absehbar und auch bestens dokumentiert seien. Die FIFA habe es eigentlich in der Hand, ihre milliardenschwere Verhandlungsmacht zum Wohle der Bevölkerung einzusetzen, wolle aber nicht über die eigene Verantwortung nachdenken. Tatsächlich hat das die FIFA mit ihrem jüngsten Vorgehen – bzw. ausbleibenden Vorgehen – nun eindeutig bewiesen.

Und in der Tat verpflichten sich Nationen, mit der Bewerbung als Gastgeber, weitreichende Forderungen der Fifa zu erfüllen: von Markenrechten über den Schutz ausgewiesener Territorien bis hin zu steuerlichen Vergünstigungen. Die Fifa diskutiert nicht, sie verhandelt nicht – sie gibt vor, weil sie es sich leisten kann. Insofern kann man der FIFA im Zuge dieser Vorwürfe die Verantwortung auch nicht absprechen.

So konstatiert die SAH weiter: “Alle möglichen Bereiche einer Fussball-WM werden von der FIFA bis ins letzte Detail geregelt – bis hin zur Höhe der Grashalme auf dem Spielfeld oder der zulässigen Bildschirmdiagonale bei Public Viewings. Doch wenn es um Menschen- und Arbeitsrechte geht, belässt es die FIFA bei Lippenbekenntnissen.

Im Gegenteil: Im Zuge der auf dem ersten Blick erstaunlichen Tatsache, dass sich bei der WM in Südafrika und jener vor 4 Jahren in Deutschland Parallelen auftun, wird man den Verdacht nicht los, dass die WM zu einem Verschleierungsereignis nationaler Arbeits- und “Sozialreformen” instrumentalisiert wird: “Während in Deutschland “Sommermärchen” im Fußball und “Wintermärchen” im Handball abgefeiert wurden, setzte sich das neoliberale Austeritätsprogramm ungehindert fort. Mit einer harten Niedriglohnpolitik wurde die Berliner Republik Zug um Zug in ein Billiglohnland verwandelt, in dem immer mehr Menschen um ihre nackte Existenz kämpfen müssen. Aber treibt das die gebeutelte Bevölkerung zu politischen Massen-Demonstrationen auf die Straße? Mitnichten – die Masse gibt sich in den urbanen Partyzonen lieber kollektiven “Wir-sind-wieder-wer-Gefühlen” hin, gestiftet von Bertelsmann & Co.” (aus: Schattenblick)

In diesem Sinne hat die Regierung Merkel auch das jüngste Sparpaket, dass man bedenkenlos als eine Kriegserklärung an die Mehrheit der deutschen Bevölkerung bezeichnen kann, wohlwissend vor der anstehenden Weltmeisterschaft abgesegnet. Die Stiftung nationaler wie globaler Spaß- und Feiergemeinschaften wird um so mehr politisches Programm, je brüchiger die kapitalistische Wirtschaftsordnung und ihre neoliberalen Rezepturen werden. Daher dürften Blatters Chancen auf den Friedensnobelpreis gar nicht mal so schlecht stehen.

Zum Thema:

– Der politische WM-Auftakt

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