Die Rückkehr des Keynesianismus

Licht am Ende des Tunnels?

Von Sebastian Müller

In den USA, welche in so vielen positiven als auch negativen Entwicklungen eine Vorreiterrolle inne hatte, hat der Keynesianismus Einzug in die Wirtschaftspolitik erhalten. Mit dem Regierungswechsel scheint nicht nur ein neuer Präsident an die Macht, sondern auch eine neue Einsicht zum Tragen gekommen: Dass das neoliberale System versagt hat.

Im Gegensatz zu seinem Vorgänger steht die Politik Barack Obamas für Investitionen und große Konjunkturprogramme (siehe Paul Krugmann in der FR), der Staat ist ins Zentrum zurückgekehrt. In der Sozial- und Wirtschaftspolitik der USA findet eine kleine Revolution statt. Der neue starke Staat sorgt nicht nur für eine einseitige Geldverteilung, sondern diktiert auch die Regeln. Er schreibt vor, wieviel Geld Manager krisengeschüttelter Konzerne verdienen dürfen und zwingt den Autokonzernen die Entwicklung von umweltfreundlicher Technologie auf. Desweiteren wurde der Einfluss von Lobbyisten beschränkt und neue Transparenzregeln geschaffen.

Die Umwälzung sind drastisch und umfassend. So betont der Politikwissenschaftler James Pfiffner, dass nie ein Präsident zuvor so viel Geld in die Hand genommen hätte. Nicht einmal in dem keynesianisch geprägten New-Deal-Programm von Franklin Roosevelt in den 30er Jahren hätte der Staat dabei so viel Einfluss gewonnen. Passend dazu betonte Obama in einer Rede in Columbus, dass Staat und Regierung wieder gestärkt werden müssten, da sie nicht das Problem, sondern Teil der Lösung wären (siehe auch der Artikel “Plädoyer für die Rückkehr des Staates“) – eine untypische Argumentation für das traditionelle, sonst so libertär geprägte amerikanische Politikverständnis.

Und während in Deutschland das staaltiche Gesundheitssystem demontiert wird, will Obama im neuen Haushaltsplan allein für die Gesundheitsreform und die Einführung einer staatlich gelenkten Krankenkasse als Konkurrentin der Privaten über 600 Milliarden Dollar bereitstellen. Eine Reform, die diesen Namen auch verdient. Das Land scheint auf einem Weg zu sein, sozialer, gerechter und womöglich auch friedlicher zu werden.

Nach dem südamerikanischen ist nun also auch der nordamerikanische Kontinent einem Linksruck unterlegen. In Südamerika wurden schon längst Konsequenzen aus der fatalen IWF und Weltbankpolitik gezogen, dem Neoliberalismus und Freihandel wurden aus einschlägiger Erfahrung ein Riegel vorgeschoben. Verstaatlichungen der Schlüssel- bzw. Rohstoffindustrien, Investitionen in Sozialprogramme und Bildung, als auch regionale Wirtschafts- und Handelsabkommen wie ALBA (Alternativa Bolivariana para los pueblos de Nuestra América) verdeutlichen eine alternative Entwicklung.

Dass die USA nun, was die Abkehr vom Neoliberalismus betrifft, zu folgen scheinen, ist einzigartig. Dass bedeutet zwar kaum das Ende aller Interessensgegensätze zwischem dem alten Hegemon und den nach Freiheit und Souveränität strebenden südamerikanischen Staaten, doch war die Chance eines Dialoges auf Augenhöhe noch nie so gegeben wie jetzt.

Nicht zuletzt der gegenwärtige Hang der Obama-Regierung zum Protektionismus – der auch letztendlich von John Maynard Keynes selbst befürwortet wurde – wird es schwieriger gestalten, gegenüber den südamerikanischen Staaten offene Märkte zu fordern. So feiert der Keynesianismus ausgerechnet auf dem amerikanischen Kontinent seine Wiedergeburt, während er in Europa, und vor allem in Deutschland, noch nicht angekommen zu sein scheint. Zuletzt wurden auf dem G-20 Gipfel jegliche große konjunkturpolitische Maßnahmen von den Europäern abgelehnt.

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