Demokratie
Institutionen des Wohlstands

Über die Bedeutung politischer Institutionen und eine Bestandsaufnahme der deutschen Demokratie.

Reichstag

Foto: Andrij Bulba / flickr / CC BY 2.0

Von Lino Zeddies

Was führt einige Nationen zu Größe und Wohlstand, während andere in Armut und Elend gefangen zu sein scheinen?

Diese bedeutende Frage war Teil meiner Motivation, ein Studium der Volkswirtschaftslehre aufzunehmen und im Verlauf des Gleichen habe ich sie mir oft gestellt. Die häufigsten Antworten, die mir in meinen Vorlesungen begegnet sind, bezogen sich auf die Höhe der Spar- und Investitionsquote und damit einhergehend des Kapitalstocks, auf Unterschiede in der Verfügbarkeit von Ressourcen oder auf die zur Verfügung stehende Technologie. Aber diese Antworten der Ökonomen und auch die Ansätze anderer Denker etwa mit dem Verweis auf Geographie, Kultur oder Religion haben mich nie wirklich befriedigt, da Sie mir nicht auf den Kern der Frage vorzudringen scheinen. Vor Kurzem jedoch stieß ich auf ein neues Erklärungsmodell so simpel wie überzeugend: Der entscheidende Faktor seien Institutionen.

Diese These vertreten Daron Acemoğlu und James Robinson in ihrem brillanten Werk “Warum Nationen scheitern: Die Ursprünge von Macht, Wohlstand und Armut”. Die beiden Autoren unterscheiden dabei zwischen inklusiven Institutionen (der Allgemeinheit dienend; demokratisch) einerseits und extraktiven Institutionen (ausbeuterisch; zugunsten einer kleinen Elite) andererseits und belegen ihre These mit zahlreichen historischen Beispielen. Demzufolge ist weniger das Talent eines Staatsoberhauptes entscheidend für das Wohlergehen einer Nation, sondern vielmehr, ob beziehungsweise inwieweit das Interesse der herrschenden Eliten überhaupt mit dem Interesse der Allgemeinheit zusammenfällt. Das Problem mit Staatschefs von Entwicklungs- und Schwellenländern ist daher gar nicht unbedingt ein Mangel an politischer und ökonomischer Kompetenz, sondern vielmehr, dass deren Interessen oft gar nicht darauf abzielen, den allgemeinen Wohlstand zu steigern als vielmehr die Stellung der eigenen Gruppe zu sichern und zu stärken.

Aus dieser Perspektive ist auch die wirtschaftliche Stagnation vieler Entwicklungsländer trotz internationaler Anstrengungen und allgemeinem technologischen Fortschritt leicht zu erklären: Denn die mit gesellschaftlichem Fortschritt und Wirtschaftswachstum einhergehende schöpferische Zerstörung würde neue Machtverhältnisse hervorbringen und stellt somit eine Bedrohung für die herrschenden Eliten dar. Entsprechend hemmend ist dann die nationale Wirtschaftspolitik.

“Arme Länder sind arm, weil die Mächtigen Entscheidungen treffen, die Armut schaffen.” – Daron Acemoğlu

Und historisch schienen Nationen tatsächlich immer dann aufzublühen, wenn – warum auch immer – inklusive Institutionen entstanden, und dann zu scheitern, wenn diese korrumpierten und sie in einen Teufelskreis aus extraktiven politischen Institutionen und damit einhergehend extraktiven Wirtschaftsinstitutionen gerieten.

Aus dieser Perspektive lassen sich auch viele auffällige historische Entwicklungen erklären, etwa warum das wirtschaftliche Gefälle zwischen Nord- und Südamerika dermaßen groß ist: Die Geographie des Südens ermöglichte riesige Sklavenplantagen und führte dadurch zu extraktiven Institutionen und extremer Ungleichheit während die Bedingungen im Norden eine sehr viel egalitärere Siedlergesellschaft hervorbrachten. Die Nachwirkungen davon erleben wir noch heute. Somit sind andere Faktoren wie etwa die Geographie durchaus auch entscheidend allerdings nur mittelbar über ihre Auswirkungen auf Institutionen.

Bestandsaufnahme der deutschen Demokratie

Beim Lesen des Buches kam mir die Frage in den Sinn, wie in diesem Kontext eine moderne westliche Gesellschaft wie Deutschland einzustufen sei, etwa auf einer Skala von 1 (völlig extraktiv) bis 10 (demokratisch-inklusiv). Mit dem allgemeinen Wahlrecht, der ausgeprägten individuellen Freiheit und der Rechtsstaatlichkeit ließe sich vielleicht eine 9 rechtfertigen. Doch wenn man andererseits an die allgemein schlechte Wahlbeteiligung, an die hohe Einkommensungleichheit und an die Macht von Big Business denkt, mag vielleicht auch nur eine 5 angemessen erscheinen.

Historisch betrachtet haben wir zweifellos die Diktatur der Wenigen durch eine Regierung im Dienste des Volkes, der Allgemeinheit ersetzt und unvergleichbare Dimensionen von Freiheit, Gerechtigkeit und Wohlstand erschlossen. Dennoch mache ich mir Sorgen, dass wir uns derzeit in eine gefährliche Richtung bewegen. Denn während die formale Macht zweifellos bei den Wählern liegt, kann man nicht davon reden, dass alle Macht vom Volke ausgeht. Massive Lobbygruppen der Wirtschaftsverbände und multinationaler Konzerne untergraben stattdessen die Unabhängigkeit unserer Regierungen. Interessengruppen manipulieren die öffentliche Meinung. Das Finanz- und Bankensystem dient nicht der Allgemeinheit, sondern wird von einer kleinen Elite dazu verwendet, sich unter Gefährdung ganzer Staaten rücksichtslos selbst zu bereichern. Allgemein hat die finanzielle Ungleichheit dramatische Ausmaße angenommen und konzentriert zu viel Macht in den Händen zu Weniger. Warren Buffett, einer der reichsten Menschen der Welt, sagte dazu gar

„Es herrscht Klassenkrieg, richtig, aber es ist meine Klasse, die Klasse der Reichen, die Krieg führt, und wir gewinnen”

Die Vision einer inklusiven Gesellschaft sieht anders aus.

Ursachen und Verantwortung

Wie konnte es dazu kommen? Wieso werden die Lobbyisten nicht endlich aus den Fluren der Politik getrieben? Wieso werden die Finanzmärkte nicht endlich in die Schranken verwiesen und wieder zu Dienern der Realwirtschaft gemacht? Wieso werden Steueroasen nicht endlich ausgetrocknet und mehr Umverteilung gewagt? Was zu tun ist, scheint im Grunde doch so offensichtlich!

Aber vielleicht liegt die Verantwortung auch nicht nur bei gierigen Bankern und Konzernen, sondern auch bei uns selbst, uns Bürgern.

Möglicherweise hat der große materielle Wohlstand der letzten Jahrzehnte uns Menschen zu sehr abgestumpft und dazu veranlasst die Arena des politischen Disputs vorschnell zu verlassen. Möglicherweise haben zu viele ihr Streben darauf beschränkt, den eigenen Erfolg und das eigene materielle Wohl zu mehren und dabei die Öffentlichkeit und Politik in den Hintergrund treten lassen. Es wurde für selbstverständlich erachtet, was nicht selbstverständlich ist.

Demokratie ist kein Zuschauersport.

“Damit Demokratie funktioniert, braucht es Teilnehmer, nicht Beobachter.” Louis L’Amour

Es gibt zahllose Themen von großer Wichtigkeit, denen wir unsere kollektive Aufmerksamkeit und unser Engagement zuwenden müssen: Ungleichheit & Armut, Lobbying & Korruption, Klimawandel & die Zerstörung unseres Planeten und seit ein paar Jahren zu allem Überfluss auch noch die Finanz- und Eurokrise.

Jedoch scheint es nicht nur von großer Bedeutung, dass sich die Menschen überhaupt politisch engagieren und gegen Fehlentwicklungen und Ungerechtigkeiten auflehnen, sondern auch wie sie dies tun. Und möglicherweise ist genau hier der evolutionär entwickelte Verhaltenstrieb des Menschen eher kontraproduktiv. So scheint es in unserem natürlichen Gruppenverhalten begründet, dass wir antisoziales Verhalten mit Ausstoßung und Nicht-Kooperation sanktionieren. Man denke hier an das Ausmaß der sozialen Ächtung, welches Dieben und Betrügern entgegen gebracht wird. Derweil dieses Verhalten In kleinen Gruppen äußerst effektiv ist, um Kooperation und soziales Verhalten zu erwirken, erscheint es mir in der politischen Sphäre eher nutzlos. So gibt es heute mehr denn je Frust- und Protest-Wähler, die ihre Empörung über die Politik über die Wahl extremistische Parteien zum Ausdruck bringen und damit alles nur noch schlimmer machen. Wahrscheinlich genauso unproduktiv sind die Nichtwähler, die das Feld ganz denen überlassen, die sie kritisieren möchten. Der Begriff des Wutbürgers bringt dies zum Ausdruck, denn Wut ist blind und wenig zielgerichtet.

Was es stattdessen braucht, um einen Einfluss auf Politik und Gesellschaft zu erwirken, ist eine sehr viel aktivere politische Mitwirkung, für die ich im Folgenden plädieren möchte. So halte ich die Beteiligung an Wahlen zwar für ein wichtiges und grundlegendes, aber bei weitem nicht ausreichendes Element der politischen Partizipation. Denn durch Wahlen kann nur zwischen einer kleinen Zahl bereits vorgegebener Wege gewählt werden. Aktive politische Partizipation hingegen bedeutet, den Pfad, welche unsere Gesellschaft beschreiten soll, aktiv mitzugestalten. Und genau dies ist dringendst notwendig, um Themen von Bedeutung überhaupt auf die politische Agenda zu bringen und um die politischen Verantwortlichen über die Bedürfnisse des “normalen” Bürgers zu informieren. Vor allem aber, um der gewaltigen Lobbyarbeit von Big Business etwas entgegenzusetzen.

Der Beitrag ist eine gekürzte Fassung des Originals auf demokratiEvolution, wo sich der zweite Teil des Textes befindet.

Artikelbild: Andrij Bulba / flickr / CC BY 2.0

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4 Kommentare zu "Demokratie
Institutionen des Wohlstands"

  1. Ute Plass sagt:

    “Aktive politische Partizipation hingegen bedeutet, den Pfad, welche unsere Gesellschaft beschreiten soll, aktiv mitzugestalten.”

    Zustimmung!

    “Und genau dies ist dringendst notwendig, um Themen von Bedeutung überhaupt auf die politische Agenda zu bringen und um die politischen Verantwortlichen über die Bedürfnisse des “normalen” Bürgers zu informieren. Vor allem aber, um der gewaltigen Lobbyarbeit von Big Business etwas entgegenzusetzen.”

    Politisch verantwortlich sind wir als (vermeintlich) mündige
    Bürgerinnen und Bürger ja selbst. Daher gilt es wegzukommen von einer Stellvertretungspolitik hin zu mehr und direkter Demokratie.
    http://www.mehr-demokratie.de/

    Damit Mensch sich um die ihn betreffenden Belange kümmern kann, bedarf es
    zuvörderst einer repressionsfreien Existenzsicherung
    http://www.politik-werkstatt.de/NetzwerkDDundBGE.htm

  2. Das hier angepriesene Buch von Acemoğlu und Robinson habe ich – wie der Autor dieses Artikels – mit Gewinn gelesen – die Autoren erklären den Wohlstand der Nationen mit einem durchaus überzeugenden Wirkmechanismus, machen jedoch auch Vorhersagen, die in Anbetracht der zu beobachtenden weltweiten Entwicklungen zu bezweifeln sind, z.B. über die wirtschaftliche Entwicklung Chinas. Den Autoren zufolge müsste diese sich eigentlich schon längst festgefressen haben, da politische Inklusion und rechtsstaatliche Institutionen dort heute genau so wenig existieren wie zu Maos (oder zu Kung Fu-Tze’s) Zeiten. Es gibt vielleicht doch noch andere Mechanismen des wirtschaftlichen Fortschritts, wenn die kleine Elite nicht allzu gierig ist. Zumindest legen das die gleichfalls erklärungsmächtigen und im hier besprochenen Buch doch recht einseitig kritisierten Werke von Jared Diamond (“Guns, Germs, and Steel: The Fates of Human Societies”, 1997) und Ian Morris (“Why the West Rules – for now”, 2010) nahe.

    Auch ist die Funktionsweise der Inklusion als Treibsatz für die Entwicklung wahrscheinlich historisch bedingt: Dereinst mag es sogar zu einer Art Automaten-Feudalismus kommen, der kaum noch Menschen als Arbeitskräfte braucht – wer dann kein Kapital besitzt, verhungert – das wäre dann der große Genozid des Kapitalismus, von dem z. B. Robert Kurz spricht (z.B. “Der Kollaps der Modernisierung”, 1991).

    Schließlich bleibt Herr Zeddies, wenn er zur Durchsetzung inklusiver Institutionen eine aktivere Beteiligung der Normalbevölkerung an der Politik rät, sehr viel moderater als Acemoğlu und Robinson: Diese verweisen auf die durchaus blutigen Kämpfe, die Aufstände, den zum Teil todesmutig geübten zivilen Ungehorsam, dessen es in Großbritannien bedurfte, um einen liberalen Rechtsstaat zu schaffen.

    Ich fürchte, solche Kämpfe wären in einer totalüberwachten Welt zum Scheitern verurteilt und hoffe inständig auf alternative Methoden der Machtausübung von unten. Vielleicht bauen Vereine wie der “Chaos Computer Club” oder Bewegungen wie “Anonymous” solche Wege.

  3. Ralf Dahrendorf sagt:

    “Arme Länder sind arm, weil die Mächtigen Entscheidungen treffen, die Armut schaffen.” – Daron Acemoğlu

    Und reiche Länder sind reich, weil die Mächtigen Entscheidungen treffen, die Reichtum schaffen.

    Nicht die Nationen entscheiden, weder heute noch in der Vergangenheit. Es ist völlig egal, über welche Institutionen eine Nation verfügt. Die Entscheidungen werdem ganz woanders getroffen.

    Nach dem Zweiten Weltkrieg waren die USA die wirtschaftlich und militärisch stärkste Macht der Erde. Allerdings produzierten sie mehr Waren, als sie verbrauchen konnten. Deshalb mussten sie sich neue Märkte schaffen.

    Aus diesem Grund beriefen sie 1944 die Konferenz von Bretton Woods ein. Dort legten sie ein globales Währungssystem fest, das ausschließlich auf ihre eigenen Interessen zugeschnitten war. Es band alle Währungen der Welt zu festen Wechselkursen an den US-Dollar und ermöglichte den USA, den Weltmarkt mit amerikanischen Waren und amerikanischem Kapital zu überschwemmen.

    Die Aufgabe des IWF war es, dieses System weltweit einzuführen und zu stabilisieren. Der IWF hatte also von Anfang an das Ziel, neben der wirtschaftlichen und militärischen auch die finanzielle Weltherrschaft der USA zu sichern. Der IWF ist so aufgebaut wie andere Finanzorganisationen auch. Er hat ca. 2.600 Mitarbeiter, ein Direktorium und einen Gouverneursrat. Die USA besitzen allerdings Sperrminorität und Vetorecht, es kann also keine Entscheidung ohne ihr Einverständnis getroffen werden.

    Der wichtigste Faktor für die Übermacht der USA aber ist die weltweite Dominanz des US-Dollars. Er ist nicht nur die globale Leitwährung, sondern auch die wichtigste Reservewährung. Alle Zentralbanken der Welt halten einen großen Teil ihrer Devisenreserven in US-Dollar. Die ganze Welt ist also auf den Dollar angewiesen, aber das einzige Land, das ihn drucken darf, sind die USA. Auf diese Weise beherrschen sie mit Hilfe ihrer Währung das Finanzgeschehen der ganzen Welt.

    Die Weltbank ist hauptsächlich für die Finanzierung von großen Investitionsprojekten wie Eisenbahnlinien, Häfen oder Staudämmen zuständig. Die Hauptaufgabe des IWF ist die des „Kreditgebers letzter Instanz“. Der IWF greift immer dann ein, wenn ein Land in Zahlungsschwierigkeiten gerät. Er bietet ihm Kredite an, knüpft diese aber an harte Bedingungen, die die Souveränität des Landes einschränken und es den Interessen des internationalen Finanzkapitals unterordnen. Der IWF handelt im Grunde wie ein Pfandleiher, der die Notsituation seiner Klienten ausnutzt, um sie auf diese Weise gefügig zu machen und sich an ihnen zu bereichern.

    Mit den Strukturanpassungsprogrammen hat der IWF sein Vorgehen Ende der Siebziger Jahre auf der Grundlage des Neoliberalismus systematisiert. Die wichtigsten Eckpfeiler dieser Programme sind die Liberalisierung, die Deregulierung und die Privatisierung.

    Die Liberalisierung beinhaltet unter anderem die Aufhebung von Importbeschränkungen. Sie führt dazu, dass einheimische, zumeist mittelständische Betriebe mit riesigen transnationalen Konzernen konkurrieren müssen. Auf diese Weise wurden z.B. viele afrikanische Staaten, die sich früher mit Nahrungsmitteln selbst versorgt haben, von internationalen Nahrungsmittelkonzernen abhängig gemacht.

    Die Deregulierung bedeutet die Aufhebung aller Restriktionen für ausländische Investitionen. D. h. inländische Investoren müssen mit den Giganten der Wall Street konkurrieren und werden von ihnen überrollt.

    Die Privatisierung führt dazu, dass zuvor subventionierte Güter wie Wasser oder Energie nach dem Aufkauf durch ausländische Konzerne teurer und teilweise für die unteren Einkommensschichten unerschwinglich werden. D.h.: Strukturanpassungsprogramme begünstigen die großen internationalen Investoren und schaden der einheimischen Bevölkerung.

    Der faschistische Putsch in Chile im Jahr 1973 war ein Wendepunkt in der Entwicklung des IWF. Nachdem der Diktator Pinochet die Macht übernommen hatte, beauftragte er eine Gruppe von Ökonomen der Chicago School of Economics unter Milton Friedman damit, die Wirtschaft seines Landes neu zu organisieren.

    Diese als „Chicago Boys“ bekannt gewordene Gruppe bestand aus Anhängern des Neoliberalismus. Das Ziel des Neoliberalismus ist es, den Staat weitgehend aus der Wirtschaft herauszuhalten und sie den Kräften des Marktes zu überlassen. Da der Markt aber von der Finanzindustrie und wenigen transnationalen Großkonzernen dominiert und manipuliert wird, vertritt der Neoliberalismus die Interessen des internationalen Großkapitals.

    Mit der Übernahme dieser Philosophie begann in Chile ein neoliberaler Kreuzzug des IWF, der sich in Argentinien fortsetzte und später in der lateinamerikanischen Krise der Achtziger Jahre zur Verarmung von Millionen von arbeitenden Menschen in ganz Südamerika führte.

    Die Welt wird seit mehreren Jahrzehnten komplett von der Finanzindustrie beherrscht. Keine Regierung kann auf Dauer existieren, ohne sich der Macht der globalen Finanzinstitutionen zu unterwerfen. In den meisten Fällen werden Politiker bereits im Wahlkampf von Geldgebern finanziert. Wegen dieser Abhängigkeit vom großen Geld zieht der Beruf des Politikers vor allem Opportunisten und Karrieristen an. Für den IWF sind diese Menschen ideale Partner, denn sie sind käuflich und haben kein Gewissen.

    Auf die beiden Bücherproduzenten dürfte das auch zutreffen.

  4. Bernhard Meyer sagt:

    “Protest-Wähler, die ihre Empörung über die Politik über die Wahl extremistische Parteien zum Ausdruck bringen”
    “Der Begriff des Wutbürgers bringt dies zum Ausdruck, denn Wut ist blind und wenig zielgerichtet”

    Was eine “extremistische” Partei ist, ist die Zuschreibung von außen, eben von da, wo “ich” gerade stehe, natürlich meistens in der “Mitte”. Wenn ich in der Mitte stehe und die driftet nach rechts, merke ich das meist gar nicht. Dann erscheint plötzlich als “extremistisch”, was früher mal voll dem Verfassungsziel entsprach.

    Wer “Wutbürger” ist, bekommt das Etikett auch von außen aufgeklebt. Denn von außen sieht man nicht in die Köpfe und schließt daraus einfach, dass deren Handeln und Streben “blind und nicht zielgerichtet” sei – ein Dummerle halt. Der “Wutbürger” dagegen nennt es “Zorn” was ihn umtreibt, “Zorn”, wie es Georg Schramm ganz richtig von schierer Wut abgegrenzt hat, ist sehr wohl zielgerichtet und gründet sich auf präziser Information, die dem Zuschreibenden meist fehlt.

    Also kommen wir zu den Informationsquellen: Sind wir für eine gut funktionierende Demokratie ausreichend damit ausgestattet? Vielseitig, kommen alle Positionen zu Wort, so dass sie gegeneinander abgewogen werden können? Oder haben wir eher einen einheitlichen Mainstream? Einheitliche Positionen in Fragen der Wirtschaft? Der Außenpolitik? Ich glaube da liegt der Hase im Pfeffer.

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