Gauck preist Ceta

Das neue Verkaufsprodukt des Bundespräsidenten heißt jetzt “Comprehensive Economic and Trade Agreement”. Ein kurzer Einwurf.

Ceta

Foto: Nick Buxton/ Flickr/ CC

Von Sebastian Müller

Eigentlich darf einem bei diesem Bundespräsidenten nichts mehr verwundern. Gerade bei dem, der sich wohlig in einem Kapitalismus eingerichtet hat, welchen er als Sakrosankt betrachtet. Das hat er schon immer durchblicken lassen. Und der es nun offensichtlich als Aufgabe des Bundespräsidenten sieht, offen für eine nicht im Grundgesetz verankerte Wirtschaftsform und deren politisch hoch umstrittenen Abkommen Pate zu stehen.

Nein, es verwundert aus dieser Perspektive ganz und gar nicht, dass dieser Joachim Gauck seiner bisherigen Interpretation des Amtes Kontinuität verleiht, und vorgestern in Ottawa für das zweifelhafte Freihandelsabkommen Ceta mit Kanada warb, wo es auch einen Tag später feierlich verabschiedet wurde.

Vollmundige und unüberlegte Äußerungen, die einem Bundespräsidenten nicht gut stehen, sind ein typisches Charakteristikum von Gauck. Da hilft auch keine Redeblume, wenn der Kern der Botschaft immer der Gleiche ist. Es hört sicher nett und sinnvoll an, wenn der Pastor erkennt, dass Demokratien die Globalisierung gestalten und nicht nur auf sie reagieren sollten, wie er beim Staatsbankett in der kanadischen Hauptstadt verkündete. “Gestalten heißt beispielsweise auch, dafür zu sorgen, dass rechtsstaatliche, soziale und Umweltstandards gefördert werden”, wusste Gauck, ganz der Bürgerpräsident, beizusteuern.

In diesem Kontext aber lässt das aufhorchen. Man könnte jetzt irritiert Fragen, in welchen internationalen und transnationalen Abkommen derzeit rechtsstaatliche und soziale Standards gefördert werden.

Das Gegenteil ist der Fall. Ceta gilt als Blaupause für das noch umstrittenere Freihandelsabkommen TTIP mit den USA – und beide, sobald sie denn ratifiziert sind, werden soziale und rechtsstaatliche Standards schleifen. Anders formuliert: Die Freihandelsabkommen gefährden die Demokratie und unterlaufen den Rechtsstaat. Da kann auch ein wirtschaftsliberaler Gesinnungstäter wie ein Herr Lambsdorff wettern wie er will.

Doch Gauck ist gemäß seines Amtes kein FDP-Parteipolitiker. Es wäre dem ehemaligen Bürgerrechtler gut gestanden, wenn er, wäre es ihm denn so ernst mit seiner Aussage gewesen, solche Fragen ernsthaft aufgeworfen hätte, anstatt nebenbei einzuräumen, dass “diese Debatte geführt werden muss” – was auch immer das heißen mag.

Ja was eigentlich? Denn es war nur das Ja vor dem aber. Letztendlich solle das Abkommen ganz natürlich sinnvoll sein: “Nur indem man intensiv erklärt, was der Vorteil ist, gelingt es auch, die Öffentlichkeit zu überzeugen.”

Nun, vielleicht liegt genau hier des Pudels Kern. Wenn es so viel Vorteile für die EU-Bürger gäbe, warum wurde Ceta dann nicht schon viel früher transparent gemacht? Warum nur wurde das Abkommen über 5 Jahre im Geheimen verhandelt und Teile des Vertrags erst durch einen Whistleblower – ja, die sind ein rotes Tuch für Herrn Gauck – an die Öffentlichkeit gebracht?

Ganz nebenbei hat die EU-Kommission die europäische Bürgerinitiative gegen TTIP mit einer rechtlich fadenscheinigen Begründung als “nicht zulässig” abgelehnt und somit verhindert, dass sich die Kommission intern mit der Petition auseinandersetzen muss. Sieht so eine intensive Debatte aus?

Wenn ein so weitreichendes Abkommen völlig intransparent über die Köpfe der Bürger hinweg entschieden wird, hat das dann nicht genauso wenig mit Demokratie zu tun wie eine der öffentlichen Gewalt entzogenen Rechtssprechung vor privaten Schiedsgerichten – ganz im Sinne der Konzerne? Dubioser Weise bestehen inhaltliche Parallelen zwischen dem an die Öffentlichkeit gelangten Dokumenten und dem am Juli 2012 vom Europäischen Parlament mit großer Mehrheit abgelehnten Handelsabkommen ACTA. Ein Etikettenschwindel.

Demokratien müssten die Globalisierung gestalten und nicht nur auf sie reagieren. Gestalten hieße auch, dafür zu sorgen, dass rechtsstaatliche, soziale und Umweltstandards gefördert werden, so Gauck. Nur, wo sind bei der ganzen Posse um Ceta und TTIP, die den Parlamenten nur noch zum Abnicken serviert werden sollen, noch demokratische, soziale, rechtsstaatliche oder Umweltstandards im Spiel? Sind sie für die Lobbyisten in den Hinterzimmern nicht vielmehr ein Hindernis?

Herr Bundespräsident, erst wenn Sie sich diesen Fragen stellen, anstatt den Bürgern faule Papiere anzudrehen, machen Sie ihren Job.

Print Friendly, PDF & Email
Filed in: Diskurse Tags: , , , , , , , , ,

Ähnliche Artikel:

<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>„Wirtschaftsflüchtlinge“</span><br/>Wenn Globalisierungsverlierer am Freihandel teilhaben wollen „Wirtschaftsflüchtlinge“
Wenn Globalisierungsverlierer am Freihandel teilhaben wollen
<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>Buch
“Projekt der radikalen Umwälzung”" />
Buch "Der Anbruch des Neoliberalismus"
“Projekt der radikalen Umwälzung”
<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>NAFTA, CETA und TTIP</span><br/>Wie frei ist der Freihandel? NAFTA, CETA und TTIP
Wie frei ist der Freihandel?

4 Kommentare zu "Gauck preist Ceta"

  1. Murksel sagt:

    Dieser Pfaffe ist inzwischen völlig unerträglich.

    http://www.t-online.de/nachrichten/deutschland/gesellschaft/id_71017396/hohe-zustimmung-fuer-bundespraesident-gauck.html

    Innerhalb des Artikels unter dem Bild kann man eine Umfrage zu Gauck anklicken. Das Ergebnis ist grottenschlecht für Gauck!!!

  2. fakeraol sagt:

    Das nennt man “Demokratie, “Und seid Ihr nicht willig, so bringen wir unsere Schandverträge und – gesetze unter immer neuen Namen so oft wieder (möglichst lautlos) auf den Weg, bis sie durchkommen. Irgendwann haltet Ihr “Bürger” das ewige Protestieren und Infos verbreiten nicht mehr durch, und dann haben Wir gewonnen!”
    Ganz wie es Junkers damals sagte: ” .. bis es kein Zurück mehr gibt.”

    Zuerst mittels des übergeordneten Konstruktes “EU” die nationale Gesetzgebung ausgehebelt, und jetzt als nächster Schritt diese EU mittels ACTA/CETA/TIPP/ect. ausgehebelt.

    Was diese Bürokraten nicht verstehen ist, daß sie uns zwar jeden Weg “zurück” INNERHALB ihrer Gesetze versperren können, daß ihre Gesetze aber keine unüberwindlichen Mauern sind, sondern nur beschriebenes Papier, und daß das Volk, wenns keinen anderen Weg mehr gibt, eben nicht umhin kommt, die altehrwürdige Tradition aus der attischen Demokratie wieder aufleben zu lassen: das Scherbengericht(!), und sie alle davonzujagen mitsamt ihren Knebelgesetzen, wenns sein muß, geteert und gefedert, und mit unmißverständlichem Nachdruck!

  3. Peters Dieter sagt:

    Dieser Mensch Gauck war und ist doch kein Bürgerrechtler.

Einen Kommentar hinterlassen

Kommentar abschicken

le-bohemien