Wenn Prism Schule macht…

Die Einsatzmöglichkeiten für Spähprogramme wie PRISM sind in einer zunehmend virtuell vernetzten Welt potenziell unbegrenzt. Ein Ausblick auf eine möglicherweise nicht mehr allzu ferne Zukunft.

Von Norbert Haenschke

Noch jeder Amoklauf an einer amerikanischen Schule führte zu einer von der Logik der Aufrüstung bestimmten Diskussion über bessere Sicherheitsmaßnahmen, die sich dann beim jeweils folgenden Amoklauf als nutzlos erwiesen. Nach dem bisher letzten Schulmassaker in Newtown sorgte vor allem die Unverfrorenheit der Waffenlobby, mehr Schusswaffen als einzig effizienten Schutz vor mehr Schusswaffen anzupreisen, für Entsetzen. Leider handelt es sich hierbei nicht um einen Haufen irrelevanter Spinner, sondern um eine beinahe allmächtige Organisation, der auch der Präsident keinerlei Zugeständnisse abringen konnte.

Selbst die demnächst fällige Erkenntnis, dass auch bewaffnete Lehrer keinen schießwütigen Massenmörder aufhalten, wird diese Leute nicht zur Vernunft bringen. Aber vielleicht kommt ja aus ganz anderer Richtung Bewegung in die Diskussion: wenn Spähprogramme wie PRISM wirklich in der Lage sind, potentielle Attentäter aufzuspüren, die sich ohne Kontakt zu Terrorgruppen daheim am Computer radikalisieren, warum setzen wir sie dann nicht zum Überführen von Amokläufern ein?

Schließlich teilt keine Generation ihre Daten so unbekümmert im Netz wie die heutigen Teenager. Und das nicht nur in der Freizeit, auch der Unterricht geht zunehmend online. Als erster IT-Gigant hatte Apple den Kampf um frühe Kundenbindung mit scheinbar großzügigen Sachspenden in die Klassenzimmer getragen. Es liegt auf der Hand, dass eBook- und Tablet-Anbieter hier weitermachen werden. Auch solche Geräte funken Informationen über das Nutzerverhalten „nach Hause“. Und bei für den Unterricht bestimmten Exemplaren werden die Firmen schon aus Eigeninteresse Funktionen zur Aufdeckung unerwünschter Verhaltensweisen wie Filesharing, Aufruf verbotener Webseiten und Cybermobbing einbauen.

Außerdem gibt es den Trend, Tafeln durch Wandmonitore zu ersetzten – womit dann auch gleich eine Webcam im Klassenzimmer wäre. Diese sind bekanntlich in der Lage, Gesichter zu identifizieren und Mimik und Gestik von Personen auszuwerten. So können von jedem Schüler minutiöse Verhaltensprotokolle erstellt werden.

Wenn die Regierung erst einmal eingesehen hat, dass Cyberspionage der einzige Weg ist, den Waffenfreunden von der NRA den Wind aus den Segeln zu nehmen, könnte sich auch ein Präsident Obama für derartige Neuerungen erwärmen und sie gemeinsam mit den stiftenden Unternehmen als „Bildungs- und Sicherheitsoffensive“ verkaufen. In Zeiten klammer Kassen wird Eltern- und Lehrerkritik an solchen Danaergeschenken eher kleinlaut ausfallen. Schuldirektoren bliebe manche schlaflose Nacht erspart, da sie nun im Falle eines Brandes den Eltern nicht erklären müssten, dass nach den Ausgaben für Metalldetektoren und Sicherheitszäune kein Geld für Feuerlöscher mehr übrig war.

Prism war bekanntlich nicht in der Lage, die Bostoner Attentäter aufzuspüren. Ebenso wenig wird ein „Schul-Prism“ in der Lage sein, jeden Mordplan rechtzeitig aufzudecken. Umso wichtiger wird es für die Ermittler sein, regelmäßig „kleine Fische“ zur Legitimation ihrer Aktivitäten zu präsentieren. Bei der RAF-Jagd des Verfassungsschutzes in den siebziger Jahren waren das die in der DKP organisierten Lehrer, die man tatsächlich für gefährliche Verfassungsfeinde hielt. Wer die Buhmänner der Cyberspionage sein werden, soll hier nicht spekuliert werden. Auf jeden Fall wird man Misserfolge stets mit dem Argument rechtfertigen, immer noch nicht genügend Daten zur Verfügung zu haben.

Und tatsächlich geht noch mehr. In den letzten Tagen haben wir gelernt, dass – angebliche harmlose – Fingerabdruckscanner in Schulen bereits auf dem Vormarsch sind, haben vorgeführt bekommen, wie amerikanische Sicherheitsbehörden mit geradezu krimineller Energie IT-Anbieter zur Zusammenarbeit beziehungsweise zur Aufgabe zwingen und wir haben vor längerer Zeit den Verdacht bestätigt bekommen, dass – angeblich harmlose – Körperscanner eben doch dauerhaft Nacktaufnahmen speichern – weshalb sie in Deutschland nicht eingeführt wurden.

Jedem, der bis drei zählen kann, sollte damit klar sein, dass die gleichen Sicherheitsbehörden keine Ruhe geben werden, ehe ihnen der Hersteller der Fingerabdruckscanner eine Hintertür eingebaut hat – auch wenn jedem nicht–Geheimdienstler sofort klar ist, dass diese Informationen bei der Suche nach möglichen Amokläufern unter den Schülern nutzlos sind.

1984 ist längst Vergangenheit. Eine, nach der wir uns noch mal sehnen werden.

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5 Kommentare zu "Wenn Prism Schule macht…"

  1. Zwei Beispiele aus der jünger Vergangenheit. In Hamburg wird an einer Schule das Schulessen nur noch via Fingerprint (Fingerabdruck) herausgegeben. In den USA weigerte sich ein Schüler ein biometrisches Passbild für den Schülerausweis abzugeben, er wurde gezwungen die Schule zu verlassen anders ausgedrückt, er flog von der Schule.

    Das Abnehmen von Fingerabdrücken und Aufnehmen von Passfotos war eigentlich nur beim erkennungsdienstlichen Vorgehen im Zuge der Strafprozessordnung beim Verdacht von Straftaten zulässig. peu-á-peu wird die Bevölkerung desenibilisiert.

    Das automatische Erfassen von KFZ-Kennzeichen in Deutschland wird nicht wie behauptet zur Strafverfolgung benutzt sondern, zur Konsolidierung von Ordnungswidrigkeiten wie Strafzettel und dem nicht bezahlen der KFZ-Steuer.

    Die Liste könnte noch viel länger werden, belasse es aber hier mit wenigen Beispielen.

    • Norbert Haenschke sagt:

      Ein Artikel über die Hamburger Schule ist im Text verlinkt. Dort steht auch, dass nach Herstellerangaben nur ein Teil der Merkmale erfasst wird und dass statt des Fingerabdrucks nur ein Hashcode gespeichert wird, aus dem sich der Abdruck nicht rekonstruieren läßt. Ich bin überzeugt, der Chaos Computer Club käme zu anderen Ergebnissen, wenn er mal so einen Scanner auseinandernähme…

  2. Josch sagt:

    Die sollen lieber ganz mit dem Geschnüffel aufhören. Das fehlte noch, dass die ihre Totalüberwachung mit der Abwehr von Schulmassakern legitimieren. Letztere sind wohl eher auf die seelische Misshandlung der amerikanischen Bevölkerung zurückzuführen, als auf mangelnde Überwachung. Dass die National Rifle Association möglichst viele Schusswaffen unter’s amerikanische Volk bringen möchte, wäre eigentlich abzulehnen. Andererseits, angesicht dieser zutiefst kriminellen Regierung, bleiben bewaffnete Privathaushalte möglicherweise die einzige Möglichkeit, diese Mischpoke zum Teufel zu jagen.

  3. Mad MAX sagt:

    Jetzt mal ehrlich, wer glaubt den noch allen ernstes, das es sich bei dem ganzen Überwachungswahn noch um Massnahmen zu “unserer” Sicherheit handelt? Die einzigen die sich sicher fühlen sollen, sind die 1% der Weltbevölkerung denen 80 % der Vermögenswerte gehören….An ihrem Verhalten lässt sich ablesen das sie eine Scheiss-Angst vor der Restbevölkerung haben,gepaart mit einer ausgeprägten Paranoia gegenüber der sog. Unterschicht.Die Totalüberwachung ist also nur das Symptom und die logische Konsequenz der pathologischen Geisteshaltung unserer Elite.Oder was man heutzutage so Elite nennt…Zuviel Rationalität ist eine Form des Wahnsinns,jedenfalls glaube ich das.Und unsere Elite ist gerade dabei diese Grenze zu überschreiten,mit unabsehbaren Folgen für uns alle…

  4. Skalg sagt:

    In Zeiten, in denen Leute immer mehr öffentliche Daten geqohnt sind und alles immer mehr kontrolliert und gespeichert wird, fällt es zunehmend schwer, zu begründen, warum Datenspeicherung und Überwachung den Einzelnen betrifft und schlecht ist.

    Solange das nicht passiert, regen sich einige weniger Datenschützer untereinander auf, während der Großteil der Bevölkerung abschaltet und die Regierungen einfach weiter machen.

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