Die (Post)Wachstumsdebatte ist im vollen Gange. Während die Politik nach Wegen sucht, der EU neues Wachstum zu bescheren, mehren sich die Stimmen, die im Wachstumsparadigma keine Lösung mehr für die Zukunft sehen – wie der Konsumforscher Karl Kollmann.
Herr Professor Kollmann, sie beschäftigen sich an der Wirtschaftsuniversität Wien mit Konsumökonomie und engagieren sich im Netzwerk für Nachhaltige Ökonomie. Was darf man sich unter Nachhaltigkeit, wie Sie es verstehen, vorstellen?
Persönlich gesprochen: einem Enkelkind keine schlechteren Lebensbedingungen, sondern wenn es geht, bessere hinterlassen. Das geht über ökologische Fragen hinaus. Statt Malediven-Urlaube und einem teuren SUV, auch etwas einem Kind und Enkelkind hinterlassen zu können, etwa eine Wohnmöglichkeit. Das ist auch eine nachhaltige Haltung vieler Eltern gewesen. Allgemeiner heißt das dann: deutliche Konsumreduktion, auch in der Produktionssphäre, alles was nicht nachwächst, geschlossen führen (Metalle), oder nur minimalst verbrauchen (Erdöl).
Hat der Verzicht auf Konsum nicht auch eine unsoziale Komponente? Höhere Benzinpreise zB., oder höhere Konsumkosten generell, die Sie ja fordern, treffen doch vor allem die Menschen mit geringem Einkommen besonders hart.
Natürlich ist es unfreundlich, wenn man jetzt, wo das Fliegen preiswert geworden ist, den Menschen das Fliegen wieder ausreden will. Genau darum traut sich auch kein Politiker das Verzicht-Wort auszusprechen. Die Grünen, die sich in den 90er Jahren das noch getraut hatten, wurden von den Medien und den anderen Parteien entsprechend heftig geprügelt.
Allerdings, ein Menschenrecht auf Flugreisen und Autofahren in der Stadt gibt es nicht. Will man einen lebensfähigen Planeten, wird es ohne Einschränkungen und Abschied vom heutigen Kapitalismus nicht gehen.
Ist nicht allein die Idee einer Beschränkung der Flugreisen auf die Hälfte in Zeiten globalen Wirtschaftens nicht ein wenig naiv? Oder reden Sie gar einer generellen Entschleunigung und Regionalisierung der Wirtschaft und des Lebens das Wort?
Die Hälfte wäre ohnedies nur der Anfang. Entschleunigung und Regionalisierung ist tatsächlich ein Ziel, ein Teilziel. Das Dilemma ist, wir wissen im Großen und Ganzen zwar, was zu tun wäre, angefangen von langer Nutzung der Konsumgüter bis hin zu Reregionalisierung und einer ganz wesentlichen Verringerung der Einkommensunterschiede, es gibt aber keinen politischen Akteur, der dafür eintritt, Stimmung und Druck macht, den Wandel sozusagen in Gang setzt.
Naiv sind die Politiker, die ja immer wieder sagen: wenn wir ersteinmal die Krise beseitigt haben, wenn wir wieder ordentliches Wachstum haben, dann kümmern wir uns schon um die Klimapolitik und um alles andere auch. Wenn die Bürger das glauben, sind auch sie naiv.
Laut des neuen, sehr alamierenden Berichts des Club of Rome scheint es ohnehin kaum noch möglich zu sein, eine Erderwärmung von 2 – 4 Grad Celsius zu verhindern.
Ja, kürzlich gab es auch in der Zeit einen Beitrag von Frank Drieschner dazu. Dramatischer scheint mir aber noch der Materialverbrauch zu sein. Nicht nur Öl, sondern auch die seltenen Metalle, die für Smartphones und Tablets verwendet aber nicht recycelt werden.
Sie reden unter anderem vom gezielten Schrumpfen der Wirtschaft. Genau das passiert auch in einer wirtschaftlichen Depression, die wir zur Zeit besonders in Griechenland beobachten. Damit verbunden ist eine dramatische soziale Lage. Wollen Sie das wirklich?
Nein. Diese Verelendung, auch in Spanien und Portugal, kommt ja auf die Menschen zu ohne am gewünschten Lebensstil und den Konsumwünschen etwas zu ändern. Das ist nicht Zwecksparen aus Einsicht und für einen besseren Planeten, sondern ein aufgezwungenes Gewaltsparen, um die bestehenden ungerechten und umweltfeindlichen Strukturen dieses alten Systems vor dem finanziellen Kollaps zu retten.
Der keynesianische Ökonom Albrecht Müller, Betreiber der Nachdenkseiten, kritisiert die Wachstumskritiker scharf. Er argumentiert, dass eine Volkswirtschaft auch statistisch gemessen wachsen kann, wenn Ressourcen geschont werden. Laut Müller kann die zusätzliche Produktion von Gütern und Dienstleistungen, die am Ende als Wachstumsrate erscheint, ökologisch auch hilfreich sein, zum Beispiel bei Investitionen in erneuerbare Energien. Ist das nicht plausibel?
Zum einen, das BIP als zentraler Maßstab, war immer eine fatale Angelegenheit, genauso wie der DAX und so weiter. Nicht nur daß es sogar Schadenskosten noch positiv darstellt, die ganze Arbeit zuhause (Haushaltsproduktion) und die graue Arbeit sind nicht einmal erfaßt.
Zum anderen ist jedes zusätzliche Produkt umweltbelastend. Auch ein Windrad oder ein Elektroauto, vor allem dann, wenn es globalisiert hergestellt wird. Und zum dritten, brave Keynsianer sind vom Wachstumsvirus angesteckt – wie viele linke Sozialdemokraten. Mehr Verteilungsgerechtigkeit ist bei diesem Denken ohne mehr Wachstum unmöglich.
Genau diesen Denkknoten muß man aufknüpfen. Aber die Tabus beginnen ja schon bei den Einkommenssteuern. Was spricht denn wirklich gegen 80 Prozent ab 100.000 Euro jährlich? Davon ließe sich eine Verdoppelung des Hartz IV-Satzes leicht finanzieren. Ohne Wachstum.
Keynes selbst differenzierte zwischen sinnvollem sowie rein konsumistischen Verbrauch und stellte bereits in den 1930er Jahren die Theorie der “endogen bedingten Wachstumsabschwächung” auf. Keynes teilte also Ihren Standpunkt, dass entwickelte kapitalistische Volkswirtschaften nicht unbegrenzt wachsen werden. Allerdings spricht auch er von anhaltenden Produktivitätswachstum sowie “sinnvollen” Massenkonsum als Vorraussetzung von Arbeitszeitverkürzung und der Überwindung von Armut.
Die große Armut, auch bei uns, ist ohnedies der Skandal der westlichen Marktgesellschaften. Nein, jeder sollte das Menschenrecht auf Wohnung und Essen haben, niemand sollte hungern. Die meisten älteren Ökonomen haben die Wachstumsökonomie als Übergangsphase gesehen, Schumpeter übrigens auch. Jahrtausendelang hat es praktisch kaum Wirtschaftswachstum gegeben und wenn alle „satt“ sind, wird man auch keines mehr brauchen, so meinten sie. Mit was sie nicht gerechnet haben: die Sehnsucht vieler Menschen nach “mehr” und die Bedürfnismanipulation durch das Marketing. Maslow hat das schön beschrieben: “whenever a need is fulfilled, another one pops up”, und damit haben wir dann die durchschnittliche Handy-Nutzungsdauer von 9 Monaten in Deutschland.
Sie räumen ja selbst ein, dass es derzeit aussichtslos ist, die Themen Konsumverzicht und Lebensstilveränderung auf die politische Agenda zu bringen. Wieso engagieren Sie sich dennoch so sehr für das Netzwerk Nachhaltige Ökonomie?
Die Mehrheitsmeinung im Netzwerk für Nachhaltige Ökonomie setzt nicht auf hohe Suffizienz, sondern auf selektives Wachstum. Viele kritische Ökonomen glauben, sie könnten die Politik nicht völlig vor den Kopf stoßen, und befürworten darum das selektive Wachstum. Aber es gibt zum Beispiel auch Niko Paech, der einen ähnlichen Standpunkt wie ich vertritt.
Ja, derzeit gibt es keine Chance für echte Nachhaltigkeit. Ich finde, das muß man dann auch so sagen. Beschönigen gilt nicht – die Wahrheit ist den Menschen zumutbar.
An “nachhaltigeren” Wohlstandsmodellen arbeitet in Deutschland seit Mitte Januar vergangenen Jahres die Enquetekommission „Wachstum, Wohlstand, Lebensqualität – Wege zu nachhaltigem Wirtschaften und gesellschaftlichem Fortschritt“ des Deutschen Bundestages. Dort wollen 17 Parlamentarier und ebenso viele Sachverständige unter anderem eine Messgröße entwickeln, die gesellschaftlichen Fortschritt und Wohlstand umfassender ermittelt als das BIP. Was halten Sie von diesem Vorstoß?
Wunsch und Ziel belegen, wie dringlich die Sache an sich ist. Ob etwas Substantielles herauskommen wird, da habe ich meine Zweifel. Ausserdem gibt es ja bereits eine Reihe von Vorschlägen für bessere Wohlstandsmaße.
Die da wären?
Da gibt es Einiges, den HDI (Human Developement Index),den Index of Sustainable Economic Welfare, die Indikatoren der Stiglitz-Kommission für Frankreich, die EU-Kommission führt auch einen eigenen Wohlfahrts-Index und die OECD.
Es wird wohl so ausgehen wie in den 80er Jahren, als man das BIP durch die Haushaltsproduktion (die halbe Arbeitszeit geschieht gegen Geld am Arbeitsmarkt, die andere Hälfte kostenlos im Haushalt und in der Freiwilligenarbeit) ergänzen wollte. Gab es nicht; die Purismus-Fans der schönen Zahlen des BIP haben alles andere niedergeredet.
In ihren Texten kommt das Wort “technischer Fortschritt” nicht gut weg. Aber sind nicht gerade eine hohe Produktivität und technischer Fortschritt wesentliche Parameter unseres Wohlstandes? Oder anders gefragt: die Arbeitszeitverkürzung die Sie vorschlagen, ist doch gerade erst durch technische Innovationen und eine beispiellose Produktivitätssteigerung historisch möglich geworden.
Atomtechnik, Gentechnik, Nanotechnik, Elektrosmog, Rüstungs- und Überwachungstechnik – das ist nicht Fortschritt per se, sondern eine verwertungsgetriebene Nutzbarmachung von allem und jedem ohne Risikenabschätzung. Technische Neuerungen, die man auf Menschen losläßt, ohne über mögliche Schäden Bescheid zu wissen, ist Kapitalismus aus dem Asbestzeitalter.
Arbeitszeitverkürzung ist immer möglich gewesen, wenn man auch die Verteilungsfrage im Auge gehabt hat. Und vor vier, fünf Jahrhunderten hatten die Menschen weit mehr freie Zeit als später und heute. Ich denke, wir müßten nur die Hälfte an Zeit arbeiten, wenn wir unsere Konsumgüter doppelt so lange nützen. Ohne Einbußen an sogenannter Lebensqualität.
Ja, aber auch in der Neuzeit oder bereits während der Sesshaftwerdung des Menschen beruhte der Rückgang der Arbeitszeit auf technischen Fortschritt, wie zb. neuerer und effektiverer Methoden landwirtschaftlicher Nutzung. Haben Sie denn für “technischen Fortschritt” wirklich nur negative Assoziationen?
Überhaupt nicht, aber es muß eine für Mensch und Umwelt gefahrlose Technik sein. Das schließt z. B. auch Rückbaukosten ein – bei den AKWs wurden diese und die Risken einfach allen Menschen aufgezwungen. Bei der Nanotechnologie, gefördert von der EU mit Milliarden, weiß man aber nicht, wie sich die in die Umwelt kommenden Teilchen überhaupt auswirken. Und die kommen verläßlich über und in alle, bei den Autolacken etwa durch den Abrieb, bei den Sonnenschutzcremes über das Wasser.
Die Frage ist doch, ob die Gefahren einer komplexen Technik immer unmittelbar absehbar sind. Und wer soll das kontrollieren, geschweige denn bestimmen? Wer entscheidet, welche Technik gefahrlos ist, und welche nicht?
Es gibt in Deutschland das Bundesinstitut für Risikobewertung, mehrere Einrichtungen zu Technikfolgenabschätzung, sogar eine direkt beim Bundestag; die Dänen haben gezeigt, daß man mit Censuskonferenzen eine ordnungspolitische Gestaltung der Technikanwendungen gut verankert realisieren kann. Aber die große Politik, auch die EU-Kommission ist da sehr zögerlich. Offenbar sind viele der Akteure von der Wirtschaft direkt oder indirekt korrumpiert, die mitteleuropäische Gentechnik-Aversion in der Bevölkerung hat ihnen offenbar gereicht.
Eine solche Kontrolle wäre doch ein Einschnitt in die freie Forschung und Wissenschaft. Nicht zuletzt, da viele Forschungen aufeinander aufbauen. Oder anders gefragt: Lassen sich denn Forschung, Neugierde, Pioniergeist und Fortschritt planen? Hätte das nicht den Kern des Totalitären in sich?
Nein, totalitär ist die Vorgangsweise der EU-Fürsten, Jean Claude Juncker hat ja mehrmals die politische Verlogenheit beschrieben und Joschka Fischer habe ich selbst im Fernsehen dazu erlebt. Alles wird hinter dem Rücken der Leute durchgeschleust. Gerade die ingenieur- und technikwissenschaftliche Forschung ist ja militär- oder wirtschaftsgetrieben und in diesem Verwertungskontext totalitär. Einschließlich der vielen Ergebnisfälschungen.
Jede Wissenschaft hätte jedoch eine ganz intensive gesellschaftliche Verantwortung und eine gute Politik, eine Vorsorgepolitik, hätte diese doppelt.
Und nocheinmal zur Nanotechnologie zurück: Wissenschaft, Politik und Wirtschaft handeln hier völlig verantwortungslos.
Können Sie für uns zum Abschluss die Grundzüge der für Sie idealen Wirtschaftsform skizzieren?
Es ist nicht so schwer: Re-Regionalisierung, Eindämmung der multinationalen Konzerne, ein Vollgeldsystem, keine Investmentbanken, viel mehr Gemeinwirtschaft (aber mit Genossenschaften oder Kommunen, nicht dem Staat), echte Progression bei der Einkommenssteuer, geringe Einkommensunterschiede, ein dichtes und menschenwürdiges soziales Netz, Kooperation statt kriegsähnlichem Wettbewerb, eine echte partizipative Demokratie – das wäre die soziale Markwirtschaft Version 2.0, danach könnte man weiter sehen. Den Menschen muss mit weniger Verschleißwirtschaft und Kitschkultur ihre Lebenszeit für mehr Toleranz und und mehr Lebensfreude zurückgeben werden.
Herr Kollmann, vielen Dank für dieses Gespräch.
Karl Kollmann ist Mitglied im Netzwerk Nachhaltige Ökonomie und lehrt an der Wirtschaftsuniversität Wien Konsumökonomie. Von ihm sind auf leBoh die Beiträge “Arbeitswang und Konsum” sowie “Wirtschaft ohne Wachstum” erschienen. Die Fragen stellte Sebastian Müller
Die Vorschläge des Professors sind bedenkenswert. Dennoch bleibt die Frage: wie sind diese in einer warenproduzierenden, verwertungslogischen Gesellschaft umzusetzen? Haben größere Gruppen von Menschen schon etwas begriffen ohne Katastrophen? Immerhin, nach Katastrophen sieht es jetzt wirklich aus.
Ändern wird sich erst dann etwas, wenn der Leidensdruck gross genug ist und eine kritische Masse entsteht, die Änderungen durchsetzt. Dummerweise kann es dann schon zu spät sein, in die oben beschriebene Nachhaltigkeit überzugehen, weil die Grundlage dafür bereits zerstört sein könnte. Es müssten jetzt drastische Massnahmen umgesetzt werden, allein um eine Besinnung überhaupt zu ermöglichen, z.B. ein völliges Werbeverbot.
Was Kollmann so euphemistisch als “die Sehnsucht vieler Menschen nach “mehr”” bezeichnet, nenne ich schlicht Gier, Egoismus und Egozentrismus.
Entgegen dem, was Herr Kollmann scheinbar vorsieht, muss auch das Steuersystem komplett umgekrempelt werden, z.B. unter Aufhebung aller personenbezogenen Steuern, der eine Erhöhung der Mehrwertsteuer auf 60% gegenübersteht, denn solange Konsum billig bleibt, geht es immer weiter in die gleiche Richtung.
@Viator
ich stimme ihren Aussagen weitgehend zu.
Zitat: Ändern wird sich erst dann etwas, wenn der Leidensdruck gross genug ist und eine kritische Masse entsteht, die Änderungen durchsetzt.
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das ist richtig, so war es aber doch immer, so wird es auch heute- in unserer Generation sein. wir fallen aber immer wieder von einem Extrem in das andere.
Nur eines ist sicher, wir werden umdenken müssen und das sehr bald. Wir müssen den kapitalismus nicht abschaffen, aber zurechtstutzen. In dieser Form wird er nicht überleben.
Wir müssen aufjedenfall zurück zur regionalen Versorgung, diese “Luxusreisen ” aller Güter -von der Fertigung bis zum Endverbrauch – von der Kartoffel bis zum Schweinefleisch, von der Zahn bürste bis zum 20 Euro Föhn, also sogar von banalen Erzeugnissen, um die Welt werden wir uns auf Dauer nicht mehr leisten könen, es ist auch vollkommen überflüssig.Wir wissen doch alle, was da so um den Globus transportiert wird– was da sinnlos energie und öl verbraucht wird, nur um ein paar Cent billiger zu sein. Was soll das?.
Wir haben die Wahl: Entweder zurück zu vernünftigen Leben- regionale Selbsversorgung, auch mit etwas Einschränkungen. Weg vom Konsumterror- das muß die Lebensqualität nicht verringern, im Geegnteil- das kann sie sogar bereichern.
Es gibt kein Menschenrecht auf Massenkonsum über den menschenwürdigen Bedarf hinaus – dazu jeder Zeit- verfügbare Flüge in jede gewünschte Urlaubsregion u.s.w. mit allen Folgen der Luftverschmutzung. –
Tun wir das nicht freiwillig, werden wir dazu gezwungen werden, wir ersticken in unserer eigenen Müll, den der endlose Wachstumswahn erzeugt.
Aber – der Leidensdrucund auch die Erkenntnis ist noch nicht da, um was zu ändern.
Jeder glaubt, das ginge endlos weiter- das ist ein Irtum, es geht nicht so weiter.
Das werden wir sehr bald spüren und erleben.
“Will man einen lebensfähigen Planeten, wird es ohne Einschränkungen und Abschied vom heutigen Kapitalismus nicht gehen.”
Dicht daneben ist auch vorbei. Oder um die Frage meines Vorkommentators zu beantworten: gar nicht. Kapitalismus ist ohne Wachstum schlichtweg undenkbar. Eine Beschränkung nur auf den ‘heutigen’ Kapitalismus ist Unfug.
Und auch von ‘Einschränkungen’ oder ‘Verzicht’ würde ich nicht reden wollen – im Gegenteil, der ‘Verzicht’ auf die hemmungslose Ausbeutung von Mensch und Natur wäre ein Gewinn an Lebensqualität…
Ich zitiere einmal Wolfgang Lieb:
“Leider ist meine Erfahrung, dass je abstrakter und je höher man die politischen Ziele einer gesellschaftlichen Veränderung setzt, desto leichter fällt es, sich auch wieder davon zu verabschieden und desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine politische Bewegung wieder in sich zusammenbricht. Das ist auch die Gefahr bei der Décroissance-Bewegung. Wenn es ihr nicht gelingt, sich auf einzelne konkrete Projekte in ihrem politischen Kampf zu konzentrieren, dann wird sie mangels erkennbarer Erfolge in Resignation enden und es wird eine lange Zeit dauern bis eine neue Generation aufsteht und sich empört.” Quelle: http://www.nachdenkseiten.de/?p=9627
Lieb bringt damit das auch schon von Kurt Sontheimer thematisierte Problem der “Totalkritik” ganz gut auf den Punkt.
Ich sehe dieses Problem durchaus. Nur gibt es da eben das andere Problem: ein Kapitalismus, der nicht mehr wachsen soll oder kann, wird zusammenbrechen. Und einzelne Projekte, die ‘Verzicht üben’ wollen, werden in die gleiche Falle laufen wie der ‘Umweltschutz’ und andere ‘immanente’ Projekte: wenn das Wirtschaftssystem selbst gefährdet ist, oder auch nur die ebenfalls inhärente ‘Wettbewerbsfähigkeit’ – werden die ‘Projekte’ und Programme ganz schnell wieder runtergefahren. Das spricht gar nicht generell gegen Projekte, aber das gilt es dabei, auch bei der Anlage derselben, schon im Auge zu behalten.
“Nur gibt es da eben das andere Problem: ein Kapitalismus, der nicht mehr wachsen soll oder kann, wird zusammenbrechen. Und einzelne Projekte, die ‘Verzicht üben’ wollen, werden in die gleiche Falle laufen wie der ‘Umweltschutz’ und andere ‘immanente’ Projekte: wenn das Wirtschaftssystem selbst gefährdet ist, oder auch nur die ebenfalls inhärente ‘Wettbewerbsfähigkeit’ – werden die ‘Projekte’ und Programme ganz schnell wieder runtergefahren.”
Das ist auch gar nicht von der Hand zu weisen. Aber selbst in einer Marktwirtschaft lässt sich eine gewisse Verteilungsgerechtigkeit und auch ökologisches Wirtschaften umsetzen. Albrecht Müller weist ja nimmermüde daraufhin, das Wachstumsraten per se nicht schädlich sein oder steigenden Ressourcenverbrauch darstellen müssen.
Ein empirischer Beweis oder auch nur ausreichender Hinweis steht indessen aus. Vielmehr scheint es so zu sein, dass gerade der in der ‘Entwertung’ befindliche Kapitalismus den Ressourcenumsatz nochmals beschleunigt und nicht einmal mehr die benötigten Mehrwertüberschüsse für den ‘energetischen Umbau’ zu generieren vermag. Schon diese grundlegenden Projekte scheinen im Rahmen des Bestehenden nicht mehr zu realisieren zu sein.
Die ‘Nimmermüdigkeit’ eines Albrecht Müller mag ihn ehren, ist aber kein Argument. Natürlich ist eine Verbesserung sogar des materiellen Wohlstands mit dem Einsatz von weniger Ressourcen durchaus denkbar – nur wie das ausgerechnet in einem verwertungslogisch schon auf dem letzten Loch pfeifenden Kapitalismus passieren soll, den Nachweis bleibt er schuldig. Es erinnert wohl nicht zufällig ein wenig an Flassbeck/Spieker, die in ihrem Buch ‘Das Ende der Massenarbeitslosigkeit’ auch Zuflucht zu abenteuerlichen Analogien und sogar zum Say’schen Theorem nehmen müssen um dem Laden noch Möglichkeiten anzudichten, für die er augenscheinlich längst nicht mehr die Puste hat.
Seit wann gibt es ein Menschenrecht zur Lüge zwecks Ausbeutung? Die Endlichkeit von Öl und Methan auf der Erde ist herbeigelogen. Es gibt genug Platz und Ressourcen für alle, ja sogar für ein Vielfaches der Weltbevölkerung.
Wer hat uns die Wachstumslüge aufgetischt? Wenn ich erwachsen bin, wachse ich nicht mehr, sondern lebe, bis ich sterbe. Alle diese Ideologien verschleiern nur, wie ein Mensch den anderen bestiehlt, statt für sich zu sorgen und von dem zu leben, was der Wohnort hergibt.
Die Knechtschaft der Geldverleiher für Zinseszins ist ein Tabu. Was soll das?
Hans Kolpak
Deutsche ZivilGesellschaft