Mit zweierlei Maß

Zum medialen Umgang mit Pussy Riot und Assange

Von Sebastian Müller

Bild: Denis Bochkarev, "Nadezhda Tolokonnikova (Pussy Riot) at the Moscow Tagansky District Court". Some rights reserved. Quelle: wikimedia.orgDie rebellische Kritik am System Putin in einer russischen Kapelle machte die bis dato völlig unbekannte Punkband Pussy Riot im Westen auf einen Schlag zu Helden. Die Medien nutzen die Gelegenheit, um die russische Junta an den Pranger zu stellen, während in der westlichen Hemisphäre mit Julian Assange die eigenen Dissidenten verfolgt werden.

Pussy Riot sind die neuen, schnelllebigen Ikonen des urbanen Widerstands. Ein Kurzauftritt, regimekritische Texte und nun die Anklage durch die russische Justiz. Nichts könnte aus Sicht der westlichen Presse ein besserer Beweis für den unachgiebigen, autoritären und menschenrechtsverletzenden Charakter der russischen Regierung unter Wladimir Putin sein.

Die „Besonderheiten“ des russischen Systems aber sind trotz Gerhard Schröders tragisch-komischer Bemerkung, bei Putin würde es sich um einen lupenreinen Demokraten handeln, hinlänglich bekannt. So weit, so gut. Doch davon einmal abgesehen, gibt es tatsächlich kein schlechteres Beispiel als eben Pussy Riot, um auf diese Missstände hinzuweisen. Der inszenierte Hype entlarvt im Gegenteil die Heuchelei des Westens.

Im Grunde könnte die Geschichte banaler nicht sein. Da die Musikerinnen als Kulisse für ihren provokanten Auftritt eine orthodoxe Kapelle wählten, sind sie in Russland mit einem Straftatbestand konfrontiert, den es auch Hierzulande gibt: Die Störung der Religionsausübung kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren geahndet werden (Artikel 167, Stgb.). Und unabhängig davon, dass dies zweifelsohne für Putin eine Gelegenheit war, ein Exempel zu statuieren – einen ähnlichen Fall gab es auch schon in Deutschland.

Völlig übersehen wird zudem, dass die Mehrheit der Russen das Urteil gegen Pussy Riot – zwei Jahre Straflager – begrüßen. Der Widerstand gegen Putin ist weniger russisch als westlich.

Ein Aufreger ist daher weniger der Vorfall in Russland, sondern vielmehr die mediale Gewichtung und Beurteilung. Ähnlich wie der Fall Timoschenko, der pünktlich zur Fussball-EM in der Ukraine plötzlich zum Politikum wurde und genauso schnell wieder in Vergessenheit geriet, ist auch dies ein Beispiel für politisch motivierten Kampagnenjournalismus.

Weitaus brisanter und auch interessanter ist eigentlich der Fall des Julian Assange, der durch die Ankündigung Ecuadors, dem Wikileaks-Gründer Asyl zu gewähren, wieder für einige Meldungen gut war. Hier geht es um nicht weniger als die Frage der Informationsfreiheit und Rechtsstaatlichkeit auf internationaler Ebene und damit genau um die liberalen Werte, deren Fehlen man Russland zur Last legt. Assange hat diverse Kriegsverbrechen der westlichen Allierten im Irak und Afghanistan aufgedeckt und ganz nebenbei die Möglichkeiten des investigativen Journalismus ausgeweitet.

Exakt an dieser Stelle müsste die mediale Hauptkampflinie wider rechtswidrigen und repressiven staatlichen Handelns verlaufen. Doch stattdessen das umgekehrte Bild: Anstatt Assange zu stützen und damit auch zu schützen, werden die fragwürdigen Methoden, mit denen die britische und US-Regierung dem Whistleblower seit längerem nachsetzen, kaum mehr kritisch aufgearbeitet. Die journalistische Zunft verrät sich selbst.

Russland wird vorgeworfen, dass der Prozess gegen Pussy Riot, bei dem es vordergründig um die Störung der Religionsausübung ging, in Wahrheit einen politischen Hintergrund habe. Doch um nichts anderes handelt es sich bei der Anklage gegen Assange wegen Vergewaltigung durch die schwedische Justiz, der zu einem internationalen Haftbefehl ausgeweitet wurde. Letztendlich droht Assange die Auslieferung an die USA, wo er um sein Leben fürchten muss. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen. Im Gegensatz zu Pussy Riot ist Assange im medialen Bild ein Antiheld, um den es – bis jetzt – weitgehend still geworden war.

Es ist kaum vorzustellen, was hingegen los wäre, wenn Assange in Russland festsäße, weil er Dokumente über russische Kriegsverbrechen in Afghanistan oder in Georgien veröffentlicht hätte. Empörung und Solidaritätsbekundungen würden sich nicht in Grenzen halten. Nun hat Assange das Pech, das schlechte Gewissen des Westens zu sein, mit seinen systematischen Verschleppungen und Folterpraktiken in Guantanamo, wo die Rechtsstaatlichkeit ebenso mit Füßen getreten wird wie in Russland.

Wir erinnern uns: kein Land des freiheitlich-demokratischen Europa hat Assange Asyl gewährt, nicht Schweden, auch nicht die Schweiz – aus wohlfeiler Furcht vor den diplomatischen Folgen.

Russland wende sich mit dem Urteil gegen Pussy Riot endgültig vom Westen ab, so konstatierte der Schriftsteller Wiktor Jerofejew in einem Interview mit dem Spiegel. Warum es denn ausgerechnet dieses Urteil ist, weiß nur Jerofejew selbst. Genauso offen ist, ob diese Bemerkung mehr über Russland oder aber über den Westen aussagt. Aber es ist ein Indiz dafür, das politische Systeme nicht nach ihrem Wesen, sondern über ihre außenpolitische Positionierung beurteilt werden. Doch der einseitig-moralisierende Blick nach Russland macht Blind für einen Kampf, der schon längst innerhalb unserer eigenen Wertegemeinschaft tobt.

Artikelbild: Denis Bochkarev, “Nadezhda Tolokonnikova (Pussy Riot) at the Moscow Tagansky District Court”
Some rights reserved
Quelle: wikimedia.org

Zum Thema:

– Julian Assange: Medienjagd auf einen Whistleblower

– Kampf gegen Wikileaks: Wenn die Demokratie ihre eigenen Kinder frisst

– Das Wikileaks-Manifest

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60 Kommentare zu "Mit zweierlei Maß"

  1. möp sagt:

    Schau mal, sebastian, diese antirussland medienkampange überall: “Assange vergleicht sich mit pussy riot” http://www.rp-online.de/politik/ausland/assange-vergleicht-sich-mit-pussy-riot-1.2957956

    ‘Mit Blick auf das weltweit kritisierte Urteil gegen die russische Punk-Band “Pussy Riot” versuchte Assange, Parallelen zu seinem Fall zu ziehen. “Es gibt Zusammenhalt bei der Unterdrückung”, sagte er. “Es muss auch absoluten Zusammenhalt und Entschlossenheit bei der Antwort geben.”‘

    • Das habe ich ja auch angesprochen: “Russland wird vorgeworfen, dass der Prozess gegen Pussy Riot, bei dem es vordergründig um die Störung der Religionsausübung ging, in Wahrheit einen politischen Hintergrund habe. Doch um nichts anderes handelt es sich bei der Anklage gegen Assange wegen Vergewaltigung durch die schwedische Justiz, der zu einem internationalen Haftbefehl ausgeweitet wurde.”

      • möp sagt:

        nur es nützt niemanden russlands unterdrückung schön zu reden “ach das gibts doch in unseren schönen deutschland doch auch” und “nur antirussland hysterie”… assange würde dein beitrag nicht gefallen…

        • Ich rede nicht Russlands Unterdrückung schön, sondern kritisiere nur das a) Pussy Riot das schlechteste Beispiel für diese Unterdrückung ist, was b) nur von dem wesentlich relevanteren Fall Assange ablenkt und damit c) einer gewissen Doppelmoral das Wort redet.

        • möp sagt:

          warum sollte das anprangern einer ungerechtigkeit von einer anderen, sehr ähnlichen ablenken? im gegenteil, beide fälle sind wichtig, das sagt dir assange selbst. kennst du antonio negris “empire”?

        • Ja, steht in meinem Buchregal.

        • Florian sagt:

          “Ich rede nicht Russlands Unterdrückung schön”

          Sorry, aber das klingt in deinem Artikel GANZ anders.

        • Dann zeige mir doch mal bitte ganz konkret die betreffenden Stellen auf!

        • Florian sagt:

          “unabhängig davon, dass dies zweifelsohne für Putin eine Gelegenheit war, ein Exempel zu statuieren – einen ähnlichen Fall gab es auch schon in Deutschland.”

          Das ist natürlich Quatsch und nicht vergleichbar. Wenn dein Artikel aus der Berliner Zeitung auch nur halbwegs der Wahrheit entspricht, hatten die beiden Ruhestörer dort über 50 Aktionen auf dem Kerbholz und mehr als ein Dutzend Verfahren am Hals. Sie bekamen dafür 5 Monate Haft (unbekannt, ob sie die antreten mussten), während Pussy Riot für eine 30-Sekunden-Aktion 2 Jahre ins Straflager müssen. Und dass es nicht 7 Jahre wurden, ist nur dem internationalen Druck zu verdanken.

          Sollen wir russische Straflager mal mit deutschen Gefängnissen vergleichen?

          Oder den Fakt erwähnen, dass mit Putin das Opfer der Aktion auch gleich Richter und Henker ist?

          “Völlig übersehen wird zudem, dass die Mehrheit der Russen das Urteil gegen Pussy Riot – zwei Jahre Straflager – begrüßen. Der Widerstand gegen Putin ist weniger russisch als westlich.”

          Hast du für die Behauptung irgendeinen Beweis?
          Falls dem so sein sollte, wissen wir bestimmt beide, woher das kommt. Ein Volk weitgehend ohne demokratisches und rechtsstaatliches Bewusstsein, dem nur Staatsmedien zu Verfügung stehen. Was werden die den Menschen über Putin erzählen? Und über Pussy Riot?

          “Ähnlich wie der Fall Timoschenko, der pünktlich zur Fussball-EM in der Ukraine plötzlich zum Politikum wurde und genauso schnell wieder in Vergessenheit geriet, ist auch dies ein Beispiel für politisch motivierten Kampagnenjournalismus.”

          Was wäre denn ein besserer Zeitpunkt, um über Pussy Riot, den Prozess und den Zustand des Rechtsstaats in Russland zu berichten als… äh… wenn der Prozess stattfindet? Ein Jahr später? Zwei?

          ————

          Ich gebe dir absolut und uneingeschränkt Recht, wenn du mehr Aufmerksamkeit für Assange forderst. Aber die Scheisse, die gerade in Russland abläuft, riecht deshalb nicht besser.

        • Michi sagt:

          Florian, der Kirchenstörer musste die Gefängnisstrafe von 5 Monaten antreten, ebenso weitere 6 Monate wegen Randale bei einem Festgottesdienst in Erfurt und 10 Monate wegen diverser ähnlicher Aktionen.

          http://www.welt.de/print-welt/article646090/Erneut-Gefaengnisstrafen-fuer-Kirchenstoerer.html

          Eine Solidaritätsaktion für Pussy Riot im Kölner Dom endete für die Beteiligten ebenfalls mit Festnahmen und einer Strafanzeige:

          http://www.spiegel.de/panorama/pussy-riot-nachahmer-stoeren-gottesdienst-im-koelner-dom-a-850881.html

          Und es ist auch nicht das erste Mal, dass die Mitglieder von Pussy Riot (die übrigens gar keine Band sind, da sie niemals eine Schallplatte herausgebracht haben) so eine Aktion durchführten. Insofern kann man sie durchaus mit dem Kirchenstörer vergleichen. Hier die Liste:

          –Attacked “capitalist” McDonald’s staff by throwing live cats at them. An attack against innocent people, but also an act of animal cruelty.

          –Overturned police cars, once with a police officer inside

          –Stolen a frozen chicken in a store and, in the store, inserted it in the vagina of one of the group’s members

          –Firebombed property with petrol bombs

          –Staged full penetration sex at a museum
          [link to plucer.livejournal.com]

          –Painted a penis on a St. Petersburg Bridge

          –Staged a hanging of an immigrant and a homosexual in a supermarket

          http://www.deliberation.info/pussy-riot-connections-to-soros/

        • switch sagt:

          @Florian
          > Und dass es nicht 7 Jahre wurden, ist nur dem internationalen
          > Druck zu verdanken.

          Das ist falsch. Gerade wegen des internationalen Drucks wollte sich Russland nichts sagen lassen – und es wurden 2 Jahre draus. 1/2 Jahre saßen sie ja schon in U-Haft, eine von den Frauen wurde nach Revision freigesprochen. Das sieht dann nicht mehr so dramatisch aus. Zumal es ja auch im dt. Recht bis zu drei Jahre sein können. Warum lastest du diese Freiheit lt. Gesetz der russischen Justiz an?

      • Frank Koriath sagt:

        Ob die Motivation von Pussy Riot politsch war oder religiös kann ich nicht beurteilen, vermute eher ersteres. Wir ihr schon sagtet, gibts Parallelen. In beiden Fällen ist die Argumentation der Anklage zweifelhaft. Dass russische Politiker und Richter pissed sind, wenn sie von Pussy Riot beleidigt werden ist klar. Das die US-Regierung pisst auf Assange ist, ist auch klar. Dass nun beide Angeklagten wegen nicht-politscher Delikte: angeblichem “Religiösem Hass” oder angeblicher “Sexuellen Nötigung” vor Gericht stehen erscheint hergeholt. Schade, daß beide Fälle zeitgleich auftreten, so können USA und Russland gleichermaßen von den eigenen Missständen ablenken und sagen, schaut auf die anderen, die sind genauso korrupt wie wir.

      • Tyler Durden Volland sagt:

        Mit solch simplen Feststellungen, die noch dazu wahr sind, machen sie sich in solchen politisch korrekten Gut-Menschen Blogs unbeliebt, wetten?

        • Tyler Durden Volland sagt:

          Nachtrag:

          Ich kannte das system hier nicht, deshalb ist der Beitrag gerade an falscher Stelle, er bezog sich auf:

          Sebastian Müller
          19. August 2012 @ 19:56

    • Florian sagt:

      @Michi
      Das is ne ganz seltsame Truther-Webseite, von der du da deine Infos beziehst…. ka, wieviel davon glaubwürdig ist.

      Aber wie ich schon schrieb: es gibt fundamentale Unterschiede zwischen dem Fall in Berlin und dem in Moskau (s. oben).

  2. blogfighter sagt:

    Sebastian Müller hat den Nagel auf den Kopf getroffen und damit erneut ein Thema angerissen, das unbedingt auf die Agenda gesetzt werden muss: es geht hier um das Phänomen “Der Opportunismus der Plappernden Kaste und seine Auswirkungen auf die politische “Willdensbildung”.

    Wie wir Einsichtigen es längst wissen, versteht die SPD-Führung unter “Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes” (Art. 21 GG) längst nicht mehr das, womit sie (und die KPD) von der verfassungsgebenden Versammlung in den Art. 14f. und 26 GG beauftragt worden ist, nämlich – wie es auch im Ahlener Programm der CDU heißt – eine Demokratie zu entwickeln, die auf der Würde der Arbeit basiert, die also den Kräften, die Hitler in den Sattel gehoben und die von seinem Weltanschauungskrieg profitiert hatten, den erneuten Zugang zu den Schaltstellen der politischen und ökonomischen Macht ein für allemal den Weg verlegen sollte.

    Das Ergebnis der fünften bedingungslosen Kapitulation der Sozialdemokratie – nach 1914, nach 1919, nach 1930, nach 1953, nach 1999 – in ihrer 145.jährigen Geschichte kennen wir: es ist die Bundesrepublik Deutschland, deren Herrschaften sich wiederum an grundgesetzwidrigen Angriffskriegen beteiligen (gestern per Information der syrischen Rebellen durch den BND), und dies mit einer sozialdemokratischen Rationalisierungsweise, die für jeden Sozialdemokraten nur noch beschämend ist. Ein Beispiel von vielen http://www.b-republik.de/archiv/die-pazifistische-versuchung

    Auch die Volksverdummung durch die Massenmedien und das Bildungs- und Erziehungssystem Deutschlands ist das Resultat von deren “Mitwirkung bei der politischen Willensbildung des Volkes”, dem aber die SPD-Führung nicht nur nichts entgegengesetzt hat, sondern von dessen “demoskopisch ermittelten” Stimmungsberichten sie sich vollständig abhängig gemacht hat.

    Woher dieser Opportunismusder hoch alimentierten Mitglieder jener systemrelevanten Plappernden Kaste kommt, das kann sich jeder denken, der selber bestechlich ist, doch die Frage muss gestellt und beantwortet werden, wie man die Transformation der Gesinnung und der opportunistischen Haltung genau jener Kräfte, auf die es in einer wirklich demokratischen Gesellschaft entscheidend ankommen wird, bewerkstelligen kann – außer durch blogfighter-Aktionen wie dieser hier von Sebastian Müller?!

    • Tyler Durden Volland sagt:

      Alles völlig richtig…. nur eines verschweigst du: Es funktioniert, schau dir die 5% bei Wahlen an, nimm die SPD und die Linke….

      Und nun sag ehrlich warum!
      Und nicht, dass die bösen, bösen Medien die armen Massen manipulieren, sondern warum
      genau dies überhaupt möglich ist! Und wenn du das hast, dann erklär uns auch wie man das ändern kann!

  3. Reyes Carrillo sagt:

    Ich schließe mich @blogfighter mit seiner Bewertung des Artikels an: Wichtig und wichtig und darüber hinaus -wichtig! Vielen Dank dafür, Sebastian Müller!

    Ich kann übrigens nicht erkennen, an welcher Stelle des Artikels Russland/Putin vom Autor eine ungerechtfertigte bzw. ungleiche Milde erfahren würden. Sehe ich nicht. Sogar eigentlich im Gegenteil, ich finde die vorgenommene Bewertung sogar eine Nuance zu scharf angesichts dieses schwer regierbaren riesigen Landes und seiner vielfältigen Probleme. Man muss Putin keineswegs lieben und ihn für einen “lupenreinen Demokraten” halten, um ihm trotzdem zu bescheinigen, dass er das so schlecht nicht gemacht hat in all den Jahren als erster oder (schein-)zweiter Mann des Staates. Köpfe wie der – von unseren Medien immer so hofierte – amerikanophile Garri Kasparow etwa? Das mit der Demokratie in unserem (west-)europäischen Verständnis ist nunmal so eine Sache: Ecuador, Venezuela, Bolivien… Dort gibt es auch keine Westminster-Demokratien, sehr wohl aber sind es Demokratien. Doch hierum geht es in dem Artikel nicht.

    Sehr gelungen finde ich den hypothetischen Vergleich, was denn wäre, wenn Assange massive Menschenrechtsverletzungen seitens Russlands in Afghanistan oder Georgien, natürlich auch Tschetschenien aufgedeckt hätte? Die es selbstverständlich genau so gab wie die von den westlichen Killern unter US-Führung. Krieg ist Krieg und Mord ist Mord. Immer und von wem auch immer befehligt. Zur Frage zurück: Es wäre nicht auszudenken, was dann an schmusigen Solidaritätsergüssen über Assange hereinbrechen würde; der Mann würde zu Tode umarmt werden und die Asylanbieter würden sich die Nasen dafür einhauen, um sich mit ihm in ihrem Land schmücken zu dürfen! Die Betroffenheitsbekundungen und Krokodilstränen über die imperialistischen Grausamkeiten Russlands würden noch lang vor den antizipierten Klimaverheerungen die Meere steigen lassen.

    Und danke auch für die kleine Erinnerung nochmal an diese inhaftierte, milliardenschwere Oppositionelle aus der Ukraine, die uns wochenlang und in Farbe bis zum Erbrechen als unschuldige Betschwester wie ein Videohänger rewiederholt wurde.

    Um aber jedem Missverständnis vorzubeugen: Das Urteil gegen Pussy Riot finde ich skandalös, die Strafverfolgung und Inhaftierung Timoschenkos ebenso, falls unschuldig im Sinne der Anklage – wofür aber wenig spricht. Wie ich auch jede andere Verfolgung Andersdenkender bzw. Beschränkungen der Meinungsfreiheit scharf kritisiere. Es geht einzig um diese unerträgliche, ja schreiende und jeden denkenden Menschen beleidigende Doppelmoral, gegen die Sebastian Müller in seinem Artikel anschreibt! Und bitte schön, es geht auch um eine adäquate Gewichtung von Vorfällen und Ereignissen! Und ja, es geht auch um das Ethos von Journalisten. Wenn diese in der westlichen Hemisphäre bzw. in den NATO-Staaten so kläglich und dramatisch versagt, d.h. klar, deutlich und ungeschminkt parteilich und abhängig agiert wie im Falle Assange (und Pussy Riot), dann ist das ein Skandal. Doch was soll dieses Konditional? Es ist ja exakt so. Und das ist wirklich richtig unerträglich!

    • “…ich finde die vorgenommene Bewertung sogar eine Nuance zu scharf angesichts dieses schwer regierbaren riesigen Landes und seiner vielfältigen Probleme. Man muss Putin keineswegs lieben und ihn für einen “lupenreinen Demokraten” halten, um ihm trotzdem zu bescheinigen, dass er das so schlecht nicht gemacht hat in all den Jahren als erster oder (schein-)zweiter Mann des Staates.”

      Richtig, das kann man in der Tat nicht verhehlen. Wie so oft gibt es mehrere Wahrheiten, in diesem Kontext ist auch dieser Artikel recht aufschlussreich: http://www.heise.de/tp/artikel/37/37450/1.html

  4. Reyes Carrillo sagt:

    Nachtrag:

    Es ist zum Fremdschämen, wenn dieser unerträgliche, neoliberale “Spiegel Online” (SPON) heute herabsetzend titelt: “Assange nutzt Botschaftsbalkon als Bühne” und ab November 2010 (zusammen mit ein paar anderen Blättern) noch auflagengeiler Nutznießer von eben jenen WikiLeaks-Enthüllungen war! Einfach widerlich!

  5. grad parallel drauf gestossen, übernehme für die validität der behauptung keine haftung, bin zu müde zum googlen…
    grundsätzlich nichts neues vor dem hintergrund der neuen NGO gesetze oder beispielsweise der kasparov geschichte.

    http://www.deliberation.info/pussy-riot-connections-to-soros/

    • Reyes Carrillo sagt:

      @Florian

      Du solltest dir mal den Link von @Fabian zu Gemüte führen. Das relativiert hoffentlich etwas das, was du in dem Artkel zu vermissen scheinst. Die Damen hatten möglicherweise eine Vorgeschichte. Was sicher noch genau zu recherchieren wäre.

      @Fabian

      Danke für den Link!

  6. Fabian sagt:

    Man kann auch Äpfel mit Birnen vergleichen.

    Ist etwa jeder, der sich um das Whistleblowing verdient gemacht hat, von jeder strafrechtlichen Verantwortung ausgenommen? Hätte man Assange in Schweden deswegen festsetzen wollen, wäre dazu genügend Gelegenheit gewesen – er war wochenlang hier gewesen. Dann hatten die USA über ein Jahr Zeit, ihn von Großbritannien, mit dem seit jeher bessere Beziehungen bestehen, ausliefern zu lassen. Nichts ist passiert.
    Stattdessen versucht Assange nun, sich trotz Fehlens ernstzunehmender Fakten als politisch Verfolgter zu stilisieren. Es geht hier um eine eventuelle sexuelle Nötigung, nicht um irgendein Delikt, das mit seiner Arbeit bei Wikileaks zu tun hat. Dass ausgerechnet Schweden ihn aus politischen Gründen haben wollen soll, ist lachhaft.

    • Entschuldige bitte, aber das anzunehmen ist schlicht naiv.

    • Michi sagt:

      Fabian, eine der beiden Frauen, mit denen Assange einvernehmlichen Sex hatte (!), hat noch 5 Tage nach der Liebesnacht über Twitter von Julian Assange geschwärmt. Tut das jemand, der gerade vergewaltigt wurde? Die Beweislage ist derart dünn, dass es nicht für eine Anklage ausreichte, der internationale Haftbefehl wurde ausgestellt, damit Assange als Zeuge (!) aussagt. Assange hat den schwedischen Ermittlungsbehörden angeboten, per Videokonferenz von England aus auszusagen, was diese abgelehnt haben. Sind das rechtsstaatliche Methoden? Und dafür droht man eine Botschaft zu stürmen und somit internationale Verträge zu brechen? DAS ist lachhaft.

      • hansbaer sagt:

        Bei einer Ermittlung kann man einen Zeugen, der die Tat beobachtet hat, vielleicht noch per Videolink aussagen lassen, aber doch nicht den Tatverdächtigen. Wie soll man ihm denn habhaft werden, wenn die Aussage belastend verläuft (zumal offenkundig erhebliche Fluchtgefahr besteht) ?

        Das Schwärmen ist in dem Zusammenhang kaum relevant. Es handelt sich um ein Offizialdelikt, das die Polizei zur Anzeige bringen musste, egal wie die beiden Frauen dazu stehen. Mir ist schleierhaft, was Marianne Ny getrieben hat, während der Anwesenheit Assanges in Schweden nichts zu unternehmen, um ihn dann anschließend verhören zu wollen, als er schon weg war. Man hätte ihn noch in Schweden festnehmen können. Es hätte für die US-Justiz schon da genügend Gelegenheit gegeben, ihn festzusetzen. Daher ist es auch nicht plausibel, dass diese ganze Posse jetzt genau hierzu dienen soll.

        Im Übrigen: dass der Sex einvernehmlich war, wird ja nicht bestritten. Die Strafdefinitionen in Schweden sind aber andere. Der Tatvorwurf kann kaum mit mehr als 2 Jahren bestraft werden. Selbst wenn er also verurteilt würde, kann er schon wegen der ganzen U-Haft sofort gehen.

  7. “Und obwohl einige der live zugeschalteten Russlandexperten darauf hinweisen, dass Putin “selbst nichts mit dem Prozess zu tun hat” und sich auch zuletzt für eine milde Bestrafung geäußert habe, scheint die Mehrheit der Kommentatoren dies nicht weiter ernst zu nehmen.
    (…)
    Die Aktion in der Moskauer Christus-Erlöser Kathedrale provozierte zuerst keine Reaktionen seitens der Sicherheitsbehörden oder der Bevölkerung. Erst nachdem die erste, mit Musik hinterlegte und geschnittene Version des Videoclips im Internet präsentiert wurde und schnell eine große Verbreitung fand, meldeten sich die empörten Menschen, die sich in ihren religiösen Gefühlen von dieser Aufnahme verletzt sahen. Die Ermittlungen mit den daraufhin folgenden Verhaftungen starteten erst, nachdem die Staatsanwaltschaft mehrere Anzeigen von Bürgern aus ganz Russland erhalten hatte.

    Es wäre also gut möglich, dass ohne Verbreitung des besagten Videos und der damit ausgelösten öffentlichen Auseinandersetzungen zwischen den äußerst glaubenskritischen Oppositionellen und der Mehrheit der orthodox-gläubigen Bevölkerung Russlands auch keine Strafverfolgung für die nun Verurteilten stattgefunden hätte.”

    Quelle: http://www.heise.de/tp/blogs/8/152604

  8. Medialist sagt:

    Eigentlich sollten wir uns jetzt alle selbstgehäkelte Sturmmasken aufziehen und die nächste Kirche stürmen. Musikalische Begabung braucht man dafür nicht. Pussy Riot hat das bewiesen. Auch die politische Message darf man sich frei aussuchen. Ich persönlich werde mich gegen die 15 Milliarden Subventionen für die Kirche engagieren.

    Solche Aktionen sind ja anscheinend jetzt gesellschaftsfähig. Es ist ziemlich sicher, dass man mit keiner Strafe rechnen muss.

    Also los…zeigen wir den Medien, dass ihre Meinungsmache Wirkung hat!

  9. klewa sagt:

    danke, diese Dinge gingen mir auch durch den Kopf als ich am Wochenende auf fast allen Titelseiten die Pussy Riot Mädels sah. Hut ab vor ihrem Engagement – und trotzdem macht es nachdenklich dass die Medien sich hier über das harte Strafmaß derart empören, aber bei den eigenen nationalen/westlichen Angelegenheiten immer schön unkritisch bleiben. Es ist enorm wichtig in solchen Momenten den (sprichwörtlichen) Spiegel vorzuhalten, nur dann ist die Kritik an Russland auch glaubwürdig.

  10. Reyes Carrillo sagt:

    Ich finde es sehr schade, dass die eigentliche Intention des Autors, nämlich – siehe Titel – das “Zweierlei Maß” des Umgangs mit diesen so krass unterschiedlichen tatsächlichen oder nur aufgepumpten Skandalen offenbar langsam verloren geht. Stattdessen ein kleinkrämerisches Gefeilsche um irgendwelche Pussys, Riots und Assanges. Beim Lesen einiger Kommentare steigt da in mir der unangenehme, bittere Verdacht auf: “Oh weh, die haben es tatsächlich geschafft, so viel Sand zu streuen, so viele Nebelmaschinen aufzustellen und so viel ideologisch vergorenen Schnaps auszuschenken, dass tatsächlich eine kollektive Vernebelung der Augen und Sinne gelungen ist!’. “Die” sind diese gnadenlos einseitigen politisch gezielt manipulativen und von der Mehrheit der Verlagshäuser und Rundfunk- und Fernsehsendern übernommene Medienkampagnen vor allem in den NATO-Staaten. Die Rechnung scheint definitiv aufgegangen zu sein – bis hinein in offenbar auch “aufgeklärte, kritische” Kreise. Noch klarer wird die Angelegenheit, wenn dann das erste Mal das unvermeidliche Wort von der “Verschwörungstheorie” auftaucht, schon immer der Lieblingsbegriff derer, die wirklich was zu verbergen haben.

    Lest bitte vielleicht noch ein zweites Mal Sebastian Müllers Artikel! Das schadet sicher nicht. Man muss auch Assange und seinen Habitus nicht lieben, kann sich gerne auch der Kritik von Domscheit-Berg u.a. an ihm anschließen, man kann den Mann meinetwegen auch überhaupt nicht ab und ihn persönlich zum Würgen finden, doch darum geht es überhaupt nicht. Es geht um WikiLeaks (und damit um Aufklärung, um die Freiheit eines wenn auch kleinen Gegengewichts gegenüber den großen Manipulatoren und Vertuschern dieser Welt!) und um den Skandal, dass ausgerechnet die journalistische Klasse als verlängerter Arm der Politik den Bruder(ruf)mord vollzieht an dem bekanntesten dieser Aufklärer! Dass die von WikiLeaks “Angegriffenen” selbst, die Staaten, allen voran die USA sich mit allen (!) Mitteln wehren, das ist ja klar und eigentlich selbstverständlich. Dass sich Großkonzerne wie Amazon, Visa, PayPal usw. zu willfährigen Befehlsempfängern degradieren lassen und WikiLeaks boykottieren, das sollte auch nicht weiter wundern. Aber dass sich die ganze Journalistenzunft zu deren Bauchrednern und Lautsprechern umfrisieren lässt, das sollte uns bitte sehr zu denken geben! Und uns aus dem Kleinklein mit irgendwelchen Punk-Mädels wieder über den Maulwurfhügel schauen lassen.

  11. Reyes Carrillo sagt:

    Schön, dass die “NachDenkSeiten” auch auf den Artikel aufmerksam machen!

    http://www.nachdenkseiten.de/?p=14199#h01

    Wolfgang Lieb ist in der Kürze seines Kommentars nichts hinzuzufügen.

  12. alexander "akoe" köpf sagt:

    sebastian müller, im prinzip teile ich deine thesen. aber ich finde, daß der vergleich pussy riot-assange aus einem anderen grund hinkt. ich will hier gar nicht verhehlen, daß ich im prinzip pro pussy riot bin. aber die band hat – ich nehme mal an in kenntnis der russischen rechtslage – die maximale provokation gewählt, nähmlich ihren clip in einer noch in benutzung befindlichen kirche zu drehen. ihre intention die verbindung kirche-staat zu kritisieren ist mir bewußt, dennoch frage ich mich, ob diese maximale provokation bis zum ende durchdacht war. klar, daß gläubige russen – selbst wenn sie sich in opposition zum “system putin” befinden – damit vor den kopf gestoßen und in ihrem religiösen empfinden verletzt wurden. folge: viele russen empfinden das, was pussy riot jetzt widerfahren ist, als ganz normalen “rechtsstaalichen” prozeß und nicht als repression oder politischen schauprozeß. die rechtslage wurde ja nicht im nachhinein geändert oder “individuell angepaßt”, um pussy riot verurteilen zu können, sondern war schon vorher gegeben! ein, wie ich finde, wichtiger fakt! in deutschland oder england hätte man so eine aktion im bezug auf ihre imagebildende wirkung bzw ihren “promotion-effekt” nüchtern kalkulieren können und die daraus resultiuerende rechtsstaatliche folge (geldstrafe bzw gefängnis auf bewährung) in relation zum verkaufs-gewinn der eigenen tonträger bzw zur popularitätssteigerung setzen können. bevor ich also als band oder künstler eine solche aktion durchziehe, muß ich mir über die konsequenzen klar sein – ob das bei pussy riot der fall war ist eine der fragen, die trotz riesen medien-hype für mich unbeantwortet sind!

    kommen wir zu assange und deinem eigentlichen artikel. ich finde der vergleich assange pussy riot krankt daran, daß ersterer kontinuierlich mit großem aufwand und engagement im sinne politischer transparenz gearbeitet hat und die grenzen des investigativen journalismus erweitert hat, während zweitere lediglich eine – ich unterstelle das jetzt mal – einmalige, grelle protestaktion im sinne von performance-kunst durchgezogen haben. dein vergleich des russischen systems mit dem westlichen wäre plausibler, hättest du dich z bsp auf nikolai kawkasi oder alexej polichowitsch bezogen, die in russischen gefängnissen sitzen, weil sie protestdemos gegen putin bzw den wahlbetrug organisiert haben. diese politischen gefangenen haben ebenso kontinuierlich und mit langem persönlichem engagement versucht das “system putin” zu “bekämpfen” bzw darüber aufzuklären. da steckt eine ganz andere ernsthaftigkeit und größere dimension dahinter. aber wikileads/assange mit der m. erachtens pubertären kunstperformance einer popband zu vergleichen hinkt irgendwie. nichtsdestotrotz ist die doppelmoral mit der hier im westen das thema assange behandelt wird, natürlich auf der hand liegend. im kern hast du recht, nur den vergleich, sprich aufhänger deines artikels finde ich unpassend.

    • Reyes Carrillo sagt:

      Ich bin natürlich nicht der Autor, aber ich verstehe dich trotzdem nicht. Auf was du hinweist, ist alles richtig – und ziemlich objektiv. Aber Müller ging es doch gerade darum, darauf hinzuweisen, dass von Objektivität geschweige denn einer angemessenen Gewichtung der beiden Ereignisse in den Mainstream-Medien keine Rede sein kann. Und deshalb ist der Vergleich mit Pussy Riot geradezu zwingend, weil dieser unsere Medien Tag für Tag und rund um die Uhr beschäftigt – und eben nicht Assange mit der Dimension, die hinter diesem bloßen Namen und Figur steht. Was du beschreibst, ist einen völlig anderen Artikel unter anderer Überschrift wert.

      • möp sagt:

        und wieder einmal nur in toitschland oberpeinliche reaktionen der linggen, die glauben russland sei auf irgendeineiner weise noch “rot”… wenn ihr so weiter macht bleibt einem am ende nichts anderes übrig als den antideutschen in so manch einen punkt RECHT zu geben. Als klüger, proggressiver kopf unterstützt der wikileaks gründer natürlich pussy riot, echt nur noch konservative und reaktionäre erfinden jetzt schnell geschichten gegen pussyriot. wetten bald werden geschichten erzählt von wegen assange selbst wär eine marionette der usa. wer den mist noch kauft muss wirklich nicht mehr ganz so gesund sein.

  13. Roy Sardon sagt:

    “russische Junta”
    hat Herr Müller jetzt entschieden, dass die derzeitige Regierung nicht duch Wahlen sondern durch einen Militärputsch zur Regierung wurde?

  14. eco sagt:

    Der Artikel ist Ihnen gut gelungen, allerdings bin ich nicht Ihrer Meinung, das diese beiden Vorkommnisse irgend etwas miteinander zu tuen haben.

    Pussy Riot hat eine Strafe nach dem derzeitigen russischen Gesetz bekommen, welches, wenn man denn selbst ein weing mehr Verständnis für Russland aufbringt (Russ. Kirche = Nachfolge von Byzanz) , eigentlich sehr human ist!
    Auch ist der Sakralbau Ihres Auftrittes nicht mit dem Kölner Dom zu vergleichen sondern eher mit dem Petersdom in Rom! Somit ist die Strafe recht milde ausgefallen, nach gesamt europäischen Rechtsverständnis!

    Was hat dann der Rummel der westlichen Medien um Pussy Riot für mich einen eigentlichen Sinn? M.A. nach, möchten die Medien aus welchen Grund auch immer Russland diskreditieren, vielleicht wegen den Syrienkonflikt aber nicht wegen Assange.

    Assange hat im Augenblick großes Glück! Er versucht die Zeit ja auch für sich zu nutzen! Anders wird es aussehen, wenn die US-Wahlen vorbei sind! Aber solange dies nicht der Fall ist, hat Assange noch “Redefreiheit”!

  15. Tyler Durden Volland sagt:

    Die Situation Assanges ist einfach zu verstehen, seine Auslieferung nach Schweden käme der Auslieferung nach Amerika gleich, und das weiss er. Warum?

    Lesen sie einfach die Vernehmungsprotokolle zum “Vergewaltigungsvorwurf”, da ist nichts drin. Und um so eine Farce abzuziehen legt sich Schwden mit niemanden an. Die Schlussfolgerung ist also banal. Die Protokolle sind öffentlich, hier ist der Link:

    http://www.nnn.se/nordic/assange/docs/protocol.pdf

  16. Tyler Durden Volland sagt:

    @Fabian 20. August 2012 @ 08:03

    Darf ich ehrlich sein?

    Es sind Leute wie du die das eigentliche Problem in jeder Gesellschaft darstellen, die linken und rechten Spiesser, die zwar von nichts Ahnung haben, aber zu allem eine Meinung.

    Was für eine Art “Mensch” muss mans ein, um sowas zu schreiben ohne wirklich auch nur die leiseste Ahnung davon zu haben, was tatsächlich los war?
    Du schreibst:
    “Es geht hier um eine eventuelle sexuelle Nötigung, nicht um irgendein Delikt, das mit seiner Arbeit bei Wikileaks zu tun hat. Dass ausgerechnet Schweden ihn aus politischen Gründen haben wollen soll, ist lachhaft.”

    Ich habe weiter oben den Link der Vernehmungsprotokolle eingestellt..

    Aber sowas interessiert dich sicher nicht, denn hast ja schon einen Meinung.

    Widerlich!

    • Fabian sagt:

      Höflich vorgetragene Diffamierung ist meine Lieblingslektüre. Weil ich also nicht auf dunklen Wegem beschaffte Dokumente auf obskuren Seiten gelesen haben soll und dazu auch nicht deiner Meinung bin, muss ich ein ganz böser Bube sein. Schon klar.

      Wenn man als “preconceived narrative” voraussetzt, dass Ny die Auslieferung aus politischen Gründen veranlasst hat, dann kann man alles in diesen Kontext einbauen – der Urtypus der Verschwörungstheorie. Die Beweislage gibt das aber nicht her.

      Ich habe mir die Übersetzung nicht angesehen, denn ich spreche schwedisch und habe mir die Unterlagen daher im Original zu Gemüte geführt. Assange hat anscheinend keinerlei Aussagen zu der zweiten Frau gemacht. Er konnte oder wollte sich an bestimmte Dinge auch nicht erinnern. Es ist daher nicht verwunderlich, dass man ein zweites Verhör haben will – die Frage ist eher, wieso man Assange wochenlang in Schweden nicht behelligt hat, anstatt ihn zu befragen oder ihm zu verstehen zu geben, dass er sich in der laufenden Untersuchung zur Verfügung halten soll.

      Interessant finde ich, dass als Rubrizierung “sexuellt ofredande” gewählt wurde – dieser Begriff wird im schwedischen Strafgesetzbuch eigentlich nur für sexuelle Belästigung von Minderjährigen verwendet.

      Wie dem auch sei: aus den Dokumenten geht nicht hervor, wieso Ny die Wiederaufnahme durchgeführt hat noch warum die Wochen danach nur andere verhört wurden, nicht aber noch einmal Assange. Dann war er weg, und nur weil sich ein Tatverdächtiger entzieht, wird eine Untersuchung nicht zu den Akten gelegt. Freiheitskämpfer genießen da keine Privilegien.

      Die Wortwahl “Spießer” finde ich auch spannend. Allerlei Leute hier haben anscheinend nicht verstanden, dass Schweden nicht einfach Deutschland mit mehr Elchen ist. Die Schweden haben sich Gleichberechtigung zwischen den Geschlechtern zum Ziel gesetzt, und es wird hier sehr konsequent durchgezogen. Der Wertekanon von Gleichheit für alle und Gewaltfreiheit im persönlichen Umgang ist hier mehr als ein Ideal, sondern man versucht ihn auch umzusetzen. Man mag da als Deutscher unverständig reagieren, aber ein kaputtes Kondom ist eben nicht automatisch eine Bagatelle hierzulande, und Vergewaltigung umfasst nicht nur, wenn die Frau im Krankenhaus landet.

      Für den Rest empfehle ich die Verwendung von Ockhams Rasiermesser.

    • Reyes Carrillo sagt:

      Oh, mein spezieller Freund Tyler wieder. Der Mann, der alles besser weiß. Da wird mir doch gleich warm ums Herz, wenn ich wiederholt dein zwangsneurotisches Standardgesülze von den “linken und rechten Spießern” lese. Wenn es dich nicht gäbe, müsste man dich erfinden!

  17. eco sagt:

    Emran,

    dein Artikel umfasst sehr viele unterschiedliche Interessen, ist aber sehr gut! M.A. nach vielleicht sogar etwas zuviel! Russland ist zwar eine militärische Großmacht und auch wirtschaftlich (Rohstoffe) und geopolitisch (Grenze zu Asien, Arabien und Europa), hat aber seine Großmachtsinteressen aufgegeben! Zerfall der SU!
    France ist sehr nah bei euch, möchte/kann/weiß nicht wie/ selbst Einfluss nehmen, kann es allerdings derzeit nicht!

    Eine Groß-/Weltmacht gibt es noch, eine zweite wird China werden….
    Nachfolgend hier ein LInk, daß France schon lange weiß, wo die Reise hingeht, nur leider ohne Einigkeit in Europa hoffnungslos überfordert ist und dem bösen Spiel zuschaut, um es sich nicht mit der zur Zeit einzigen Großmacht, die Führungsansprüche stellt, zu verderben, leider!

  18. eco sagt:

    Tyler,

    so ist das Volk nun einmal, dass macht es einigen leicht und einigen schwer, die Masse ist bekanntlich träge und kümmert sich um P.Riot oder wieso wer irgendetwas, ein Star, ein Eklat in der Nachtbarschaft gemacht hat! Ich selbst würde gern sehen, dass Assange frei aussagen kann und auch dann später ein freies Leben sowie gerne, m.A. nach wikileaks weiter führen kann…
    Dem wird aber wohl nicht so sein….
    Ganze Staaten warten auf die Wahlergebnisse in….
    Wer sind wir, wer ist Assange?
    Aber die Idee war gut, sie hat schon etwas bewirkt, nur glaube ich zur Zeit wird das noch nicht ausreichen….

    • Tyler Durden Volland sagt:

      Ja, da wirst du leider recht behalten, auch mit dem “Volk”….
      Es hätte ein paar Mausklicks benötigt um zu erfahren, dass in Schweden ALLE Protokolle dieser Art im Netz stehen, aber was nicht sein darf, das kann auch nicht sein, und wenn es der eigenen Meinung auch noch widerspricht, dann schon gar nicht.
      Ich bin stets wieder aufs neue sehr erfreut weit, weit weg zu wohnen, nur ab und zu mal eine Sendung wewie Panorama oder frontal211, oder wie gerade reporrt und man fühlt sich wohl splange man ausserhalb DE lebt.

  19. eco sagt:

    …und Russland war schon immer für einige westeuropäische Länder als “Böser” nicht mitspielen wollender Spielkamerad ausgemacht…
    Auch der Glaube und die ethnische Herkunft spielen dabei eine Rolle!
    Fazit ist: Europa braucht einen Schuldigen, wer fällt Mitteleuropa als erstes ein? Russland! Also negative PR! …obwohl Russland wohl selbst manchmal wohl schon weiter ist, als es Europa derzeit ist!
    Nur es könnte passieren, dass sich Russland mit jemanden anderen zum Spielen verabredet und das wäre weder für dem verzankten europäischen, arabischen sowie noch der einzig verbliebenen Weltmacht gut, obwohl, wissen wir es?
    Na mal sehen wer sich wieder zuerst findet! Obwohl die Länder der EU sich doch nun schon seit fast mehr als tausend Jahren streiten, zwar abnehmend, allerdings immer noch!
    Zum Artikel zurückkommend sei angemerkt, alles was ich geschrieben habe, ist in veröffentlichten Dokumenten jedem frei zugänglich! Somit ist es wohl auch Desinteresse von der Masse und Polemik der Politik sowie Unvermögen der Presse, sich eine eigene Meinung zu bilden und nur Artikel voneinander abzuschreiben ohne sich eine eigene Meinung zu bilden….

  20. George sagt:

    Wer Pussy Riot als banale Punkband ansieht macht es sich (zu) einfach. Da steckt schon etwas mehr dahinter, genaueres hier, im Schlußwort der drei Angeklagten am Tag vor dem Urteil:

    http://nplusonemag.com/pussy-riot-closing-statements

    Die oben erwähnten weiteren Aktionen von Pussy Riot sind übrigens von Voina. Da gibt’s zwar personelle Überschneidungen, aber Pussy Riot trat bisher nur als Band in Erscheinung. Übrigens auch schon vor dem nun berühmten Auftritt

  21. maschkom sagt:

    Ja, es ist ein politisches Urteil und sehr sehr ungerecht. Weil es Gerechtigkeit in diesem Land nicht gibt. In diesem Land? Nein! Gerechtigkeit wird es wohl niemals geben. Nirgends! Es gibt immer nur das Recht, das von der regierenden Macht gesprochen wird. Aber warum dieses Urteil so und gegen harmlose Mädchen? Also, wohin bewegt sich Russland? http://www.maschkom.de/node/19

  22. mfis sagt:

    Genau zu dem Thema hab ich mir für den morgigen Mittwoch eine in Deutschland Publizistik studierende Russin ins Radio-Studio eingeladen. (22.08. 19-20 Uhr http://www.radioflora.de). Der Fall ist wohl tatsächlich längst nicht so s/w, wie man gern glauben möchte.

    Hier die FB-Veranstaltung: https://www.facebook.com/events/514425921907828/

    >>> Nachdem sie zu 2 Jahren Haft verurteilt wurden, war der Aufschrei erwartungsgemäß groß: “Böser Putin bringt unschuldige Mädchen ins Straflager!” Doch diese Meinung ist nicht unbedingt die Russische – hier zeigt sich unser Umgang mit den Medien sehr deutlich, was wir glauben wollen, fressen wir blind, jede andere Meldung aber sei eine klassische Medienlüge.
    Um ein wenig mehr Farbe ins Schwarz/Weiß im Thema Pussy Riot zu bringen, habe ich mir Mascha Egorova ins Studio geladen, Puplizistikstudentin per Uni, Russin per Geburt. Das Interview zeigt sehr deutlich, dass es nicht nur Gut und Böse gibt und die Wahrheit irgendwo dazwischen liegt…

    Live-Stream auf http://www.radioflora.de
    Mittwoch, 22.08., 19-20 Uhr
    Freitag, 24.08., 12-13 Uhr

    Auch zum Thema: http://mfis.wordpress.com/2012/02/03/fallschirmjager-falten-putin-zusammen/

  23. Reyes Carrillo sagt:

    Hm, lieber Sebastian Müller, Russland im Allgemeinen und Besonderen, Putin im Allgemeinen und Besonderen, vor allem aber Pussy Riot im Allgemeinen und Besonderen, daneben auch noch Schwedens Strafgesetze hinsichtlich sexuell motivierter Straftaten im Allgemeinen und Besonderen usw. usw. – so ganz scheint die Botschaft deines Artikels nicht angekommen zu sein oder als mehr oder weniger zu vernachlässigen eingeschätzt werden. Die deutschen Mainstreammedien haben also doch Recht, und Pussy Riot dominieren in diesem Land tatsächlich sämtliche Quasselecken virtueller und realer Genese. Und sie haben nur aufgegriffen, was schon auf der Straße lag… Von wegen Meinungsmache!
    Ich gebe zu, etwas verblüfft zu sein. Andererseits schließe ich selbstverständlich auch nicht aus, selbst nichts begriffen zu haben.

  24. tinyentropy sagt:

    Interessante Einwände, die Du vorbringst. Finde ich recht überzeugend. Aber ich finde schon, dass die Anschuldigungen gegen Assange verhandelt werden müssen. Auch er steht nicht ausserhalb des Gesetzes. Und sonst bleibt ein fader Beigeschmack.

    Aber es muss natürlich ausgeschlossen werden, dass Schweden ihn an die Amis ausliefert und die Richter sollten die Möglichkeit eines Rufmords an Assange berücksichtigen.
    Ich finde es auch auffällig, dass England ihn auf jeden Fall verhaften möchte, obwohl es eigentlich jetzt nicht mehr ihre Angelegenheit sein sollte.
    Grundsätzlich vertraue ich aber der Rechtsstaatlichkeit so weit, dass ich glaube Julian Assange könnte hier in Europa ein ordentlicher Prozess wegen der Vergewaltigungsvorwürfe gemacht werden.

  25. Geraldine sagt:

    Danke, dass mal jemand diesen Hype kritisch relativiert.

  26. csa91 sagt:

    Ein viel besseres Beispiel, finde ich, ist Bradley Manning.

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