Eine lexikalische Skizze
von Günter Buchholz
Wir leben nicht, um zu arbeiten, sondern wir arbeiten, um gut zu leben.
1. Schlaglicht
Jede menschliche Gesellschaft muss auf der Grundlage der jeweiligen natürlichen Bedingungen und der von den vorhergehenden Generationen geschaffenen Umständen eine nachhaltige Lebenserhaltung anstreben und verwirklichen. In biologischer Hinsicht gehört hierzu die Fortpflanzung der Gattung sowie die Bewahrung der natürlichen Existenzgrundlagen, in wirtschaftlicher Hinsicht die Organisation der gesellschaftlichen Arbeit. Denn durch gesellschaftliche Arbeit werden die notwendigen Mittel zur Lebenserhaltung erzeugt: Nahrung, Kleidung, Behausung sowie Mittel und Werkzeuge der Arbeit selbst decken die Grundbedürfnisse der Menschen und ermöglichen darüber hinaus ihre Entwicklung und kulturelle Entfaltung in gesellschaftlicher Praxis.
Die gesellschaftliche Arbeit geht zwangsläufig einher mit einer so oder so gearteten Verteilung oder Aneignung ihrer Früchte. Der Arbeitszusammenhang stellt sich dar als Komplex, der aus zweckorientierten Handlungen vieler Beteiligter erwächst und der Wirtschaft genannt werden kann; die grundlegenden Zwecke sind hier Bedürfnisbefriedigung und Reproduktion der jeweiligen menschlichen Gemeinschaften. Historisch betrachtet differenzierte sich die gesellschaftliche Arbeit innerhalb der menschlichen Gruppen und gesellschaftlichen Verbände in funktionaler Hinsicht, zum einen horizontal (z. B. Jagd neben Handwerk, Ackerbau neben Viehzucht) und zum anderen vertikal (z. B. Planung/Leitung und Ausführung). Durch diese sich in langen Zeiträumen allmählich entwickelnde Teilung der Arbeit, durch eine ihr entsprechende gesellschaftliche Kooperation sowie durch eine anwachsende Basis an Erfahrungswissen und materiellen Ausrüstungen nahm die Produktivität der Arbeit allmählich zu.
Festzuhalten bleibt trotz unterschiedlicher Stellung und Interessen der Menschen im wirtschaftlichen Zusammenhang und trotz geschichtlich unterschiedlicher Ausprägungen von Arbeit und Aneignung, Wirtschaftsweise und Lebensform, dass die Wirtschaft im Grunde immer ein Mittel für übergeordnete Zwecke einer nachhaltigen Lebenserhaltung und der historisch-kulturellen Lebensentfaltung der Gesellschaft ist.
Aus dieser grundsätzlichen Perspektive bleibt auch die moderne Wirtschaftswissenschaft eine Wissenschaft, die – im besten Falle – etwas über die Rationalität der Mittel, gar nichts jedoch über die übergeordneten gesellschaftlichen Zwecke auszusagen imstande ist. Der einzige Begriff, der hier der modernen Wirtschaftswissenschaft zur Verfügung steht, ist der des Nutzens. Aber dieser Begriff wird in der Regel auf monetären Nutzen reduziert und verbleibt damit wie das Geld selbst auf der Ebene der Mittel; wird der Begriff aber nicht-monetär verwendet, dann bleibt er subjektiv und beliebig. Er bedürfte einer Objektivierung, um begrifflich an die gesellschaftliche Arbeit anschlussfähig zu sein, nämlich zur Charakterisierung ihrer Resultate im Sinne eines Seins statt eines Habens.
Über diese übergeordneten Ziele, Zwecke und auch Probleme des als endlich erfahrenen menschlichen Lebens etwas Gültiges auszusagen, war in der Antike die Aufgabe der Philosophie und der Kunst, insbesondere des Theaters. Im Mittelalter war es die Aufgabe der Theologie und der Literatur, und in der Neuzeit wieder die der Philosophie, der Kunst und nunmehr und zumindest teilweise auch der Wissenschaften vom Menschen (Humanistische Psychologie; Fromm 1996), von der Gesellschaft und der Geschichte und schließlich der Sozialphilosophie.
Es geht auf dieser Ebene der Ziele und Zwecke letztlich um ein glückliches, ein insgesamt gelingendes Leben gesellschaftlicher Individuen, und dies trotz oder wegen der Einsicht in die Gefährdung und Endlichkeit menschlichen Daseins. Gute soziale Beziehungen, Gesundheit, Bildung und Muße sind hierfür zwar wichtiger als Wohlstand, aber eine wichtige Bedingung der Realisierung dieser Zielsetzung ist wiederum die Überwindung von Armut, denn Armut verursacht vermeidbares Leid und schränkt zugleich die mögliche Entfaltung des menschlichen Daseins ein. In der allgemeinen Überwindung der Armut besteht daher der unverzichtbare Grundbeitrag der Ökonomie.
Mich dünkt der Gedankengang doch weniger empirisch, denn idealistisch fundiert zu sein, wird doch der Schlüsselbegriff für das Verständnis von Arbeit nur beiläufig erwähnt, wenn dauernd von “Bedürfnissen”, doch nicht von INTERESSEN die Rede ist.
“Bedürfnisse” hat der Mensch mit aller Kreatur – also Pflanzen und Tieren – gemein, und dass der Auslöser einer Operation oder Handlung ein “Bedürfnis” ist, das erkennt man auch sinnlich an seinem Charakter als Zwangshandlung, als MUSS: “ich muss mal” heißt: wo ist hier die Bedürfnisanstalt. Oder das grundigste aller Grundbedürfnisse: “atmen” – eine eindrucksvolle Zwangshandlung, zu beobachten bei demjenigen, der daran gehindert wird.
Was den Menschen aber vom Tier unterscheidet – jedenfalls von den allermeisten und in jedem Falle qualitativ – ist sein sehr besonderes Geltungsbedürfnis, das er als einziges Individuum weltweit zum Geltungsinteresse weiterentwickeln muss (Zwangshandlung), was bei den meisten Persönlichkeiten dann leider zur Geltungssucht – einer Suchtkrankheit, sprich: Zwangshandlung – gerinnt, statt sich – wie vom Schöpfer vorgesehen: “Krone der Schöpfung” – zum GELTUNGSINTERESSE zu adeln, dessen Befriedigung – im Gegensatz zur Bedüfnisbefriedigung – nicht dem Müssen, sondern dem WOLLEN (Freiheit) und KÖNNEN (Kompetenz) zu verdanken ist, was hinwiederum einzig zu den WIRKLICHEN (dialogbuch.de), den tiefgehenden Zufriedenheits- und Glückserlebnissen führt.
Wer “Arbeit” nur von ihrer Gebrauchswert-Dimension als bedürfnisbefriedigend zweckgerichtete Handlung begreift/darstellt, der hat die tauschwertorientierte Dimension von Arbeit übersehen und deshalb eigentlich – also wirklich – nur über die Tätigkeit eines privat handelnden Hobbygärtners gehandelt, dem es zwar ebenfalls nicht an Interessen, wohl aber an wirtschaftlichen, sprich: Klassen-Interessen gebrechen dürfte?!Oder?
Ich bitte um Kritik.
hm, interessanter Einwand ^^
> Wirtschaftswissenschaft eine Wissenschaft, die – im besten Falle – etwas über
> die Rationalität der Mittel, gar nichts jedoch über die übergeordneten
> gesellschaftlichen Zwecke auszusagen imstande ist.
Der neoklassische Mainstream kann es nicht. Aber wird eine gescheitere Theorie des sozialen Handelns als der homo oeconomicus zugrundegelegt, und kommt noch eine Theorie der Institutionen dazu (-> Politische Ökonomie), dann schon.
Dann treten auch die Interessen der Menschen hervor und der Charakter der Erwerbsarbeit (über die wurde ja gesprochen). Der sieht dann eher wie eine sanfte, moderne Form der Sklaverei aus, mit der das Geld für die Lebens-Mittel verdient wird. Da das Hauptinteresse der, bei der Erwerbsarbeit wie beim Konsum “Individualisierten” darauf gerichtet ist, bleibt es in der Lebenswelt auch so, denn wegen des erwähnten Hauptinteresses haben die meisten drauf vergessen, daß man die Lebenswelt auch gestalten (verändern) könnte.
Sucht entsteht, wenn der Mensch Bedürfnisse nicht erfüllt bekam. Die Geltungssucht sicherlich durch ein Mangel an Liebe gepaart mit dem Drillen auf Gehorsamkeit, will mir scheinen. Ganz schlimm wird es bei solcher Art Aufwachsen, wenn es zu Sozio- oder Psychpathen führt, wie wir sie zu Hauf in der Nazitzeit großgezogen haben. Denn das war eine Zeit, in der Gefühle zu unterdrücken waren und Gehorsamkeit an erster Stelle standen. Arno Gruen hatte viel mit Kindern und Ehefrauen ehemaliger Nazigrößen zu tun gehabt und Einblick geben können. Womit ich sagen will, dass unsere “zivilisierte” Kultur Menschen dazu (ver)führt, süchtig zu werden. Und dann müssen wir uns nicht wundern, dass wir leben, um zu arbeiten und nicht umgekehrt …
Hmmmmmmm………. :-)
wenn ich nun wieder meinen Kommentar posten würde das BWL und VWL nur Glaubensbekenntnisse sind würde ich wieder gebashed nach dem Motto “unn nochemal” ;-)
Die Leute sind indoktriniert das wir im besten aller Systeme leben.
Die meisten können sich nicht mal vorstellen das es auch anders sein kein.
Viele denken auch gar nicht daran was sie alles anrichten, wenn sie gedankenlos konsumieren.
BSP: Eine Diskussion mit einem Kollegen der ein VWL-Dipl. hat.
Auf die Frage von mir, wo denn in den VWL-Rechnungen, die er da so zitierte, z.B. die Ozonsicht ist, oder der Blauwahl, oder die Kiefer, oder das Leid der Hühner in der Massentierhaltung, stotterte und stammelte er nur noch und verstummte dann.
Alles was mit sozialem zu tun hat funktioniert nur so lange, so lange man daran glaubt. BWL und VWL sind soziale und keine empirischen Wissenschaften, nur Glaubensbekenntnisse die sich auch verändern lassen.
Meiner Meinung nach ist z.B. die UDSSR unter anderem daher untergegangen weil keiner mehr an das System glaubte.
Und dies obwohl sie mal funktioniert hatte.
Obiger Kollege konnte auch nichts entgegensetzen als ich sagte das in der UDSSR niemand wirklich in Armut lebte.
Keiner hungerte, alle hatten Wohnungen und Häuser und waren gut gekleidet. OK nicht stylisch aber von Qualität.
Den Einwand das der Staatskapitalismus die o.g. Sachverhalte auch nicht berücksichtigte muss ich gelten lassen. War halt doch auch nur Kapitalismus.
„Festzuhalten bleibt trotz unterschiedlicher Stellung und Interessen der Menschen im wirtschaftlichen Zusammenhang und trotz geschichtlich unterschiedlicher Ausprägungen von Arbeit und Aneignung, Wirtschaftsweise und Lebensform, dass die Wirtschaft im Grunde immer ein Mittel für übergeordnete Zwecke einer nachhaltigen Lebenserhaltung und der historisch-kulturellen Lebensentfaltung der Gesellschaft ist.“
Schön wäre es! Nein, der Mensch (homo sapiens, Gattung) macht irgendetwas. Er will irgendwohin (Interessen) und im Allgemeinen guckt er nicht über den eigenen Tellerrand hinaus. Er sieht ja nur sich. Daher ist die Geschichte des Menschen wie ein Naturprozess zu verstehen. Dieser Prozess hat fast immer ein Ergebnis, das so nicht gewollt war (wenigstens aus der Sicht der wichtigsten Akteure). Gucken wir uns um. Wir brauchen nicht mal die Geschichte zu bemühen: Das System Euro ist ein krisengeschütteltes Geschöpf. Hier haben partikulare (private), mächtige Interessen den Vorrang, nicht das Wöhlergehen der Menschen in den nationalen Ökonomien (Nationalstaaten).
Und wie gesagt. Dieses Denken bezieht auf die westliche Kultur und deren philosophischen Tradition. Nehmen wir hingegen die (Ur)Völker Afrikas, Lateinamerikas oder der Ureinwohner in den nördlichsten Gebieten des Globus zum Vergleich, so war und blieb ihnen diese Form des westlichen Wirtschaftens fremd.