In Europa breitet sich Empörung aus. Unzählige Menschen tragen sie auf die Strassen der Städte, insbesondere in Spanien und Griechenland, aber auch darüber hinaus. Wo kommt sie her, die Empörung? Wo führt sie hin? – Ein Deutungsversuch zwischen Hoffen und Bangen.
Ist es Zufall oder nicht? Am Anfang stand das schmale Bändchen «Empört euch!» von Stéphane Hessel, in dem er die Jugend dazu aufruft, sich durch die Missstände in Gesellschaft und Politik empören zu lassen. Ohne Empörung gebe es keine Veränderung. Inzwischen sorgen die Empörten auf den Strassen Madrids, Athens und vieler weiterer Städte Europas für Aufsehen und fordern lautstark, aber friedlich einen grundlegenden Wandel in Politik und Gesellschaft. Die Empörung wächst quer durch alle Generationen und (fast) alle Gesellschaftsschichten. Bald muss man – pardon, kann man von einer europaweiten, wenn nicht globalen Empörung sprechen. Und wie von Hessel angemahnt, sind die Demonstrationen und Protestcamps weitgehend friedlich und gewaltlos, zumindest seitens der Empörten.
Oft ähneln sie schrillen Happenings und entwickeln sich zu veritablen Räteversammlungen.
Empörung gegen alte Rezepte
Die Empörung richtet sich zunächst gegen die Politiker des eigenen Landes, die Wasser predigen und Wein trinken und die Bedürfnisse der einfachen Menschen völlig aus den Augen verloren haben. Wie sonst kann man erklären, dass zwar willfährig Banken gerettet, aber das Gemeinwesen und der Sozialstaat systematisch demontiert werden. Die Empörung richtet sich auch gegen die Aushöhlung demokratischer Prozesse durch wirtschaftliche Interessen und im Speziellen gegen die Spardiktate der Europäischen Union und des Internationalen Währungsfonds, deren immer gleiche Rezepte sich längst als unwirksam, ja als schädlicher denn die eigentliche Krankheit erwiesen haben.
Die Empörung richtet sich ferner gegen die entfesselte Wirtschaft des 21. Jahrhunderts, die längst zum Selbstzweck verkommen ist und für zusätzliche Profite buchstäblich über Leichen geht. Schliesslich richtet sich die Empörung auch gegen den Nihilismus einer Gesellschaft, die fest entschlossen scheint, den nachfolgenden Generationen einen geschundenen, erschöpften Planeten zu hinterlassen. Die Empörung wächst im selben Mass, wie die Dreistigkeit und der Machiavellismus der elitären Globalisierung zunimmt. Die Finanzindustrie nimmt hier eine hervorragende Stellung ein, hat sie sich doch längst von der Realwirtschaft abgekoppelt. Mehr noch: Sie hat Realwirtschaft und Politik in Geiselhaft genommen, soweit sie nicht ohnehin mit beiden verbandelt ist, und diktiert uns allen, wo es lang gehen soll. Gleichzeitig trägt sie nichts, aber auch gar nichts Gedeihliches zu Wirtschaft und Gesellschaft bei. Sie verkörpert das, was auch die Revolution der Reichen gegen die Armen genannt wird. «Wenn Ihr uns nicht träumen lässt, werden wir euch nicht schlafen lassen.»
Wohin führt die Empörung?
Wen wundert’s, dass sich die Menschen empören und zu Tausenden auf die Strasse gehen. Hauptsächlich in Griechenland und Spanien, aber auch in vielen anderen europäischen Ländern erwachen die Menschen und stellen sich dem als unredlich empfundenen Sparbefehl und dem Ausverkauf des Staates entgegen. Doch Empörung kann nur der Anfang sein
Und was daraus erwächst, steht noch in den Sternen. Die Empörung könnte rechten und rechtsextremen Parteien und Gruppierungen zusätzlichen Auftrieb verleihen. Diese könnten daraus ihr eigenes Süppchen kochen.
Schon heute haben sie europaweit Rückenwind, einen Rückenwind, der sich aus einem verderblichen Gemenge aus Angst, Politikverdrossenheit und abgrundtiefem Egoismus nährt. Ja, Empörung kann auch in Wut und Gewalt umschlagen. Sie wäre dann an einen Punkt gelangt, wo sie historisch schon tausendfach war – und nur noch mehr Leid, aber keine grundlegende Veränderung gebracht hat. Es besteht aber auch die Hoffnung, dass die Empörten zu neuen Formen der gesellschaftlichen Gestaltung finden – jenseits der reinen Parteipolitik und auch jenseits der gewalttätiger Konfrontation auf der Strasse. So jedenfalls schildert es der spanische Soziologe César Rendueles in einem Interview mit der taz: «Das Interessante am 15-M ist (gemeint ist die spanische Protestbewegung), dass die Bewegung einen Punkt in der Mitte gefunden hat: eine Form des Ungehorsams, die von sehr vielen Menschen praktiziert werden kann.
Diese Praxis ist von offenen, horizontalen Diskussionen, dem Verzicht auf Gewalt und einer Ablehnung der Parteien geprägt.» Es besteht die Hoffnung, dass hier, inmitten der Empörten, ein Raum für neue Ideen entsteht, ein zivilgesellschaftlicher Impuls, mit dem auch in Zukunft zu rechnen ist und der einen echten Wandel bringt.
Und wenn die erst mal anfangen den Lissabon-Vertrag zu lesen, werden sie 24 Stunden durchkotzen. Denn dort ist alles drin, was die EU ausmacht und plant: Faschismus, Antidemokratie und offen für jeden Wunsch aller Konzerne und Lobbyisten.
Was mich wundert, ist diese Tendenz gegen die EU, OBWOHL sie denn Vertrag nicht gelesen haben.
Egal, es geht offensichtlich in die richtige Richtung.
Die Empörung wächst, doch der Zusammenhalt bleibt noch immer größtenteils aus, denn viele Menschen gehen noch immer nur auf die Straße, aus eigener Unzufriedenheit heraus. Man sollte allerdings die Probleme Europas ganzheitlich betrachten und schon wird man feststellen, was die Wahrheiten der Griechenland-Euro-Krise sind. Siehe http://www.buergerstimme.com/Design2/2011-06/die-wahrheiten-uber-die-griechenland-euro-krise/
Das die europäische Zentralbank bereits Pleite ist:
http://www.buergerstimme.com/Design2/2011-06/europaische-zentralbank-ist-pleite/
Und das der Protest der Griechen, ein Protest im Namen der Menschlichkeit ist, weil sich dort das Volk vehement dagegen wehrt, sich gegeneinander ausspielen zu lassen. Siehe auch
http://www.buergerstimme.com/Design2/2011-06/schuldenkrise-griechenland-proteste-im-namen-der-menschlichkeit/
….alle raeder stehen still…,wenn mein starker arm es will…………
.und ick will…………
https://le-bohemien.net/2011/06/23/genug-ist-genug-vernetzt-euch/#more-6953
Da denke ich mal es ist eine gewollte nach Rechtsruck,gelenkt mehr nicht. Was wollen wir mit dem verkommenen nach Rechts oder Links.
Alles Ferngesteuert!
Hoffentlich ist bald Schluss mit dieser Lügerei seitens Berlin und Brüssel
Hessel ist vermutlich selber überrascht, in welchem Ausmaß sein Appell umgesetzt wird. Was nun fehlt ist eine Road-Map, wie der Widerstand gegen die bestehenden Zustände gewinnbringend kanalisiert werden soll. Denn was hilft es, wenn Tausende täglich ihren Widerstand demonstrieren, diese aber von der politischen Kaste konsequent ignoriert werden? Exakter formuliert: Was ist der nächste Schritt???
Wie gesagt…wir Empörten waren in den letzten Monaten und Jahren nicht nur empört sondern haben bereits auch ein dichtes, aber dezentral organisiertes Netz geknüpft. Hier gibts die umfangreiche Liste bisher: https://le-bohemien.net/2011/06/23/genug-ist-genug-vernetzt-euch
Am Fall Koch-Mehrin sehen wir, dass wir an Durchsetzungskraft gewinnen. Jeder kann nun helfen in dem er die Liste mit dem hashtag #vernetzt twittert und bei facebook und auf anderen Kanälen verteilt. Ihr findet in der Liste auch viele Anknüpfungspunkte zum weiter informieren und aktiv werden. Vielen Dank!
Hessel ist im übrigen nicht überrascht. Aber er sagt wir sollen nun nicht mehr aufhören uns zu empören: http://www.publico.es/culturas/383060/stephane-hessel-vuelve-a-la-carga-ya-no-basta-con-la-indignacion
Gerade der hohe Organisationsgrad in Spanien macht mich erstaunen und befriedigt mich zutiefst (von der Mülltrennung bis zur Kinderbetreuung). Ich finde das phantastisch! Ebenfalls die Ausdauer und der (immer noch) weitgehend friedliche Protest. Aber ich bezweifele (noch immer) dass eben auch dieser hochorganisierte Protest etwas entscheidend an den bestehenden Zuständen verändert. National- und EU-Politik werden von Lobbyorganisationen gelenkt und verstehen ihre Aufgabe darin, den Status Quo zu erhalten. Die, die von diesem System profitieren lassen sich dies nicht freiwillig aus der Hand nehmen!
Es bedarf meiner Meinung nach mehr, als noch so gut vernetzter und organisierter Proteste, um die Reichtumsverteilung von Unten nach Oben zu beenden oder gar umzukehren. Selbstverständlich würde ich mich in dieser Einschätzung gerne irren.
Eine Perspektive, eine Vision (und die vielen kleinen Schritte dorthin), die über diese Proteste hinausgeht finde ich aber weder im Eingangstext, bei Hessel, noch in Ihrer Antwort.
Bin ich etwa zu pragmatisch?
Bin seit Jahrzehnten empört als Kind, hat man auf diese ganzen Menschenverachten Strukturen hingewiesen seit dem kann nur gucken wie aus einer Gesellschaft wo Familien, das wichtigste waren zu einer Gesellschaft die hauptsächlich Kinderlos ist.
Da man sich erstmal sich selber versorgen muss da, die meisten die ich kenn Vollzeit arbeiten und trotzdem nicht davon leben können. Also Aufstocker sind weil BRD Löhne in l. 20-30 Jahren gesunken sind ^^ so hat früher als Hilfsarbeiter mehr verdient als jetzt eine Fachkraft *kopschüttel*
Die vernünftige die auf Kinder verzichten, weil man es kein Kind zu muten möchte.
Empört bin das vor 1990 ich Ziele hattte die man damals erreichen konnte, man konnte sich eine Zukunft aufbauen und eine Familie gründen, das Gesundheitssystem war stabil u.v.m
Jetzt ist nichts mehr gegeben, weder Altersvorsage, Gesundheit haste Geld kannste dich behandeln hast keins musste eben leiden, Kinder und Erwachsene die regelmäßig Hunger schieben, Perspecktiven in Deutschland gibt schon lange nicht mehr, das Gerede über Gleichberechtigung in einen Land
wo nur REICHE und dessen Kinder in Chefetagen der Konzerne sitzen.
Der Mittelstand dieses Land erst so großartig gemacht hat, hat fast komplett ausgerottet.
Fachkräfte die zu Hause seit Jahren arbeitslos sind weil FR. Merkel nur Billigkräfte aus Ausland heran zieht.
Ich bin empört über eine Politik die Kinder geistig verhungern lässt, die unseren Eltern fast alles genommen haben was sich 40-50 Jahren aufgebaut haben und die alten Bürger die wei den letzten Dreck mit paar € auskommen sollen.
Empört über eine Gesellschaft die viellllllllllllllllll zu viel gefallen lässt :( Ich hoffe einfach das Menschen diese kranke System endlich stoppen wie viele Millionen Menschen noch drauf gehen???
Wie viele ??? Das man endlich das ausspricht was alle denken ???
Das Elite diese Welt weg gesperrt gehört :)
Es geht nicht um Berlin oder Brüssel! Es ist ein globales Phänomen. Natürlich handeln wir Menschen nur, wenn uns das Wasser bis zum Hals steht, warum sollten wir uns sonst aufregen? Allerdings steht den Menschen das Wasser heute auf der ganzen Erde bis zum Hals! Lokal handeln und global denken. Wir sollten wenigstens in diesem Punkt von den Konzernen und Lobbyisten lernen! Ja, “vernetzt Euch” ist der richtige Weg – weltweit! Endlich über den eigenen Tellerrand hinaus denken.
@Der Duderich Nein, nicht zu pragmatisch…eher noch etwas zu träge…aber das ändert sich wenn sie einfach in die Liste schauen und Anknüpfungspunkte suchen bei denen Menschen längst handeln. Vernetzen ist der erste Schritt. Es wird derzeit an vielen Stellen an der Lösung aller möglicher Probleme gearbeitet. Sie werden aber feststellen, dass es noch viel zu tun gibt. Nicht von irgendjemandem sondern von uns allen. Kommunizieren sie einfach mit den Leuten die bereits arbeiten und bringen sie sich ein.
Ich gebe zu, dass Sie mir sympathisch sind. Aber ihr herumlavieren um eine Antwort erinnert mich (sorry) an Politkerdeutsch. Sie reden vom ersten Schritt, drücken sich aber um die Antwort, wie der 2.,der 3. (…) aussehen soll.
Butter bei die Fisch:
Haben die momentanen Proteste Ihrer Meinung das Potential die bestehenden Verhältnisse nachhaltig zu ändern und die Fleischtöpfe den Profiteuren zu entreißen? Oder braucht es mehr dazu, und, wenn ja, was?
Die Vernetzung findet schon statt und ist auch nicht die Antwort auf jede Frage. Sie sollte es zumindest nicht sein.
Ich werde ihnen keine Antwort geben können. Meine Aufgabe ist es dafür zu sorgen, dass genug Menschen anfangen die richtigen Fragen zu stellen. Die Antwort werden sie dann selbst finden, besser gesagt: Sie werden sie mitformulieren. Sie kennen nun die Kanäle und worum es geht. In einem Wort: Um Demokratie.
Zur Vertiefung Video anschauen: https://le-bohemien.net/2011/06/24/griff-ins-archiv
@Florian Hauschild:
Erstmal danke dafür, dass Sie sich (so geduldig) auf diesen Meinungsaustausch einlassen. Kann/könnte es auch verstehen, wenn Ihnen das langsam leidig wird und Sie (ich biete Ihnen das ‘Du’ an, lieber Florian) nicht mehr auf meine Eingebungen reagieren.
Aber:
Diese (parlamentarische) Demokratie dient doch (momentan) nur dazu, bestehende Verhältnisse zu legitimieren (von wegen “Ihr habt uns doch ‘demokratisch’ gewählt, also schluckt doch bitte, was wir mit eurem Mandat beschließen!”) Wir sog. demokratischen Staaten haben per se keine Demokratie, weil der Wille des Souveräns nicht umgesetzt wird. Es geht und es ging nie um den Willen der Mehrheit. Mehrheitsmeinungen werden von Parteien kolportiert und missbraucht um Stimmen zu fangen. Wird mit diesen Mitteln das Mandat errungen, so wird mit der damit erworbenen Macht weiterhin gegen Mehrheitsverhältnisse regiert. Hüben wie drüben. Bis zur nächsten Wahl und darüber hinaus.
Also, was sind die richtigen Fragen?
Ein Versuch:
Wie hat eine ‘Post-Demokratie’ auszusehen?
Wie ist die Novellierung der Demokratie zu gestalten, dass die Mehrheitsmeinung umgesetzt wird? Wie und mit welchen Mitteln kann diese errungen werden (freiwillig werden bestehende Strukturen nicht aufgegeben werden)?
Ist eine Änderung parlamentarisch oder außerparlamentarisch anzustreben? Können NGO’s eine Änderung erzwingen?
Sind alternative Währungen, die sich marktgläubigen Dogmen entziehen (Zinsen, respektive Wachstumsdiktat) ein Schritt in die richtige Richtung?
Wie hat zielführender ziviler Ungehorsam (über Proteste hinaus) auszusehen?
Wie sind Parallelgesellschaften, außerhalb des Markt- und Wachstumsdiktats zu etablieren?
Die Auseinandersetzung mit solchen und anderen weiterführenden Fragen vermisse ich!
Auch ich freue mich über den breiten Protest in arabischen sowie europäischen Staaten. Ich freue mich über die Vernetzung und über die basisdemokratische Organisation.
Mir fehlt es allerdings an darüber hinausgehende Visionen, mir fehlt es an ein darüber hinausgehendes angestrebtes und formuliertes Ziel. Mir fehlt es an (von mir aus kleinen) Schritten dahin, die über das Dagegen-Sein hinaus gehen. Mir fehlt es an Zielen, die konsequent angestrebt werden.
Der breit gefächerte Widerstand gegen bestehende Verhältnisse ist gut vernetzt und organisiert.
Wir alle wissen WOGEGEN wir sind! Aber WOFÜR sind wir? Wie kommen wir dahin? Schritt für Schritt?
Mir fehlt die Perspektive über die Verurteilung momentan bestehender Verhältnisse hinaus. Mir fehlt die Formulierung einer Vision, die anzustreben ist.
Mit Genugtuung konstatiere ich den Kampf dagegen! Ich warte aber noch auf den Kampf DAFÜR!
@Der Duderich. Ich verstehe Deine Fragen auch sehr gut. Denn (manchmal) sind sie auch meine. Ich stimme auch vollkommen mit Deiner Analyse der jetzigen Situation überein. Auch ich sehe die krampfhaften Versuche aus der Krise herauszukommen, die alle zum Scheitern verurteilt sind, weil sie eben das bestehende System nicht in Frage stellen und keine Alternative anzubieten haben. So müssen alle diese gut gemeinten Ansätze Flickwerk bleiben und letztendlich den Status Quo -wie gewünscht – bestätigen und zementieren.
Ich nehme mir das “Du” einfach heraus, das habe ich mir im Englisch-sprachigen Raum angewöhnt, wo es diese Unterscheidung zwischen Du und Sie nicht gibt und es redet/schreibt sich auch leichter, bitte verstehe das nicht als Respektlosigkeit.
Was ich bei Dir vermisse: Du stellst Fragen nach den Zielen. Du möchtest wissen, wohin die Entwicklung gehen kann. Aber Du gibst selbst keine Antworten.
Was sind Deine Vorstellungen? Was sind Deine Ziele? Wie stellst Du Dir eine “postdemokratische” Gesellschaft vor?
@ Solveigh Calderin:
“Was sind Deine Vorstellungen? Was sind Deine Ziele? Wie stellst Du Dir eine „postdemokratische“ Gesellschaft vor?”
Einleitend meine (subjektive) Zustandsbeschreibung bestehender Verhältnisse:
Innerhalb des Systems “Kapitalismus” sehe ich nicht die Möglichkeit einer Postdemokratie, wie ich sie definiere. Wirtschaftspolitk wird als Menschenpolitk verkauft und synonym kommuniziert. Fortschritt ohne (Wirtschafts-)Wachstum ist hier nicht denkbar. Erwerbsarbeit, so wird argumentiert. ist hier nötig um dem Menschen mit Würde zu versehen. Billiglohnjobs geben dem Erwerbsabhängigen die Existenzberechtigung. Fremdbestimmte Lohnarbeit als Lebenssinn und Selbstverwirklichung. Die, die selbst diese unterbezahlten Jobs nicht bekommen, sind, so sagt man, Sozialschmarotzer, die unsere Gesellschaft belasten. “Müßigang ist aller Laster Anfang”, so der breite Konsens unserer Gesellschaft. Arbeit ist Fetisch und Geld allemal.
Einerseits sehe ich, dass der Kapitalismus sich selbst auffrisst und durch seine immanente Gier (Triebmotor des K.) diesen Prozess sogar noch beschleunigt. Der Kapitalismus stolpert von einer Legitimationskrise in die andere. Ohne Alternative jenseits dieses Dogmas aber werden systemkritische Kräfte auf der Stelle treten.
Die Alternative (jetzt komme ich zur Beantwortung Deiner Frage) sehe ich momentan einzig und allein in der Errichtung einer Gegen-Gesellschaft, ähnlich Christiania. Dazu müsste ein großes Areal erworben werden, in dem sich Menschen ansiedeln, die sich in der Gemeinschaft und unter Berücksichtigung individueller Fähigkeiten und Stärken, weitgehend selbst versorgen. Ein mögliches Zahlungsmittel wäre beispielsweise das gsellsche Freigeld (http://de.wikipedia.org/wiki/Umlaufgesichertes_Geld), ‘Talente’ (Tauschwährung) oder eine noch zu konstruierende Kombination von Beidem.
Diese ‘Parallelgesellschaft’ hätte für mich den Reiz eine Alternative VORLEBEN zu können. Möglicherweise würde sich so eine gewisse Sogwirkung entfalten und somit ein gesellschaftlicher Transformationsprozess ausgelöst werden.
Für weiterführende oder andere Ideen wäre ich sehr dankbar.
Hoffe Deine (oder waren es meine?) Fragen hiermit beantwortet zu haben. :)
@Der Duderich
Deine Zustandsbeschreibung teile ich.
Deine Schlussfolgerung hört sich erst mal sehr gut an, ABER – tut mir leid, dass dieses hässliche Wort kommen muss:
Was Du vorschlägst, haben schon andere probiert:
Erst einige Unternehmen in England, die utopischen Sozialisten im ausgehenden 19. Jahrhundert in England. Sie sind kläglich gescheitert, indem sie von den anderen kapitalistischen Betrieben einfach “gefressen” wurden.
Dann wurde das im so genannten sozialistischen System im Osten probiert, die vom Kapitalismus einfach “gefressen” wurden. Immerhin, sie haben 70 bzw. 40 Jahre dazu gebraucht…
In beiden Fällen wurden die Macht-Haber vorher natürlich erst denunziert, dann per Lügen und Halbwahrheiten der Glaubwürdigkeit beraubt, durch Embargo wirtschaftlich ihrer Kraft beraubt, dann wurden die Bürger mit Glimmer geblendet – und zum Schluss einfach gefressen. Haaammmmm….
Der Happen “Ostblock” liegt “dem Kapital” noch mächtig im Magen.
Seit dem (notwendigen und richtigen) Untergang des Ostblocks zeigt der Kapitalismus/Imperialismus/Finanz-Imperialismus wieder sein wahres Gesicht und möchte am liebsten erneut Zustände wie zum Ende des 19. Jahrhunderts haben. Naja, wenn’s sein muss, auch wie zum Anfang des 20. Jahrhunderts… Es handelt sich hier also keinesfalls um “Neoliberalismus”, sondern einfach um ganz offenen Manchasterkapitalismus. Allerdings ist die treibende Kraft heute nicht mehr die Produktion, sondern ausschließlich die Bankoligarchien.
Ich gebe Dir recht, das heutige Gesellschaftssystem (wie immer Du es nennen möchtest) frisst sich selbst auf, erledigt sich selbst. Ganz ohne Druck von unten wird es aber nicht gehen.
Was, wenn die Proteste, die Rufe nach Humanismus und sozialer Gerechtigkeit weltweit massenhaft erschallen? Bedarf es mehr? Ist es nicht genug? FÜR Humanismus und FÜR soziale Gerechtigkeit FÜR Frieden FÜR ein Umwelt, in der es sich leben lässt, weil sie gesund ist und Nahrung, Kleidung und Wohnung für alle genug hat!
Ich bin viel im englisch-sprachigen Internet und stelle fest: Die Probleme, über die wir hier sprechen, sind kein deutsches oder europäisches. Es ist ein weltweites Problem. Und die Menschen sind weltweit unzufrieden. Dass wir nichts über Proteste in den USA, in Lateinamerika, Asien, Afrika (es gibt sie noch – die Ägypter sind jeden Freitag auf dem Tahrir!) hören, lesen oder sehen, heißt NICHT, dass es sie nicht gibt. Sie werden nur einfach totgeschwiegen. Denn was würde passieren, wenn sich diese Proteste vereinen?
Sie können Lybien, Iran, Afghanistan bombardieren und mit ihren dreckigen Kriegen ein unglaubliches Vermögen zusammenscheffeln. Aber können sie auch die ganze Welt bombardieren?
Nein, ich habe auch keine Lösung in der Tasche. Ich weiß nur, so wie es jetzt ist, geht es nicht mehr weiter.
Die Politiker entlarven sich selbst als Lügner und Betrüger und zeigen so den Zustand unserer Gesellschaft. Der Polizeistaat ist faktisch schon etabliert. Das zeigt die paranoide Angst und Schwäche dieses Systems.
Interessant: Bevor die USA und ihre Verbündeten begannen, Lybien zu bombardieren, haben sich in den befreiten Städten spontan Räte aus Bürgern gebildet, die das tägliche Leben der Stadt organisierten und aufrecht erhielten. Das ging natürlich nicht! Ganz normale Bürger ohne besondere Ausbildung zeigen sich fähig, ihre Geschicke selbst in die Hand zu nehmen… Wo kommen wir denn da hin? Da wurden ganz schnell Schreihälse gefunden, die schrien: “Gaddhaffi bringt uns um, Ihr müsst uns helfen!” Und die USA kam willig (stand sie schon in den Startlöchern??), um ihre dreckigen, atomar ummantelten Bomben abzuwerfen. Das war mit einer neuen Lüge verbunden, denn Barack Obama tönte: Es geht um Tage, nicht um Wochen. Der Krieg gegen Lybien dauert nun schon drei Monate und “ein Ende ist nicht abzusehen.” Wer bezahlt die Kriege? Wir, die Bürger! Die dauernden Kriege sind der wahre Grund für den massiven Sozialabbau der letzten zehn Jahre… und für die permanente Krise, die nur dauernd andere Namen bekommt, damit zwischendurch mal wieder gesund gebetet werden kann…
Wie gesagt, sie können ein Land, zwei Länder, drei Länder, aber nicht die ganze Erde bombardieren!
Für mein Verständnis haben sie den Gummi überspannt und den Druck auf die Menschen zu stark erhöht.
Da ist die Geschichte des WWF dann nur noch ein weiteres Mosaiksteinchen, über das sich wirklich keiner mehr wundert: http://www.youtube.com/watch?v=Jnqg12v4qJQ&feature=share
Entschuldige die Länge meines Kommentars. Ging nicht kürzer…
Ich bin für den Wortlaut unseres Grundgesetzes in der ersten Fassung!
Wobei ich das Wort Würde als Seinsbestimmung betrachte.
Würde ist eben genau der schwammige Begriff den man brauchte.
(Man denkt heute wohl eher an die Würde der höhergestellten Persönlichkeiten – das Volk ist von der Würde ausgenommen!)
Wer bitte kann in einer hierachisch gegliederten Struktur würdevoll existieren, wenn Menschen Macht über Ihn haben, diese Menschen erkennbar falsch handeln, der untergeordnete, das Arbeitsverhältnis nötig habende Mensch dies erkennt, sich erhebt und folglich entlassen wird?
Beispiel, welcher AIPler würde sich trauen, den Abrechnungsbetrug seines Chefs anzuzeigen?
Zumal die Anzeige keine Konsequenzen hätte (ein kleines Bußgeld für die Klinik – vielleicht).
Oh ich vergaß, die Anzeige hätte zur Folge, dass der Handelnde sein Studium umsonst absolvierte, seine Fähigkeiten wären für die Allgemeinheit verloren – da das korrupte System ihn ausscheidet wie Kot.
Im Grunde ist unsere Gesellschaft ein Organismus, der sämtliche würdevollen Menschen verdaut und absorbiert, jene, die sich bis zur letzten Konsequenz würdevoll verhalten, werden auf den Misthaufen der Gesellschaft verbannt.
In anderen Regionen der Welt werden sie getötet, in Mitteleuropa fahren sie Taxi, oder schaffen sich Nischen zum überleben, Ihre Kompetenz ist meist verloren, das Kompetenzfeld bleibt den Opportunisten überlassen!
Ich bin für eine Welt, in der es keinen Verteilungskampf sondern eine solidarische Verteilungsorganisation gibt.
In so einer Welt bräuchte man keine Armeen, vielleicht noch bewaffnete Polizei – wobei – ich denke das wäre auch bald überflüssig.
In so einer Welt würde der Neid verkümmern, die Gier verdorren und Phantasie, Freiheit, Leichtigkeit und Lebensfreude würden an die Stelle von Verbissenheit, Leistungsdruck und Opportunismus treten.
@Der Duderich: Sehr gute Fragen…nur…: Du wartest auf den Kampf dafür, während du ihn längst käpftst. Es ist der Diskurs nach Habermas der letztendlich die Detailfragen klären wird, bzw. längst klärt. So wie hier gerade jetzt und auf zig anderen Seiten und blogs…schau dir die Liste genau an und du wirst sehen was ich meine. Es wirkte bisher nur sehr ungeordnet für viele, da Tiefendiskussionen in der Regel nicht mehr die Massenmedien erreichen…Dennoch finden diese aber statt. Über alles wird längst diskutiert und es werden Lösungen erarbeitet. Man muss die Diskussionen nur finden und sich beteiligen.
Die Mobilisierung auf der Straße dient vor allem dazu diese Themen auf die gesellschaftliche Agenda zu bekommen und auch Menschen ohne Onlineaffinität zu erreichen. Beispiel: Vor 5 Minuten startete ein Flashmob in Köln: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=244956152188044&set=o.210471548985466&type=1&theater
Und diskutiert wird das Problem unter anderem hier: http://www.spiegelfechter.com/wordpress/6323/staatsfinanzierung-als-subvention-des-finanzsektors#comments
…wie du siehst erlaubt uns die digitale Vernetzung eine neue Form der praktizierten Demokratie. Sie ist noch sehr jung aber jeder kann sie stärken indem er/sie sich einfach beteiligt. Generell gilt: Problem erkennen, Problem auf die Agenda setzen, Problem mitlösen. Die Anknüpfungspunkte dafür stehen wie gesagt in der Liste: https://le-bohemien.net/2011/06/23/genug-ist-genug-vernetzt-euch/
Das lernt man wie Fahrradfahren…einfach mal anfangen…anfangs eiert man noch etwas herum aber mit der Zeit findet man sich immer besser zurecht. Es ist unkomplizierter und geordneter als es auf den ersten Blick erscheinen mag.
Im Übrigen findet diese Vernetzung gerade nicht statt weil es so amüsant ist, sondern weil die alten Strukturen aufgrund von systemischen Konzentrationsprozessen derzeit unweigerlich am Zerbrechen sind. Eine Einführung: https://le-bohemien.net/2011/06/10/das-system-krankt/
Mich wundert´s….
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Ist es angemessen, dass etwa 0,5 % der lebenden Menschen vom Trend her versuchen, praktisch sämtliche Macht und sämtliche Resourcen auf sich zu vereinen?
Man könnte es als angemessen erachten, würde diese Minderheit in der Folge dafür Sorge tragen, dass dank Ihrer Umsicht und Intelligenz die Menschheit global befriedigend ernährt und würdig beschäftigt wird.
Mir stellt sich jedoch die Welt so dar, dass diese Minderheit einzig den Sieg im Wettbewerb um die Zugehörigkeit zu jener Kaste auskostet und sowohl mit ihrem Reichtum als auch mit Ihrer Macht töricht verfährt.
Vom Intellekt her betrachtet (natürlich, was maße ich mir da nur an!), sind die Führungskräfte unserer Konzerne und auch unserer politischen Konstrukte keinesfalls angemessen entlohnt, sie verhalten sich nicht anders als der Würstchenverkäufer, der den besten Platz am Ort ergattert hat.
Insofern denke ich sie arbeiten bestenfalls durchschnittlich, haben also auch nicht mehr als einen Durchschnittslohn verdient.
Prinzipiell verdienen sie jedoch das 10 – 500 fache des Durchschnitts.
Wir, die Massen, tolerieren jedoch dieses Prinzip, schließlich sind wir keine besseren Menschen als ein Ackermann oder ein Mubarak – wie auch immer – fast alle von uns würden zugreifen, hätten sie nur die Chance dazu.
Somit leben wir in einer Welt, die uns angemessen scheint – ergo auch die Managergehälter sind angemessen.
Am Rande … chinesische Wanderarbeiter malochen ca. 12 Stunden am Tag – für ca. 70 Cent und eine überdachte Pritsche.
Teilen wir mit Ihnen?
Im Vergleich zu so einem unglücklichen Paria, sind wir die Ackermänner – auch wir hätten die Macht (in der Gruppe hätten wir sie doch sehr wohl) die Dinge zu ändern.
Tun wir es? Tun es die Chinesen, die in den Ballungszentren einen bescheidenen Wohlstand genießen?
Mein Fazit, wir sind ohne Würde, und haben folglich auch keine Achtung verdient – exakt so gehen jene mit der Menscheit um, die es in die Pyramidenspitze geschafft haben.
Es ist angemessen!
Woher also nehmen wir uns das Recht heraus empört zu sein?
Die Empörten sind nichts weiter als die schlechten Verlierer im Verteilungsspiel –
…. und natürlich werden alle kommenden politischen Strukturen in Richtung Despotie optimiert, schließlich bestimmen die Gewinner die Richtung!
Die Proteste in Griechenland, Spanien und anderswo, sie werden verhallen, wie die Empörung, die Verlierer werden – wie in anderen Teilen dieser Welt längst geschehen – in Elendsvierteln vegetieren und die Gewinner Ihren Erfolg “auskosten” – vielleicht darf sich der Durchschnittseuropäer dann besser fühlen, zumindest ist er dann endlich auch selbst zu einem Paria mutiert.
Wer die Welt betrachtet kann es sehen, das I-Net, auch hier diese Worte, sie werden millionenfach getippt – und doch wir erheben uns nicht – wir haben nicht einmal mehr die Ausrede, es nicht gewußt zu haben.
Wir sind informiert, wir sind träge und letztenendes hängen wir am Leben, egal wie erbärmlich und würdelos es sein mag – solange die Bewaffneten bezahlt werden, erschießen sie jeden der das Establishment angeht – ein Witz, dass wir sogar selbst die Steuern zahlen für jene, die uns am Ende wieder von den Straßen treiben.
Ich verzettel mich…. sorry…. hör schon auf……
Die Tatsache, dass man jahre- oder jahrzehntelang gepennt hat oder zu bequem war, mal mitzudenken und Konsequenzen zu ziehen, heisst doch nicht, dass es deshalb weiter so bleiben muss! Erkenntniss ist der erste Schritt zur Besserung! Diese Erkenntnis und Wut schwelt schon lange in den Köpfen und Herzen von millionen Menschen. Nur war sie bisher immer begleitet von dem Ohnmachtsgefühl des Einzelnen. Die Tatsache, dass der Protest an der Puerta del Sol in Madrid eine derartige Woge der Beteiligung auslöste, ist der Beweis dafür. Für tausende und abertausende, die sofort mitmachten, war es die Erfüllung eines langehegten Wunsches, oder besser gesagt eines lang unterdrückten Bedüfnisses.
Und nun endlich, endlich wachen immer mehr Leute auf und erkennen, dass es erstens so nicht weitergehen kann und zweitens man gemeinsam sehr wohl etwas – oder viel – verändern, verbessern und erreichen kann! Jemand hier im Forum fragte nach dem nächsten Schritt. Der nächste Schritt ist, dass jeder einzelne in seinem Umfeld für die flächendeckende Verbreitung dieser Tatsachen sorgt, nicht nur im Netz, sondern auf allen Ebenen. Je mehr Menschen öffentlich deutlich machen, dass sie keinen Moment länger gewillt sind, Spielball der Banken, Grosskonzerne und Politiker zu sein, desto mehr werden genau diese in die Enge getrieben. Wenn die breite Masse die Spielregeln nicht mehr akzeptiert, bleibt den 5 Hanseln, die sich als Fadenzieher betätigen, gar nichts anderes mehr übrig, als sich auf einen Dialog einzulassen.
Ich schreibe aus Spanien, falls du´s noch nicht gemerkt hast :) Hier läuft die Bewegung vom 15.Mai (Movimiento 15M) beispielhaft. Die Medien versuchen, es totzuschweigen. Die Polizei versucht, auf Anordnung der Politiker, die Demonstierenden zur Gewaltätigkeit zu provozieren, ohne Erfolg! Sie müssen klein beigeben und abziehen…Es würde zu weit führen, jetzt Einzelheiten zu berichten. Geh mal in die Seite http://www.echte-demokratie-jetzt.de und auch http://www.democraciarealya.es
Ein anderes Beispiel dafür, wie man etwas politisch ändern kann, findest du bei http://www.n-tv.de/politik/dossier/Kleine-Revolution-in-Island-article49448.html
Für alle, die dieses Forum lesen, informiere ich schon mal: Für den 15 Oktober ist weltweit eine Kundgebung aller “Empörten” dieser Welt angesagt. Informiert Euch! Organisiert Euch! Schliesst Euch anderen an!
In diesem Forum wurde auch erwähnt, dass die “Unión”, die “Einheit” zwischen den Kämpfern fehlt. Das ist teilweise sehr richtig. Wo diese Einheit fehlt, muss sie hergestellt werden! Das ist wieder einmal die Aufgabe eines jeden einzelnen! Hier muss Überzeugungsarbeit geleistet werden, um die Leute aus ihrem Phlegma zu holen! !EL PUEBLO UNIDO; JAMÄS SERÄ VENCIDO! (Das vereinte Volk wird niemals unterliegen!)
Schade, dass Kommentare nicht geweetet werden können… Ich stimme Dir absolut zu. Ja.
@ Solveigh Calderin:
„Was sind Deine Vorstellungen? Was sind Deine Ziele? Wie stellst Du Dir eine „postdemokratische“ Gesellschaft vor?“
Einleitend meine (subjektive) Zustandsbeschreibung bestehender Verhältnisse:
Innerhalb des Systems „Kapitalismus“ sehe ich nicht die Möglichkeit einer Postdemokratie, wie ich sie definiere. Wirtschaftspolitk wird als Menschenpolitk verkauft und synonym kommuniziert. Fortschritt ohne (Wirtschafts-)Wachstum ist hier nicht denkbar. Erwerbsarbeit, so wird argumentiert. ist hier nötig um dem Menschen mit Würde zu versehen. Billiglohnjobs geben dem Erwerbsabhängigen die Existenzberechtigung.
Fremdbestimmte Lohnarbeit als Lebenssinn und Selbstverwirklichung. Die, die selbst diese unterbezahlten Jobs nicht bekommen, sind, so sagt man, Sozialschmarotzer, die unsere Gesellschaft belasten. „Müßigang ist aller Laster Anfang“, so der breite Konsens unserer Gesellschaft. Arbeit ist Fetisch und Geld allemal.
Einerseits sehe ich, dass der Kapitalismus sich selbst auffrisst und durch seine immanente Gier (Triebmotor des K.) diesen Prozess sogar noch beschleunigt. Der Kapitalismus stolpert von einer Legitimationskrise in die andere. Ohne Alternative jenseits dieses Dogmas aber werden systemkritische Kräfte auf der Stelle treten.
Die Alternative (jetzt komme ich zur Beantwortung Deiner Frage) sehe ich momentan einzig und allein in der Errichtung einer Gegen-Gesellschaft, ähnlich Christiania. Dazu müsste ein großes Areal erworben werden, in dem sich Menschen ansiedeln, die sich in der Gemeinschaft und unter Berücksichtigung individueller Fähigkeiten und Stärken, weitgehend selbst versorgen. Ein mögliches Zahlungsmittel wäre beispielsweise das gsellsche Freigeld (http://de.wikipedia.org/wiki/Umlaufgesichertes_Geld), ‘Talente’ (Tauschwährung) oder eine noch zu konstruierende Kombination von Beidem.
Diese ‘Parallelgesellschaft’ hätte für mich den Reiz eine Alternative VORLEBEN zu können. Möglicherweise würde sich so eine gewisse Sogwirkung entfalten und somit ein gesellschaftlicher Transformationsprozess ausgelöst werden.
Für weiterführende oder andere Ideen wäre ich sehr dankbar.
Hoffe Deine (oder waren es meine?) Fragen hiermit beantwortet zu haben. :)
Wenn ich mal einen Versuch wagen darf, wie ich mir eine «postdemokratische» Gesellschaft vorstelle, so dürfte diese kein «System» sein, verbunden mit einer wie auch immer gearteten Ideologie. Denn diese macht das Denken auch nur wieder quadratisch (praktisch, gut …). Es gibt kein Rezept, das man der Wirklichkeit einfach überstülpen kann, und dann wird alles gut.
Doch was gewiss ist: Die postdemokratische Gesellschaft rechnet – von mir aus gesehen – mit dem freien Denken des Menschen. Das heisst, alles was damit zusammenhängt, unter anderem Schule, Forschung, überhaupt das ganze Kulturleben, stünde weder im Dienste der Wirtschaft noch im Dienste des Staates – weil sonst das freie Denken des Menschen wieder nur instrumentalisiert, missbraucht würde (und demzufolge kein freies Denken mehr wäre). In der postdemokratischen Gesellschaft wäre zudem Staat (Rechtsleben) und Wirtschaft nicht miteinander verbandelt, sondern zwei unabhängige Sektoren der Gesellschaft. Die Wirtschaft hätte die Aufgabe, die Menschen mit dem Lebensnotwendigen zu versorgen. Was lebensnotwendig ist, und zu welchem Preis und unter welchen Bedingungen dies produziert würde, wäre ein Prozess der gegenseitigen Abstimmung zwischen Konsumenten und Produzenten (und Verteiler/Zwischenhändler). Das nennt sich assoziative Wirtschaft und wird zum Teil schon heute praktiziert. Die Wirtschaft bekäme so ein «brüderliches» Element. Der Staat wäre hauptsächlich um das Rechtsleben besorgt, wo die Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz garantiert wird.
Wir hätten dann die Ideale der Französischen Revolution wieder aufgenommen: Freiheit für das Kulturleben (und bestimmt nicht im Sinne der (Neoliberalen für die Wirtschaft), Gleichheit vor dem Recht und Brüderlichkeit im Wirtschaftsleben – was man sich heute eigentlich gar nicht mehr vorstellen kann, ist doch die Wirtschaft völlig vom Egoismus durchtränkt. Trotzdem ist im Wirtschaftlichen das Brüderliche offensichtlich angelegt, z.B. im Gewerbe: Ich stelle meine ganzen Talente, mein ganzes Können in den Dienst meiner Kunden/Abnehmer – immerhin!
Das klingt jetzt vielleicht alles wieder nach einem System, nach einer Ideologie, ist es aber meines Erachtens nicht, sondern eine Betrachtungsweise, eine Art geschärfter Blick auf die Wirklichkeit – den ich übrigens nicht selbst erfunden habe, der mir aber sehr einleuchtet und Sinn gibt, trotz kritischen Hinterfragens. Näheres dazu auf meinem Blog:
http://walbei.wordpress.com/2010/12/01/die-idee-der-sozialen-dreigliederung/
Und zum assoziativen Wirtschaften:
http://walbei.wordpress.com/2010/12/21/anders-wirtschaften-assoziativ-wirtschaften/
Ah ja, bevor ich es vergesse: Auch das bedingungslose Grundeinkommen gehört von mir aus gesehen zur «postdemokratischen» Gesellschaft. (Warum eigenlich «postdemokratische» Gesellschat? Ist in dieser vorgesehen, die Demokratie abzuschaffen? ;-)
zu: “Schade, dass Kommentare nicht geweetet werden können… Ich stimme Dir absolut zu. Ja.”
Wir sind derzeit noch auf wordpress.com und haben daher nur eingeschränkte Erweiterungsmöglichkeiten. Falls ein ITler helfen könnte ein Bewertungssystem für Beiträge zu bauen oder auch tweet-Funktion für Kommentare, einfach melden. Vielen Dank.
“Wichtig ist, dass die Politik in den bejahenden Teil des Lebens Einzug hält, dass sie sich als eine Kreation vorschlägt. Erst dann ist sie wirklich dauerhaft” http://www.youtube.com/watch?v=vkDn2_7Wo2I&feature=related
Haha, geht doch!!!
https://le-bohemien.net/2011/06/27/zuruck-zur-utopie/
:)))
Ein Risentheater ist dass. Alle gehen auf die Strasse und empören sich. Dabei wäre es so einfach. Einfach aufhören zu konsumieren. Wenn das alle machen würden, wäre das System am Ende.
@Juno: “Wenn das Wörtchen wenn nicht wär, wär mein Vater Millionär”
Außerdem MÜSSEN wir konsumieren. Mindestens für die Grundbedürfnisse: Essen, Wohnung, Kleidung und in unseren Breiten ist auch Heizung notwendig. Wie soll Dein Vorschlag praktisch aussehen? Wir verhungern, verdursten und erfrieren alle, damit “das System” zu Grunde geht??
Uff!, solch einen gewichtigen Thread in einem öffentlichen Forum habe ich noch nie gelesen. Respekt. Soviel gelesene Einsicht, soviel dargebotene Vernunft und ganz offensichtlich viel zu spürender guter Wille und die richtigen Emotionen, man hat plötzlich das schöne Gefühl, da ist man doch – wie auch immer – mit Sicherheit nicht allein. Also bleibt mir kaum etwas zu sagen, die Gefahr, vor den VorrednerInnen zu versagen ist gross, das neigt prima facie zum Schweigen. Doch wenn alle schwiegen, …
Der Anfang einer jeden Rede ist immer das entscheidende, das weiss ein jeder der schreibt: ein falscher, ein unfruchtbarer Anfang, einer, der sich nicht im Sinne des Gewollten und letzt Gemeinten entfalten lässt, und schon ist man – gerade in den eigenen Augen – gescheitert. Ich fange einmal hier und jetzt, (schon morgen denke ich vielleicht ein wenig anders) einfach an:
Wenn ein ordentlicher Wissenschaftler eine Entdeckung gemacht hat und/oder eine passende Idee dazu gefunden hat, wird er sich sofort fragen: was spricht – aus seiner eigenen, strengen Sicht — dagegen. Von der griechischen Polis (nicht vergessen: es war eine Sklavengesellschaft!) und ihrem Demokratiegedanken bis heute, auch und gerade über den Angelpunkt der Französischen Revolution hinweg, haben die Menschen, die vor uns gelebt haben, doch den Staatsgedanken und den Demokratiegedanken (Hobbes, Rousseau, Toqueville, Marx nach Hegel, Habermas nach allen vor ihm, Luhmann nach Habermas) als den Gesellschaftsgedanken gedreht und gewendet, dass man meinen sollte, der Festspiess ist schon vollkommen leer und der Gedankenbraten verkohlt und nicht mehr geniessbar. Dem ist aber nicht so: Der Möglichkeitsochse ist noch vollkommen frisch, es könnte heute wie zu einer jeden Zeit vor uns losgehen, die Frage ist eben nur das Rezept, (welches Feuer, welche Gewürze und: wer darf drehen und wie lange).
Der Letzte in der genannten – viel zu willkürlich kurzen – Reihe hat einerseits durch seine Gedanken Öl gegossen ins Debattenfeuer, (viel haben noch nicht hingehört, weil sein Vorgänger, Habermas, so weltberühmt ist als deutscher Grossdenker), aber Luhmann hat – “guter Geist ist trocken” – auch die oft allzu hoch schiessenden Empörungsflammen durch ein paar gedankliche Wassergüsse klein gehalten. Die vorschnellen Kritiker haben ihn deshalb als den konservativen Sozialtechniker eingestuft. Ich meine aber, und bin dessen sicher, dem ist nicht so.
Das so viele Empörende: Luhmann bringt Gesellschaft (einschliesslich Politik und Politologie) knallhart zur Deckung mit Evolution. Mal ganz verkürzt und zunächst bildlich: Wo Bäckerhefe und Amöben sind, kann niemand, kann niemand Dinosaurier, Wirbeltiere, Affen oder gar Menschen MACHEN! Das Kann eben nur die Evolution, und die ist – von uns aus gesehen – bockig, unlogisch, macht Sprünge, vergisst viel oder lässt es verkümmern, sie neigt auch zu Phantasterein (Riesengeweihe), und kurz und gut: sie ist unberechenbar!
Der coole Luhmann – Gott habe ihn selig – ist nun vollkommen überzeugt, dass diese Evolution, die einwandfrei die Biologie beherrscht, (bis hin zum Menschen), auch das harte und durch nichts unmittelbar zu beeinflussende Gesetz ist auch für die Gesellschaft. Ich lasse seine Theorie hier einmal ganz weg, (und meine 55 Bücher, die ich von ihm habe, ganz geschlossen). Wenn Gesellschaft nur Kommunikation ist und nichts weiter, wenn die Menschen – zu ihrem Heil! – nicht an eine bestimmte Gesellschaft gebunden sind, WEIL sie – nach Luhmann in der Umwelt der Kommunikationsgesellschaft leben und so vor sich hin reden und handeln, und wenn dann diese Kommunikation(sgesellschaft) der Evolution ausgeliefert ist, dann wird ZEIT zur entscheidenden Ressource: Es geht nie alles, und – viel schlimmer – es geht nie alles auf einmal! Was die gesellschaftliche Kommunikation heute sagen kann (nicht “darf”, sie darf alles – Meinungsfreiheit – aber nicht alles macht zu allen Zeiten auch Sinn), damit aus diesem Sagen auch ein TUn werden kann, all dies mögliche Sagbare muss “passen”, es muss “anschlussfähig sein (in der Politik UND bei den Massen). Revolutionäre Plausibilität allein kann da nicht genügen! Ideen kann man viele haben, sie müssen sich “hier und jetzt” (hic et nunc) auch verwirklichen lassen, ohne das mit diesen Ideen Erreichbare nicht schlimmer werden möge wie das durch sie Veränderte; (siehe den Alleserlöser Atomkraft und seinen von der Wirtschaft – oder von seiner eigenen Phantasie – bestochenen FKS). Es gelten hier so vieldeutige (und damit auch schreckliche) Sätze wie: “Alles Gesagte kann allemal auch anders gesagt werden”, oder: in der gesamtgesellschaftlichen Kommunikation “zählt ein jeder Fluch der Ruderer in den Galeeren”, (aber welcher speziell, und auf welcher aktuellen Galeere gerade?). Es ist also – wie schon der Volksmund sagt, “nicht so einfach”, denn die Gesellschaft und ihre Probleme sind im allertiefsten Sinne des Wortes und Begriffes (auch im mathematischen Sinne der Chaostheorie und ihrer Fraktale): KOMPLEX, und das heisst abrupt, grausam und durchaus unmenschlich: diese Probleme sind nicht planbar, diese Gesellschaft ist nicht steuerbar, es heisst durchaus: niederknien vor der Evolution, aber immer menschlich optimistisch und phantasiereich wachsam und unerschütterlich bleiben, denn: wenn alles (Gesagte) auch anders sein kann, dann kann die auf das menschliche Sagen beruhende Gesellschaft auch (in eine jede Richtung hin) anders gestaltet werden: aber leider nicht durch ein Hauruck-Machen, auch nicht durch “Konsens” (armer Habermas), weil die Gesellschaft, sprich Kommunikation, nun einmal – wegen der Sprache, die IMMER zu allen auch NEIN sagen kann – “Dissens” ist, also fruchtbarer ewiger demokratischer STREIT.
Deshalb hatten die verrückten 68er in einem gewiss recht: Lasst uns jetzt und immer über alles reden, auch über die angeblichen Staatsgeheimnisse der Herrschenden!
RKS.