Brandredner

Renaissance der rechten Populisten

Von Sebastian Müller

Zeiten der Krise treiben seltsame Blüten. Und auch die Krise unserer Zeit, die mit einem Sinken des allgemeinen Wohlstandes und einer unsicheren Welt breit gefächerte Ängste bis in die Mitte der Gesellschaft trägt, bringt wieder ganz besonders unansehnliche Triebe zum Vorschein. Wenn diese aufblühen, und das tun sie momentan überall, spucken diese Blüten Gift und Galle.

Während international die legitime Kritik an unserem Wirtschaftssystem wächst, formiert sich parallel eine rechtskonservative Allianz als Gegenbewegung, die den bisher meist nüchternen politischen Dissens zwischen Linken, Liberalen und gemäßigt Konservativen um eine neue, radikale und unversöhnliche Dimension erweitert. Es ist ein Trend, oder besser gesagt ein Geschwür, das heutzutage rechte und neokonservative Brandredner ungeahnte Aufmerksamkeit und Resonanz erfahren lässt.

In den USA haben rechtsextreme und religiös-fundamentalistische Apologeten schon länger einen beispiellosen und beängstigenden Aufwind. Beängstigend auch deshalb, weil sie, wie unseriös sie sich auch präsentieren, vor allem in den USA durchaus ernst genommen werden. Beängstigend ignorante Politiker wie Sarah Palin und die ihrer konservativen Gesinnung nahe stehende Bürgerbewegung “Tea-Party” sind einflussreich wie nie zuvor. Das rechtskonservative politische Lager vollzieht einen weiteren Rechtsruck. Mit unsäglichen Diffamierungskampagnen jenseits jeder demokratischen Streitkultur attackieren sie den Präsidenten Barack Obama.

Es ist ein Populismus, der die Ängste der Menschen weckt und manipuliert. Populäre Blogger wie Andrew Breitbart, der als Mann in die Geschichtsbücher eingehen will, der die amerikanische Linke besiegt hat, oder rechte Fernsehsender wie Fox News flankieren die Bewegung der Tea-Party und schockieren mit Nachrichten, die mit dem Begriff Information nichts mehr zu tun haben: “Obama in Verbindung gebracht mit radikaler Untergrundgruppierung”, oder Obama sei ein Muslim und Terrorist.

Die fundamentalistische Rechte schafft es, sogar die etablierten Medien vor sich her zu treiben. Allesamt schießen sie sich auf Obama und alles, was sie mit ihm verbinden, ein: gegen staatlichen Interventionismus, “Sozialismus”, die Gesundheitsreform, die Schwarzen und gegen die Bedrohungen einer multiethnischen Gesellschaft, die die USA schon längst sind. Nirgendwo sonst dürfte eine Gesellschaft bis in ihre Mitte hinein so bedenklich aufgepeitscht und hysterisch sein wie in den USA. Acht Jahre George W. Bush haben ihre Spuren hinterlassen.

Doch auch in Europa sind Ressentiments gegenüber den Schwächsten der Gesellschaft und Fremdenfeindlichkeit – jenseits rechtsextremer Splitterparteien – wieder hoffähig geworden. Die Attacken richten sich gegen den Sozialstaat und nicht zuletzt gegen die demokratische Grundordnung. Dabei handelt es sich meist weniger um fundierte Kritik, sondern um plumpe Angstmacherei und Manipulation.

Beim Namen kann man zum Beispiel den niederländischen Politiker Geert Wilders oder den “Sozialdemokraten” und Mitglied des Bundesbankvorstandes Thilo Sarrazin nennen. Sarrazin hat nun seinen regelmäßigen unqualifizierten Beiträgen – mit denen er jedesmal zielsicher Schlagzeilen macht – ein Sahnehäubchen aufgesetzt: Sein Buch “Deutschland schafft sich ab. Wie wir unser Land aufs Spiel setzen” wird von Wolfgang Lieb zu recht als sozialdarwinistische Infamie betitelt. Dem auflagenstärksten deutschen Scharfmachermedium, der Bildzeitung, kommt das Buch aber wie gerufen. Das rechtspopulistische Hetzblatt bezeichnet Sarrazin nun als “Klartext-Politiker” und druckt in einer Serie besonders reißerische Auszüge dieses Werkes.

Auch in der deutschen Blogosphäre kann man es mit stumpfen, simplen und rechten Kommentaren weit bringen. Das
beweist unter anderem der Blog Fact – Fiction, der sich mit regelmäßigen, von Beschimpfungen durchsetzten 4 – 5 Zeilern einbildet, über “Politik – Presse – Geschichte – Zeitgeschichte” zu berichten, damit aber außerordentlich erfolgreich fährt. Seit seinem etwa zweieinhalb-jährigen Bestehen durfte sich der Betreiber über mehr als 6 Millionen Besucher freuen.

Auffallend gut vernetzt in der Blogosphäre ist eine besonders fundamentalistische, rechtsextreme und israelhörige, ja sektenartige Gruppierung: Die Antideutschen. Als genuin deutsches Phänomen seit der Wiedervereinigung entsprang diese, durchaus als weltanschauliche Psychopathie zu bezeichnende Strömung, aus dem linken Spektrum (mit dem sie aber inhaltlich nichts mehr gemein hat). In Blogs wie Lizas Welt betreiben sie Propaganda für die israelische Kolonisations- und Apartheidspolitik. Wie andere rechte Ideologen (v.a. die Neokonservativen) betrachten Antideutsche den Terrorismus als hauptsächlich islamisch-arabisches Phänomen und sehen in ihm eine Bedrohung der “alliierten westlich-freiheitlichen Welt”. Israel wird in diesem simplen wie abstrusen Weltbild als Schutzwall gegen den Islam, Faschismus und Antisemitismus verklärt, ohne zu begreifen, das gerade Israels den Palästinensern gegenüber faschistische Politik den Antisemitismus weltweit nährt. Demzufolge wittern die Antideutschen – fanatisch-krankhaft – hinter jeder Ecke eine antisemitische Verschwörung.

Wenn man schon von Israel spricht, lässt sich auch dort ein erstarken der rechtsextremen und religiös-fundamentalistischen Kräfte und ein Niedergang der sozialdemokratischen Arbeitspartei beobachten. Höhepunkt dieser Entwicklung ist die aktuelle Regierung Netanjahu/ Liebermann. Gerade der Hardliner Avigdor Liebermann ist Islamophob und macht keinen Hehl aus seiner rechtsextremen, den Friedensprozess ablehnenden Gesinnung. Eine Traumregierung für die Antideutschen, die diesen Mann auf Lizas Welt hofieren. Dabei nennen selbst israelische Medien und Politiker Liebermann z.T. rassistisch, rechtsradikal und faschistisch und vergleichen ihn mit Jörg Haider, Christoph Blocher, Jean-Marie Le Pen, Vadim Tudor und Anto Đapić. Einige Kommentatoren meinen, dass sich Liebermann mit seinen Ansichten in Israel durchaus im Rahmen des politischen „Mainstreams“ bewege. Nur fünf Abgeordnete der Arbeitspartei stimmten gegen die Aufnahme von Liebermann und seiner Partei in die Regierungskoalition.

Wie gezeigt, wuchert rechtes und fundamentalistisches Gedankengut in verschiedenen Auswüchsen derzeit besonders dicht und erfolgreich – in den westlichen Gesellschaften. Die Feinde dieser sich nur in ihrer Darstellungsform differenzierenden, zynischen Ideologen sind aber die selben: Aufklärung, Gerechtigkeit und Gleichheit, demzufolge alles, was einer fundamental-libertären Lebensauffassung sowie westlicher Hegemonial- und Ausgrenzungspolitik im Wege steht.

Die Frage die sich hier für linke, linksliberale oder wertkonservative Menschen stellt, ist, ob man diese Auswüchse als irres, lediglich in Krisenzeiten entstehendes Gewäsch ignorieren (bei den Antideutschen als ideengeschichtlich bedeutungslose Idiotie kann man dies getrost tun), oder aber diese Bewegungen medial und politisch bekämpfen sollte. Das extremistische Populisten und rechte Gruppierungen jeder Art für eine soziale Demokratie zur Bedrohung werden können, beweist zumindest die Geschichte.

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4 Kommentare zu "Brandredner"

  1. ledig sagt:

    Haha! Sehr gut!

    Seit ihrem ersten Auftauchen in den neunzigern und nennenswerten Einsichten und Kritiken summiert sich unter “antideutscher Kritik” heute vielmehr eine Gruppentherapiesitzung ohne Therapeuten, als echte politische oder gar emanzipatorische Ansätze. Das ganze Phänomen kann man nicht anders als rechtsextrem bezeichnen; wie lange wird die Linke diese Wahnsinnigen noch beherbergen ohne dass es mal zu einem Bruch oder einer offenen Aussprache kommt?

  2. @ledig

    Das ist tatsächlich die Frage, die sich die Linke stellen muss. Antideutsche Gruppierungen wie “BAK Shalom” sind ein trojanisches Pferd innerhalb der linken Bewegung und Partei. Genausogut könnte man da einen Arbeitskreis NPD oder FDP beherbergen!

  3. ebook leser sagt:

    Eine bessere und vor allem kostenlose Werbung für sein neues Buch kann sich Sarrazin gar nicht wünschen. Wenn das so weitergeht, dann kennt es auch der letzte in unserem Land. Zugegebenermassen habe ich es noch nicht gelesen und kann also nicht mitsprechen, allerdings wird man es lesen müssen um sich aus erster Hand eine Meinung zu bilden und das Buch entsprechend beurteilen zu können.

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