Wege zur Öffentlichkeit

Zum Kongress Öffentlichkeit und Demokratie in Berlin mit Oskar Negt und Konstantin Wecker

Der Zustand der politischen Öffentlichkeit löst ein Unbehagen aus, das Oskar Negts These der “unterschlagenen Wirklichkeit” gut beschreibt. Die veröffentlichte Meinung wird nach wie vor von großen Parteien und Verbänden beherrscht. Dass diese Dominanz nicht in Frage gestellt wird, liegt auch an der Krise der Massenmedien als “vierte Gewalt” und an der Krise des kritischen Journalismus. Der Konzentrationsprozess der Medien ist so weit vorangeschritten, dass in vielen Regionen Pressemonopole bestehen. Der Druck von Anzeigenkunden auf die Redaktionen steigt. Teilweise schränken Sparmaßnahmen und repressiver gewordene Produktionsbedingungen die innere Pressefreiheit ein. Die etablierte Öffentlichkeit und insbesondere die kommerziell ausgerichteten Massenmedien tragen eher zur Apathie als zur Aktivierung bei. Öffentlich-rechtliche Medien passen sich der privaten Konkurrenz an. Den Beschränkungen der “vierten Macht” steht das subtile oder auch offene Wirken von Spin doctors und PR-StrategInnen gegenüber, die sich rühmen, beliebige politische Inhalte in den Massenmedien unterbringen zu können.

Auf lokaler Ebene kämpfen kritische Initiativen häufig mit Ignoranz. Sie haben Probleme, öffentliche Diskussionen und die Selbstermächtigung der Bürger anzustoßen. Wenngleich insgesamt zu Optimismus wenig Anlass zu besteht, so deutet doch nicht alles in Richtung einer Zerfallsgeschichte der politischen Öffentlichkeit.

Vor diesem Hintergrund, und am Rande dieser so oft zitierten unkritischen und gleichgeschalteten Öffentlichkeit, formiert sich intellektueller, teils prominenter Widerstand. Unter dem Aufruf „Schafft eine demokratische Öffentlichkeit“ wird vom 1. bis 3. Oktober in Berlin ein wissenschaftlicher Kongress mit dem Namen Öffentlichkeit und Demokratie stattfinden.

Was vor zwei Jahren noch eine Idee von zwei Hochschullehrern war, hat sich seitdem zu einer Initiative von Professoren, Journalisten und kritischen Medienrezipienten entwickelt. Hinzu kamen verschiedene Organisationen (wie gewerkschaftsnahe Stiftungen), Gruppen und Einzelpersonen, die sich um den Zustand der bundesrepublikanischen Öffentlichkeit sorgen. Dazu gehören unter anderem der Betreiber der Nachdenkseiten, Albrecht Müller, der Liedermacher Konstantin Wecker sowie der bereits erwähnte, renommierte Soziologe und Publizist Oskar Negt, die sich schon seit längeren mit der Krise der Medien als „vierte Gewalt“ beschäftigen.

Auf dem Kongress soll in Vorträgen, Arbeitsgruppen und Diskussionen die aktuelle Lage in den verschiedenen Bereichen von Öffentlichkeit analysiert und nach Alternativen geforscht werden. Auch eine Auseinandersetzung mit neuen Formen der Öffentlichkeit, wie das noch verhältnismäßig junge Phänomen der Blogosphäre, wird wohl eine Rolle spielen. Der Kongress soll nicht zuletzt der Initiator einer vernetzten, kritischen Plattform der Gegenöffentlichkeit werden, die bisher noch fehlt.

Auf der Webseite des Kongresses www.oeffentlichkeit-und-demokratie.de können sich Interessenten anmelden.

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2 Kommentare zu "Wege zur Öffentlichkeit"

  1. h-p Köhn sagt:

    Hallo Team,

    der Link >Auf der Webseite des Kongresses “www.oeffentlichkeit-und-demokratie.de” können sich Interessenten anmelden. <funktioniert nicht ( Mozilla) !

    Danke für Eure Initiative. Sehr interessant.

    Grüße
    h-p

  2. Danke für den Hinweis, der Fehler wurde behoben.

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