US-Krieg in Afghanistan
Außer Spesen nichts gewesen?

10 Thesen zum Kriegszweck, seinem Verlauf und seinen trostlosen Resultaten in Afghanistan

Afghanistan

Foto: Marines / flickr / CC BY-NC 2.0

Von Rainer Schreiber

Afghanistan ist der Presse nur noch selten eine Notiz wert; alles geht gewohnten Gang. So war kürzlich zu lesen:

„Bei einem Autobombenanschlag im Zentrum von Kabul sind mindestens acht Menschen getötet und 198 Personen verletzt worden. Die Bombe sei in einem Lastwagen in der Nähe eines Armee-Geländes detoniert, sagte der Polizeichef der afghanischen Hauptstadt, Abdul Rahman Rahimi (…)
Die Gewalt in Afghanistan hat in diesem Jahr noch einmal deutlich zugenommen. Nach Angaben der Vereinten Nationen sind allein in den ersten sechs Monaten 2015 fast 5000 Zivilisten getötet oder ver-wundet worden. Die Uno machte die Taliban und andere Aufständische für 70 Prozent der zivilen Opfer verantwortlich.“ (SPIEGEL online vom 07.08.2015)

Nichts scheint sich nach 14 Jahren Afghanistan-Krieg der USA und ihrer Verbündeten geändert zu haben: Der Terror geht mit unverminderter Härte weiter; die Taliban sind keineswegs besiegt, sondern melden sich mit permanenten Anschlägen auf der politischen Bühne zurück – wenn sie denn jemals weg waren. Und noch immer ist Afghanistan der Hauptproduzent des Schlafmohns, aus dessen Milchsaft in den Drogenlaboren der weltweit agierenden Mafia-Banden Rohopium gewonnen wird.

Warum und wie kam dieses trostlose Kriegsresultat zustande? Immerhin setzte die führende Militärmacht des Planeten ihr modernstes Kriegsgerät ein, schickte tausende von Soldaten in das unwegsame und rückständige Bergland und sparte schon zu Kriegsbeginn nicht mit Bombardements:

„Die Vereinigten Staaten bombardierten Ziele in ganz Afghanistan mit Marschflugkörpern, Kampfflugzeu-gen und B-2-Langstreckenbombern. Die Angriffe dauerten 44 Stunden und stellten damit die bis dahin längste Einzeloperation der amerikanischen Luftstreitkräfte dar.“

Nach fast eineinhalb Jahrzehnten Krieg sind ca. 3.500 tote Soldaten der westlichen Kriegskoalition, darunter 54 Deutsche, zu beklagen; von der Zahl der afghanischen Toten spricht schon lange keiner mehr. Unzählige Afghanen haben in den letzten Jahren ihr ruiniertes Land verlassen. Von stabilen staatlichen Strukturen, „Demokratisierung“, wirtschaftlichen Alternativen für die Opium-Bauern und allem, was so in diversen Debatten auf-gebracht wurde, ist weit und breit nichts zu sehen. Dies wirft natürlich die Frage auf: Ging es darum überhaupt? Andersherum: Welche Kriegsziele verfolgten die USA und ihre Verbündeten, wie nahmen sie das Land wahr und wie gingen sie vor?

Der Misserfolg der USA beruht auf mehreren Faktoren:

1)

Der negative Kriegszweck der USA bestand darin, zu verhindern, dass Afghanistan weiterhin eine “Brutstätte” und ein Aufmarschgebiet des antiamerikanischen islamistischen Terrors darstellen kann. Dabei stellte sich den Amerikanern nie die Frage, ob Afghanistan tatsächlich das war, wofür es gehalten wurde: Schließlich kam keiner der Attentäter von „Nine Eleven“ aus dem zentralasiatischen Staat, sondern ausgerechnet aus Saudi-Arabien, einer radikal-religiösen Diktatur, die sich dank Ölquelle zum steinreichen „Groß-Investor“ in punkto US-Kapitalismus und zum anti-iranischen Vasallen der USA entwickelt hatte, weshalb es auch niemals auf der Liste der suspekten Staaten landen sollte. Die Taliban waren hingegen eher an der religiös-moralischen Drangsalierung ihrer eigenen Bevölkerung interessiert.

Noch Jahre zuvor hatte man mit Ihnen über eine Pipeline verhandelt; man kann davon ausgehen, dass ihr blutrünstig-islamistisches Regime keine US-Regierung gestört hätte, wenn jenes nicht Bin Laden die Möglichkeit eingeräumt hätte, seine Terrorgruppen (auch) in Afghanistan zu trainieren. Die USA waren sich schließlich nicht einmal zu schade, in den Achtzigern die im Dschungel untergetauchten Roten Khmer mit Waffen und Logistik zu unterstützen, um die prosowjetische vietnamesische Regierung zu schwächen. Die Geköpften des IS sind ein Verbrechen, die Geköpften der saudischen Monarchie scheinen für die Amis und ihre Bündnispartner in Ordnung zu gehen. Zumindest stören sie die glänzenden Geschäfte und den militärischen Schulterschluss nicht.

Am Regime der Taliban kann es also nicht gelegen haben. Die USA hatten sich dafür entschieden, die weitere Nutzung Afghanistans als Ausbildungs- und Rückzugsgebiet ihrer ärgsten Feinde durch Krieg zu unterbinden. Mehr wollte man von Afghanistan erst einmal nicht, weshalb man sich über seine Unterwerfung hinaus mit dem Land nicht weiter beschäftigen musste.

2)

Für diesen negativen Zweck („Kein Aufmarsch- und Rückzugsgebiet der Terroristen“) wurde das Land brutal unterworfen und mit einem gerüttelt Maß an Menschenverachtung, Brutalität und kultureller Ignoranz zu beherrschen versucht. Legende sind die zahlreichen Geschichten, vom „SPIEGEL“ bis zur „Financial Times Deutschland“, die die Verachtung dokumentieren, mit der US-Soldaten im Alltag den afghanischen Bürgern, ähnlich wie im Irak, begegneten: Da wurde fotogen mit einem Lachen im Gesicht auf getötete afghanische Kämpfer gepisst, da sprengte man wiederholt Kinder bei „versehentlichen“ Angriffen in die Luft. Die Verachtung gegenüber der einheimischen Bevölkerung, die ja immer mit dem Feind im Bunde sein konnte, war unübersehbar. Damit wurde genau der Hass stets von neuem befeuert, ja vervielfacht, aus dem der antiamerikanische Terror seine ideologische Rekrutierungsbasis bezieht.

Den “Kampf gegen den Terror” führte man auf eine Weise, die genau diesen Terror ständig neu entfachte und – in den Augen der Einheimischen – zu legitimieren schien. Dies ist die widersprüchliche geostrategische Seite der US-Politik in Afghanistan, ja im gesamten Mittleren Osten. Deshalb stimmt das Bild mit der Hydra, deren abgeschlagene Köpfe vervielfacht nachwachsen, nicht: Die Hydra wurde von der gleichen Politik gehegt und genährt, die das „Monster“ zu bekämpfen vorgab.

3)

Es rächt sich damit auch, dass die USA niemals einen ernsthaften zivilen Aufbau Afghanistans ins Auge fassten, da sie für dieses Land im Rahmen ihres ökonomischen Imperialismus überhaupt keine Verwendung vorgesehen hatten: Zwar soll Afghanistan irgendwie kein Opium mehr produzieren; aber an einer alternativen landwirtschaftlichen Existenzgrundlage für die afghanischen Bauern und deren finanzieller Förderung bestand und besteht kein Interesse – im Gegensatz zur Ideologie der “Entwicklungshilfe” drücken die Amerikaner ihre landwirtschaftlichen Überschüsse mit Subventionen in den Weltmarkt und können weitere Konkurrenten dort überhaupt nicht brauchen.

Und dies nicht nur in Afghanistan: So wird z.B. den von der Weltbank geförderten, erfolgreichen Baumwollpflanzern im Senegal durch die exportsubventionierte amerikanische Baumwolle das Leben schwer gemacht. Die Industriestaaten überschwemmen mit ihren billigen, aus einer kapitalisierten Agrarindustrie bzw. von landwirtschaftlichen Großbetrieben stammenden Agrarüberschüssen die Märkte der „Dritten Welt“ und ruinieren deren einheimische Bauern.

Liefern sollen die dortigen Staatsführer hingegen immer nur Eines: Die jeweiligen Rohstoffe, die zufällig im Boden ansonsten für imperiale Wirtschaftsinteressen weitgehend uninteressanter Länder schlummern. Hellhörig wurden die „üblichen Verdächtigen“ USA, China, Japan und die EU nur, als Afghanistan plötzlich als vielversprechender Rohstoff-Standort geoutet wurde: Dort sollen Kupfer, Seltene Erden, Gold und Erdöl unerschlossen ihrer Erschließung harren. Wobei dann China die erste Ölfeldlizenz zugesprochen bekam, nicht die verhasste USA.

4)

Pointierter ausgedrückt: Man will die sogenannten Entwicklungsländer als Militärbasen, Rohstofflieferanten, manchmal auch als Absatzmärkte nutzen – aber als produktive Konkurrenten, die aus sich heraus ökonomische Erfolge erzielen, will man sie auf keinen Fall haben. Sie haben sich bezüglich allem, was über ihre Funktion hinausgeht, zurückzuhalten und vor allem nicht störend aufzufallen, schon gar nicht in Gestalt linksnationalistischer Anführer wie Mossadegh, Lumumba, Castro, Gaddafi, Morales u.v.m. – abwegige Ansprüche zu stellen.

Daher reagiert der moderne Imperialismus auch auf noch so machtlose diplomatische Unbotmäßigkeiten äußerst allergisch – Im Zelt vor dem französischen Regierungsgebäude den geschätzten Sarkozy empfangen wollen? Welche Hybris! Typisch Gaddafi, dieser Irre! Und solche Typen soll man ernst nehmen?

Dies legt den sachlichen Kern des formellen diplomatischen Zirkus offen: In der abstrakten Form der gleichwertigen Anerkennung, im diplomatischen Ritual, steckt zugleich die Anerkennung des ganzen politisch-ökonomischen Verhältnisses und seiner Verfahrensregeln, auf deren Basis Inhalte festgelegt, also ökonomische Erfolge und Niederlagen vorgeformt und entschieden werden. Wer der Form nicht genügt, macht sich daher auch verdächtig, die Entscheidungsmaßstäbe, die die führenden kapitalistischen Industriestaaten unverrückbar festgeklopft haben, nicht ernst zu nehmen. „It’s economy, stupid!“

Der Sachzwang ist immer und überall und dekliniert sich als “Geld, Kapital, Kredit, Währung“. Deshalb mag Schäuble Varoufakis saloppen Stil auch nicht leiden – schließlich ist Griechenland faktisch inzwischen eine Art Kolonie der „Troika“. Das hat sich auch in der Unterwerfung unter das formelle Regelwerk der Finanz-Diplomatie auszudrücken – Schlips muss da schon sein. Der kleine Balkanstaat hat in diesem Rahmen vor allem eine Funktion zu erfüllen: Die Stärke, die weitere Rolle des Euro als Weltwährung nicht zu stören. Dafür, dass in Schäubles Augen „den“ Griechen dies beinahe gelungen wäre, sollen sie bluten, um etwaige Nachahmer abzuschrecken und ähnliche Avancen in Spanien und Portugal schon im Keim zu ersticken.

5)

Diese negativ bestimmte Politik imperialistischer Aufsicht & Verwaltung unterstellt, dass die imperiale Führungsmacht die Welt längst mal friedlich („die Märkte“), mal kriegerisch („Militäreinsätze und Friedensmissionen“) erobert hat, weshalb sie vom Standpunkt der Weltpolizei aus danach trachtet, Störungen, die von Unbotmäßigkeiten gegenüber ihrer Herrschaft ausgehen könnten, von vornherein zu unterbinden. Für Afghanistan heißt dies, das unwegsame Land militärisch zu beherrschen und als entdecktes Aufmarschgebiet und Versteck des Feindes ordentlich auszuräuchern. Daher nimmt das US-Militär die dortige Bevölkerung nur als Risikofaktor und Terroristen-Rekrutierungsreservoir wahr – weswegen jeder prinzipiell verdächtige Afghane erst einmal vorsichtshalber erschossen wird, wenn er sich ungefragt einem Militärfahrzeug nähert.

Und weil man sich durch eine Politik, die jeden Bürger als potentiellen Selbstmordattentäter definiert, nicht übermäßig beliebt macht, erzeugt man immer mehr von genau dieser Sorte und kann sich deshalb nur auf eine Handvoll großzügig ausgehaltener Clan-Chefs stützen, dabei federführend den Bruder des größten Drogenhändlers des Landes, der selbst auf der Lohnliste des CIA gestanden haben soll.

6)

Manche Kritiker hoben im Kontrast zu dieser Argumentation hervor, dass „die geostrategische Lage Afghanistans, nahe den riesigen Öl- und Gasvorräten der kaspischen Region“ ausschlaggebend für die Entscheidung zum Krieg gewesen sei; Kriegsziel wäre demnach „die Kontrolle der Ölvorräte der Region.“ Das mag durchaus eine Rolle gespielt haben in der strategischen Gesamtbeurteilung Afghanistans. Nur hatte man vorher mit den Taliban verhandelt. Die plötzliche Priorität eines kriegerischen Einsatzes aber zeigte sich sowohl hinsichtlich des historisch-chronologischen Ablaufs wie der Einbindung in das Kriegsszenario für die ganze Region als Resultat des erzürnten kriegerischen Willens der USA, den gesamten Mittleren Osten neu zu „ordnen“, um die terroristischen Gefahren, die von dort auszugehen schienen, ein für allemal zu bannen.

Dem widerspricht nicht, dass eine imperiale kapitalistische Weltmacht immer auch an die ökonomisch-strategische Seite ihrer „Ordnungsbestrebungen“ denkt – die ökonomische Benutzung der ganzen Welt liegt als strukturell verbürgter Bestandteil der Staatsräson, als „Sachzwang“ allen ihren militärischen Aktivitäten zugrunde: Im Unterschied zu den albernen Repräsentanten einer grundlos bösen Absicht zur Weltherrschaft im modernen Agenten-Film – man denke an James Bonds „Blofeld“ oder „Dr. No“! – prägt in der wirklichen Welt der Charakter der Ökonomie und ihrer Bedarfe die Sicht der politischen Verantwortlichen darauf, was als politisch und militärisch unverzichtbar erachtet wird. „Weltherrschaft“ ist dann unverzichtbar, wenn die ganze Welt das Geschäftsfeld der eigenen Ökonomie geworden und man daher schon von deren Umfang darauf verwiesen ist, weltweiten politischen „Einfluss“ als zentrale Erfolgsbedingung sicherzustellen. Die US-Interventionen von Lateinamerika bis in den Iran (Mossadegh-Sturz) führten dieses Prinzip sehr augenscheinlich vor.

Aber dies ist eben nicht gleichbedeutend damit, dass der moderne Staat selbst wie ein Rohstoffkonzern agiert und sich unmittelbar an der Aneignung von Rohstoffen und Energiequellen zu schaffen macht. Er kümmert sich vielmehr um die politischen Rahmenbedingungen, unter denen seine transnationalen Konzerne unbeschränkten (und rentablen) Zugang zu den Mitteln ihres Geschäfts, die zugleich die Grundstoffe und Energiebasis erfolgreichen kapitalistischen Wachstums darstellen, erhalten – also um Machtfragen. Dafür hätte man Afghanistan nicht unbedingt in Grund und Boden schießen müssen. Hier stand wohl schon der Krieg gegen den Terror im Vordergrund – wobei die Strategie, die ihm zugrunde liegt, insgesamt durchaus auf die „politökonomische“ Nutzung der gesamten Region gerichtet ist.

Fazit: Öl und Gas hin oder her – mit Afghanistan selbst hatten die USA zunächst einmal nicht mehr vor, als dort eine ihren – stets ökonomisch fundierten – politisch-strategischen Sicherheitsinteressen widersprechende, weil den Terrorismus fördernde Regierung zu beseitigen. Und mehr wurde daraus auch nicht, weil man letztlich nicht einmal dieses Ziel erreicht hat.

7)

Nun fragt sich, ob das Konzept einer derartig rein negativ bestimmten Herrschaft auf Dauer aufgehen kann. Wenn man nämlich den wirtschaftlich bedeutsamen bäuerlichen Schichten, den Dorfvorstehern und der überschaubaren, aber zukunftsorientierten Bildungselite Afghanistans kein Kooperationsangebot machen, keine Perspektive der wirtschaftlichen Partizipation bieten kann, wird man keine halbwegs loyale einheimische Verwaltung aufbauen und das Land daher auch nicht in sein eigenes Imperium integrieren können.

Bei der sowjetischen Besatzung hingegen war es genau umgekehrt: Die Kommunisten hatten durchaus mit Frauenemanzipation, Landreform und Volksbildung ein klassisches „realsozialistisches“ Entwicklungsprogramm gerade auch für die ärmeren Bevölkerungsschichten, setzten sich für dessen Durchsetzung aber rigoros über die traditionalistischen Denk- und Verkehrsformen der Bevölkerung hinweg. Das minderte nicht nur ihre Akzeptanz deutlich, sondern öffnete für die USA ein Einfallstor für die üppige Subventionierung islamistischer Terrorgruppen, die zunächst als „Freiheitskämpfer“ galten und Krieg und Chaos schürten, wo sie konnten. Mit dem Abzug der Sowjets wurde das Feld genau den archaischen religiösen Fanatikern zu überlassen, die ihr Gegenspieler durchaus absichtsvoll herangezüchtet hatte.

8)

Allgemeiner gesprochen: Der Erfolg jeder imperialen Politik steht und fällt auf Dauer damit, dass die Zentralmacht nicht in einen endlosen Abnutzungskrieg verwickelt wird, sondern den Besiegten, zumindest ihren herrschenden Eliten, ein Beteiligungsangebot unterbreiten kann. So spürten z.B. die keltischen Kriegsfürsten in Gallien, dass Rom bereit und in der Lage war, seinen überlegenen Stand an Zivilisation, Technik und Ökonomie in Gallien einzubringen, sofern „die“ Gallier die dabei anfallenden Überschüsse anteilmäßig an das „Reich“ abführten – wobei wie heute die „einfachen Leute“ die Arbeit taten und die Überschüsse erwirtschafteten, während der regionale Krieger-Adel großzügig einen Teil davon beim imperialen Zentrum ablieferte.

Auch Westdeutschland wurde von den USA nach dem Krieg gezielt zum militärischen Vorposten des Westens aufgerüstet, aber auch dementsprechend ökonomisch ausgestattet bzw. am Erfolg des westlichen Nachkriegsregimes beteiligt. Dass davon vor allem die Besitzer produktiven Vermögens profitierten, passt zum kapitalistischen Weltsystem unter amerikanischer Führung, für das Deutschland „hergerichtet“ und „hübsch gemacht“ wurde, ist also durchaus folgerichtig. Dennoch beruhte die ungleiche Verteilung der bewirkten Chancen auf einem Stück von der imperialen Führungsmacht eingerichteter, allgemeiner ökonomischer Entwicklung und nicht nur auf der Verteilung von großzügigen Schmiergeldzahlungen an ein paar ebenso reiche wie einflussreiche Kollaborateure als Stillhalteabkommen.

Es ist etwas anderes, in einem nach dem Krieg zerstörten Nachkriegsdeutschland im eigenen ökonomischen und geostrategischen Interesse die Wirtschaft anzukurbeln und an den im Wiederaufbau entstehenden Bedarfen ordentlich zu verdienen, als in einer seit Jahren lahmenden kapitalistischen Weltökonomie, die sich in die größte Überakkumulationskrise ihrer Geschichte hineingewirtschaftet hat, abhängigen, armen Ländern wirtschaftliche Perspektiven zu eröffnen, die man selbst nicht einmal mehr hat.

9)

Warum werden diese Zusammenhänge, das widersprüchliche Verhältnis, das zu Afghanistan eingenommen wird, nicht gesehen? Weil die Amerikaner von ihrer bornierten Sicht auf die Welt und ihrer Herrschafts-“Mission” so überzeugt sind – die Arroganz der Weltmacht -, dass sie, so lange es irgendwie geht, alle möglichen “externen” Faktoren für ihr Scheitern verantwortlich machen – weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Dieser Irrationalismus existiert tatsächlich und spiegelt den geheuchelten moralischen Absolutismus und das unerschütterliche Selbstbewusstsein einer Weltmacht wider, deren Prinzipien und Sichtweise gefälligst alle teilen sollen; wenn dies nicht der Fall ist, müssen da böse Mächte zugange sein oder widrige Umstände vorliegen, die es mit allen Mitteln zu bekämpfen gilt – bis man sich dies irgendwann nicht mehr leisten kann oder will….

10)

Fazit: Im Westen nichts (wirklich) Neues. Der Erfolg des militärischen Imperialismus steht und fällt mit den ökonomischen Potenzen, aus denen er sich nicht nur speist, sondern die ihm auch die Mittel und Wege vorgeben, die den Erfolg seiner imperialen Nachkriegsordnung in den unterworfenen Ländern sicherstellen – oder eben auch nicht.

Rainer Schreiber, geboren 1955, ist Diplom-Soziologe und arbeitet in der beruflichen Bildung und Bildungsforschung, hat diverse Lehraufträge in den Bereichen Sozialpolitik und Sozialmanagement inne und publiziert zum Management Sozialer Organisationen, zum demographischen Wandel und zu regionaler Wirtschaftspolitik. Sein aktuelles Buch „Religion, Volk, Identität? Das Judentum in der Sackgasse des modernen Nationalismus“ erschien 2014 im Alibri-Verlag.

Artikelbild: Marines / flickr / CC BY-NC 2.0

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2 Kommentare zu "US-Krieg in Afghanistan
Außer Spesen nichts gewesen?"

  1. G.F. Kelling sagt:

    Sehr geehrter Herr Schreiber,

    Krieg benötigt Morphium. Und der seit langem geplante 3. Weltkrieg scheint mehr als seine Vorgänger zu benötigen.
    So wird ein schlanker Schuh draus, warum die NATO die Mohnfelder bewacht.

    Die Taliban hatten den Mohnanbau verboten.

    Gf

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