Schröderianismus-Merkelismus
Aus Schröderschen Geist, von Merkel geschweißt

Ein Auszug aus der Brockhaus Enzyklopädie, 27. Auflage 2078-2079.

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Von Roberto de Lapuente

Als Schröderianismus-Merkelismus (SM) werden die von Otto Graf Lambsdorff, Gerhard Schröder und Angela Merkel begründeten Lehren mit ihren weltanschaulichen, philosophischen, ökonomischen, sozialwissenschaftlichen und politischen Inhalten bezeichnet. Sein ursprünglicher Begründer Lambsdorff ging von libertarianischen Fragen (Hayek, Friedman, Kontroverse um Rawls’ Gerechtigkeitstheorie) aus. Er bemühte sich um die Einbettung dieser Fragen in einen sozioökonomischen Rahmen (freier Markt, Wettbewerb etc.) und setzte auf einen weltanschaulichen Ansatz (sog. »Lambsdorff-Papier«, in dem mit Hinweis auf Thatcher und Reagan von einer Alternativlosigkeit im Bezug auf die zu ergreifenden Maßnahmen, die Rede ist).

Der Schröderismus-Merkelismus wurde von seinen Kritikern als Weltanschauung der gesellschaftlichen Mittelschicht (kurz auch als »die Mitte« bezeichnet) bezeichnet, die sich selbst als alternativlos, ideologielos und klassenlos kategorisierte. Der SM war für die Volks- und Massenparteien stillschweigend verbindlich. In der Bundesrepublik war er wegen der führenden Rolle der Merkel-CDU in Staat und Gesellschaft die allein gültige Staatsideologie. Die Bezeichnung »Schröderismus-Merkelismus« war als Name in den Jahren seiner Existenz jedoch nicht gebräuchlich. Er ist ein Begriff der Geschichtsschreibung. Man sprach damals von »freier Marktwirtschaft«, »marktkonformer Demokratie« oder vom »Westen«. Einige Kritiker nannten die Weltanschauung auch »Neoliberalismus«, was aber ein globales Phänomen mit einschloss. Der Begriff entsprach nicht dem offiziellen Sprachgebrauch. Und der SM gebar auch spezifische Eigenarten, die die neoliberalen Lehren in anderen Ländern so nicht kannten.

Ein wesentliches Merkmal des Schröderismus-Merkelismus, das ihn laut Bekenntnis seiner Begründer von allen anderen philosophischen Lehren in der menschlichen Historie unterschied, war die praktische Umsetzbarkeit, das heißt seine unmittelbare Anwendbarkeit auf die ökonomischen Prozesse. Lambsdorff, Schröder und Merkel schufen zwar keine umfassende Erklärung der Welt, wie es anderen philosophischen Lehren gelang. Doch mit gelungenem Marketing und PR konnte dieser Makel vertuscht werden. Der SM war ferner als direkte Handlungsanleitung gedacht; das primäre Ziel aus Sicht seiner Gründer war die Befreiung der Menschen und Völker. Die konkreten theoretischen Grundlagen für die Durchführung dieser Vision und die Rahmenbedingungen für den anschließenden Aufbau des ungezügelten Kapitalismus stammten von linientreuen Kadern, die in Instituten und Initiativen lehrten und die Öffentlichkeit anleiteten. Sie bildeten Fortentwicklungen oder Präzisierungen des SM an und erklärten, dass nur die Ökonomisierung aller Lebensbereiche zu mehr Freiheit im Sinne des primären Ziels führe. Als probate Einzelschritte zur Verwirklichung galten Privatisierung, Deregulierung und ein minimaler Staat. Seine Kritiker kreideten dem SM das Anwachsen von Armut, Ungleichheit und die Aushöhlung demokratischer Prozesse an.

Der Schröderismus-Merkelismus war im Selbstverständnis und in seinen Auswirkungen also bei weitem nicht nur Philosophie, sondern ein universelles Konzept des Weltverständnisses samt abgeleiteter Gesetzmäßigkeiten für die (Sozial-)Wissenschaften bis hin zu konkreten Regeln für das menschliche Verhalten. Oberstes Leitmotiv blieb dabei immer die profitable Umsetzung aller Bereiche, die das menschliche (Zusammen-)Leben betrafen. Der Kanzlerkult war ein spezifisches Merkmal des SM. Besonders unter Merkel bildete er sich markant heraus. Der so genannte Bundeskanzler, ein Amt das noch aus Zeiten des Rheinischen Kapitalismus (Sozialstaatsmodell) stammte, stieg zu einer fast sakralen Figur auf, die moralische Instanz und Wächter zugleich war. Wegen der umfassenden Aussagekraft und Wirkung ist der Begriff Weltanschauung rückwirkend betrachtet durchaus angebracht

Der Schröderismus-Merkelismus der Bundesrepublik trug oftmals unverkennbar religiöse Züge. Einerseits hat das daran gelegen, dass sich frühe und späte Anhänger der Lehre auf die Kernaussage, auf die Zielstellung eines profitableren Lebens bezogen, ohne sich eingehend mit den philosophischen und theoretischen Hintergründen zu befassen. Eine solche Einstellung galt als erwünscht. Die Variante eines gewissermaßen aus dem Bauch heraus praktizierten Schröderismus-Merkelismus war unerbeten, barg er doch stets die Gefahr linker Ketzerei oder sozialen Mitgefühls. Andererseits war die philosophische Grundlage des SM nur wenig tragfähig. Selbst wenn man den Definitionen von Gesellschaft und Gemeinwohl folgte und die Hauptfrage nach deren Verwirklichung als zentrales Kriterium akzeptierte, reduzierte sich bei genauerem Hinsehen das Gedankengebäude doch auf eine Glaubensfrage ohne fundierten Sachgehalt.

Da es an zwingenden philosophischen – und überhaupt wissenschaftlichen – Beweisen für die Behauptung des Leistungsdrucks als existentem Mehrer des Gemeinwohls und der Gerechtigkeit fehlte (und bis heute fehlt), musste man an die Lehrmeinung glauben – oder seine Zweifel für sich behalten. So gelang es dem Schröderismus-Merkelismus sich zu internationalisieren und auf Europa abzufärben. Teils geschah das mit zartem Druck über Institionen, teils mit harten Repressionen und starken Eingriffen in nationale Belange europäischer Nachbarländer. Nach dem Krieg und der Abkehr von dieser Ideologie, griff die Schröderistisch-Merkelistische Partei Deutschlands (SMPD) die Lehren neu auf. Die Splitterpartei fordert Privatisierungen, Freihandel und Deregulierung und leugnet vehement das Scheitern und die Verfehlungen des historischen SM.

Der Artikel erschien zuerst auf Ad Sinistram

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Ein Kommentar zu "Schröderianismus-Merkelismus
Aus Schröderschen Geist, von Merkel geschweißt"

  1. Leonard sagt:

    Ein Genuß. Einfach glänzend. Danke!

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