MH 17 – Cui bono?

Die Hintergründe des Flugzeugabsturzes der MH 17 sind kaum aufzuarbeiten, solange die Tragödie in einem Kampf um Deutungshoheit und politischer Nutzbarmachung instrumentalisiert wird.

MH 17

Wikimedia / Russavia CC-BY-SA 2.0

Von Heinz Sauren

Die Katastrophe hat einen Namen. MH 17 war das Kürzel des malaysischen Passagierflugzeuges, das über der Ost-Ukraine abstürzte und 295 Menschen mit in den Tod riss. Die eigentliche Brisanz dieses Unglücks ergibt sich aus dem Ort des Absturzes, dem von pro-russischen Separatisten kontrollierte Teil der Ukraine und einem – seit den Zeiten des kalten Krieges – immer noch bestehenden Feindbildes im Bewusstsein Europas, Amerikas und Russland.

Je nach dem, welcher Berichterstattung man folgen möchte, bekommt man eine völlig konträre Sichtweise auf die vermeintlichen Urheber der verhängnisvollen Geschehnisse des Absturzes. Es gibt die russische Sichtweise, nach der die Verantwortlichen in der Ukraine, oder dem Westen zu suchen sind und es gibt die westliche, nach der die Verantwortung bei den pro-russischen Separatisten oder Russland selbst liegt.

Die Art und Weise, wie die jeweiligen Sichtweisen propagiert werden, macht bereits deutlich, das hier eine Katastrophe instrumentalisiert wird. Dabei ist es immer offensichtlicher, dass es sowohl für die westliche, als auch für die russischen Seite erst einmal völlig nebensächlich ist, was tatsächlich geschah, solange das Unglück gegen den politischen Kontrahenten ausgeschlachtet werden kann. Noch liegen keine tatsächlich gesicherten Erkenntnisse um den Hergang des Unglücks vor, doch die Schuldigen wurden auf beiden Seiten mit der orakelnden Kenntnis der politischen Nützlichkeit sofort identifiziert. Das ist Polit-Propaganda auf niedrigstem Niveau – und wer durch sie seine Meinung gebildet hat, kann sich selbst zu denen zählen, die nicht nur dieser erlagen, sondern sie auch selbst betreiben.

Mehr Fragen als Antworten

Gerüchte gibt es ebenso viele, wie offene Fragen zu diesen. Wie gelang es der ukrainischen Regierung, nur Minuten nach dem Vorfall zu wissen, das MH 17 durch eine Rakete abgeschossen wurde, um wenige Stunden später sogar den Typ und die Verantwortlichen bestimmen zu können? Verfügt die Ukraine über eine bessere Technik als die Amerikaner und die Russen, die dieses Gebiet ebenfalls beobachten? Und wenn ja, warum veröffentlicht Sie diese Aufzeichnungen nicht, sondern statt dessen eine vermeintlich aufgezeichnete Unterhaltung pro-russischer Aktivisten, die offensichtlich bereits ein Tag vor dem Absturz ins Netz gestellt wurde?

Es wäre interessant zu wissen, wie die Ukraine in den Besitz dieses Videos kam, auf dem bereits einen Tag zuvor von dem Unglück gewusst wurde?

Woher weiß die pro-russische Seite so sicher, dass die Separatisten weder über solche Raketen verfügen, noch diese bedienen können, wenn diese doch autark agieren? Wie konnte den Separatisten ein solches Waffensystem in die Hände fallen, das nicht nur aus einer Rakete besteht, sondern aus drei räumlich getrennten Teilen, der Rakete selbst nebst mobiler Abschussvorrichtung, einem Raketenleitsystem und einer 3D Radarstation? Und woher kamen die für den Einsatz nötigen speziell geschulten Fachkräfte?

Wenn diese wie behauptet aus Russland kamen, und tatsächlich eingesetzt wurden, dann kann es sich bei dem Absturz der Maschine um keinen Zufall handeln. Doch welches Interesse könnte Moskau an der weiteren Eskalation durch den Abschuss einer an dem Konflikt unbeteiligten Zivilmaschine haben?

Und wenn der ukrainischen Regierung bekannt war, dass sich die Seperatisten in dem Besitz eines solchen Waffensystems befinden, warum wurde dann nicht zur Sicherheit der ukrainische Luftraum gesperrt?

Tatsache ist das die ukrainische als auch die russische Armee über solche Raketen verfügen. Die einzige Gruppe, die wahrscheinlich trotz aller Mutmaßungen nicht über sie verfügt, sind die Separatisten selbst.

Und was sind das für Zeugen, die eine Explosion des Verkehrsflugzeuges beobachten konnten, obwohl es in 10.000 Meter Höhe flog? Welche Indizien an den Trümmern konnten dabei auf einen Raketeneinschlag schließen lassen? Warum veröffentlicht weder die USA noch Russland ihre Funk-, Radar- und Satellitenaufzeichnungen, obwohl beide ihre jeweiligen Anschuldigungen auf sie stützen?

Tatsache ist, das die Verkehrsmaschine MH 17 über einem Kriegsgebiet abstürzte und damit aus einer Luftfahrtkatastrophe ein Kriegspolitikum wurde. War es vielleicht nur eine zivile Flugzeugkatastrophe?

Im Licht des politischen Nutzens

Was tatsächlich geschah und welche Ursachen vorlagen, ist zweitrangig geworden. Für die zwei politischen Lager ist weniger das Mitgefühl für die Toten, als der Besitz der Deutungshoheit über die Geschehnisse entscheidend. Keiner weiß, ob und wer von beiden lügt. Denkbar ist auch, das beide Seiten nur das Nichtwissen um die tatsächlichen Geschehnisse für ihre Polit-Propaganda nutzen.

Ob die Hintergründe zum Absturz von MH 17 ans Licht kommen, wird von davon abhängig sein, ob das Ereignis von der politischen Nutzbarkeit abgekoppelt werden kann. Gelingt das nicht, werden zukünftige Untersuchungsergebnisse immer unter dem Licht des politischen Nutzens zu betrachten sein müssen.

Alle die ihr Urteil aufgrund der Medienberichte fällen, müssen sich fragen lassen, warum sie eine Beweisführung und Verurteilung zulassen, die sie in dieser Art und Form in jeder Gerichtsverhandlung ablehnen würden. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit versteckt sich die Wahrheit hinter einer einfachen Frage. Cui bono?

Der Beitrag erschien im Original auf Freigeist Blog

Update: Vor dem Absturz der malaysischen Passagiermaschine in der Ostukraine ist nach russischen Angaben ein ukrainischer Kampfjet in der Nähe gewesen. Der Abfangjäger vom Typ Suchoi-25 soll auf die Boeing 777 zugeflogen sein. Zum Beweis hat die russische Regierung nun Satellitenbilder vorgelegt.

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9 Kommentare zu "MH 17 – Cui bono?"

  1. ———————————————-

    Es gibt die russische Sichtweise, nach der die Verantwortlichen in der Ukraine, oder dem Westen zu suchen sind und es gibt die westliche, nach der die Verantwortung bei den pro-russischen Separatisten oder Russland selbst liegt.

    ———————————————-

    Lieber Herr Heinz Sauren

    Der Artikel ist eine kleine Zusammenfassung, was man so alles in den letzten Tagen zum Absturz des Fluges MH 17 zu lesen gekriegt hat.

    Jedoch was mich persönlich an ihrem Artikel stört, ist, dass Sie sagen, dass sowohl Russland wie der Westen sich gegenseitig die Schuld zuschieben.

    Möglicherweise ist mir da etwas entgangen. Während der Westen sozusagen von der ersten Minute an….auch ohne Beweise….die Schuld in den Osten schiebt, ist mir dies von Russland her eigentlich nicht aufgefallen.

    Im Gegenteil….die Russen drängen ohne Unterlass darauf, eine internationale Untersuchung einzuleiten….und haben bis heute, wie gesagt die Schuld niemandem zu geschoben…..

    Vielleicht ist mir da etwas entgangen.

    • BrEin sagt:

      _Während der Westen sozusagen von der ersten Minute an….auch ohne Beweise….die Schuld in den Osten schiebt, ist mir dies von Russland her eigentlich nicht aufgefallen._

      Echt nicht?
      Da hast Du Dir aber viel Mühe gegeben das nicht zu merken.

      Gruß
      BrEin

      • @BrEin

        Ja dann geben Sie doch irgendein Beispiel…..das heisst wenn Sie eines haben

        • BrEin sagt:

          @dragaoNordestino
          …das heisst wenn Sie eines haben
          Das wiederum heißt, dass es sehr unwahrscheinlich ist?

          Wieso?
          Es ist doch absolut unplausibel davon auszugehen, dass Russland sich nicht verteidigt. Und in einem Konflikt, indem es zwei Parteien gibt, besteht nun mal die Verteidigung darin, dem anderen die Schuld nachzuweisen.
          Entweder man war es selber oder halt der Andere.
          Wie kann man in solch einem Fall auch nur davon ausgehen, dass die Vermutung stimmen könnte das auch nur eventuell, vielleicht Russland sich da raus hält?
          Das ist doch absolut widersinnig.

          Hier die ganze Pressekonferenz:
          http://youtu.be/6shA7cOUw4Y
          Hier das Wichtigste daraus auf deutsch:
          http://youtu.be/Wz2tIqBUJtI

          _____

          Außerdem sind letzten Endes Falschmeldungen auf beiden Seiten bekannt.
          Auf der russischen Seite sind es sogar so viele und so dreiste, dass es nicht mehr als Fehler abgetan werden kann.

          http://www.juergvollmer.ch/post/89942689614/russland-propaganda-trolle-russia-today-ukraine
          http://www.juergvollmer.ch/post/92081104389/mh17-malaysia-airlines-ukraine-russland

          Neutrale Berichterstattung wirst Du kaum finden.
          Deshalb musst Du beide Seiten beleuchten.
          Das hier hört sich noch recht neutral an:
          http://www.spiegel.de/wissenschaft/technik/malaysian-airlines-mh17-experten-glauben-an-abschuss-aus-versehen-durch-buk-a-981754.html

          Hier mal die Darstellung eines “unabhängigen Experten” der im Internet eine Gegenöffentlichkeit schaffen will.
          Kurz:
          -> Boden-Luft-Rakete kann es nicht gewesen sein.
          -> Es muss eine Luft-Luft-Rakete gewesen sein.
          -> Ergo muss es von einem Jet abgefeuert wurden sein.
          -> Ergo muss es die Ukraine gewesen sein.
          http://friedensblick.de/12462/abschuss-mh17-spuren-deuten-auf-kugelhagel-von-jagdflugzeug-hin/
          Und auch er arbeitet nach “Cui Bono?” was einen offensichtlich in die irre führt, verwendet man es als Nagelprobe.

          Bei einem Verkehrsunfall mit Fahrerflucht ermittelt man auch auch nicht den Täter, indem man nur fragt, wer davon einen Nutzen hat.
          Nimmt man nur “Cui Bono?” als Grundlage und blendet alles andere aus, landet man gleich bei Verschwörungstheorien.
          Und diese Fluten gerade das Internet.

        • @BrEin

          ————————————–
          Es ist doch absolut unplausibel davon auszugehen, dass Russland sich nicht verteidigt.
          ————————————–

          Was Sie hier an Links zusammen stellen, sind aber alles keine offiziellen russische Stellungsnahmen, sondern allenfalls Stellungsnahmen von Aussenstehenden.

          Russland hat meines Wissens, die USA nie direkt beschuldigt…..

          ganz im Gegenteil der USA, die des öffteren Russland ganz direkt in den Absturz involviert hat….auch wenn die USA wie jetzt sichtbar wird, energisch am zurückrudern sind.

          http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/mh17-abschuss-ukraine-keine-beweise-fuer-russische-beteiligung-13059882.html

          ———————————–
          Wie kann man in solch einem Fall auch nur davon ausgehen, dass die Vermutung stimmen könnte das auch nur eventuell, vielleicht Russland sich da raus hält?
          Das ist doch absolut widersinnig.
          ———————————–

          Wieso soll dies wiedersinnig sein.? Für mich ist es eigentlich ganz normal, dass man zuerst Schuldbeweise haben muss…..und nicht nur irgendwelche Vermutungen ohne jeden belastbaren Beweis…..bevor man jemanden beschuldigt.

        • BrEin sagt:

          @dragaoNordestino

          Was Sie hier an Links zusammen stellen, sind aber alles keine offiziellen russische Stellungsnahmen, sondern allenfalls Stellungsnahmen von Aussenstehenden.
          Die PK ist definitiv offiziell von der russischen Regierung. Alles andere wäre ja auch Quatsch.
          Oder wollen Sie sagen, dass die Radarbilder und die Presseerklärung der russischen Regierung eine Fälschung ist?

          Außerdem sind die russischen Quellen in den Beiträgen der Außenstehenden angegeben.
          Auch wenn die Artikel nicht die eigene Sichtweise wiederspiegeln, darf man sie sich doch gerne mal durchlesen.

          Russland hat meines Wissens, die USA nie direkt beschuldigt…..
          Hat sie auch nicht! Niemand tat das.
          Die USA und die Ukrainer werfen den Abschuss den Separatisten vor und die Separatisten und Russen den Ukrainern.
          Niemand beschuldigt Russland, niemand beschuldigt die USA (wie auch, bei der Entfernung).
          Russland wurde nie vorgeworfen die Maschine selbst runter geholt zu haben, sondern “nur” die Finger mit im Spiel gehabt zu haben. Etwa in dem entsprechendes Wehrmaterial an die Separatisten übergeben wurde oder diese ausgebildet wurde oder, oder oder.
          Aber selbst diese Vermutung wurde zurück genommen:
          http://www.handelsblatt.com/politik/international/absturz-von-mh17-usa-sehen-keine-direkte-verwicklung-der-russen/10237796.html

          Wieso soll dies wiedersinnig sein.? Für mich ist es eigentlich ganz normal, dass man zuerst Schuldbeweise haben muss…..und nicht nur irgendwelche Vermutungen ohne jeden belastbaren Beweis…..bevor man jemanden beschuldigt.
          Tja, das ist eben das Problem.
          Das hier ist Politik und kein Gerichtsverfahren.
          Deshalb hält sich an das Verfahren niemand. Weder “der Westen” noch “der Osten”.

  2. Kaiser Wilhelm sagt:

    Sorry, aber eine SU-25 ist leider KEIN Abfangjäger.
    Sofern man sich mit den Klassifizierungen
    militärischer Flugzeugtypen nicht auskennt, dann
    hilft schon mal Wikipedia. Aber Abfangjäger liest
    sich reißerischer. Schon klar, ein solcher Jäger
    ist doch auch bestens geeignet zum Abfangen.

    Aber macht nichts, der Mainstream erfindet sogar
    neue Fantasiebezeichnungen

    Aus Unkenntnis und aus Faulheit die Suchmaschine
    zu betätigen wird sogar behauptet, die HAMAS verfüge über
    Langstreckenraketen. Und alle kopieren diesen
    Begriff, sogar die (ach so kritischen) Websites.
    Ist es Dummheit oder Absicht, anders ausgedrückt : Cui bono?

  3. Wolfgang sagt:

    Ich halte es für keineswegs ausgemacht, dass MH17 abgeschossen wurde.

    Zum einen wurde die Abschuss-Hypothese auffallend schnell in die Welt gesetzt (von beiden Seiten) ohne dass es dafür irgendwelche Belege zu diesem Zeitpunkt geben konnte. Ein klarer Hinweis auf eine reine Propaganda-Behauptung.

    Zum anderen hat genau dieselbe Airline ein baugleiches Flugzeug erst vor kurzem “verloren” (MH 370). Schon sehr auffällig. Könnte auf ein grundlegendes Problem hin deuten.

    Sollte es tatsächlich abgeschossen worden sein halte ich einen Abschuss “aus versehen” für die wahrscheinlichste Möglichkeit. Praktisch jeder Abschuss einer Zivilmaschine über einem Spannungsgebiet in der Vergangenheit ist unbeabsichtigt erfolgt (Japanischer Jumbo durch die Sowjets; Iranischer Airbus durch die USA; Russiche Antonow durch die Ukraine…)

    “Cui bono?” ist leider zu einem Standardbegriff für Verschwörungstheoretiker geworden. Hört sich unheimlich schlau an, schon alleine weil er Lateinisch ist und Griffig wirkt. Aber es gibt eben nicht immer einen Schuldigen der das Unglück detailiert vorausplant. Und wer im Nachhinein den Nutzen aus einer Katastrophe zieht muss nicht zwangsläufig der Verursacher sein.

    In sofern finde ich das “Cui bono?” für einen schwachen Abschluss eines ansonsten gut gelungenen Artikels.

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