Schmutzige Tricks vor Damaszener Kulisse

Wer steckt hinter dem Giftgaseinsatz in Damaskus? Dem westlichen Versuch, Assad verantwortlich zu machen, sollte man jedenfalls nicht trauen.

Die Faktenlage ist nebulös und schal: Anscheinend wurde am 21. August 2013 in Damaszener Vororten eine Form von Giftgas eingesetzt. Darauf deutet sowohl, dass weder Regierung noch Rebellen einen solchen Einsatz bestreiten, sondern sich gegenseitig beschuldigen, als auch ein Bericht der Ärzte ohne Grenzen, welcher von 355 Toten spricht – einem Zehntel der 3600 von »neurotoxischen Symptomen« betroffenen Patienten in umliegenden Krankenhäusern. Während also äußerst wahrscheinlich ein Giftgas eingesetzt wurde, ist die Frage wer dies zu welchem Zweck getan haben soll, vorerst völlig unklar.

“We know that the regime has produced thousands of tons of chemical agents, including mustard gas, sarin nerve gas, VX nerve gas.” George W. Bush

Noch vor Abschluss einer seriösen Untersuchung und ohne den Besitz von veröffentlichten Beweisen geben zahlreiche westliche Staatschefs Assads Regierung einseitig die Verantwortung, um dadurch einen militärischen Angriff zu rechtfertigen. Diese Schuldzuweisung erinnert daher viele Beobachter an das willkürliche Vorgehen der Bush-Regierung im Irakkrieg 2003, als durch gezielt gefälschte Beweise eine Invasion herbeigeschwindelt wurde. Auf der anderen Seite behauptet die syrische Regierung, sie habe Giftgas bei den Rebellen gefunden. Fraglich bleibt, ob die UNO-Giftgas-Suchmission die Urheber ermittlen kann, zumal dies nicht ihr Auftrag ist.

Bemerkenswert erscheinen nicht wenigen Kommentatoren in Blogs und Presse die äußeren Umstände. So verlieren die zersplitterten Rebellengruppen gegenwärtig an fast allen Fronten an Boden. Ein Eingreifen westlichen Militärs ist demnach nicht nur in ihrem Interesse, sondern wohlmöglich ihre letzte Chance in dem tödlichen Ringen. Dagegen muss die syrische Regierung befürchten, alles zu verlieren, wenn sie ausgerechnet in Damaskus vor den Augen der Weltöffentlichkeit und in Anwesenheit von UN-Inspektoren einen Giftgasangriff riskiert. Zugleich hat Assad den Einsatz von Chemiewaffen gegenwärtig kaum nötig, da sich seine Position im Bürgerkrieg verbessert. Aufgrund von der angekündigten »roten Linie« des US-Präsidenten Barack Obama, welche durch den Einsatz von Chemiewaffen überschritten sei, ist das Ereignis vom 20. August ganz im Interesse der Rebellen, ihren Kopf durch eine militärischen Eingriff des Westens aus der Schlinge zu ziehen.

Tatsächlich existieren durchaus ernst zu nehmende Hinweise auf eine Beschaffung solcher Kampfmittel durch syrische Rebellen. So berichteten Ende Mai diverse türkische Medien über die Festnahme von zwölf Mitglidern der islamistischen Al-Nusra-Front in Adana, die zwei Kilogramm Sarin bei sich trugen. Auf dem Flughafen Incirlik Air Base im südosttürkischen Adana werden nach übereinstimmenden Medienberichten syrische Rebellen von NATO-Truppen trainiert, ausgerüstet und nach Syrien geschleust. Die russische und die syrische Regierung beschuldigen die Al-Nusra-Rebellen, am 19. März die damalige Regierungshochburg [1] Khan al-Assal mit Giftgas beschossen zu haben – die Rebellen sprechen dagegen teils von einem Fehlbeschuss seitens des Regierungsmilitärs auf eigenes Gebiet und teils von einem Angriff auf Rebellengebiet [2].

Die Verantwortung für diese Attacken bleiben jedoch letzten Endes ungeklärt. Doch das unbesonnene und vorverurteilende Vorpreschen westlicher Regierungen sowie die objektiven Interessen in dem Konflikt sprechen eher für eine Verwicklung Großbritanniens, Frankreichs und der USA und deren Verbündete am Golf, Katar und Saudi-Arabien in den Vorfall mit dem Ziel, einen Krieg zu provozieren denn für einen Amoklauf der syrischen Regierung. Der unaufgeklärte Vorfall in Adana spricht vielmehr für eine Versorgung der Rebellen mit Giftgas durch die Nachrichtendienste dieser Staaten.

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1. Für die Annahme, dass der westliche Vorort von Aleppo Khan al-Assal zu diesem Zeitpunkt in Regierungshand war, spricht auch, dass die Rebellen den Ort erst am 22. Juli einnahmen. Ein Insider vermutet den Einsatz von Chlor in einer von Rebellen selbstgebauten Rakete.

2. Ahmed al-Ahmed, Ansar brigade: »We were about 2 km from the blast. It was incredibly loud and so powerful that everything in the room started falling over. […] The missile, maybe a Scud, hit a regime area, praise God, and I’m sure that it was an accident.«

Louay Almokdad, political and media coordinator for the Free Syrian Army: »The area that was targeted is under rebels’ control, so it is quite absurd that the regime would accuse us of attacking our own people.«

Dieser Artikel erschien zuerst im Dossier.

Artikelbild: Ranan Lurie, “His red lines” (CC BY-SA 3.0)

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3 Kommentare zu "Schmutzige Tricks vor Damaszener Kulisse"

  1. Nina sagt:

    Einfach schrecklich diese ganze Geschichte. Die Medien berichten nur einseitig, für die westlichen Politiker kommt nur ein Täter infrage, obwohl sie keine Beweise haben und die westliche Bevölkerung übernimmt das einfach… in was für einer Welt leben wir?

  2. palmstroem sagt:

    Evident ist doch, dass unbedingt ein Vorwand fabriziert (erfunden) werden muss, um dort eventuell das Blatt zu wenden. Die massenhaft angeheuerten ausländischen Terroristen können das Ziel, die Vernichtung des säkularen syrischen Staates, wohl nicht erreichen. Zudem ist Syrien wie auch der Iran kein Vasall der USA. Es behindert aber die Durchsetzung langfristiger geopolitischer Interessen des Westens im zentralasiatischen Raum.
    Also muss jetzt endgültig zur Tat geschritten werden. Die Frage, ob Assad durch den Einsatz von chemischen Kampfstoffen irgendeinen Nutzen hat, wird total ausgeblendet. Es passt aber in das lang medial verbreitete Bild vom „bösen Diktator und Menschenschinder“. Ein sehr dürftiger Scheingrund.

  3. Viator sagt:

    Die Kriege waren schon lange geplant: http://www.youtube.com/watch?v=BaG10wOI15I

    Es werden Scheinanlässe geschaffen, um diese zu verkaufen.

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