Wem dient der Patriot-Einsatz in der Türkei?
Was genau die Bundeswehr an der türkisch-syrischen Grenze zu suchen hat, weiß Recep Tayyip Erdoğan anscheinend besser als die Bundesregierung.
Von Florian Sander
Vor wenigen Monaten haben Bundesregierung und Bundestag ihre Zustimmung zum Einsatz der Bundeswehr an der türkischen Grenze zu Syrien gegeben, bei dem diese durch das Flugabwehrsystem Patriot vor etwaigen syrischen Angriffen geschützt werden soll. Doch auch wenn diese von der Türkei erbetene Maßnahme der NATO nicht der Einrichtung einer Flugverbotszone dienen soll, welche eine (noch tiefere und dramatische) Verwicklung des Westens in den syrischen Bürgerkrieg wahrscheinlich machen würde, ist grundlegend zu bezweifeln, dass der Einsatz deutschen Interessen dient.
Wird Deutschlands Sicherheit und Freiheit nun nicht nur am Hindukusch, sondern auch an der türkisch-syrischen Grenze verteidigt? Wohl kaum. Verteidigt werden hier wohl, wie in letzter Zeit so häufig seitens des Westens, die Großmachtbestrebungen des türkischen Premiers Erdogan, der keine Gelegenheit ungenutzt lässt, um mit den Säbeln zu rasseln, dabei alte osmanische Größe zu beschwören und seinen Einfluss in der Region auszudehnen.
Eine ernsthafte Bedrohung für die Türkei durch Angriffe Assads existiert dabei derweil kaum: Das syrische Regime hat wahrlich genug mit der innenpolitischen Situation zu tun und kann es sich schwerlich leisten, die NATO, welche momentan ohnehin durch die Gerüchte um Chemiewaffen-Einsatz zunehmend unter Handlungsdruck steht, auch noch zusätzlich durch gezielte Angriffe auf ein Bündnismitglied zu provozieren. Sprich: Erdogan will eine Machtdemonstration, wobei er das Militärbündnis und dabei insbesondere Deutschland gezielt instrumentalisiert.
Gedankt wird Deutschland sein Einsatz für türkische Interessen nicht. Dies wurde an dem alles andere als herzlichen Empfang deutlich, den das türkische Militär den Bundeswehr-Soldaten bereitete: Mehrere einzelne körperliche Angriffe, soziale Isolation und miserable, unhygienische Bedingungen bei der Unterkunft führten zu einer kleinen diplomatischen Krise, die durch einen dauerbeschwichtigenden Bundesverteidigungsminister kleingeredet wurde. Wenn es um außen- und bündnispolitische Gefälligkeit geht, scheinen deutsche Politiker regelmäßig jede nur ansatzweise vorhanden gewesene Form von Selbstbewusstsein konsequent abzustreifen, um fortan „flexibel“, „pragmatisch“ und „geschmeidig“ sämtliche Missstände an der Basis wegzudiskutieren.
Immer noch ärgerlich, aber wenigstens nicht ganz so frustrierend zu beobachten wäre dies, wenn es die andere Seite in derlei Fällen wenigstens genauso handhaben würde. Auf diplomatische Handreichungen, Rücksichtnahme, gebetsmühlenartige Toleranzformeln und sozialpädagogisch anmutende Beschwichtigungs-Phrasen seitens der Erdogan-Regierung wartet man allerdings seit vielen Jahren, im Grunde seit Beginn ihrer Amtszeit vergeblich. Stattdessen gibt sich der türkische Premier bereits seit langem wie ein diplomatischer Elefant im Porzellanladen, der internationale Konferenzen primär als Foren für Pöbelei nutzt und in weltweit streuenden Brandherden wie dem Nahostkonflikt stets sein eigenes, für alle anderen Akteure kaum berechenbares, verantwortungsloses, machtpolitisches Spielchen treibt.
Irgendwann ist es an der Zeit, Regierungen die Grenzen möglicher und gewollter Unterstützung von außen aufzuzeigen. Hinsichtlich der Türkei ist dieser Zeitpunkt längst gekommen. Sicherlich hat jeder souveräne Staat dieser Welt das Recht, Machtpolitik zu betreiben und seinen außenpolitischen Einfluss auszudehnen, solange er sich damit dennoch weiterhin im Rahmen des Völkerrechts bewegt. Es gibt jedoch keinerlei Recht darauf, von Staaten, die sich bislang als Partner betrachtet und sich auch so verhalten haben, wie selbstverständlich Schutz vor einem Regime einzufordern, welches man selber zuvor regelmäßig provoziert hat, und, nachdem auf diese Forderung eingegangen wurde, schließlich noch die einen fütternde Hand zu beißen, indem die vorgeschickten Soldaten des Partners demonstrativ wie unerwünschte Fremdkörper behandelt werden.
Die Mitgliedschaft in einem Bündnis wie der NATO kann sich zu Ungunsten interessengeleiteter Außenpolitik des jeweiligen Staates auswirken. Sie kann aber dennoch nicht seine Souveränität aufheben. Wenn sich die deutsche Bundesregierung zu souveräner Außenpolitik in der Lage sieht, so setzt sie ein Zeichen – und beendet den Patriot-Einsatz der Bundeswehr in der Türkei zeitnah.
Eine Stärkung der Türkei zu ungunsten Syriens bedeutet eine Schwächung der Position Russlands und damit eine Stärkung der Position Deutschlands gegenüber Russlands.
Außerdem lässt sich mit Krieg immer gut Geld verdienen.
Das deutsche Soldaten nicht von den türkischen Militär nicht so gefeiert wird, wie erwünscht, könnte auch daran liegen, dass nicht die gesamte Streitmacht der Türkei Erdogans Politik begrüßt.