Die ARD auf den Spuren von RTL
Ein Gastkommentar von Jacob Jung
Am Sonntagabend feierte Günther Jauch vor mehr als fünf Millionen Zuschauern seine Premiere als neuer Polit-Moderator der ARD – und hat das geschafft, was die ARD im politischen Sektor seit einiger Zeit bereits zu erreichen versucht hat: Das RTL-Niveau. Demzufolge dürfte seine Quote in den nächsten Sendungen noch steigen.
Der erfahrene Fernseh-Mann war bei seiner Auftakt-Sendung des gleichnamigen Polittalks “Günther Jauch” sichtlich nervös. Einen Grund hierfür gab es dabei nicht, denn die gesamte Sendung war bis ins kleinste Detail geplant. Der unvermeidliche Rahmen für den Auftakt am 9. September 2011: 9/11. Das Thema der Sendung: „War es richtig, in den Afghanistan-Krieg zu ziehen?“
Maischberger, Will und Plasberg: Die Riege der belanglosen Plauderer und Gefälligkeits-Journalisten erhält durch den Rate-Onkel von den Privaten eine angemessene Verstärkung.
Günther Jauch: 60 Minuten kontrollierte Langeweile
Das Aufregendste an Günther Jauchs neuem Polit-Talk in der ARD war ohne Zweifel die Location. Das Gasometer in Berlin-Schöneberg wurde für die Sendung in eine rötlich schimmernde Industrial-Kulisse verwandelt. Master und Slaves nahmen unter einer gläsernen Kuppel Platz. Schnelle Kamerafahrten suggerierten Größe, während Gastgeber und Gesprächspartner in geordneter Folge brave Fragen und artige Antworten austauschten.
Der gesamte Ablauf der Sendung und die leicht verdaulichen Einspieler stammen unmittelbar aus der RTL-Trickkiste: Anfangsmusik mit Studio-Präsentation, Anmoderation in enger Anlehnung an Stern-TV. Statt Werbeblock nach der Begrüßung eine musikalisch untermalte Mini-Doku über die „Dust Lady“, die für die erste Gesprächssequenz der Sendung von Jauch in die Intensiv-Ecke geführt wird:
Wie ging es Ihnen nach 9/11? Schlecht.
Wie geht es Ihnen heute? Gut.
Wir haben Sie sich nach dem Tod von Bin Laden gefühlt? Gut.
Wie haben Sie Ihren ersten Flug seit 2001 erlebt? Gut.
Danach wechselt Jauch in die Gesprächsrunde und die „Dust Lady“ Marcy Broders wird ins Publikum verbannt.
Jauchs Gäste: Springer-Vorstand Mathias Döpfner (Das freie Modell des Westens ist durch den Islam latent und akut bedroht), Ex-Nationaltrainer Jürgen Klinsmann (Der Amerikaner ist schlecht informiert), Leserin Elke Heidenreich (Ich habe auf dem Flug von New York sieben Stunden über Bücher geredet), Betroffenheits-Experte Jürgen Todenhöfer (Ich reise seit 50 Jahren in die arabische Welt) und Ex-Verteidigungsminister Peter Struck (Unsere Sicherheit wird auch am Hindukusch verteidigt).
Krieg ist nicht schön aber manchmal alternativlos
Döpfner, der davon ausgeht, dass die westlichen Staaten akut vom Weltkalifat fundamentalistischer Moslems bedroht sind, gibt sich als Kriegsgegner und keiner lacht. Heidenreich findet, das Krieg keine Lösung ist, um die Taliban von der Steinzeit in die Neuzeit zu führen und gibt zum Besten, wie Harald Schmidt ihr im September 2001 das Leben gerettet hat. Todenhöfer hat für jede geäußerte Position größtes Verständnis und erinnert an das Schicksal afghanischer Kinder. Struck hält den Afghanistan-Krieg für gerechtfertigt, denkt aber, dass dort jetzt ein politischer Prozess einsetzen muss.
Klinsmann wird als „USA-Experte“ vorgeführt und beginnt jeden seiner unbeholfenen Trainer-Sätze mit „Der Amerikaner…“. Beispiel: „Der Amerikaner ist ein Doppelverdiener, dessen Kinder in die Schule gehen und der am Wochenende sein Haus repariert. Wenn der Abends nach Hause kommt, dann schaut er einen von 300 Fernsehsendern in der Küche und ist deshalb schlecht informiert“.
Günther Jauch sitzt wie ein verschämter Schuljunge zwischen seinen Gästen, liest mit protokollarischer Exaktheit harmlose Fragen von seinen kleinen Zetteln ab und wiegt die Gesprächspartner in der Sicherheit, dass weder Gegenfragen gestellt noch Widersprüche aufgedeckt werden.
Jeder kommt der Reihe nach dran, die ganze Sendung besteht aus abwechselnden Fragen und Antworten. Ein Gespräch, geschweige denn eine kontroverse Diskussion kommt nicht auf. In der Mitte der Sendung wird ein weiterer Stern-TV-Einspieler gereicht: Zu Gast bei Familie Menz, deren Sohn als Bundeswehrsoldat in Afghanistan gefallen ist. Untermalt mit traurig-pathetischer Musik. Mutter Tanja wird kurz in der Intensiv-Ecke befragt und dann, im Gegensatz zur Dust-Lady, in die Gesprächsrunde eingeladen.
Das Gespräch plätschert weiter vor sich hin und nach insgesamt einer Stunde weiß der Zuschauer, dass der Afghanistan-Krieg nicht schön aber alternativlos war, dass die Welt angenehmer wäre, wenn es keine Kriege geben müsste und dass man immer auch an die Kinder denken muss.
Die Sendung hätte interessant werden können, wenn man statt des Springer-Chefs einen echten Zeitungsmann, statt des dauerbetroffenen Todenhöfers einen echten Friedensaktivisten und statt des Ex-Verteidigungsministers einen aktuell verantwortlichen Politiker eingeladen hätte und wenn das Format von einem Moderator geleitet würde, der etwas von Politik versteht und Spass daran hat, seine Gäste kontrovers gegeneinander antreten zu lassen. In der gewählten Besetzung blieb es allerdings bei musikalisch untermalter Langeweile und gewohnter Selbstdarstellung ohne jeden erhellenden Moment.
Die Mediokratie erreicht das öffentlich-rechtliche Fernsehen
Die ARD hat sich nun endgültig dafür entschieden, den Polit-Talk in das seichte und leicht konsumierbare Mittelmaß-Format zu überführen und unterstellt ihren politischen Bildungsauftrag der zunehmenden Mediokratie im deutschen Fernsehen. Ewig gleiche Gäste in ewig gleichen Posen geben sich nach Belieben der Selbstdarstellung hin. Die Moderatoren liefern die abgesprochenen Vorlagen und verhelfen ihren Gästen zu kalkulierbarem Glanz.
Die Zeiten von kontroversen und aufklärenden Sendungen wie „Schlag auf Schlag“, „Ich stelle mich“ oder „Je später der Abend“ sind vorbei. Die Übergänge zum Boulevard sind fließend geworden und sonderliche Unterschiede zwischen Anne Will, Frank Plasberg, Sandra Maischberger und jetzt auch Günther Jauch zu Stern-TV oder Markus Lanz sind nicht mehr erkennbar.
Wäre das Polit-Theater nicht gebührenfinanziert, dann könnte man über die traurigen Reste politischer Gesprächskultur lächeln. Da es sich hierbei allerdings um einen wesentlichen Bestandteil des Bildungsauftrags der öffentlichen-rechtlichen Fernsehsender handelt, ist die Entwicklung bedenklich.
Zum Thema:
Dumme und ungebildete Menschen lassen sich leichter manipulieren. Wenn wundert’s dass die ARD, die MEIN Geld ZWANGSWEISE dafür kassiert, dass ich sie schon lange nicht mehr sehen will und kann, weil’s mir nur noch übel wird, in das seichte Wasser der Belanglosigkeiten fährt, da doch alle Signale auf offene Diktatur stehen und gut gebildete und informierte Menschen verdammt etwas dagegen haben werden? Vergleiche mit Rika-Röck- und anderen Filmen ähnlichen Genres aus dem Beginn der 30iger Jahre sind erlaubt.
“Nur wer seine Geschichte (mindestens 5.000 Jahre zurück) kennt, kann die Gegenwart verstehen und die Zukunft gestalten.” Johann Wolfgang v. Goethe
Es werden solche Typen mit gefährlichem Halbwissen sein, die uns über die Krise und ihre Ursachen aufklären werden auf einem Schlückchen Wein mit Herrn Ackermann. Gott steh uns bei!
» Die ARD hat sich nun endgültig dafür entschieden, den Polit-Talk in das seichte und leicht konsumierbare Mittelmaß-Format zu überführen
Im Westen nichts neues. Trotzdem – genau hier ist der Punkt wo die Diskussion zur GEZ als Haushaltspauschale ernsthaft anfangen muss.
Eine wirklich gute Analyse der ich nur beipflichten kann.
Wurde in den 1980ern die These von Neil Postman, das Fernsehen betreffend (“Wir amüsieren uns zu Tode.”) noch kontrovers diskutiert, so kann man sich heute sicher sein:
diese Art Infotainment reist auf Dauer größere Locher in die Hirnrinde als BSE,
Gute Nacht!
PS:
dies war vermutlich der erste und letzte Talk mit Günther Jauch den ich mir angetan habe.
Anne Will schaue ich schon lange nicht mehr.
Maischberger war mal eine echte Hoffnung in ihren jungen Jahren (Live aus dem Schlachthof / Live aus dem Alabama, manch ein Endvierziger Bayer mag sich noch daran erinnern).
Auch Plasberg war noch gar nicht soooo übel als er noch “im Dritten” lief.
Nu kann’st se alle vergessen….schade.
Mit den Gebühren für den ÖrR ist es wie mit den Steuern, man würd sie ja gerne zahlen, wenn doch nur Vernünftiges damit geschähe.
Herrsche und teile und halte sie dumm damit Du sie beherrschen kannst.
Der alte Mann aus Trier, ich hoere ihn gerade lachen :-)
Gruesse aus der Karibik
Der absolute Höhepunkt der öffentlich-rechtlichen Werbesendung für den Krieg ist ein redaktioneller Einspieler, der in 60 Sekunden den deutschen Einsatz in Afghanistan verklärt:
“ Die Erfolge: 2010 gehen über 7 Millionen Kinder zur Schule, davon 1/3 Mädchen. Im Jahr 2001 war es nur eine Million und fast nur Jungen. Die medizinische Grundversorgung hat sich verbessert, die Kindersterblickeit hat sich um mehr als 1/3 reduziert. Die Kosten: 4,8 Milliarden Euro hat der Bundeswehreinsatz Deutschland bislang gekostet. 52 deutsche Soldaten verloren ihr Leben.“
Bei näherer Betrachtung wird deutlich, dass diese Erfolgsbilanz auf falschen Zahlen, regierungsfreundlichen Quellen basiert und dabei wichtige Informationen, die nicht ins Bild passen, unterschlägt:
http://machtelite.wordpress.com/2011/09/15/afghanistan-krieg-bei-gunther-jauchpropaganda-mit-falschen-zahlen/
Gewaltig!
Statt dass uns das Fernsehen mit den Zwangsbeiträgen die Wahrheit erzählt, werden kernige Lügengebilde gestützt und weiter verbreitet. Das nennt sich dann Erfüllung des Bildungsauftrages?
Naja, jetzt bleibt nur noch, dass Klinsmann in den USA erzählt, wie der Deutsche seine Bildung aus den Fernsehen bezieht…
Grausig!
Das traurige Schauspiel geht weiter. Am letzten Sonntag (25.09.11) lud sich “Mutti” Merkel kurzerhand selbst in die Sendung ein und durfte als einziger Gast -mit Klatschvieh vom CDU-Ortsverband- das Wahlprogramm der CDU als einzig richtige Wahrheit verkaufen.
Kritik- und nachfragelos versteht sich. Jauch wurde seiner Rolle als Boulevard-Moderator ohne journalistischen Tiefgang voll gerecht.
Schade um die TV-Gebühren, die hier für Staatsfernsehen in Reinstform verballert wurden.