“Wir alle wissen, dass der Neoliberalismus die Linke in Europa mehr oder weniger zerstört hat.”
Von Sebastian Müller
Das alte Schlachtross Oskar Lafontaine trat im Herbst seiner Politiklaufbahn noch einmal dort auf, wo seine visionäre und charismatische Kraft heutzutage womöglich am meisten gebraucht werden dürfte: Am Brennpunkt des darbenden Europa – genauer gesagt, bei den versammelten europäischen Linksparteien. Sein Vortrag auf dem dritten Kongress der europäischen Linken (3. – 5. Dezember) in Paris war eine kurzweilige aber fundierte Analyse über den Zustand Europas, die Finanzkrise und die Aufgaben einer europäischen Linken. Deutlich wurde dabei einmal mehr, dass Lafontaine zu den wenigen europäischen Politikern gehört, die vehement für eine gemeinsame europäische Wirtschaftspolitik eintreten und den Mut besitzen, die Herrschaft des Finanzsektors über Politik und Volkswirtschaft so deutlich anzuprangern.
Erschreckend jedoch ist, dass die wirtschaftspolitischen Vorschläge Lafontaines – die eigentlich, spätestens als Konsequenz der Krise, zum selbstverständlichen politischen und ökonomischen Sachverstand gehören sollten – lediglich auf einen Kongress einer schwachen europäischen Linken zur Sprache kommen und in der gegenwärtigen EU eine Außenseiterrolle fristen, ja in den europäischen Regierungen kaum diskutiert werden.
Überhaupt dürfte Lafontaine den Nagel auf den Kopf getroffen haben, wenn er sagt, dass der Neoliberalismus die Linke in Europa mehr oder weniger aufgelöst und zerstört habe. Es reicht der gegenwärtige Blick nach Spanien – wo eine Regierung die sich sozialistisch nennt, im Zuge ihres jüngsten “Krisenpaketes” das Sozialgeld streichen, weitere Privatisierungen vorantreiben und die Unternehmenssteuern erneut senken will – um zur Kenntnis zu nehmen, wie es um die ehemaligen europäischen Arbeiterparteien bestellt ist.