Keynes im Social Network

Auf Facebook gibt es eine Gruppe für Keynes-Interessenten, die Links zu Zeitungsberichten, Analysen und Büchern im Kontext der aktuellen Wirtschaftspolitik anbietet. Die Gruppe Keynesianismus ist all denjenigen zu empfehlen, die sich abseits des neoklassischen Mainstreams mit Fragen zur aktuellen Wirtschaftspolitik befassen wollen.

Die wirtschaftspolitischen Konzeptionen von John Maynard Keynes (Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes, 1936) sind noch genauso aktuell und zeitgemäß wie sie es damals gewesen sind. Die Radikale politische Ökonomie hat schon einmal gezeigt zu was ein völlig entfesselter Markt führte, der Weltwirtschaftskrise. Im Zuge der Globalisierung und Internationalisierung gilt der Keynesianismus und Postkeynesianismus als anachronistisch und nicht mehr zeitgemäß. Doch die antizyklischen wirtschaftspolitischen Maßnahmen des K. werden unterschätzt. Der interventionistische Wohlfahrtsstaat, der aktiv in das Wirtschaftsgeschehen eingreift und für einen hohen Beschäftigungsstand sowie soziale Sicherheit sorgt, ist nicht die Ursache für unsere heutige ökonomische Krise, sondern die des Neoliberalismus. Seit ca. 25 Jahren wird in Deutschland monetaristische Wirtschaftspolitik betrieben, das Ergebnis sind eine fast unveränderte Sockelarbeitslosigkeit, mehr Armut und Bildungsabbau. Die ersten drei Jahrzehnte nach dem zweiten Weltkrieg waren in Theorie und Praxis Konjunktur- und Außenwirtschaftspolitisch von Keynes Ideen geprägt. Für diesen Abschnitt hat sich nicht ohne Grund das Schlagwort vom “Golden Age” in der Wirtschaftsgeschichte eingebürgert. Er weist eine deutlich bessere ökonomische Bilanz auf als die darauffolgenden drei Dekaden, die durch hohe Arbeitslosigkeit, relativ geringes Wirtschaftswachstum, eine nationale und internationale Polarisierung der Einkommens- und Vermögensverteilung sowie zahlreiche Währungs- und Finanzkrisen charakterisiert sind.

Angesichts des offensichtlichen Versagens von neoklassischen, monetaristischen und angebotsökonomischen Wirtschaftskonzepten, die seit Anfang der 70er Jahre an die Stelle des wirtschaftspolitischen Leitbildes des Keynesianismus traten, verwundert es, dass die Theorien, die von der inhärenten Instabilität eines deregulierten und nach liberalen Prinzipien organisierter Kapitalismus ausgehen, ignoriert werden.

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4 Kommentare zu "Keynes im Social Network"

  1. Möwe sagt:

    In der BRD gab es schon “immer” Angebotspolitik inklusive Lohnzurückhaltung. Die Lohnzuwächse nach dem 2. Weltkrieg waren dem Nachholprozess geschuldet. Deutschland ist zudem in der aktiven Sozial- Arbeitsmarktpolitik so schlecht wie fast kein anderes westeuropäisches Land.
    Die Vormachtsstellung der Exportindustrie im Verbund mit Weltmachtsstreben, hier wirtschaftlich, sind seit dem ausgehenden 19. Jhdt. die Paradigmen deutscher Aussenpolitik – die Hauptursachen für die Angebotspolitik.
    Die skandinavischen Staaten kombinieren seit Mitte der 1990er Jahre positive Staatshaushalte und Nachfragepolitik über, für dortige Verhältnisse, gemäßigt wachsende Löhne und die Nachfrage eines Staates, welcher seiner Aufgaben nachkommen kann (Man beachte die sozialinvestiven Maßnahmen und die sozioökonomischen Indikatoren wie Fertilitätsraten, die Frauenbeschäftigung, die Bildungsinvestitionen, usw.). Dadurch wurden wir im Pro-Kopf Einkommen überholt und durch die anhaltenden Liberalisierungen werden wir unsere Zukunftsfähigkeit verstärkt schwächen.
    Vergleicht man die gesamtgesellschaftliche Wirtschaftspolitik mit der Performanz der gesellschaftlichen Teilsysteme wie Gesundheit, Erziehung, Bildung, Soziale Sicherung und Arbeitsmarktpolitik so erhält man in Deutschland Angebotspolitik und liberalisierte und ungerechte Teilsysteme, während in Skandinavien der sozio-ökonomische High Road in den entsprechenden Bereichen zu finden ist.
    Die gesellschaftliche Entwicklung wird auch den Vermögenden um die Ohren fliegen, denn es ist unwahrscheinlich mit einer vulgären Profitorientierung auf den Produktmärkten mittel- und langfristig den BRIC-Staaten vorraus zu sein. Die Kombination des überreifen Industrie-Clusters BRD ist mit der beabsichigten Rolle auf dem Finanzparkett nur vorrübergehend durchzuhalten. Danach bleiben nur noch britische Verhältnisse – allerdings mit kleinerem Staat, weniger Bildung und einer negativen Bevölkerungsentwicklung.

  2. @Möwe

    Dass die Exportfixierung und damit eine Angebotspolitik eine deutsche Staatsräson seit dem 19. Jh. ist, klingt nach einer interessanten These. Auch wenn ich diese aus dem Stehgreif nicht überprüfen kann, fallen mir jedoch 2 Beispiele ein, die einer solchen deutschen Traditionslinie widersprechen: Als erstes das nach wirtschaftlicher Autarkie strebende, staatskapitalistische Experiment im Dritten Reich, in dem ein Großraum geschaffen werden sollte, der das Reichsgebiet mit Importen versorgte, bei einer gleichzeitigen verstärkten Konsumnachfrage der deutschen Bevölkerung.

    Als zweites die Ära Brandt und die darauffolgende Sozialliberale Koalition, die einen Ausbau des deutschen Sozialstaates und keynsianische Wirtschaftsrezepte verfolgte. Erst seit der Ära Kohl wurde wieder verstärkt auf eine Angebotspolitik gesetzt.

  3. Möwe sagt:

    @Sebastian Müller

    Da haben Sie natürlich recht. Doch wesentliche Abweichungen gab es und gibt es nicht. Die Ära Brandt währte leider zu kurz, das Dritte Reich zu lang und scheiterte bekanntermaßen. Deutschland liegt m.E. 40 Jahre hinter den skandinavischen Ländern sozialpolitisch zurück und hat nie Wert auf eine gesteigerte Binnennachfrage und Ausbau des öffentlichen Sektors gelegt. Auch Frankreich, Großbritannien, die Niederlande und Belgien sind uns sozialpolitisch vorraus. Natürlich haben wir nicht nur Schwächen, trotzdem kann ich in den offiziellen Daten der OECD oder auf Eurostat keine grundlegend positive Entwicklung der BRD entdecken.

    Die außenpolitsche Dimension ist mit Sicherheit nicht der einzige Grund – die konservative Ausrichtung ist das innenpolitische Pendant. Doch wenn die BRD Einfluss nehmen will, dann kann sie es nach zwei verlorenen Weltkriegen, nur noch wirtschaftlich. Eine aussenpolitische Variante a la Bismarck wäre für mich die sozioökonomische Konsolidierung wie in SKA, und damit verbunden eine gemäßigte Exportorientierung, die den europäischen Partnern Raum zur eigenen Entwicklung bietet. Für die Isolierung Frankreichs ist dabei allerdings kein Platz. Wenn ich nähere Informationen zur Außenpolitik finde, die meine These bestätigen oder entkräften, lasse ich es Sie gerne wissen.

  4. Sebastian Müller sagt:

    @Möwe

    “Eine aussenpolitische Variante a la Bismarck wäre für mich die sozioökonomische Konsolidierung wie in SKA, und damit verbunden eine gemäßigte Exportorientierung, die den europäischen Partnern Raum zur eigenen Entwicklung bietet.”

    Ja, das ist auch eine aktuelle Diskussion unter den Ökonomen und Politikern, wenn es darum geht, eine koordinierte EU-Wirtschaftspolitik zu installieren. Die einseitige Exportorientierung ist ja ein Vorwurf, der von den EU-Partnern, allen voran Frankreich, gegen Deutschland erhoben wird. Zu Recht.

    Über weiterführende Informationen zu diesem Thema würde ich mich durchaus freuen.

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