Bundestagsdebatte

“Sie sind zu feige, sich mit den Wirtschaftsmächtigen anzulegen!”

Sahra Wagenknecht hat im Bundestag zum sogenannten Rettungspaket für Griechenland eine herausragende Rede gehalten, deren Popularisierung unbedingt unterstützt werden sollte. Die rhetorische, sowie inhaltliche Meisterleistung ist eine schonungslose Abrechnung mit der Krisenpolitik der Bundesregierung seit der Finanzkrise. Hier die gesamte Rede in Wort und Schrift:

Rede von Sahra Wagenknecht in der Bundestagsdebatte zum sogenannten Rettungspaket für Griechenland am 07.05.2010

Sahra Wagenknecht (DIE LINKE):

Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Es sind in dieser Debatte viele hochtrabende Worte gefallen. Herr Schäuble hat schon im Vorfeld darauf hingewiesen, dass es darum gehen muss, einen Flächenbrand zu verhindern. Merken Sie wirklich nicht, dass der Flächenbrand längst da ist und dass Sie gerade dabei sind, Steuergeld in Höhe von 22 Milliarden Euro in dieses Feuer zu werfen, in ein Feuer, in dem es wahrscheinlich auf Nimmerwiedersehen verloren sein wird, genauso verloren wie die Milliarden, die Sie in die IKB und HRE versenkt haben?
Ich muss sagen, dass ich schon etwas verblüfft über die Rede von Herrn Gabriel gewesen bin.

Herr Gabriel, entweder leiden Sie unter Gedächtnisverlust oder ich; denn Sie haben die Rettungspakete von 2008 kritisiert. Wenn ich es richtig im Kopf habe, war 2008 die SPD in der Regierung, und Sie waren Minister. Ich hätte mir eine solche Rede, wie Sie sie hier gehalten haben, 2008 von Ihnen als Minister der damaligen Großen Koalition gewünscht.

Zurück zur Regierung. Sie sagen: Wenn wir dieses Hilfspaket jetzt nicht beschließen, dann fliegt uns die Währungsunion um die Ohren. Ich sage Ihnen: Die Währungsunion wird uns um die Ohren fliegen, wenn Sie weiter in Deutschland dieses rabiate Lohndumping betreiben, mit dem wir die anderen Euroländer totkonkurrieren.

Die Währungsunion wird uns um die Ohren fliegen, wenn Sie Zockerbanken und Hedgefonds weiter spekulieren lassen, wenn Sie weiter zulassen, dass ganze Staaten in die Pleite spekuliert werden und wenn Sie die aberwitzigen Finanzinstrumente, die das alles ermöglichen, nicht endlich verbieten.

Griechenland ist doch kein Einzelfall. Es gibt fast kein Land, das nicht in kürzester Zeit bankrott wäre, wenn es plötzlich 14 Prozent Zinsen auf seine Schulden zahlen müsste.

Überlegen wir doch mal, was hier wirklich passiert ist. Nahezu alle Industrieländer haben seit 2007 ihre Schulden beispiellos erhöht. Aber nicht, weil sie plötzlich alle angefangen haben, Sozialgeschenke an ihr Volk zu verteilen, sondern weil diese Länder ihre Banken und Finanzinstitute gerettet haben, weil sie deren Giftpapiere, deren Verluste auf die eigene Kappe genommen haben. Das ist doch das, was stattgefunden hat.

In Deutschland ist der Schuldenberg nach Angaben der Bundesbank allein infolge der Bankenrettung um 98 Milliarden Euro angestiegen, 98 Milliarden Euro Schulden, die wir alle an der Backe haben. Gleichzeitig macht die Deutsche Bank, eine der indirekten Hauptprofiteure dieses Rettungspakets, schon wieder 30 Prozent Eigenkapitalrendite, erhöht die Dividende um 50 Prozent und zahlt Herrn Ackermann einen Bonus von 10 Millionen Euro. Zu diesem Glanzergebnis, das die Deutsche Bank da gemacht hat das sei nur nebenbei erwähnt , hat gerade das Geschäft mit und die Spekulation gegen Staatsanleihen entscheidend beigetragen.

Ja, das ist doch so, als wenn ein Einbrecher mir mein Haus leerräumt, und ich anschließend zu diesem Einbrecher hingehe und sage: Bitte, gib mir einen Kredit, damit ich mich neu einrichten kann. Und dann sehe ich auch noch zu, wie dieser Einbrecher die Zinsen auf den Kredit immer weiter nach oben treibt, im Extremfall so weit, dass ich nicht mehr zahlungsfähig bin. Dann schickt er mir einen Gerichtsvollzieher ins Haus, der das Haus zum zweiten Mal leerräumt und auch noch alles mitgehen lässt, was der Einbrecher beim ersten Mal noch nicht mitgenommen hat. Das ist das, was Sie gegenüber den Banken machen.

Das ist ein Skandal, und das ist einfach nicht hinnehmbar.
Während Sie die Ackermänner dieser Welt in Sänften tragen, diktieren Sie der griechischen Bevölkerung ein Sparpaket, das unerträgliche Folgen haben wird, das Griechenland in eine tiefe Depression stürzen wird. Spätestens dann wird die griechische Zahlungsunfähigkeit tatsächlich nicht mehr aufschiebbar sein.
Wenn wir nicht endlich den Zockerbanken, den Spekulanten das Handwerk legen, das sage ich Ihnen, werden wir uns sowieso in wenigen Wochen hier wiedersehen, und dann wird uns Frau Merkel mit treuem Augenaufschlag begründen, warum wir jetzt auch Portugal oder Irland unterstützen müssen, dann vielleicht Spanien oder Italien. Hören Sie doch auf, die Leute zu belügen!

Sie bauen Sandburgen, um eine Tsunamiwelle aufzuhalten, und Sie wollen uns weismachen, Sie wüssten nicht, dass das nichts bringt. Also, solche wirtschaftspolitischen Tiefflieger können Sie nicht sein, dass Sie das nicht wissen.

Geben Sie doch lieber zu, dass Sie schlicht und ergreifend zu feige sind, die Finanzhaie an die Kandare zu nehmen,
dass Sie schlicht und einfach zu feige sind, tatsächlich die Spekulation zu verbieten und sich mit den Wirtschaftsmächtigen anzulegen. Das ist doch das Problem, dass Sie sich das nicht trauen, weil Sie von denen in den letzten Jahren zig Millionen an Spenden eingesackt haben. Deswegen machen Sie fortgesetzt eine Politik gegen die Mehrheit der Menschen in diesem Land, eine Politik gegen die Mehrheit der Menschen, wie vor Ihnen schon die Große Koalition, wie vorher Rot-Grün. Es ist immer das gleiche Problem: Sie legen sich nicht mit denen an, die wirklich zocken, mit denen, die Wirtschaftsmacht haben, mit denen, die hinter den Banken stehen. Das wollen Sie nicht. Zu dieser Politik wird die Linke weiterhin konsequent Nein sagen. Deswegen werden wir diese Art von Rettungspaket auch ablehnen.

Vielen Dank.

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7 Kommentare zu "Bundestagsdebatte"

  1. Jan Haman sagt:

    – Was für eine tolle Frau, die als Einzige keine Angst hat in diesem verlogenen “Deutschen Vaterland” von heute, welches seine Bürger längst verraten und verkauft hat, – der feigen, gekauften Restpolitik und den Bankenbossen die Wahrheit ins Gesicht zu sagen !
    – Diese gebildete, tapfere und schöne Frau würde ich sofort heiraten, gleichgültig bei welcher Partei sie ist, und mit ihr zusammen sogar einen Neubeginn in der Heimat wagen…….!

    J.Haman

  2. Steinthor sagt:

    Die Rede ist absolut treffend, keine Frage, aber man darf nicht vergessen, dass Frau Wagenknecht eine knallharte Kommunistin ist und Kommunismus heißt Klassenkampf, Abschaffung jedes Privateigentums und Planwirtschaft.

    Auch wenn Frau Wagenknecht voll ins Schwarze getroffen hat, verschweigt sie bewusst ihre Alternativen, die nur die extreme andere Ecke darstellen würde…fürs Volk vom Regen in die Traufe!

    Es gibt Alternativen, aber über denen schwebt die staatlich verordnete Ausschwitzkeule….

    • Manfred Schumann sagt:

      Tja, Herr Steinthor, Sie glauben wohl auch noch, daß der Urlaub vom Sozialpartner kommt. Da sagt eine S.W. wieder mal was absolut Wahres, aber leider, leider … gilt nicht. Schlimmer noch, es darf nicht gelten bei dieser pösen Kommunistin!
      Erstaunlich ist, daß der gemeine westdeutsche Betonkopf mittlerweile viel betonköpfiger ist als Frau Wagenknecht. Sie hat doch genügend Vorschläge gemacht: https://le-bohemien.net/2011/06/10/geisel-finanzmarktkapitalismus/
      Es ginge höchstens zurück in die Zeit der sozialen Marktwirtschaft. Läuft die bei Ihnen auch schon unter Kommunismus?
      Ersetzen Sie einfach Kommunismus und Klassenkampf durch Finanzmarktkapitalismus und Überlebenskampf, das dürfte für viele inzwischen hinkommen.
      (Welche Alternativen unter der Auschwitzkeule meinen Sie eigentlich?)

  3. Steinthor sagt:

    Tja Herr Schumann, ich habe die Aussagen von Frau Wagenknecht auch als solche nicht kritisiert, sondern unmissverständlich gelobt. Wer lesen, und viel wichtiger, das Gelesene auch verstehen kann, ist wie immer klar im Vorteil.

    Nur erinnert mich alles was Frau Wagenknecht sagt an den Wolf der Kreide frisst um an die Geißlein ran zu kommen. Eine erklärte Kommunistin kann es nicht ernst meinen, wenn sie in ihren Aussagen auch nur einen Rest an Marktwirtschaft oder Privateigentum zulässt, das sollte Ihnen eigentlich klar sein, Voraussetzung Sie kennen die Kernthesen des Kommunismus überhaupt….

    Unbestritten war der wirtschaftliche Aufschwung von 1933 bis 1939 so sensationell, dass er heute noch gelobt und mit Staunen begutachtet wird, von Helmut Schmidt bis hin zu polnischen oder amerikanischen Politikern, um nur einen Bruchteil zu nennen.

    Und kommen Sie präventiv gesprochen nicht mit der unsinnigen These das wäre nur durch die Aufrüstung möglich gewesen, diese ist erst 1937 ein Beschäftigungsfaktor gewesen, da war die Arbeitslosigkeit quasi bereits beseitigt. Verschiedene Mechanismen wie die Abwrackprämie oder verstärkte Auftragserteilung an öffentliche Stellen werden heute noch eingesetzt, aber ohne stimmiges Gesamtkonzept verschiebt es das zu erwartende Desaster nur.

    Fazit: Frau S.W. hat Recht, das hat aber auch ein Horoskop das Ihnen voraus sagt, dass sie in den kommenden Tagen auf die Toilette müssen…oder der Wetterbericht, der Regen voraus sagt…

    Einen Einstieg in die Alternative die ich meine finden Sie bei amazon unter dem Titel: Die Beseitigung der Arbeitslosigkeit im Dritten Reich

    • Manfred Schumann sagt:

      Lesen und verstehen nützt aber nichts, wenn man die Erkenntnisse daraus a priori ablehnt, und das sogar wider besseres Wissen. Was die Thesen des Kommunismus betrifft, kenne ich die nicht nur, ich bin sogar mittendrin aufgewachsen. Deshalb habe ich auch keine Berührungsängste mit dem, was Frau Wagenknecht sagt.
      Was den Wolf und die Kreide betrifft, habe ich sogar mal einen Herrn Schröder gewählt, getarnt als Sozialdemokrat. Seit dreißig Jahren, in denen ich nun im Westen lebe, geht es mit D gesellschaftlich bergab, und richtig schnell seit Herrn Schröder. Aber voll systemimmanent, Gott sei dank. Nur vor Frau Wagenknecht, die die allerschlimmsten Dinge rückgängig machen möchte, wird gewarnt wie einstmals vor dem Leibhaftigen. Ein sicheres Zeichen, dass sie wohl eher Kassandra ist als ein kleines Horoskop.
      Was den Aufschwung von 1933 bis 1939 betrifft, lag der weit vor meiner Zeit. Aber selbst mein Vater und Großvater haben davon eher weniger mitgekriegt, die wahren Profiteure waren wohl andere. Dass die Mechanismen gleich geblieben sind, stimmt allerdings. Damals Arbeitsdienst, heute 1€-Jobs und H4. Arbeitslose unsichtbar, Aufgabe erfüllt.
      Das Desaster kommt, ganz sicher. Dank kreidefressender Wendegewinnler wie Herrn Schröder. Vor denen graust’s mich viel mehr als vor Frau Wagenknecht, und das nicht nur optisch gesehen.

  4. Steinthor sagt:

    Herr Schumann, da irren Sie sich, Sie sind nie und nimmer im Kommunismus aufgewachsen, denn die DDR verstand sich als sozialistischer Staat auf der Vorstufe zum Kommunismus! Seien Sie froh, dass Sie die Endlösung nicht mehr erlebt haben….Millionen Tote in Stalins Reich dürften mir Recht geben, denn der reale Klassenkampf führte zu dem absurden Ergebnis, dass man den Klassengegner einfach eliminierte…so einfach und brutal kann Ideologie im Ergebnis sein.

    Ich gebe Ihnen aber Recht, dass das was wir in der BRD seit 1945 erleben ein gespielter Witz aus einer anderen Ecke der verachtenswerten Gesellschaftformen ist, der uns noch teuer zu stehen kommt. Die Systemfrage ist bereits gestellt, die Frage wird sein wer sie beantwortet….und da hoffe ich, dass es eine Frau Wagenknecht und ihresgleichen nicht sein wird, denn das wäre die Rolle Rückwärts in nachgewiesen gescheiterte Systeme. Der Nationalsozialismus hat dem voraus, dass er nicht scheiterte sondern von extern abgeschafft und verboten wurde, damit stellt er sich auch weiterhin als Alternative dar, zugegebenerweise ohne die rassistischen Komponenten, aber die sind auch nie Kern der sozialpolitischen und wirtschaftlichen Thesen des NS gewesen.

    • Manfred Schumann sagt:

      Ich weiß schon, wo ich aufgewachsen bin (:-) Vor der Endlösung hatte ich allerdings gar keine Angst, auch nicht vor dem Nationalsozialismus. Der hatte zumindest in der DDR überhaupt keine Basis. Die DDR ist im Wesentlichen am Neid gescheitert, dieses System scheitert an der Gier. Deshalb halte ich eine Mischung aus sozialer Marktwirtschaft mit einem starken öffentlichen Sektor (Energie, Verkehr, Banken, Wasser) für die tragfähigste Lösung. Das geht natürlich nur mit einer Entmachtung der zerstörerischen Finanzindustrie und einer “Rückabwicklung” der undemokratischen EU zur EWG, aber im Grunde genommen hatten wir den Zustand ja schon einmal. Und mit Frau Wagenknecht als Finanzminister wäre wieder Glanz in diesem Amt, vom Geist ganz abgesehen.
      Ob man das mit einer Rolle rückwärts oder vorwärts errreicht, ist egal, Hauptsache rollen. Mit der jetzigen Mischpoke aus gescheiterten Existenzen in allen Ämtern, völlig asozialen Bankern und den Heerscharen an Lobbyisten geht es aber gar nicht.
      Ich befürchte nur, daß die mit BILD sozialisierte deutsche Mehrheit eher dem Nationalsozialismus folgen würde als Frau Wagenknecht.

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