25 Jahre Privatfernsehen

Beispiellose Verherrlichung der Volksverdummung

Die Schlagzeilen und Worte, die die grossen Magazine dem 25 jährigen Jubiläum des Privatfernsehens widmeten, zeugen einmal mehr davon, wie sehr auch die Printmedien parallel zu dem Qualitätsverlust des Unterhaltungs- und Informationsmedium Fernsehen in Mitleidenschaft gezogen werden. Dass Quotenzwang eben nicht für niveauvolle, kulturelle Unterhaltung und anspruchsvolle Bildungsprogramme Parte steht, sondern stumpfer Sensationslust und anspruchsloser Berieselung Vorschub leistet, hätte jemanden, dem Verantwortung und Einfluss der Medien bewusst war, schon 1984 dämmern können.

So sind die “trüben Aussichten zum Jubiläum“, die der “Focus” den Privaten prognostiziert, auch nicht auf unsere traurige Informations- und Unterhaltungskultur, sondern lediglich auf fallende Zuschauerzahlen in Zeiten der Konkurrenz durch das Internet bezogen. Doch das ist gegenüber folgendem geplappere noch unaufällig:

“Entschuldigung, wir wollen Ihnen ja nicht die Krise vermiesen, aber vielleicht vergessen Sie die schlechte Stimmung mal kurz, es gibt immerhin was zu feiern: unser Fernsehen nämlich. Im Ernst. Vor 25 Jahren starteten mit RTL und Sat.1 Deutschlands erste Privatsender – und das ist, allen Nörgeleien am Programm zum Trotz, doch ein Spitzenjubiläum.”

Nun gibt es immer verschiedene Perspektiven, um eine Entwicklung zu betrachten, doch warum hier allen Ernstes 25 Jahre der im Großen und Ganzen gebündelten Belanglosigkeit als “Spitzenjubiläum” bejubelt werden, muss zumindest einem Bildungsbürger nicht unmittelbar einleuchten. Doch selbst diese Semantik würde nicht weiter auffallen, wenn sie von der Bildzeitung, oder RTL2  zu verantworten wäre. Aber diese Zeilen stammen, man glaubt es kaum, vom Spiegel, eines einstmaligen journalistischen Vorzeigemagazins. Und der Spiegel offenbart sich noch weiter:

Oder glauben Sie ernsthaft, dass das eine Alternative wäre: auf die vielen bunten Programme zu verzichten und den öffentlich-rechtlichen Sendern ihr Unterhaltungsmonopol zurückzugeben? Wäre die Fernsehwelt tatsächlich eine bessere, wenn wir uns nicht mehr über “Deutschland sucht den Superstar” aufregen könnten, den Kandidatinnen von “Germany’s Next Topmodel” beim Andicken zusehen und uns von Stefan Raab bei “TV total” in den Schlaf quatschen lassen?” (Hier der Komplette Artikel).

So wie in den letzten Jahren ein qualitativer Niedergang dieser “Intellektylle” zu beobachten war und ein neoliberaler Kampagnenjournalismus die Oberhand gewann, scheint sie sich nun auch noch den stilistischen und inhaltlichen Niederungen der Boulevardpresse hinzugeben.

Nicht dass sich der Spiegel nicht schon mit vielen Artikeln negativ offenbart hätte, – aber nun scheint der absolute Tiefpunkt der Peinlichkeiten endgültig erreicht. Man muss sich fragen, welchem Anspruch das Blatt überhaupt noch gerecht werden will. Oder übersieht der Spiegel absichtlich die Tatsache, dass auch die öffentlich-rechtlichen Programme durch den Druck der Privatsender qualitativ an Format verlieren? Nicht umsonst ist auch die hetzerische und sensationsgeile “Bild” die meistverkaufte “Tageszeitung”.

Sind also Quote, Umsatz und Gewinnmaximierung die einzigen legitimen Parabeln, die den Inhalt bestimmen dürfen? Anspruchsvolle Filme und Dokumentationen weichen amerikanischen und deutschen Soap-Produktionen – Dosenproduktionen; schlechte Serien und banale Talkshows verdrängen anspruchsvolle Unterhaltung auf das Nachtprogramm. Durch die ständig steigenden privaten Anbieter ist das deutsche Fernsehprogramm keinesfalls pluralistischer oder informativer geworden.

Das deutet der Spiegel sogar vorsichtig an, ohne aber daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen, da er den ungebrochenen Glaube an die Segnungen der Privatisierung auf das Widerwertigste propagieren muss. So hält er einen naiven Lobgesang auf die Pionierzeit des Privatfernsehens – es fehlt aber der in diesem Kontext unverzichtbare, wehmütige Abgesang auf das staatliche Bildungsfernsehen, der automatisch eine unwiderrufliche Kritik der aktuellen Zustände wäre, und das ist unverzeihlich. Dieser fehlende, nostalgische Abgesang wird nun hier nachgeholt.

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