Medien, Macht, Murdoch

Der Medienmogul greift nach BSkyB

Von Sebastian Müller

Der US-Medienmogul Rupert Murdoch greift nach dem größten Anbieter von Pay-TV, BSkyB; unerklärlich dabei ist das Versagen der Aufsichtsbehörden. Doch jetzt läuft Avaaz, eine weltweit vernetzte Nichtregierungsorganisation für Menschenrechte, Sturm.

Von der deutschen Wahrnehmung weitestgehend unbemerkt plant sich in Großbritannien eine weitere Eroberung des Imperiums an. Die britische Kartellbehörde Office of Fair Trading hat dem US-Medienkonzern News Corporation von Rupert Murdoch grünes Licht für die Übernahme des britischen Senders BSkyB erteilt. Schon im Dezember 2010 stimmte die Europäische Kommission dem Deal mit der fadenscheinigen Begründung, der Wettbewerb in der Branche sei nicht beeinträchtigt, ohne Auflagen zu – eine Bankrotterklärung. Nur der Ausschuss der britischen Medienaufsichtsbehörde Ofcom hat in einem Bericht massive Bedenken geäußert.

Bislang bietet News Corp., die bereits 39 Prozent der Aktien hält, umgerechnet 9,28 Milliarden Euro für den noch fehlenden 61-Prozent-Anteil an dem britischen Sender. Gegenwärtig hat BSkyB das Angebot als zu niedrig eingestuft. Sollte es aber zu einer Einigung kommen, liegt die endgültige Entscheidung bei dem Kulturminister Jeremy Hunt. Von Hunt selbst dürften sich die Gegner einer Übernahme jedoch nichts mehr erhoffen. Der Minister suchte Wochen zusammen mit Murdoch-Sohn James, Ruperts Statthalter in Europa, nach Lösungen, mit deren Hilfe der Ausschuss zu umgehen wäre. Folgerichtig erklärte Hunt unlängst, dass er der vollständigen Übernahme der Senderfamilie durch Murdochs News Corp. zuzustimmen werde. Eine endgültige Entscheidung soll bis zum 21. März fallen.

Trotz des positiven Signals der Kartellwächter und des Ministers ist das letzte Wort aber noch nicht gesprochen. In der britischen Medienlandschaft regt sich heftiger Widerstand gegen eine größere Einflussnahme Rupert Murdochs, der TV-Sender BBC fürchtet die Gefährdung der Medienvielfalt, ein Medienhaus soll bereits rechtliche Schritte prüfen. Und an Jeremy Hunt ist nun auch der Protest gerichtet, den Avaaz gegen die Übernahme mobilisert (s.u.). In Großbritannien besitzt der Medienmogul bereits die einflussreichen Tageszeitungen “The Sun”, “The News of the World”, “The Times” und “The Sunday Times”.

Allein aus Ehrfurcht dieser geballten Konzentration großkalibriger Geschütze zogen sämtliche Premierminister bisher den Kopf vor Murdoch ein, aus Angst vor dieser publizistischen Macht zerissen zu werden. Was das bedeutet, bekam zuletzt der Wirtschaftsminister Vince Cable zu spüren. Dieser hatte Ende des vergangenen Jahres mit umstrittenen Äußerungen über Murdoch eine Koalitionskrise ausgelöst, die dem Liberaldemokraten die Zuständigkeit für Wettbewerbsangelegenheiten kostete. Zufällig also jene Kompetenzen, die nun Kulturminister Jeremy Hunt inne hat.

Cable hatte Reportern der Zeitung “Daily Telegraph”, die sich nicht als Journalisten zu erkennen gegeben hatten, gesagt, er habe Murdoch “den Krieg erklärt”. Cable, der in der Kartellrechtsfrage eigentlich das letzte Wort gehabt hätte, hatte im Gegensatz zu Hunt Bedenken angemeldet und offen von einer Gefahr für die Medienpluralität gesprochen. Damit stellte sich Cable auch gegen den konservativen Koalitionspartner.

Murdoch geniesst in London eine Vorzugsbehandlung. Dem aktuellen Premier David Cameron wird zudem von der oppositionellen Labour Party vorgeworfen, Murdoch zum Dank für dessen Unterstützung den Weg zu weiterer Medienmacht ebnen zu wollen – und vor allem deshalb Minister Hunt grünes Licht für die BSkyB-Übernahme gegeben zu haben. So soll Cameron mitten im Prozess der Urteilsfindung seiner Regierung über BSkyB, zu einem «privaten» Essen mit Murdoch junior eingeladen haben. Es riecht nach politischer Korruption.

Kein unbeschriebenes Blatt

Der Gegenstand wird nicht minder brisant, wenn man sich vergegenwärtigt, für was Murdoch steht. Seine Unterstützung für den konservativen Premier Cameron sollte nicht verwundern, da Murdoch selbst konservativ ist. Den US-Republikanern hatte er im August 2010 über seinen Konzern 1 Million Dollar zukommen lassen und damit für eine der höchsten Einzelspenden in der amerikanischen Geschichte gesorgt. “Niedrige Steuern” und “Wachstumspolitik” gibt News Corp. als offiziellen Grund an, warum man sich mit dieser beträchtlichen Summe hinter die Republikaner wirft.

Auch Camerons Vorgänger, Tony Blair, pflegte ein enges Verhältnis zum Murdoch. Blairs neoliberales Konzept für “New Labour” und seine Politik des “Dritten Weges” beeindruckte den Medienzaren nicht minder als seine Reform des Medienkartellrechts im Sinne der Großkonzerne. Genauso deutlich wird Murdochs politische Einstellung aber auch durch die Ausrichtung seines Hauptgeschützes, dem TV-Sender Fox-News. Der Sender hat vor allem konservative Kommentatoren, die dem rechten Flügel der Republikaner nahestehen und fällt hauptsächlich mit überzogenen Angriffen auf die Demokraten und Präsident Barack Obama auf. Fox-News sei mehr ein Flügel der Republikaner als ein Nachrichtensender, geißelte eine Mitarbeiterin des Weißen Hauses im vergangenen Jahr .

Auch im Irak-Krieg spielte die einseitige Berichterstattung von Fox-News eine bedeutende Rolle. Murdoch nutzte sein gewaltiges Medienimperium, um die US-Invasion im Golfstaat voranzutreiben, wie Avaaz kritisiert.  Die international vernetzte und einflussreiche NGO will Murdoch zumindest in Großbritannien mit einem “weltweiten Aufschrei” stoppen und eine Petition an die britischen Entscheidungsträger reichen. “Murdoch untergräbt Demokratien auf der ganzen Welt, indem er gewählte Politiker solange mit einseitiger Berichterstattung erpresst, bis sie seinen Willen erfüllen”, verkündet Avaaz in ihrem Aufruf. Die Vorwürfe, die die Organisation erhebt, wiegen schwer und würden, wenn sie sich bestätigen, einen dunklen Schatten auf die Demokratie werfen. So konstatiert sie, dass die meisten der republikanischen Präsidentschaftskandidaten auf Murdochs Gehaltsliste stünden. Zumindest bei Sahrah Palin ist dies bereits eine erwiesene Tatsache.

Fox News hat Palin für angeblich 1 Million Dollar jährlich als Kommentatorin angestellt und dient der libertären Tea Party mit Berichten über ihre Veranstaltungen, Anliegen und Repräsentanten als Haussender. Bei der Tea-Party-Bewegung, hinter der etliche Milliardäre stehen und ihr zum eigenen Nutzen Ideen und öffentliche Plattformen bereitstellen, hat News Corp. also nicht umsonst seine Hände im Spiel.  Das Pikante ist dabei, dass Fox News längst nicht nur weit höhere Einschaltquoten als die Kabel-Konkurrenten CNN und MSNBC erzielt, sondern auch die Nachrichtensendungen der grossen TV-Networks wie ABC hinter sich lässt. Mit den Quoten entsteht eine Macht, vor der auch die Obama-Regierung zittert. Das Weisse Haus hat im letzten Herbst beschlossen, Fox News keine Interviews mehr zu geben, da der Sender keine Nachrichten, sondern regierungsfeindliche Propaganda verbreite. Doch Proteste aus der eigenen Partei und anderen Medien bewogen Obama rasch zur Aufhebung des Boykotts.

Die 7 Millionen Mitglieder zählende Avaaz ist in ihrem Kampf gegen das Murdoch-Imperium aber nicht erfolglos. Kanadische Aktivisten konnten verhindern, dass auf Betreiben Murdochs in Kanada ein politischer Propaganda-Kanal im Stil von Fox-News aufgebaut wird. Diese Sendeanstalt sollte vom Geld der Steuerzahler finanziert werden. In der vergangenen Woche konnte eine andere Avaaz-Kampagne verhindern, dass die kanadische Regierung journalistische Standards entfernt, die der Fernsehgesellschaft das verbreiten von Fehlinformationen in der Öffentlichkeit verbieten. 


Aufruf von Avaaz: Stoppen Sie Rupert Murdoch

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