#Landesverrat
Die Affäre Netzpolitik.org

Für Regierung und Behörden ist die NSA offenbar ein Vorbild. Warum sonst wird das Treiben der NSA hingenommen, dafür aber alles gegen eine Aufklärung durch Beckedahl & Co. unternommen?

Foto: Robbenflosse / flickr / CC BY-NC-SA 2.0

Von Alexander Bringmann

Die Aufnahme von Ermittlungen wegen des Verdachts auf Landesverrat gegen die Blogger Andre Meister und Markus Beckedahl von netzpolitik.org haben die Republik erschüttert. Über 2.500 Menschen solidarisierten sich am vergangenen Samstag bei einer kurzfristig anberaumten Demonstration, die vor das Bundesjustizministerium in Berlin zog. Landesverrat wird mit einem Jahr bis lebenslänglich bestraft und ist das schwerste Geschütz, das man in so einem Fall auffahren kann. Bisher gab es das in der bundesdeutschen Geschichte nur zwei Mal (Spiegelaffäre 1962 und gegen das Magazin „Konkret“ 1982). Doch dafür gibt es hohe rechtliche Hürden und eine Anklage ist letztlich immer gescheitert.

Generalbundesanwalt Harald Range dürfte die Rechtsgrundlage bekannt sein – umso fragwürdiger ist es, dass er die haarsträubenden Ermittlungen aufgenommen hat. Dabei sind die veröffentlichten Dokumente, um die es geht, mit der niedrigsten möglichen Sicherheitsfreigabe versehen. Schon daher ist der Vorwurf des Verdachts auf Landesverrat nicht ansatzweise haltbar. Jedoch verfolgen die Verantwortlichen damit ein weitergehendes Ziel.

Nach so einem Missbrauch des Rechtssystems müsste Range eigentlich zurücktreten, denn er soll schließlich das Recht durchsetzen und nicht verdrehen. Doch bleibt noch offen, wie viel die Bundesregierung und Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen über die Ermittlungen wussten. Hier kann noch einiges kommen, ist doch nicht zu erwarten, dass Range in einer so heiklen Frage ohne Rückendeckung agiert hat.

Was haben die beiden Blogger aber enthüllt, dass sie angeblich zu Landesverrätern macht? Sie belegten mit internen Dokumenten, dass die Regierung dem Verfassungsschutz aus einem geheimen Topf Geld für eine Massenüberwachung des Internet zur Verfügung gestellt hat. Mit zusätzlichen 75 Vollzeitstellen und entsprechender Technik sollen vor allem soziale Netzwerke und Foren überwacht werden. Dabei werden erst die Daten gesammelt, die dann im späteren Verlauf auf Relevanz geprüft werden.

Freilich geht hier nicht nur um die Daten von Verdächtigen, sondern jeder kann ins Visier geraten. Und da wo der Überwachungsstaat Schritt für Schritt vorangetrieben wird, stören natürlich jene, die den Überwachungswahn bloßstellen. Darum sollen die Ermittlungen wegen des Verdachts auf Landesverrat vor allem Journalisten und Informanten einschüchtern. Verfassungsschutzpräsident Maaßen, der die Ermittlungen angestoßen hat, sollte doch eigentlich einen guten Informantenschutz zu schätzen wissen. Hat doch der Verfassungsschutz die Aufklärung des NSU-Terrors massiv behindert, weil er seine rechtsradikalen Informanten vor der Polizei schützte.

Parallel zu all dem wird die Vorratsdatenspeicherung von der Bundesregierung weiter vorangetrieben. Nachdem sie in der ersten Runde am Bundesverfassungsgericht scheiterte, folgt jetzt der nächste Anlauf. Die NSA ist anscheinend für viele in der Regierung und den Behörden ein Vorbild. Das erklärt vielleicht auch, warum nichts gegen die Spionageaktivitäten der NSA in Deutschland unternommen, dafür aber gegen die Blogger vorgegangen wird, die darüber aufklären.

Das eigentliche Ziel der Ermittlungen dürften aber die Informanten sein. Dass er mit einer Anklage wegen des Verdachts auf Landesverrat gegen die Blogger letztlich keine Chance hat, dürfte dem Generalbundesanwalt Range hoffentlich bewusst sein. Deswegen dienen die Ermittlungen vermutlich vor allem dazu, die Identität der Informanten aufzudecken. Der Vorwurf des Verdachts auf Landesverrat ist in diesem Kontext ein konstruierter Anlass, um an Informationen zu kommen, zu den die Behörden sonst keinen legalen Zugang haben. Man schießt auf die Journalisten und hofft die Informanten zu treffen.

Diese Intention wäre natürlich ein klarer Missbrauch des Strafrechtes. In allen Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, egal ob 1966 (Spiegelaffäre) oder 2007 (Cicero-Affäre), wurden die Pressefreiheit und der Informantenschutz gegen die Angriffe staatlicher Stellen verteidigt.

Die Urteile sollten Range eigentlich gut bekannt sein, auch wenn er sie hier klar ignoriert hat. Doch zeigt sich hier einmal mehr das problematische Rechtsverständnis in vielen Sicherheitsbehörden. Doch das “Recht” ist angesichts einer vorangetriebenen Vorratsdatenspeicherung und geplanten Massenüberwachungen des Internet ohnehin ein strapazierter Begriff.

Der Artikel erschien im Original auf Der Freidenker und steht unter einer CC BY-NC-SA 3.0 Lizenz

Artikelbild: Robbenflosse / flickr / CC BY-NC-SA 2.0

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3 Kommentare zu "#Landesverrat
Die Affäre Netzpolitik.org"

  1. Beate sagt:

    Der letzte Absatz stimmt aber nicht mit dem Originalbeitrag auf Freidenker überein. Warum wurde er verändert?

    Gruß, Beate

  2. Oliver sagt:

    Nun ja, was soll man dazu noch sagen. Ich habe mir mal die Dokumente die veröffentlicht wurden durchgelesen. Und nun verstehe ich auch die Vorgehensweise des Herrn Range und des Herrn Maaßen.
    So reagieren eben zwei Kinder die ertappt wurden bei etwas, dass sich nicht gehört.
    Die gründen doch tatsächlich eine Hacker Gruppe die dann auch noch vollständige Berichte über die Daten (Personen, Gruppen, etc.) erstellt.[Natürlich alles im Sinne zum Schutze der deutschen Bevölkerung gegen diverse “Apokalyptische Reiter”]
    Lieber Herr Range, lieber Herr Maaßen: Wahrscheinlich haben sie mehr Informationen über mich als ich über Sie beide habe, doch lassen sie sich gesagt sein, kenne tun sie mich nicht! Und wenn Sie beide wirklich etwas Gutes für das Volk tun wollen, dann werden Sie transparent und teilen dem Volk mit, was hinter all den geheimen, verschlossenen Türen abgesprochen wird. Oder haben Sie Angst davor, dass das Volk mit Ihren Entscheidungen nicht einverstanden sein wird? Und bitte, habe sie doch mal mehr vertrauen auf die mündigen Bürger dieses Landes! Oder sind wir immer nur dann mündig genug, wenn es darum geht den Kopf dafür hinzuhalten was sie ( und all ihre Kollegen) auch immer für Mist gebaut haben!
    Egal für wie klug und gerissen sich alle auch, die Geschichte hat eines gezeigt:
    Alle sind sie gefallen und meist nicht sanft gelandet

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