Colin Crouchs “Postdemokratie”
Mit nur ein wenig politischer Sensibilität wird dem ein oder anderen kritischen Beobachter des politischen Tagesgeschehens das Gefühl beschlichen haben, das irgend etwas krankt in unserem System. Colin Crouch hat das für Viele unbestimmte Gefühl in Form von einem wissenschaftlichen Essay in konkrete Worte gefasst. Damit erweist er der Öffentlichkeit nicht nur einen immens wichtigen Verdienst, sondern liefert auch eine hochbrisante politische Theorie.
Das kurze aber würzige Buch von dem an der University of Warwick lehrenden Politikprofessors Colin Crouch ist das derzeit wohl konsequenteste Werk zu den sozioökonomischen und politischen Entwicklungen in der jüngsten Vergangenheit.
Crouch liefert eine ernüchternde Bestandsaufnahme über den Zustand der westlichen Demokratien und führt die Ursachen auf, die für den gegenwärtigen Weg in die Richtung der postdemokratischen Gesellschaft (unter Postdemokratie versteht Crouch ein System, dessen demokratische Institutionen zwar weiterhin formal exisieren, das von Bürgern und Politikern aber nicht länger mit Leben gefüllt wird) verantwortlich sind.
Die Argumentationen sind stichhaltig und schlagen einen interessanten Bogen zu vielen Stellungnahmen, die in Le Bohémien verfasst wurden: Die gegenwärtige Europäisierung, der Neoliberalismus, die sich herausbildende sowie steigende Macht der globalen Unternehmen, und nicht zuletzt die Kommerzialiserung öffentlicher Leistungen vor dem Hintergrund des Rückzuges des Staates sind für Crouch demokratieschädigend.
Das Buch ist ein Plädoyer für die Demokratie und ein Muss für diejenigen, die an das Ideal der politischen Gleichheit glauben.
Die Originalausgabe, die bereits im Jahr 2003 erschienen ist, gilt in Italien und Großbritannien bereits als Klassiker der Gegenwartsdiagnose. Seit 2008 liegt das Buch in deutscher Übersetzung vor und könnte ein lang ersehntes, befreindes Element in der meist einfältigen deutschen Debatte über Politikverdrossenheit, Sozialabbau und Privatisierung werden.
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