Energiewende, her damit!

Warum der Wechsel zur erneuerbaren Energie richtig ist

Eine Betrachtung von Janosch Deeg

Aus, vorbei, Atomkraft lebe wohl! Eine japanische Tragödie hat erreicht, was unzählige Protestler, Demonstrationen und Bürgerbewegungen über Jahrzehnte nicht geschafft haben: Politiker aller Fraktionen haben akzeptiert, dass diese Form der Energiegewinnung nicht so ungefährlich ist, wie die verantwortlichen Erzeuger stets behaupteten. Der endgültige Ausstieg bis 2022 wurde beschlossen, die Energiewende beschworen. Und tatsächlich ist der Anteil der erneuerbaren Energien seither unverhältnismäßig gestiegen. Es wurde auch Zeit!

Ein Hauch von Energiewende im Land

Mehr als zwanzig Jahre nach der deutschen Wende, dem gesellschaftspolitischen Wandel in der ehemaligen deutschen demokratischen Republik, sind wir angeblich mitten in einer neuen Wende – der Energiewende. Weg von Uran, weg von den fossilen Energieträgern Braun- und Steinkohle, hin zu erneuerbaren Energien, zu “sauberem” Strom gewonnen aus Elementen wie Wind, Wasser oder Sonne. Die erneuerbare Energie stellte im Jahr 2011 zum ersten Mal den zweitgrößten Anteil am deutschen Strom-Mix dar, immer noch hinter der Braunkohle aber zum ersten Mal vor der Atomkraft [1]. Mit 20% ist der Anteil jedoch noch weit entfernt von einer Grundversorgung mit Ökostrom und so darf man diese Nachricht getrost als eine inszenierte Erfolgsmeldung abtun. Die groß angekündigte Energiewende soll schließlich bestätigt werden. Nichtsdestotrotz sind wir wohl auf einem guten Weg.

Energiepolitik geprägt von Lobbyismus

Rückblickend hat der verheerende Vorfall in Japan dazu geführt, dass ein Bewusstseinswandel stattgefunden hat. Die Politik sieht sich gezwungen, die bisherige Energiegewinnung zu hinterfragen und entsprechend zu reagieren. Dies ist insofern erstaunlich, als dass energiepolitische Entscheidungen in unserer Republik über Jahrzehnte geprägt waren von Lobbyismus.

Das 1. Energiewirtschaftsgesetz aus dem Jahre 1935 hatte ursprünglich zum Ziel, die dezentrale Energieversorgung hauptsächlich durch Stadtwerke zu erhalten und garantierte ihnen deshalb das Monopol für die Stromversorgung in Deutschland. Durch den Verzicht auf Wettbewerb sollte eine sichere preisgünstige Energieversorgung gewährleistet werden.[2] In den folgenden Jahrzehnten sind jedoch auf Grundlage dieses Gesetzes nach und nach immer größere überregionale Zusammenschlüsse von Verbundunternehmen entstanden, die den Großteil des Energiemarkts kontrollierten [3].  Dezentrale Strukturen gingen verloren und das Preismanagment war ausschließlich in den Händen von Wenigen.

Die Politik störte sich daran lange nicht, im Gegenteil, sie förderte gar diese kartellrechtlich bedenkliche Machtfülle. So waren die Stromerzeuger stets ein Bollwerk gegenüber alternativer oder billigerer Energieversorgung, gestärkt und aufrechterhalten durch enge Beziehungen und Verflechtungen zur Politik.[4] Im Jahr 1998 wurde der Strommarkt zwar liberalisiert, aber der Wettbewerb sorgte nur kurzfristig für niedrigere Preise.[2]

Seit 2001 verschärfte sich die Situation für den Verbraucher wieder. Ein Energie-Oligopol, bestehend aus hauptsächlich vier Konzernen – RWE, E.ON, EnBW und Vattenfall – ist entstanden, welches über 80% des Energiesektors kontrolliert und nach Belieben schaltet und waltet. Für viele neue unabhängige Stromversorger kam rasch das Aus in Form von deutlich überhöhten Netzgebühren. Den Preis für den Zugang konnten die etablierten Betreiber selbst festlegen und sich so unliebsamer Konkurrenz entledigen. Dies war ein klarer Verstoß gegen die EU Vorgaben. [4,5] Es dauerte weitere sieben Jahre bis die damalige Regierung die Bundesnetzagentur schuf, welche schließlich für einen fairen Netzzugang alternativer Anbieter sorgte.

BlackOuts und andere Märchen

Die Atomenergie war laut den Stromkonzernen lange der “Klimaretter” und der Garant für eine sichere Stromversorgung. Ungeklärten Fragen ob Unsicherheiten bezüglich der Endlagerung wurde hingegen ausgewichen. Versorgungsengpässe wurden prognostiziert und sogar von teils staatlichen Organisationen durch fragliche Studien gestützt.[6] Auf Grund dieser Behauptungen wurde die Atomkraft von den Regierungen über Jahrzehnte gefördert. Mehr noch, die Kohlekraft wurde gleichzeitig – ihrer Klimaschädlichkeit zum Trotz – fleißig ausgebaut und ebenfalls staatlich subventioniert.[7,8]

In Anbetracht der Gesamtkapitalrendite der drei Energiekonzerne, die deutlich über denen der meisten anderen DAX-Unternehmen liegen, ist der Bedarf einer staatlichen Unterstützung nicht ersichtlich. Selbst die globale Finanz- und Wirtschaftskrise konnte ihren Gewinnen nichts anhaben, wie 2010 eine Studie der Hochschule für Technik und Wirtschaft des Saarlandes ergab [9].

Es ist offensichtlich, dass die Energieriesen derzeit versuchen, den Umstieg so lange als möglich zu verzögern. Je länger dieser andauert, desto größer sind die Gewinne, die sie mit ihren herkömmlichen Kraftwerken erwirtschaften. Deshalb werden die Verantwortlichen von RWE und Co nicht müde, vor immensen Preissteigerungen, vor unlösbaren Aufgaben bezüglich des Stromtransports und vor Versorgungsengpässen bis hin zu vollständigen Black-Outs zu warnen.[10]

In einem Brandbrief beschwörten unlängst Manager des RWE Konzerns die Gefahr eines Scheiterns der Energiewende herauf. Im besagten Brief- wer hätte es vermutet – geht es freilich um Geld. RWE forderte eine Entschädigung vom Staat, da sich die Fertigstellung der von RWE in Auftrag gegebenen Off-Shore Windparks um mehrere Monate verzögern werde.[11] Eine wohlgemerkt sehr eigenwillige Auslegung der Sachlage.

Wieso sind wir eigentlich noch alleine?

Allen Schwarzmalereien und Drohungen zum Trotz hält die Bundesregierung jedoch immerhin weitgehend an ihren Plänen fest. Doch angesichts der ehrgeizigen Ziele wird die Energiewende möglicherweise dennoch nicht reibungslos über die Bühne gehen.

Aber sollte einem das wirklich mehr Sorgen bereiten als der Klimawandel oder die ungeklärte Endlagerung von Atommüll? Sicherlich nicht, und deshalb verwundert die Tatsache, dass Deutschland bisher noch das einzige Land ist, welches sich der Abkehr von Kohle und Uran verschrieben hat. Die europäischen Nachbarn warten erst einmal ab. Hier kommt man nicht umhin zu fragen, wieso das so ist: Denn stellt eine von begrenzten Rohstoffen und Atomkraft unabhängige Energiegewinnung nicht das einzig denkbare Zukunftsszenario dar?

Es ist geradezu dilettantisch zu glauben, das Rad würde sich weiterdrehen wie bisher. Nur weil Franzosen oder Osteuropäer ihre Atomkraftwerke nicht stilllegen wollen, sollte das die Deutschen nicht daran hindern, die Ihrigen noch vor morgen früh aus den Landschaften zu verbannen. Deutschland könnte dadurch eine Vorreiterrolle einnehmen, der andere bald folgen mögen – mit deutschen Know-How womöglich.

Preissteigerungen, na und?

Es ist unbestritten, dass der Umstieg kurzfristig viele Investitionen erfordert und die Preise für Strom weiter steigen werden. Aber tun sie das nicht sowieso schon immer? Die Stromkonzerne wissen wie sie ihre Gewinne maximieren, das wussten sie auch schon vor der Energiewende.

RWE hat beispielsweise im Jahr 2009 seinen Kunden rund 2,3 Milliarden Euro zu viel in Rechnung gestellt- falls man für DAX-Unternehmen übliche Rendite auf Märkten mit funktionierendem Wettbewerb zugrunde legt.[9] Da Wettbewerb im Energiesektor jedoch kaum existiert, kann man nur hoffen, dass sich dies im Zuge der Energiewende ändert.

Das Wissen und die Erfahrung den Übergang zu regenerativen Energien in einem Industrieland zu bewerkstelligen, werden schon bald ein unglaublich wertvolles und gefragtes Gut sein. Wirtschaftlich wird Deutschland deshalb sehr wahrscheinlich von der Energiewende profitieren. Es bleibt dabei zu hoffen, dass im Zuge einer Dezentralisierung und Kommunalisierung der Energieerzeugung auch die Gemeinden sowie letztendlich die Verbraucher Nutznießer sein können.

Wie es auch immer ausgehen wird, die Finanzierbarkeit sollte kein ernsthafter Teil der Debatte sein. Vor allem nicht in Hinblick auf die Rechnung, die nachfolgende Generationen für unsere ausschweifenden Atom und Kohle Sünden begleichen werden müssen. Und seien wir mal ehrlich: Für die allermeisten ist doch ein höherer Strompreis die größte Motivation Energie einzusparen.

Stromtrassen, Pumpspeicher und Windparks

Problematischer hingegen sind die durch den Wandel bedingten Eingriffe in die Natur. Diese sind wohl zu einem gewissen Ausmaß unvermeidbar, zumindest solange man den bisherigen Energiestandard beibehalten will. Regenerative Energie ist zwar zu Genüge vorhanden, aber eben nicht immer zum richtigen Zeitpunkt und am richtigen Ort. Deshalb werden Stromtrassen benötigt, die den Strom dorthin bringen, wo er gebraucht wird. Überschüssige Energie muss hingegen gespeichert werden, um sie bei Bedarf zugänglich machen zu können.

Beispielsweise sollen künstliche Seen auf verschiedenen Höhenlagen dazu dienen, Wasser, – je nach Energielage -, nach oben zu pumpen (Überschuss), oder nach unten fließen zu lassen (Bedarf). Die Schaffung solcher Infrastrukturen bedeutet zumeist einen nicht unerheblichen Eingriff in unsere Umwelt. Und angesichts der Erfahrungen mit der Konfliktfähigkeit lokaler Bürgerinitiativen wird  wohl noch landauf, landab Überzeugungsarbeit geleistet werden müssen, bis diesbezüglich eine breite Akzeptanz geschaffen werden kann.

Dezentrale Energieversorgung

Um Eingriffe in die Natur einzuschränken, kann die bereits erwähnte, dezentrale Energieversorgung einen wichtigen Beitrag leisten. Sie darf wohl als einer der Hauptbestandteile der Energiewende betrachtet werden. Strom sollte in erster Linie dort produziert und gespeichert werden, wo er gebraucht wird, so wie es eigentlich schon das Energiegesetz von 1935 vorsah – wenn auch damals noch aus kriegstaktischen Gründen.

Doch es hat sich seitdem viel getan. Dezentralität dient nicht mehr militärstrategischen Überlegungen. Die technische Entwicklung ist derart fortgeschritten, dass eine dezentrale Energieversorgung, – kombiniert mit einer intelligenten Steuerung -, fast flächendeckend möglich scheint. Häuser können ihren Strom vollständig autark generieren und sogar Energieüberschuss produzieren [12], Dörfer können ihre eigenen Windparks besitzen [13] oder Straßenlaternen ihren Strom aus Solarzellen gewinnen [14] um nur einige Beispiele zu nennen.

Diese Art der Energiegewinnung erlaubt eine deutlich bessere bedarfsorientierte Steuerung. Zusätzlich wird der Energieverlust, der sich aus dem Transport ergibt, minimiert. Darüber hinaus würde Dezentralität und Eigenerzeugung auch endlich das Monopol der Stromriesen beenden und die Konsumenten aus der Abhängigkeit befreien. Folgerichtig dürfte eine auf dezentralen und autarken Strukturen basierende Energieversorgung ein erstrebenswertes Zukunftsszenario darstellen. Jedoch ist diese Methode, zumindest in absehbarer Zeit, nicht für große Städte und industrielle Großverbraucher zu realisieren. Vor allem der Industrie-starke Süden des Landes wird zusätzlich Strom aus den Offshore Parks vor der Küste Norddeutschlands brauchen – und vielleicht auch schon bald Solarenergie aus den Wüsten Afrikas.

Sind wir bereit für die Wende?

Laut einer Forsa-Umfrage ist die Mehrheit der deutschen Bevölkerung gewillt, für den Ausbau erneuerbarer Energien höhere Strompreise in Kauf zu nehmen.[15] Doch reicht das? Sind wir bereit, uns der Energiewende zuliebe mit Hochspannungstrassen, künstlichen Seen und Windparks anzufreunden? Wird die Politik an ihren hehren Zielen festhalten? In Anbetracht der Alternativen kann man abschließend nur festhalten: Hoffentlich und je schneller desto besser!

Janosch Deeg promoviert am Max-Plank-Institut für intelligente Systeme im Fach Physik.

Literatur
[1] http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/0,1518,804335,00.html
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Energiewirtschaftsgesetz
[3]
[4]http://www.greenpeace.de/themen/energie/energiepolitik/artikel/rwe_vattenfall_eon_enbw_und_co/
[5]http://de.wikipedia.org/wiki/Energiemarkt#Historie_zur_Liberalisierung_der_Energiem.C3.A4rkte
[6] http://www.stromtip.de/rubrik/15742/0/Stromanbieter+in+Deutschland.htm
http://www.greenpeace.de/themen/energie/energiepolitik/artikel/das_maerchen_von_der_stromluecke/
[7] http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/energiepolitik-subventionen-fuer-kohle-dreimal-so-hoch-wie-fuer-wind-1114356.html
[8] http://www.greenpeace-energy.de/ueber-uns/energiepolitik/kosten-fuer-kohle-und-atom.html
[9]Stromwatch 3:Energiekonzerne in Deutschland (Kurzstudie im Auftrag der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen von Prof. Dr. Uwe Leprich und Prof. Dr. Andy Junker
[10] http://www.zeit.de/wirtschaft/2011-05/netzbetreiber-blackout-atomkraft
[11] http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,804166,00.html
[12] http://de.wikipedia.org/wiki/Plusenergiehaus
[13] http://www.ökostrom.info/beispiel-buergerwindpark
[14]http://www.strassenlaterne.net/strassenlaterne-solar.html
[15] Forsa-Umfrage für den Verband kommunaler Unternehmen (VKU)

Weitere Artikel von Janosch Deeg:

– Über die Physik der Atomkraft

– EHEC

– Ich, meine Mutter und die anderen

– Nanotechnologie(n)

Print Friendly, PDF & Email
Filed in: Diskurse, Gesellschaft Tags: , , , ,

Ähnliche Artikel:

Über die Physik der Atomkraft Über die Physik der Atomkraft
Über die Physik der Atomkraft Über die Physik der Atomkraft
Über die Physik der Atomkraft Über die Physik der Atomkraft

2 Kommentare zu "Energiewende, her damit!"

  1. Solveigh Calderin sagt:

    Der so genannte “Atomausstieg” ist keiner, sondern die per Gesetz bestimmte Abnahmegarantie für den dreckigen, ungesunden und hochgefährlichen Atomstrom und nebenbei wurde das Abschalten und Herunterfahren der vollkommen maroden alten Kisten auf Kosten der Menschen durchgedrückt. (nicht die Konzerne übernehmen diese Kosten, die sie verursacht haben und dafür horrende Gewinne eingestrichen haben). Und 2022 weiß keiner mehr, was 2011 beschlossen wrude, so hoffen diese Herrschaften!!

    Die dezentrale Energie-Erzeugung (wie überhaupt die Dezentralisierung der gesamten Gesellschaft) ist die einzige Lösung für alle unsere Probleme.

    So sehen die Lösungen der Zukunft aus – und es gibt sie schon (bei den Untertiteln kann bestimmt “Deutsch” eingestellt werden)

    http://video.ted.com/assets/player/swf/EmbedPlayer.swf

  2. Theodosio sagt:

    Promoviert am MPI?
    Quellenlage sollte da noch etwas sorgfältiger sein.
    Und ist spiegel-online o.k.?

Einen Kommentar hinterlassen

Kommentar abschicken

le-bohemien