US-Wahl
Donald Trump ist die Quittung

Nach dem traumatischen Wahlsieg von Donald Trump wächst auch jenseits des Atlantiks die Befürchtung, dass nun die Populisten, die erklärten Feinde des Verfassungsstaates, die Demokratie aushebeln könnten. Die Sorge ist wohlfeil.

Die Feinde des Verfassungsstaates. Sind sie so einfach auf der Seite der Trumpianer, von le Pen, der Pegidisten, AfDlern und wie sie alle heißen auszumachen? Ist der Feind im Innern wirklich so plakativ sichtbar? Oder wird der Verfassungsstaat nicht auch durch massiven Lobbyismus, Spenden, EUGh-Entscheidungen und private Schiedsgerichte in Frage gestellt? Wer oder was ist gefährlicher – der geifernde Populist oder der stille Drahtzieher?

Nichts könnte die Ignoranz der liberalen Meinungselite mehr verdeutlichen als eben solche Reaktionen auf Trumps Wahlsieg, die jetzt plötzlich die Demokratie gefährdet sehen. Geflissentlich übersehen wird dabei, dass an den sogenannten „Checks und Balances“ in den westlichen Demokratien schon seit Jahrzehnten gefeilt wird. Nicht von irgendwelchen Populisten, nicht von dem Volk oder dem „angry white man“, sondern von den wirtschaftlichen und politischen Eliten höchst selbst. Die Erschütterungen, denen das neoliberale Projekt nun ausgesetzt ist – Trump, der Brexit, die Rückkehr des Nationalismus – sind Symptom des verzweifelten Aufbäumens eines immer machtloser werdenden Souveräns.

Die Quittung für die Hybris

Trumps Sieg ist der vorläufige Höhepunkt eines Trends in den Postdemokratien des Westens und die Quittung für eine Hybris. Es ist die Quittung für eine transnationale Agenda, die jenseits von Transparenz und demokratischer Kontrolle vorangetrieben wird. Eine Agenda, die für eine extreme soziale Ungleichheit, genauso wie für politische Ungleichheit und sinkende Chancengleichheit verantwortlich ist. Eine Agenda, die aus intransparenten Abkommen, Hinterzimmerpolitik, postnationalen Utopien, Freihandel, Deregulierungen und Privatisierungen besteht. Dass dabei zunehmend an den nationalen Demokratien vorbeiregiert, die Parlamente entmachtet oder durch Lobbyismus und nahezu unbegrenzte Spendengelder das repräsentative Prinzip außer Kraft gesetzt werden – das wird willentlich in Kauf genommen. Es ist eine Agenda, die globale Freiheit und steigenden Wohlstand predigt, aber dabei nicht inklusiv sondern exklusiv wirkt.

Wurde nicht die globalisierungskritische, den internationalen Handel „geißelnde“ Bevölkerungsmehrheit, wie es die FAZ formuliert, von den Mainstreammedien belehrt, gerügt oder gar mit dem Rechtspopulismus in einen Topf gesteckt? Wurde nicht die kosmopolitische liberale Ideologie, die so viele echte und gefühlte Verlierer produziert, als alternativlos deklariert? Wird nicht alles, was ihr zu wider läuft, als gestrig, als irrational, als gefährlich gebrandmarkt – Protektionismus, nationale Bezugsrahmen, Sozialstaat, die Angst vor Überfremdung? Das ist kein demokratischer Diskurs, das ist Wählerverachtung, das ist Belehrung von oben.

In den USA wurde gegen Trump ein wahrer Kreuzzug von einer Koalition aus Leitmedien, Intellektuellen, Prominenz und Hollywood geführt, eindeutige Wahlempfehlungen durch die renommierten Zeitungen des Landes ausgesprochen. Selbst Republikaner wechselten die Seite. Hillary Clinton ritt auf einer Welle der Unterstützung, die fast keine andere Annahme als die ihres Sieges mehr zuließ. So etwas mag funktionieren, solange die dabei transportierte „Wahrheit“ bis zu einem gewissen Grad mit der wahrgenommenen Realität kompatibel ist und der institutionalisierte Konsens von oben Legitimität genießt.

Doch wenn die veröffentlichte Meinung nicht mehr die öffentliche Meinung wiedergibt, oder diese gar derart niederschreibt, dass eine wahre Diskurslücke klafft, dann muss man sich über das laute Platzen der eigenen Filterbubble nicht mehr wundern.

Dabei hätte man das Ächzen im Gebälk eines morschen liberalen Systems, das insbesondere in den USA den Eliten zur Selbstermächtigung gedient hat, längst hören können. Die Selbstermächtigung, die Korruption, die Verfilzung mit der Wall Street – sie ist nun den Nutznießern des selbstreferentiellen Systems um die Ohren geflogen.

Wird die Botschaft begriffen?

Trumps historischer Sieg hat auch gezeigt, dass er mitnichten nur vom weißen Proletariat gewählt wurde. Selbst Obama konnte dereinst nur ein Drittel der Arbeiter für sich gewinnen. Trump schaffte es, die resignierten und desillusionierten Nichtwähler des unteren Rands zu mobilisieren. Doch der Verdruss, die Unzufriedenheit reicht weit in die Mitte der Gesellschaft hinein. In Europa ist dies kaum anders.

Es ist aber mehr als fraglich, ob nun das große Aha-Erlebnis eintritt. Ob man nun begreift, dass die Menschen ernst genommen und mitgenommen werden wollen. Dass Gesellschaft eben nur in einem funktionierenden Gemeinwesen gemacht werden kann. Dass eine Globalisierung, die rücksichtslos regionale Rückzugsräume, Sicherheiten und Identitäten zerstört, von einer Mehrheit abgelehnt wird.

Es steht zu befürchten, dass die Lehre eine andere sein, sich die Entfremdung des Establishments, der politischen und ökonomischen Eliten zu ihrem „unberechenbaren“ Souverän weiter vertiefen wird. Demokratische Willensbildungsprozesse dürften wohl verstärkt zur Disposition gestellt werden. Der Trend zum exklusiven, legislatorischen Regieren im geheimen Kämmerlein wird weiter zunehmen.

Das ist ein Bärendienst für das Projekt der sozialen Demokratie. Und dessen Gralshüter ist der Immobilienmogul Trump, welcher ebenso wie Hillary Clinton zur New Yorker Oberschicht gehört, wohl kaum. Trump ist das Symptom der Krise, nicht die Lösung. Auch wenn er dem Protektionismus das Wort redet, seine Steuerpläne machen die USA endgültig zu einem Selbstbedienungsladen der Reichen und werden die Ungleichheit im Land weiter verschärfen. Mit allen Folgen.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf Makroskop

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6 Kommentare zu "US-Wahl
Donald Trump ist die Quittung"

  1. Hallo Sebastian,

    vielen Dank für diese treffliche Analyse. Wir können – und sollten – von der internationalen Bewegung nach rechts etwas lernen, anstatt nur monokausal auf die bösen weißen alten Männer einzuprügeln.

    Aus meiner Sicht als Unternehmensberater, der Organisationen dabei unterstützt, mehr Mit- und Selbstbestimmung, Gemeinschaft und damit Agilität umzusetzen, gibt es noch einen weiteren Aspekt, den ich blitzlichtartig ergänzen möchte: Unsere Arbeitswelt ist zwar gemessen an den zutiefst menschenfeindlichen Arbeitsbedingungen in Afrika, Indien oder Bangladesh noch ein Kaffeekränzchen. Aber wir leugnen auch in unserem Kulturkreis eine der wichtigsten menschlichen Grundbedürfnisse: Die Balance aus dem Wunsch nach Bindung und Zugehörigkeit einerseits und Selbstbestimmung und Autonomie andererseits. Wir leben in einer halbierten Demokratie. Einerseits werden wir mehr oder minder als mündige Bürger betrachtet die sogar die Komplexität einer ganzen Gesellschaft beurteilen sollen und andererseits werden wir in der Arbeit als Kinder bevormundet, die zu dämlich sind, ein paar betriebswirtschaftliche Kausalitäten und Zusammenhänge zu durchdringen.

    In der Arbeit werden ansonsten verfassungsrechtlich verbriefte Rechte informell aufgehoben. Meinungsfreiheit im Betrieb? Nun denn, es wird niemand inhaftiert oder erschossen. Aber die Karriere kann nach einer allzu offenen Meinungsäußerung im Eimer sein. Das nur als ein kleiner, mikroskopischer Hinweis. Da wundert es mich nicht, was zur Zeit passiert.

    Herzliche Grüße
    Andreas

  2. adam sagt:

    oh je – ganz im sinne der erfinder der keilschrift (nicht wirklich nuetzlich heutzutae) wird hier ein resuemee gezogen welches genau das widerspiegelt womit es sich beschaeftigt: oberflaechlichkeit…

    kein wort von den circa 90 millionen waehlern die NICHT gewaehlt haben -das sind etwa 45% aller registrierten wahlberechtigten-.
    diese unbedarften, von denen etwa 46 millionen UNTER der offiziellen usa armutsgrenze leben und die 10 millionen, die wirklich arm sind, nicht nur ‘working poor’ sind, diese meist ungebildeten buerger, die sich am rande der kriminalitaet bewegen und die oft in verhaeltnissen leben wie die europaeer nach dem krieg, die in slums leben weil die kommunen kein geld haben um ihnen unterkuenfte zur verfuegung zu stellen: sie sind die eigentlichen verlierer, schon seit jahrzehnten. und es werden immer mehr.

    kein wort davon dass weder die mittelschicht, geschweige denn die oberschicht gar keinen wert darauf legt sich diesen anzunaehern, sich mit ihnen zu beschaeftigen, die probleme zu loesen, die bald die probleme der gesamten bevoelkerung mit ausnahme der besitzenden, sein werden.
    die kirchen und die privaten charities versorgen einen grossteil der armen mit essen und trinken, der teil der bevoelkerung, die essenmarken von der wohlfahrt erhalten, wird staendig groesser und ist bald auch nicht mehr finanzbar…
    diese leute gehoeren auch zu den verlieren, zu den nicht-waehlern… diese leute, ihre probleme, ihr mangel an ausbildung, die damit verbundenen auswirkungen auf die gesellschaft werden offenbar weder in die ‘analysen’ einbezogen noch wird ihnen beachtung geschenkt obwohl sie den entscheidenen faktor in der oekonomie der usa darstellen…

    von oekonomen darf man eben nicht mehr gescheitere aussagen erwarten als von astrologen… lol

  3. “diese leute gehoeren auch zu den verlieren, zu den nicht-waehlern… diese leute, ihre probleme, ihr mangel an ausbildung, die damit verbundenen auswirkungen auf die gesellschaft werden offenbar weder in die ‘analysen’ einbezogen noch wird ihnen beachtung geschenkt

    obwohl sie den entscheidenen faktor in der oekonomie der usa darstellen …”

    Diese Behauptung kann ich nicht nachvollziehen. Der Pauperismus in den USA soll der entscheidende Faktor der Ökonomie sein? Wie begründen Sie denn das?

  4. sinnloser sagt:

    nun ihr habt jetzt einen leser weniger, da euch ja nur an eurer eigenen meinung etwas liegt. auch ihr gehört also zu den linken die menschen wie mich verachten. tröstet euch ihr seid nicht die einzigen die so sind und die mich los sind.

    • Günter Buchholz sagt:

      Entweder sind Sie ein Troll, oder Sie irren sich. Denn meine Frage war eine analytische: wie kann “adam” begründen, daß Pauperismus (das ist die Marxsche Kategorie hierfür) der entscheidende Faktor in der Ökonomie sein soll? Und wenn, in welchem Sinne, und warum?

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