US-Wahlkampf
Donald Trump – Im Zweifel die bessere Wahl?

Wären da nicht seine Entgleisungen, außen- und wirtschaftspolitisch könnte man Donald Trump durchaus etwas abgewinnen.

Donald Trump

Bild: bogey / flickr / CC BY-NC 2.0

Es ist der umstrittene Verdienst von Donald Trump, das ein amerikanischer Präsidentschaftswahlkampf selten so polarisiert haben dürfte wie der aktuelle. Der durch ihren linksgerichteten Parteifreund Bernie Sanders gehandicapten Hillary Clinton steht ein republikanischer Präsidentschaftskandidat gegenüber, der als Außenseiter gestartet ist – und diese Rolle auch jetzt noch nicht wirklich hat ablegen können.

Trump ist der Albtraum des Establishments der „Grand Old Party“, was sich nicht erst in den TV-Debatten zu den Vorwahlen gezeigt hat. Dort bekämpften ihn insbesondere die inzwischen abgetretenen Kandidaten Ted Cruz und Marco Rubio Trump heftig. Trump seinerseits verstieg sich im Rahmen der Debatten um seine Person zu cholerisch-unsouveränen Reaktionen und Witzen, die seine Seriosität und seine Glaubwürdigkeit als möglicher US-Präsident für viele in Frage stellten.

Sowohl diese Eskapaden, seine wiederholt fremdenfeindlichen Äußerungen und länger zurückliegende biografische Fehltritte als auch seine brachiale, ungeschliffene und emotionale, „aus dem Bauch“ kommende Rhetorik führten in der Folge dazu, dass er verständlicher Weise bei nicht wenigen Europäern und liberalen Amerikanern als politischer Albtraum gilt – eine Gefahr für den Weltfrieden.

Zugleich ist dies bislang jedoch auch sein großes Plus: Seine Ungeschliffenheit ist es, sein Nicht-Entschuldigen, seine fehlende politische Korrektheit und die daraus generierte Wahrnehmung der Authentizität, die seine Popularität bei Teilen der amerikanischen Bevölkerung ausmachen. Vom Polit-Establishment in Washington hat man genug.

Es ist ein Phänomen, das sich vor allem aus dem ausgeträumten “American Dream” und einem Neoliberalismus begründet, der seine Versprechungen gegenüber der amerikanischen Mittelklasse nicht einhalten konnte. Und das sich nicht nur im konservativen Spektrum und bei den Republikanern zeigt, sondern auch im liberalen – bei den Demokraten: Clinton gilt nicht weniger als Establishment. Ganz im Gegensatz zu ihrem Rivalen Bernie Sanders, der maßgebliche Teile der Demokratischen Partei ordentlich nach links gekippt hat.

Abgesehen von der Ablehnung von TTIP und der Befürwortung einer protektionistischen Wirtschaftspolitik hat Trump mit Sanders eine wesentliche und alles andere als negative Eigenschaft gemein: Im Gegensatz zu Obama und Clinton gelten beide nicht als Marionetten der Wall Street. So lässt sich Trump nicht von ihr finanzieren und fordert unumwunden eine höhere Besteuerung von Finanzgeschäften. Eine Position, die vermutlich viele, die Trump als bösen US-Milliardär mit komischer Frisur rezipieren, niemals zur Kenntnis genommen haben. Und eine Position, die infolge der letzten Finanzkrise von bemerkenswertem Realismus kündet.

Bei Trump fehlt das „neo-“ vor dem „konservativ“

Und dies ist nicht die einzige dieser Art, wie eine Beobachtung der letzten Wochen deutlich macht. Seit einiger Zeit nämlich lassen gerade auch neokonservative deutsche Medien, wie allen voran der Springer-Verlag und die ihm zugehörigen Zeitungen sowie der Focus, nichts unversucht, Trump in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen, obwohl sie sonst nicht gerade als die größten Gegner konservativer republikanischer US-Politiker galten. Der maßgebliche Bruch wird schnell deutlich, wenn man die Argumentationen verfolgt: Bei Trump fehlt das „neo-“ vor dem „konservativ“.

Drei Buchstaben, die besonders im politischen Spektrum der USA weltanschauliche Differenzen beinhalten, die nichts weniger als den Unterschied zwischen Krieg und Frieden ausmachen können. So stehen insbesondere im Feld der Außenpolitik linksliberale Politiker wie Obama und Clinton den Neokonservativen der Republikanischen Partei, die unter George W. Bush den bislang größten Einfluss auf die US-Politik erreicht hatten, weitaus näher als die klassischen Konservativen aus den (nicht ganz so) eigenen Reihen, welche auch Trump repräsentiert. Dies ist die – durchaus eben nicht nur persönliche, sondern ganz klar ideologische – Konfliktlinie die derzeit die Republikanische Partei entzweit.

Sie zeigt sich im Besonderen an der Haltung zum außenpolitischen Interventionismus: Es ist eine ideologische Grundkonstante der US-amerikanischen NeoCons, dass „humanitäre Interventionen“ zugunsten von Demokratisierung wie auch zugleich von machtpolitischen Interessen der USA (aktuell relevant in Syrien) grundsätzlich – nicht nur partiell, wie bei den linksliberalen Demokraten der Fall – befürwortet werden. Ebenso gilt das für die klare Unterstützung Israels im Nahost-Konflikt, sowie eine Geopolitik, die sich strikt gegen die Interessenpolitik Russlands in Osteuropa wendet.

Von den klassischen Konservativen in den USA und Trump werden diese Grundkonstanten in Zweifel gezogen. Ein Faktum, dass Trumps politischen Triumph in den Vorwahlen noch erstaunlicher macht: Dass sich in der Partei Reagans, Bushs, Cheneys und Rumsfelds ein Anti-Interventionist so weit durchsetzen konnte, ist letztendlich nur dadurch plausibel erklärbar, dass dessen beträchtliches finanzielles Kapital – in Verbindung mit seiner populistischen Begabung – ausreichte, um dem vereinten Establishment inklusive der es unterstützenden Medien (v. a.: Fox) etwas entgegenzusetzen.

„Republikaner führen mehr Kriege, Demokraten ein bisschen weniger“

Die nun im Wahlkampf anstehenden, gerade auch außen- und sicherheitspolitischen Auseinandersetzungen zwischen Clinton und Trump dürften spannend werden, da sie bisherige, simple, aber zutreffende politische Konstanten – „Republikaner führen mehr Kriege, Demokraten ein bisschen weniger“ – rundweg auf den Kopf stellen. Trump hat nicht nur Sympathien für den russischen Präsidenten Putin und dessen syrischen Kollegen Assad bekundet, sondern möchte ihnen die Lösung des syrischen Konfliktes gleich ganz überlassen. Global dürfte unter Trump also eher ein Rückzug der USA anstehen als eine neokonservative Hegemonialpolitik.

Eine Zukunftsaussicht, die – trotz aller Klischees, aller Polemiken und aller Warnungen vor dem „Rechtspopulisten“ Donald Trump – eine friedlichere, nicht mehr durch Interventionen erschütterte Welt wahrscheinlicher macht als ein „Weiter so“ mit einer Präsidentin Clinton an der Spitze der letzten Supermacht. Nicht umsonst warnen deutsche Leitmedien schon vor einem „neuen Isolationismus“ der Vereinigten Staaten, der die „westliche Welt“ entzweie und die „liberale Ordnung der Welt“ auflösen werde, falls Trump denn gewählt werde.

Eine Entwicklung freilich, die auch Europa und seine Staaten zu einer Neubestimmung der eigenen weltpolitischen Rolle zwingen würde. Die EU müsste endlich für sich selbst Verantwortung übernehmen, anstatt sich einem amerikanischen „Sicherheitsnetz“ anzuvertrauen.

Allen berechtigten Vorbehalten über Trumps persönliche und verbale Eskapaden zum Trotz: Zumindest diese Aussicht macht einen US-Präsidenten Donald Trump zu einem Einschnitt, der Deutschland und Europa, der Amerika, ja der der Welt letztendlich gut tun könnte.

Artikelbild: bogey / flickr / CC BY-NC 2.0

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7 Kommentare zu "US-Wahlkampf
Donald Trump – Im Zweifel die bessere Wahl?"

  1. Paul Simon sagt:

    Das schöne ist, dass Trump diese Dinge nicht sagen würde, wenn er nicht wüsste, sie kommen gut an. Er hat bewiesen: Selbst die republikanischen Wähler möchten zwar gerne Muslime foltern, aber für einen neuen Krieg wären sie nicht zu haben.

    Es haben auch schon einige neokonservative Republikaner ihre Unterstützung für Clinton angedeutet.

  2. Basisdemokrat sagt:

    “Kurz und gut:
    – Donald Trump, Kandidat für die US-Präsidentschaft, möchte die Macht des militärisch-industriellen Komplexes einschränken. Er übernimmt die Fackel von John Kennedy (ermordet), von Richard Nixon (Watergate) und von Bill Clinton (Lewinsky). Sehr Gut!
    – Laut Trump ist der Versuch für die Vereinigten Staaten und für fremde Völker schädlich, das westliche demokratische Modell mit Gewalt aufzuzwingen, das nicht ihren Erwartungen entspricht. -Sehr gut!
    – Der militärisch-industrielle Komplex bereitet die Kandidatur von General James Mattis und einen Krieg gegen die iranische Revolution vor. Schlimme Aussichten!”
    http://www.voltairenet.org/article191590.html

    • Paul Simon sagt:

      Na, man sollte aber auch nichts auf Trump projezieren. Wollte man wirklich die Macht des militärisch-industriellen Komplexes einschränken, wäre man schlecht beraten, sich dazu auf Trump zu verlassen. Letztich ist und bleibt er im schlechtesten Sinne Populist. Ich bin mir nicht mal sicher, wenn ich ehrlich bin, ob er überhaupt ernsthaft Präsident sein will.

    • fakeraol sagt:

      Klar, Trump, der Friedensengel …

      http://www.tagesschau.de/ausland/trump-nra-101.html

      “Die National Rifle Association hat sich im US-Wahlkampf für Donald Trump ausgesprochen. Bei seiner Rede auf der NRA-Jahrestagung versprach er unter Applaus die Abschaffung waffenfreier Zonen und griff seine Rivalin Hillary Clinton scharf an.”

  3. Paul Simon sagt:

    Ich finde es auch interessant, dass niemand aus dem Establishment Trump hat kommen sehen. Die “respektablen” Medienmenschen haben selbst vor ein paar Monaten noch schlicht geleugnet, dass Trump Kandidat werden wird. Das zeigt, wie sehr die amerikanische Oberschicht und die Establishment Intelligentsia den Kontakt zur Bevölkerung verloren hat.

    https://twitter.com/deep_beige/status/728423638983135232

  4. Nina sagt:

    Danke für diesen klugen und interessanten Artikel! Frau Clinton ist eine eiskalte Machtpolitikerin, der vor allem die Interessen der Finanzbranche “am Herzen liegen”. Schließlich hat sie selbst ja kräftig mitverdient. Als Präsidentin würde sie in die neoliberalen Fußstapfen Ihres Mannes treten, der ja auch schon vornehmlich Politik für die Wall Street gemacht hat – man denke beispielsweise an die Aufhebung des Glass-Steagall-Act im Jahr 1999.

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