Wissenschaft oder Machtanspruch?
Pathologien des Neoliberalismus

Die heutigen wirtschaftlichen Strukturen sind keine evolutionär entstandenen Systeme. Vielmehr wurden sie mit teilweise gravierenden Gewaltmaßnahmen politisch installiert und werden in der Krise künstlich am Leben erhalten.

Foto: HonestReporting / flickr / CC BY-SA 2.0

Von Thomas Maritsch

Weit verbreitet in der Gemeinde der Ökonomen ist der Anspruch, eine beschreibende Wissenschaft auszuüben und daher für Werturteile oder moralische Anliegen nicht zuständig zu sein.[1] Nun gibt es allerdings einen gewichtigen Unterschied zwischen der Beschreibung naturgegeben vorfindlicher Phänomene wie etwa der Gravitation oder der Mechanik von Eiweißmolekülen einerseits und Wirtschaftsmodellen andererseits. Denn für die Inhalte der Ökonomie sind wir Menschen grundsätzlich verantwortlich, was man vom Funktionieren der Gravitation oder der Eiweißchemie gerade nicht behaupten kann. Was innerhalb ökonomischer Strukturen geschieht, kann man zwar auch mehr oder weniger sachlich beschreiben, darüber hinaus sind wir es aber durchgehend selbst, die diese Prozesse erst herstellen und zwar mehr oder weniger willentlich und absichtsvoll.

Die heutigen wirtschaftlichen Strukturen sind keinesfalls einfach von selbst entstandene Systeme, sondern sie wurden im Großen und Ganzen politisch gezielt installiert, mit teilweise gravierenden Gewaltmaßnahmen durchgesetzt und werden bis heute entgegen gesellschaftlicher, psychologischer und ökologischer Notwendigkeiten künstlich weiter am Leben erhalten.[2]

Das soll nun keineswegs bedeuten, dass es nicht auch historische Prozesse gäbe, die ihren inneren soziokulturellen Evolutionsregeln folgen, also keineswegs individueller oder politischer Manipulation zuzuschreiben sind. Darüber hinaus aber sind gerade bei der Entstehung, Durchsetzung und Ausbreitung der ökonomistischen Verhältnisse wichtige Interessen am Wirken, die durch individuelle politische Entscheidungen zur Umsetzung gelangten.[3]

Wir könnten daher eben auch ganz anders wirtschaften, wenn wir es denn wollten. Und genau deshalb muss stets auch die ethische, moralische oder politische Fragestellung eine Rolle spielen, wenn wir untersuchen, ob wir denn so oder anders handeln sollten. Selbst Genetiker, Klimatologen, Atomphysiker oder Soziologen sind mittlerweile aufgerufen, neben ihre rein beschreibenden Arbeiten auch Aussagen etwa zur Ethik oder zur Politikverträglichkeit zu stellen. Und das sollte für Wirtschaftler nun allerdings allemal gelten. Denn gerade sie sind es ja in der Regel, die den vielfältigen Akteuren der Gesellschaft ihr spezifisch regelkonformes Handeln vorschreiben wollen.

„Die Anmaßung der Volkswirtschaftslehre, eine exakte Wissenschaft zu sein, rührt ganz entschieden aus der Notwendigkeit her, sich aus der Verantwortung für die Unzulänglichkeiten und Ungerechtigkeiten des Systems, das die große klassische Tradition errichtet hatte, zu entziehen. Sie dient auch heute noch als Rechtfertigung eines stillen, ungestörten Berufslebens.“[4]

Dieses Zitat von überaus deutlicher Klarheit stammt von einem der prominentesten Ökonomen der Gegenwart, von John Galbraith. Und als solcher müsste er es eigentlich genau wissen.

Eine moderne Wissenschaft ist mit Sicherheit noch nie vorher angetreten und sollte es auch sicher nicht tun, eine ganze Weltbevölkerung nach ihren begrenzten und einseitigen Modellen handeln zu lassen. Der Ökonomie ist das indes gelungen. Warum? Weil sie eine sehr einträgliche Verbindung mit der jeweils herrschenden Klasse eingegangen ist, egal in welchem System, egal ob als Handlanger kapitalistischer oder staatssozialistischer Lenker. Sprachhistorisch betrachtet ist dabei bereits der Begriff »Wirtschaft« ein direkter Hinweis auf diese beherrschende statt beschreibende Tätigkeit:

„Unser deutsches Wort Wirtschaft für den versorgenden Teil unserer Kultur ist übrigens verräterisch. Darin »steckt der Wirt, womit man vor ungefähr tausend Jahren nicht nur den Besitzer eines Gasthauses, sondern ganz allgemein einen Gastfreund oder Hausherren bezeichnete. Früher hatte sich der Hausherr um das Wohlergehen seines Hausstands und aller, die dazugehörten, zu kümmern.« Wirtschaft wäre demnach Herrschaft. Aber wir scheinen etwas sehr Wesentliches vergessen zu haben: Der Mensch ist auf Erden nicht der Wirt. Wir sind die Gäste.“[5]

Was sagt uns die mathematische Genauigkeit der Ökonomie?

Wirtschaft wird offenbar vor allem deshalb als eine stabile, rationale, realitätsnahe und praxisorientierte Wissenschaft angesehen, weil sie große Teile ihrer Theoriekonstruktionen mathematisieren konnte.[6] Anders als andere Sozialwissenschaften hat sie sich auf mathematische Formalisierungen konzentriert, die einen hohen theoretischen Erklärungsanspruch signalisieren.[7] Das heißt aber nun leider gar nichts. Denn man kann auch die allerunsinnigsten und allerverquersten Denkansätze in durchaus funktionierende, intelligente Mathematik kleiden.

Wer die mathematischen Prozessregeln beherrscht, kann mit entsprechend formulierten Voraussetzungen nahezu alles »beweisen«.[8] Unter der Voraussetzung, dass der Mond aus grünem Käse besteht, kann man unter Hinzuziehung genauester Statistiken über die Haltbarkeit von Milchprodukten den Zeitpunkt berechnen, zu dem der Mond nicht mehr essbar sein wird. Mit genügend Formelaufwand wird es jedem Statistiker leicht gelingen, diesen trivialen Zusammenhang soweit aufzublähen und damit zu verschleiern, dass niemand mehr in der Lage ist, die Unsinnigkeit der ursprünglichen Voraussetzung zu erkennen.

Mathematisierbarkeit eines Denkmodells heißt daher keineswegs, dass die damit nun detailreicher und systematischer ausgeführten Annahmen und Schlussfolgerungen auch realistisch oder sinnvoll wären. Es bedeutet einfach, dass das System in sich konsistent ausgearbeitet ist.[9] Und das kann man den Ökonomen beider bisher konkurrierender Weltbilder nun wirklich zugestehen. Sie waren durchaus in der Lage, ihre Systeme so unangreifbar zu machen, dass heute nahezu niemand mehr in der Lage oder willens zu sein scheint, ihre gemeinsamen Grundlagen zu durchschauen, geschweige denn zu hinterfragen oder gar abzuwählen.

Jedenfalls gibt es nach meiner Recherche kaum Literatur darüber, wie man die Ökonomisierung der Gesamtgesellschaft verstehen oder gar zurückfahren bzw. welche grundsätzlichen Alternativen dazu man sich vorstellen könnte. Noch nicht einmal die entsprechenden Fragestellungen tauchen innerhalb der Ökonomie besonders häufig auf.[10] Auf allen Ebenen der Wirtschaftsplanung und -steuerung wird auf diese Weise auf alle auftretenden Probleme munter nur mit immer weiterer Steigerung ihrer stets gleichen, eigensinnigen und engstirnigen Mechanismen geantwortet.

Seite 2 Die Ökonomisierung unserer Lebenswelt

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8 Kommentare zu "Wissenschaft oder Machtanspruch?
Pathologien des Neoliberalismus"

  1. Ondoron sagt:

    Herr Maritsch, Sie sollten mal genau definieren, was Sie unter Neoliberalismus verstehen. Gemeinhin wird Ludwig Erhard als “Neoliberaler” geführt. Meinen Sie den?
    Der Begriff “neoliberal” hat von interessierter Seite eine Bedeutungsverschiebung erfahren. Heute ist “neoliberal” die Wirtschaftspolitik, das “economical engineering” der US-NeoCons. Und das hat mit dem ursprünglichen Begriff nichts, absolut nichts zu tun. Denn das, was hier heute sehen, ist noch nicht mal Kapitalismus, sondern schlimmster Geldsozialismus. Bei Roland Baader im einzelnen nachzulesen.

    Deshalb gilt heute(!): Neoliberalismus = Geldsozialismus; zumindest, wenn man ihren Aussagen folgt. Schade, dass damit die freiheitliche Idee des Liberalismus derart beschädigt wird, dass insbesondere die Linken meinen, der Geldsozialismus (Umverteilung von “fleißig” nach superreich) sollte durch den “richtigen” Sozialismus der Umverteilung und des Gelddruckens und des Totalitarismus abgelöst werden.

    Wie sehr Sie doch auf dem Holzweg sind…

    • m4rc sagt:

      Es ist in der Tat so, dass “Neoliberalismus” als Etikett viele Kisten ziert. Was eher aus der antikapitalistischen Ecke damit bezeichnet wird, ist die extremistische Variante, der Marktfundamentalismus.
      In der Vergangenheit wollten unter anderem die Ordoliberalen als neue Liberale etwas eigenes machen, nannten sich aber “neoliberal”. Neoliberalismus als neutrale Bezeichnung kann daher nur ein Ober- oder Sammelbegriff sein. Konkret in Texten wie diesem hier meint Neoliberalismus daher Dinge, die man wohl treffender titulieren muss. Im Angebot finden sich “Neokapitalismus”, “Neokonservatismus”, “Marktextremismus /-fundamentalismus”, “Laissez fair Merkantilismus” u.v.m.
      Freiheit dient hier als Scheinfreiheit der Unterdrückung von demokratischem Widerstand, von linken und sozialen Kräften. Freiheit als Karotte am Stock des Marktes ist eine hohle Versprechung, bleibt bloßer Götze. Es ist keine echte Freiheit, solange sie nur die Freiheit der Reichen meint. Die Freiheit der Unterdrückten ist jedenfalls nicht im Sinne des Neoliberalismus.

    • Thomas sagt:

      Herrschaften,

      der Schwenk auf das eher wissenschaftshistorische Thema, was unter „Neoliberalismus“ genau zu verstehen wäre, ist zwar sehr spannend, hat aber nix mit meinem Auszug und auch nichts mit dem Buch zu tun. (Der Titel zum Aufsatz hier ist auch nicht von mir, sondern von der Redaktion.)
      Eigentlich geht es mir viel eher um die Ökonomisierung im Denken, in den sozialen und kulturellen Strukturen, die von den unterschiedlichsten ökonomischen Schulen vorangetrieben werden – egal, ob nun nach Hayek, Friedman, Marx oder Keynes. Mein Augenmerk liegt eigentlich auf der Katastrophe, dass wir alle mehr und mehr dahin sozialisiert werden, dass ein Menschenleben nur etwas wert ist, wenn es entweder arbeitet oder Kapital für sich arbeiten lassen kann; dass nur von Wert ist, was sich in Geld ausdrücken lässt; dass sich die ganze Welt gefälligst in Eigentum von jemandem zu verwandeln hat – und immer so weiter.
      Allerdings muss ich auch zugeben, dass der aktuell vorherrschende Neoliberalismus diese Masche noch extrem auf die Spitze treibt – und deshalb hielt ich den Redaktionstitel auch für absolut angemessen.

      Gruß,
      Thomas

      • Idahoe sagt:

        Oh,
        der Schritt zu Erkenntnis ist sehr wichtig, vielleicht sogar der wichtigste überhaupt.

        Einzig der Begriff des Wertes sollte dringend hinterfragt werden, denn er hat die Frage nach dem SINN (NEIN, nicht Hans-Werner) ersetzt.

        Sinnstiftendes hat die Bedingung des Nachvollziehbaren, des Verstehens. Der Mensch wertet, weil er nichts weiß, er ist im Glaubensmodus gefangen.

        Genau das ist die Krise auf die die Menschen zutreiben, es ist eine Glaubenskrise. Der Glauben an die Ideologie funktioniert nicht mehr.
        Mit Denken und daher Wissen, hat das alles schon lange nichts mehr zu tun.

        Wir können den Planeten, unsere Lebensgrundlage schliesslich nicht erhalten oder gar retten, denn wir haben zu wenig von dem, das es nicht gibt, das ist die wahre ökonomische Vernunft.

        Zu Geld ist auffällig, daß wir von diesem Stoff, denn es tatsächlich ja nicht gibt, immer zu wenig haben…daher der Mangel an Bildung…ist wohl eher ein Mangel an Verstand… :-)

        Gruß

    • Idahoe sagt:

      Sie wünschen Bedeutung?

      Gerne:

      GLAUBEN ist, nach Ludwig Wittgenstein, ein andere Vorgang, als DENKEN.

      Ihnen ist die sehr enge Verwandschaft der klassischen Ökonomie mit dem Liberalismus nicht vertraut?

      Freiheit ist keine Idee, sondern ein Zustand zwischen Menschen.

      Was hat die Ideologie Liberalismus mit dem tatsächlichen ZUSTAND Freiheit zwischen Menschen zu tun?
      NICHTS. Gar NICHTS. Nachlesbar bei Foucault in seinen Vorlesungen Ende der Siebziger zum deutschen Neoliberalismus.

      Wer von FreiheitsWERTEN schwafelt, weiß nichts über den Zustand Freiheit, denn eine Wertung ist ein rein emotionaler Vorgang, der Anwendung findet, wenn der Mensch über die Folgen nichts weiß.
      Weswegen der stetig wertende homo oeconomicus auch nur ein entmenschlichter emotionaler Vollpfosten darstellt. es ist ein weitverbreiteter Irrtum, daß Rationalität verstanden werden könnte. Rational und Irrational sind beides lediglich Begriffe, die der Stärkung der eigenen Position dienen, gerade wenn kein Argument vorhanden ist.

      Anmerkung zur Änderung der Bedeutung eines Begriffes:
      Idee, ist ein Begriff Platons und bezeichnet eine ideale Welt im Jenseits, denn Ideale können in dieser Welt nicht dargestellt werden.

      Hier eine bösartige Frage die von Franz Arwee stammt:
      Ist die Mathematik das Werk des Menschen ODER ist der Mensch das Werk der Mathematik?

      Die Ökotheriker betreiben reine Mathematik.

      Mathematik ist die Urmutter aller Ideologien, denn sie handelt nur von IDEALEN. Es ist durchaus kein Wunder, daß Mathematerik das Mittel der gelebten Manipulation ist.

      Geld ist ebenso ein reines MANIPULATIONSMITTEL und hat keinen anderen Zweck.

      Vielleicht widerlegen Sie (oder ein anderer hier) einfach mal den Franz Maria Arwee:

      http://is.gd/neudenk-

      Tja, der Holzweg oder welcher es nicht sein kann…

  2. haubentaucher sagt:

    Wirtschaft, im Sinne von Ökonomie, an sich existiert nicht. Es sei denn, man Untersucht den Produktionsausstoß, den Verbrauch an Ressourcen etc. etc. Ausgeblendet bleiben somit die Verhältnisse, die Beziehungen der Produzenten, unter denen gewirtschaftet wird. In einer überwiegend privat organisierten Wirtschaft, in der zudem unabhängig voneinander gewerkelt wird, haben auch die privaten Interessen der (des) Eigentümer(s) Vorfahrt. Die Rede ist hier nicht so sehr von den kleinen Klitschen. Die Konflikte, die eine solche Ökonomie permanent hervorbringt, sind nicht mit mathematischen Modellen zu kompensieren oder gar zu beschreiben. Und mit Ethik siehe beispielsweise I. Kant, ist der Sache, wie die Geschichte lehrt, wohl auch nicht beizukommen.
    Der Begriff „liberal“ bedeutete im 19. Jh. „Beschränkungen im (Außen-)handel aufheben. Da sind wir gegenwärtig mitten drin: Freihandel. Aber auch hier werden lediglich bestimmte (private) Interessen bedient.
    v

  3. Bernd Sorge sagt:

    Für mich steht längst außer Frage, daß unser derzeitiges Wirtschaftssystem (unsere Weltwirtschaft wie auch die meisten nationalen Wirtschaften) immer mehr aus dem Ruder laufen. Wie im Kleinen so auch im Großen schon seit Jahrhunderten immer deutlicher beobachtbar, versuchen privatwirtschaftliche Interessen sich gegenüber gemeinwirtschaftlichen (heute volkswirtschaftlichen) Interessen immer rigoroser durchzusetzen. Schon seit geraumer Zeit ist dabei ein enormer Qualitätssprung dabei zu beobachten, denn riesige transnational operierende Finanz- oder anderweitige Machtkonglomerate sind (eigentlich ganz offenkundig und längst durchaus auch für viele Laien durchschaubar) längst dabei, ganze Nationen und Staatsbündnisse mehr und mehr zu dominieren und damit gleichzeitig auch – mehr und mehr zu schwächen.

    Es ist meines Erachtens auch absolut richtig, wenn der Autor des obigen Artikels schreibt, daß sich die zur Legitimation solchen Handelns herangezogene Mathematik jeweils beliebig entsprechend den gewünschten Ergebnissen gestalten läßt und dabei dann oberflächlich betrachtet oftmals außerordentlich schlüssig wirkt (was übrigens ebenso auch für viele andere naturwissenschaftliche Disziplinen – und „ganz nebenbei bemerkt“ z. B. genauso auch für die Juristerei gilt!).

    Besonders hervorhebenswert bei all diesen tückischen Legitimationsversuchen ist dabei meines Erachten vor allem, wie konsequent dabei die Fragen der Nachhaltigkeit und andere ethische Fragen (natürlich auch die der Chancen- und anderweitigen Verteilungsgerechtigkeit) immer wieder ausgeblendet werden, sowie auch – wie unzählige technische Neuentwicklungen immer mehr auf solche Art und Weise konzipiert und auch vermarktet werden, so daß dann alles zusammen weiten Teilen der Bevölkerung als angeblich alternativlos verkauft werden kann. Wirklich ernsthafte Ethik hat in diesen wissenschaftlich angeblich so solide fundamentierten Bereichen nichts zu suchen; – eine kalte, von Menschen geradezu befreite Zahlenwelt herrscht dort vor und immer mehr Konzerne (wie auch ganze Regierungen) legen sich diesem verzerrten Wirklichkeitsbild zufolge auch allenfalls ein paar ethische Schönheitspflästerchen auf, um mit Ihrem so verbesserten Erscheinungsbild ihre Kunden wie auch Mitarbeiter ein wenig positiver zu stimmen.

    Daß dies jedoch grundsätzlich falsch ist, beweist auf anschauliche Weise unter anderem das Buch „Die Ökonomie von Gut und Böse“, geschrieben von Tomas Sedlacek, als Taschenbuchausgabe erschienen bei Goldmann im Jahre 2013. – Es handelt sich dabei um eine kritische Beschreibung der Entstehungsgeschichte der Ökonomie, vom Altertum her bis in unsere Neuzeit. In diesem Buch wird deutlich, daß die Ethik beim Wirtschaften zu Beginn der Zivilisation sogar eine bedeutende Rolle gespielt hat, spätestens aber mit dem Einzug mathematischer Berechnungsmodelle immer mehr diskreditiert wurde und in vielen Fachkreisen inzwischen als „kaum noch relevant“ gilt. – Es ist insgesamt ein sehr empfehlenswertes Buch, daß den Menschen und dessen unmittelbar seinem Selbst entspringende Lebensbedürfnisse wieder ins Zentrum des Blickfeldes stellt und daher der schieren Anhäufung von Reichtum und Macht, was vielen Menschen heute oftmals geradezu zum Selbstzweck geworden ist ein klare Absage erteilt.

  4. giovanni gruen sagt:

    …fuer Oekonomen gilt der Grundsatz: Wenn ich als Werkzeug ausschliesslich einen Hammer habe sieht jedes Problem aus wie ein Nagel…

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