Herr Hoeneß, da war doch was …

Vor dem Hintergrund der Verurteilung von Uli Hoeneß wegen Steuerhinterziehung in zweistelliger Millionenhöhe bekommt dieser ältere Videoausschnitt einen seltsamen Beigeschmack. Eine kurze Anmerkung.

Von Sebastian Müller

Vor noch nicht allzu langer Zeit, in der Polit-Talkshow “Günther Jauch” vom 23. Septemper 2012, polemisierte Hoeneß gegen die von der Linkspartei geforderte Reichensteuer. Sein Argument, dass er damals mit verve Katja Kipping entgegenschleuderte: Die Reichen leisteten mehr für das Bruttosozialprodukt, eine Reichensteuer sei also ungerecht.

Interessant war aber auch eine weitere Ausführung ganz im Sinne des neuen Selbstverständnisses der hiesigen Geldelite: Hoeneß bevorzuge nicht nur ein Gesellschaftsmodell, in dem Staat und Länder wie Unternehmen geführt werden sollen; was der Staat darüberhinaus nicht leisten könne, müssten eben Privatleute über Spenden finanzieren. Er selbst sei glücklich, anderen mit seinem Geld helfen zu können.

Damit sprach er – en vogue – der Abkehr des Wohlfahrtsstaates zugunsten einer von privatinitiative abhängigen Almosengesellschaft das Wort. Denn wenn die Reichen geschröpft werden, anstatt freiwillig und von der Steuer absetzbar Spenden zu können, so das Credo, würde das Geld eben in der Schweiz geparkt.

Heute klingt das nach vorausschauender Absolution in eigener Sache. Peter Sloterdijk lässt grüßen. Der meinte einst, da der Staat von den „Leistungsträgern“ im Lande stark überhöhte Steuern erpresse, um sie den „Leistungsfernen“ in den Rachen zu werfen, sei ein Bürger-Aufstand gegen den demokratischen Zwangsstaat geboten.

Der Philosoph, nur ganz am Rande bemerkt, kam einst nahe an nationalsozialistische Auffassungen von Volkshygiene, als er die Sozialschmarotzer, jene „Leistungsfernen“, die von den staatlichen Transferleistungen lebten, dabei in die Nähe von Krebsgeschwüre rückte, die man aus dem kranken Volkskörper herausschneiden müsse, damit dieser wieder gesunden könne.

Mit Hoeneß hat Sloterdijk nun seinen herbeigesehnten Bürgeraufstand. Ob der nun vom einem wohltätigem Leistungsträger oder einem Sozialschmarotzer kommt, liegt ganz im Auge des Betrachters. Wie die Angestellten von Hoeneß’ Wurstfabrik Howe KG, die ohne Betriebsrat sowie mit Löhnen unter Tarif, Leiharbeit und Befristungen abgespeist werden, diesbezüglich urteilen, bleibt erstmal Spekulation.

So oder so ist Hoeneß’ Steuerhinterziehung im großen Stil nur konsequent – ganz im Sinne des Volkskörpers. Noch aber betrachtet ihn die deutsche Rechtsprechung im Sinne des Volkes als “Krebsgeschwür” – wenn auch als Kleines.

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Der Kampf gegen den Wohlfahrtsstaat Der Kampf gegen den Wohlfahrtsstaat

2 Kommentare zu "Herr Hoeneß, da war doch was …"

  1. EuroTanic sagt:

    Es gibt keinen Wohlfahrtsstaat. Denn der Staat produziert keinen Wohlstand. Der Staat kann nur dem einem was wegnehmen um es jemand anderem zu geben. Das ist in meinen Augen Diebstahl und Hehlerei.

  2. Uwe sagt:

    Der Fehler im Artikel ist, ein Wohlfahrtsstaat ist eine Almosengesellschaft. Mit der Einführung von Hartz4, um den Niedriglohnsektor zu etablieren, wurde der Sozialstaat abgeschafft und unter Beauftragung von McKinsey ein Wohlfahrtstaat etabliert. Die Installierung von z.B. der „Tafel“ macht bis dato ca. 1 Millionen Mitbürger von privaten Lebensmittelspenden abhängig. Das „Spenden“ lohnt sich z.B. für die Discounter, neben steuerrelevanten Spendenquittungen werden jährlich Millionen bei der Abfallentsorgung gespart. Die „Tafel“ muss alle „Spenden“ abnehmen und da selbst für die Bedürftigen 50 % der Lebensmittel nicht mehr genießbar sind, hat die „Tafel“ das Entsorgungsproblem. Es wird in der Sendung über ein Deutschland diskutiert, was so bereits nicht mehr existierte.

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