Mohrenkopf

Aufzeichnungen aus dem Kellerloch

Eine Polemik von Stefan Zitzmann

Als Kind, liebe Sportsfreunde, habe ich für mein Leben gern ‚Wer hat Angst vorm schwarzen Mann‘ gespielt. Es war die Zeit, in der wir in der Grundschule aus vollem Halse „C-a-f-f-e-e, trink nicht so viel Kaffee! Nichts für Kinder ist der Türkentrank … sei doch kein Muselmann …“ sangen und wenn es mit den Eltern aufs Heinerfest ging, war eine Runde Mohrnköppe obligatorisch.

Damals wurden Reden noch mit der geschlechtsunspezifischen Anrede ‚Liebe Mitbürger‘ eröffnet und für jeden, Mann wie Frau, war es selbstverständlich, daß damit alle gemeint waren.

Heute ist alleine schon die Überschrift dieser Kolumne ein Skandal.

In der FAZ war dieser Tage zu lesen, daß bei uns Deutschen‚ bis in die Mitte der Gesellschaft hinein eine judenfeindliche Einstellung in erheblichem Umfang verbreitet sei und daß jeder Fünfte von uns eine antisemitische Grundhaltung habe‘.

Ich bekenne, daß ich den ehemaligen stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland, Herrn Michel Friedmann, für ein gotterbärmlich bigottes Arschloch halte, dem ich nach seinen Koks-Affären mit minderjährigen, ukrainischen Prostituierten jegliches Recht abspreche, den moralischen Zeigefinger über uns zu erheben und den ich nie, aber wirklich nie mehr in den öffentlichen Medien sehen möchte!

Ich bekenne, daß ich – nachdem ich zweimal für vier Wochen in Israel war – mir geschworen habe, nie, aber wirklich nie mehr dieses Land zu betreten, in dem die Rechte einer arabischen Minderheit derart mit Füßen getreten werden!

Gemäß der Scharia des Deutschen Gutmenschentums bin ich ein Rassist und Nazi.

Gewiß, ich habe – sofern ich nicht kumulieren und panaschieren durfte – nie anders als Grün gewählt. Auch besteht die Hälfte meiner Mitarbeiter aus Gastarbeiterkindern und ich zahle Frauen den gleichen Lohn wie Männern. Meine Möbel habe ich aus Indien, Marokko, Ägypten, Syrien, Persien, der Türkei und China importiert und mir sind die Lieder Oum Kalthoums herzensnäher als Deutsche Weisen.

Doch so lange die Worthülsen der Selbstgerechten und Sittenwächter gewaltiger sind als die Tat, bin ich, was ich bin: eine Glatze.

Erst wenn wir damit aufhören, die Deutsche Sprache der Emanzipations-Empfindlichkeit von GutmenschInnen preiszugeben, wenn ein banaler Mohrenkopf ein Mohrenkopf sein und man auch einen Juden öffentlich ein bigottes Arschloch nennen darf, erst dann, liebe Sportsfreunde, haben wir den Grad tatsächlicher Toleranz und Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft erreicht, nachdem wir seit nunmehr 67 Jahren vergeblich streben.

Print Friendly, PDF & Email
Filed in: Diskurse Tags: , , ,

Ähnliche Artikel:

<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>Debatte</span><br/>Die “Neue Rechte” II: Identität und Herrschaft Debatte
Die “Neue Rechte” II: Identität und Herrschaft
<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>American Reflexxx</span><br/>“Die wahre, rohe Seele Amerikas” American Reflexxx
“Die wahre, rohe Seele Amerikas”
<span style='font-size:16px;letter-spacing:1px;text-transform:none;color:#555;'>Apartheid in den USA</span><br/>Der Mythos Rosa Parks Apartheid in den USA
Der Mythos Rosa Parks

13 Kommentare zu "Mohrenkopf"

  1. perfekt, die wortkosmetik von selbsternannten bessermenschen, die in ihrem tun und handeln nicht selten sogar übelste rassisten sind, kotzt mich auch an. jemand, der seine wohnung an eine kinderreiche zigeunerfamilie vermietet, ist mir allemal lieber als eine, die auf grund von leider vorliegenden sachzwängen mit magenschmerzen einer sintifamilie auf deren mietgesuch eine absage erteilen muss.

  2. Sören sagt:

    Ach so ein Dreck. Der deutschen Sprache wegen ist es okay rassistische Begriffe zu verwenden? Ich meine bei Begriffen, die noch dem Kolonialismus entspringen, ist der rassistische Gehalt doch offensichtlich. Vielleicht ist ‘Mohrenkopf’ aufgrund des Alters und der geringen Verbreitung nicht das beste Beispiel dafür, aber rassistische Begriffe werden als solche benannt und bekämpft, weil sie erstens Menschen diskriminieren (oder hast du da ein Recht zu als – davon gehe ich aus – weißer Mann?) und zweitens eine rassistische Gesellschaftshierarchie aufzuzeigen, die Menschen, die nichts ins Konstrukt des ‘Deutschtums’ passen – sprich People of Color – systematisch ausschließt. Solange rassistische Worte weiter verwendet werden, wird auch der Rassismus weiterleben. Und da kannst du gerne sagen, dass du “Gastarbeiterkinder” einstellst. Du reproduzierst die ganze Scheiße, die Menschen tagtäglich ausgrenzt.
    Doch es ist einfach sich über das sagenumwobene “Gutmenschentum” aufzuregen, das einen den Mund verbieten will. Ja, genau. Oder es will nicht in einer rassistischen, diskriminierenden Gesellschaft leben. Und wenn Betroffene sagen, sie werden durch Begriffe diskriminiert, dass Begriffe rassistische sind, dann sind sie das auch und es bist verdammt noch mal nicht du, der zu bewerten hat, ob die Betroffenen überreagieren und ob ihr Protest angemessen ist. Es wäre zu einfach, zu zu hören und die eigene Machtposition als Weißer innerhalb dieser Gesellschaft zu analysieren und zu hinterfragen. Anstattdessen verteidigst du hier rassistische Begriffe deiner eigenen Ignoranz wegen.

  3. Solveigh Calderin sagt:

    Danke. Das war endlich mal fällig.

  4. BoleB sagt:

    Also die “Scharia des deutschen Gutmenschentums” ist natürliche eine alberne Konstruktion (passt also ganz gut in diesen Artikel) – mir aber immer noch lieber als, sagen wir mal, die Nürnberger Gesetze des deutschen Schlechtmenschentums.

    “Erst wenn […] man auch einen Juden öffentlich ein bigottes Arschloch nennen darf, erst dann, liebe Sportsfreunde, haben wir den Grad tatsächlicher Toleranz und Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft erreicht, nachdem wir seit nunmehr 67 Jahren vergeblich streben.”

    Nun, dann können wir uns ja freuen, denn genau das hast du hier gerade gemacht.

  5. Walter B sagt:

    Begriffe sind eben nicht nur Worthülsen, sondern Ausdruck einer inneren Haltung – vor allem dort wo sie halbewusst angewendet werden … Und umgekehrt beeinflussen Begriffe gerade diese innere Haltung und das Denken in hohem Mass. Ich kann nicht denken, wofür ich keinen Begriffe habe. Neusprech lebt davon.

    Ein Beispiel für die politische Wirkung der Sprache ist der Totschlagbegriff «Gutmensch», der in diesem Text erstaunlich unreflektiert verwendet wird. Das Wort wurde geschaffen, um das Streben des Menschen nach dem Guten (und Wahren und Schönen?) mit einem Schlag zu diskreditieren – jedenfalls insofern es dem neoliberalen Projekt der Freiheit des Kapitals im Wege steht …

    Der Autor gefällt sich als Tabubrecher und hat natürlich recht, wenn er die heuchlerische Political Correctness anprangert, die zwar von Mitbürgern mit Migrationshintergrund spricht, diese aber gleichzeitig systematisch ausgrenzt. Trotzdem werde ich den Eindruck nicht los, dass hinter seiner Polemik zumindest latent ein Stück Rassismus lauert. Warum sollte es ihn sonst freuen, dass er «auch einen Juden öffentlich ein bigottes Arschloch nennen» dürfen soll – wo es doch völlig reicht, das betreffende Individuum so zu bezeichnen, wenn es denn gerechtfertigt ist. Dass diese Person zu einem bestimmten Volk, einer Religion oder was auch immer für ein Kollektiv gehört, ist dabei letztlich völlig irrelevant.

  6. @ Walter B
    “Dass diese Person zu einem bestimmten Volk, einer Religion oder was auch immer für ein Kollektiv gehört, ist dabei letztlich völlig irrelevant.”

    So sollte es sein, ist es aber meiner Ansicht in Deutschland leider nicht…

  7. petrasusan sagt:

    Ich denke, dass der Post uns etwas anderes sagen will und nicht so oberflächlich daherkommt, wie in Sören verstanden haben will. Wenn wir uns an Begriffen hochschaukeln, dann übersehen wir den wirklichen Rassismus. Der Mohrenkopf ist nun mal nur ein Mohrenkopf, so wie der Amerikaner eben nur ein Amerikaner ist, den man essen kann. Der Mohrenkopf kommt schließlich noch aus einer Zeit, wo Fremdes exotisch war, wo man noch nicht hinreisen konnte, nicht selbst sehen konnte. Das Wort benutzen meist nur noch ältere Menschen und wahrlich nicht um eine rassistische Gesinnung zu dokumentieren. Wenn man sich an diesen Worten hochhält, immer und überall überlegen soll, ist das Wort nun opportun oder nicht, dann übersieht man den wirklichen Rassismus in dieser Gesellschaft, die sich hinter “das darf doch mal gesagt werden” versteckt. Den wirklichen Rassismus, der ungleiches Geld für gleiche Arbeit zahlt, Menschen nach Herkunft sortiert, Absagen auf Bewerbungen gibt, weil man hinter den Namen irgendein Mensch vermutet, der einen nicht passt. Rassismus ist auch ein Rassismus Deutsche gegen Deutsche. Rassismus ist auch, wenn man Israel nicht kritisieren darf. Rassismus ist, wenn man NUR Muslimen Terror vorwirft, ihre Lebensart nicht dulden will. Der wirkliche Rassismus ist dort anzusiedeln, wenn z.B. ein Herr Gauck lieber in Stadtviertel sein will, wo in der Mehrzahl Altdeutsche (wer immer das ist) leben. Die meisten Menschen lehnen sich nicht dagegen auf, aber singen wahre Arien, wenn man jemand von Mohrenkopf spricht. Das nenne ich oberflächlich.

    • Solveigh Calderin sagt:

      …aber singen wahre Arien, wenn man jemand von Mohrenkopf spricht. Das nenne ich oberflächlich.

      …. außerdem scheinheilig, und heuchlerisch.

  8. Stefan Zitzmann sagt:

    Ich verfolge mit großem Interesse den Diskurs und möchte an dieser Stelle nur kurz sagen – bevor ich mich später ausgiebiger zu meiner Polemik äußern werde – daß ich die Intention meines Textes sehr schön in dem widergespiegelt sehe, was ‘petrasusan’ schrieb.
    Den ‘Kritikern’ würde ich gerne als kleines Gedankenspiel mitgeben, im Geiste auch mal mit Begriffen wie ‘Entsorgungspark’ für ‘Atommüllentlager’ zu jonglieren und sich vielleicht auf diesem Wege der übergeordneten Idee meiner Kolumne zu nähern.
    Schlußendlich – um das schon mal meiner längeren Ausführung vorauszuschicken – bin ich doch selbst nichts anderes als ein ‘Gutmensch’, der sich lediglich einen kritscheren und ehrlichen Umgang mit der Deutschen Sprache fern von Heuchelei und Bigotterie wünscht.
    Einen schönen Tag einstweilen.

  9. palmakunkel sagt:

    Begriffe wie Mohrenkopf, Negerkuss etc wurden also als rassistisch enttarnt. Und derjenige, der sie dennoch verwendet ist dann ein Rassist. (Wenn nicht noch schlimmer). Das Reinheitsgebot fordert: Diese Begriffe sind tunlichst zu vermeiden! Und Schwups, schon ist das rassistische Element aus dem Gemüt vieler unserer Mitmenschen verbannt. Putzig geht es schon zu in diesen deutschen Landen. Habe letztens in einer Speisekarte „Zigeunerschnitzel“ gelesen. Mein Vorschlag zur weiteren erfolgreichen Bekämpfung rassistischer Anschauungen: „Sinti- und Roma-Schnitzel“.

  10. Master PC sagt:

    “Erst wenn man ignorante, selbstgefällige Dummköpfe ‘Zitzmann’ nennen darf, erst dann, liebe Sportsfreunde, haben wir den Grad tatsächlicher Toleranz und Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft erreicht, nachdem wir seit nunmehr 67 Jahren vergeblich streben.”
    Dann passt’s irgendwie…

  11. fliederfisch sagt:

    Etymologisches Wörterbuch:
    Mohr: Afrikaner, Neger; Bewohner Mauretaniens (Marokkos), Äthiopiens; dann auch Mensch mit dunkler Hautfarbe, entlehnt aus dem lat. Maurus, Bewohner der nordafrikanischen Provinz Mauretanien; griechisch Mauros. Erst vom 16. Jahrhundert an gilt Mohr ausschließlich für Neger.
    Mohrenkopf: rundes, süßes Gebäck mit Schokoladenüberzug.

    Neger: Mensch mit dunkler Hautfarbe (entlehnt Ende 17. Jahrhundert), spanisch, portugiesisch negro abschätzige Bezeichnung für die als Sklaven gehandelten Eingeborenen Afrikas.

  12. @ Stefan Zitzmann

    Zitat: “…bin ich doch selbst nichts anderes als ein Gutmensch, der…”

    Über Gutmenschen und Bildungsbürer könnte man einen ganzen Artikel schreiben. Aber in Kürze: Sollte es nicht genügen, zu versuchen ein guter Mensch zu sein, als es per sé für sich in Anspruch zu nehmen, einer zu sein? Ansonsten ist der Ansatz in deinem Artikel richtig, der Sprachduktus der political correctness ist ein Instrument zur Pflege von Neurosen.

Einen Kommentar hinterlassen

Kommentar abschicken

le-bohemien