Wenn Oligarchen klagen

Stiftung Familienunternehmen fordert Ausschluss Griechenlands aus der Eurozone

Ein Gastbeitrag von Jacob Jung

Gestern haben alle Abgeordneten des Bundestages ein Briefchen erhalten. Absender ist die Stiftung Familienunternehmen. Auf zwei Textseiten und einem Anhang mit insgesamt 100 Unterzeichnern aus den Reihen der deutschen Industrie legt die Stiftung den Abgeordneten unter dem Titel „Berliner Erklärung“ ihren Lösungsvorschlag zur Griechenland-Krise dar und fordert das Parlament zur umgehenden Umsetzung auf.

Ganz so, als würde Herr Bauerfeind seinem Chauffeur befehlen den Wagen vorzufahren, Frau Borggreve Ihr Dienstmädchen auffordert Tee zu bringen oder Fürst zu Hohenlohe-Oehringen seinen Jäger um ein Stück frisches Wild ersuchen, um nur einige Namen der traditionsreichen und finanzstarken Unterzeichner zu nennen. Die Stiftung hat sich für ihr Vorhaben Verstärkung geholt und tritt gemeinsam mit Springers Welt-Gruppe auf.

Auf der gestern in Berlin veranstalteten „WELT-Währungskonferenz“ sitzt man in handverlesener Runde und hinter verschlossenen Türen ohnehin zusammen, um Pläne über die Zukunft Europas zu schmieden

Der Länderindex der Stiftung Familienunternehmen: Anleitung zur optimalen Standortwahl

Für gewöhnlich agiert die 2002 gegründete Stiftung eher im Hintergrund und versorgt ihre illustren Mitglieder regelmäßig mit einer Studie, in der die Standortbedingungen verschiedener Länder übersichtlich miteinander verglichen werden und die in einem Länderindex mündet. Die letzte Ausgabe der Studie stammt aus dem Jahr 2010. Zum großen Leitwesen der Stiftung rangiert Deutschland hier unter insgesamt 18 aufgeführten Ländern nur auf Platz 11.

Zu hohe Arbeitskosten, zu hohe Steuerlasten, zu starke staatliche Regulierungen, zu unproduktives Humankapital. Damit ist die Stiftung alles andere als zufrieden und sehnt sich nach polnischen, slowakischen oder dänischen Verhältnissen. Den Stiftungsmitgliedern bleibt selber überlassen, was sie mit den Erkenntnissen aus der Studie anfangen. Die politische Einflussnahme ist hier ebenso möglich wie der profitmaximierende Standortwechsel. Beide Strategien lassen sich unter den Mitgliedern der Stiftung beobachten.

Die Berliner Erklärung: Griechenland muss raus aus der Eurozone

Das Pamphlet aus der Feder der Stiftung trägt einen Titel, der Großes erwarten lässt: „Berliner Erklärung der Familienunternehmen zur Krise des EURO“. Die 100 Unterzeichner haben lediglich 541 Wörter benötigt, um Ihr Anliegen vorzutragen. Das Verzeichnis der Unterzeichner bringt es auf 521 Wörter, was nicht zuletzt den zahlreichen Titeln und Adelsprädikaten geschuldet ist.

Der Inhalt der Erklärung in Kurzform: Kein Land innerhalb der Eurozone soll für die Schulden eines anderen Eurolandes einstehen. Die Währungsunion braucht eine neue Grundlage, die den Ausschluss von Ländern aus der Eurozone ermöglicht. Rettungsschirme sind grundsätzlich abzulehnen und Griechenland soll aus der Eurzone geworfen werden. Von den Verursachern der Krise ist im Papier nicht die Rede. Nach Wörtern wie „Bank“, „Spekulant“, „Finanzmarkt“ oder „Korruption“ sucht man hier vergebens.

Die Stiftung Familienunternehmen spricht sich stattdessen gegen die Sparpläne aus.  Nicht, weil diese vor allem zu Lasten der einfachen Bevölkerung gehen, sondern weil der Sparkurs die „Konsumneigung“ der „schwächsten Bevölkerungsgruppen“ behindert und so Wachstum beschränkt.

Ein wenig deutlicher wird ein prominenter Unterzeichner der Erklärung, der wegen Steuerhinterziehung vorbestrafte Unternehmer Reinhold Würth. Er sieht im Falle der Zahlungsunfähigkeit Griechenlands zunächst viele große Geschäftsbanken und anschließend die gesamte Weltwirtschaft in Gefahr: „In der Folge würde die Weltkonjunktur kollabieren, eine weltweite Währungsreform wäre denkbar und das Menetekel Erich Honeckers bei seiner Abreise ins Exil könnte durchaus wahr werden: Der Kommunismus ist nicht tot, er hat nur eine Schlacht verloren.“ Ob sich hier nur die Sorge eines alten Mannes öffentlich ergießt oder ob die Angst vor Alternativen zum einträglichen Kapitalismus insgesamt der Motor der Berliner Erklärung ist, bleibt offen.

Stiftung Familienunternehmen und Springer: Lobby und Propaganda harmonisch vereint in der Welt-Währungskonferenz

Für ihr aktuelles Anliegen hat sich die Stiftung Familienunternehmen mit Springers Welt-Gruppe einen starken Partner an die Seite geholt. Zeitgleich mit der Übergabe der Erklärung an alle Abgeordneten fand gestern im Berliner Verlagshaus der Axel Springer AG eine gemeinsame Veranstaltung unter dem Titel „Welt-Währungskonferenz“ statt.

200 handverlesene Gäste, hierunter Jörg Asmussen (Staatssekretär im Bundesministerium für Finanzen), Michael Kemmer (Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Banken), Peter Gauweiler (Bayerischer Staatsminister a.D.) oder Jürgen Stark (Mitglied des Direktoriums der EZB) tagen hinter verschlossenen Türen und suchen Auswege aus der Krise. Der Herausgeber der Welt-Gruppe, Thomas Schmid, gibt hier in seiner Begrüßungsansprache schon einmal die gemeinsame Zielsetzung der Kampagne bekannt: „Es mag naiv sein, aber gerade jetzt, wo für Europa so ungeheuer viel auf dem Spiel steht, wünsche ich mir eine Politik, die in der Lage ist, bis ins Kleingedruckte zu erklären, warum es gut sein soll, über Griechenland den größten Finanzschirm aller Zeiten aufzuspannen. Eine Politik, die den Zweifel der Bürger ernst nimmt und besorgte Fragen nicht für eine Unverschämtheit hält.“

Naiv erscheint die Strategie nicht gerade, den Unmut der Bürger über die politische Gesamtlage in Deutschland und Europa gegen Griechenland zu bündeln und ganz nach Springer Manier einen Ausschluss der Griechen aus der Eurozone zu fordern. Hierin ist die Verlagsgruppe traditionell geübt, so dass sich die Stiftung Familienunternehmen keinen besseren Partner hätte aussuchen können, um ihr von Eigeninteresse geprägtes Konzept an den Mann und an die Frau zu bringen. Springers Presse ist es bereits jetzt zu verdanken, dass viele Deutsche den „anstrengungslosen Wohlstand auf unsere Kosten“ und die „Faulheit der Griechen“ für den Auslöser der Krise halten. Und wer sich nicht benehmen kann, der fliegt halt raus.

Berliner Erklaerung der Familienunternehmen zur Euro-Krise als Download (PDF)

Zum Thema:

– Griechenland im Ausverkauf – Wie die Wiege Europas und der Demokratie von Großbanken verramscht wird

– Empört euch!

– Genug ist genug – Vernetzt euch!

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6 Kommentare zu "Wenn Oligarchen klagen"

  1. Zunächst einmal: die Erkenntnis, dass

    “der Sparkurs die „Konsumneigung“ der „schwächsten Bevölkerungsgruppen“ behindert und so Wachstum beschränkt”,

    ist volkswirtschaftlich gesehen durchaus richtig. Es ist die Quintessenz daraus, dass die Sparpolitik zu Lasten der einfachen Bevölkerung geht.

    “Die Stiftung Familienunternehmen spricht sich stattdessen gegen die Sparpläne aus.”

    Ebenso eine richtige Erkenntnis! Denn die sogennanten “Sparpläne” sind nichts anderes als eine Enteignung der Bevölkerung und der öffentlichen Hand. Zudem wird damit jede wirtschaftliche Konjunktur abgewürgt. Die “Sparkurse” haben bis jetzt nur das gegenteil bewirkt: Eine Zunahme der Staatschulden.

    „Es mag naiv sein, aber gerade jetzt, wo für Europa so ungeheuer viel auf dem Spiel steht, wünsche ich mir eine Politik, die in der Lage ist, bis ins Kleingedruckte zu erklären, warum es gut sein soll, über Griechenland den größten Finanzschirm aller Zeiten aufzuspannen. Eine Politik, die den Zweifel der Bürger ernst nimmt und besorgte Fragen nicht für eine Unverschämtheit hält.“

    Das wünsche ich mir auch! Fakt ist doch, dass die “Griechenlandhilfe” weder der griechischen Ökonnomie noch den Bürgern zu Gute kommt, sondern nur mit weiteren Krediten die Zinszahlungsfähigkeit des Staates für alte Kredite künstlich am Leben erhalten soll. Das Steuergeld wird hier den Banken in den Rachen geschmissen, nicht den Griechen. An einer Umschuldung führt doch schon längst mehr kein Weg vorbei! Die Laufzeiten für die Kredite sollen nur verlängert werden, damit die Banken noch genug Zeit haben, vor dem Bankrott Griechenlands alle griechischen Staatsanleihen abzustoßen.

    “Naiv erscheint die Strategie nicht gerade, den Unmut der Bürger über die politische Gesamtlage in Deutschland und Europa gegen Griechenland zu bündeln und ganz nach Springer Manier einen Ausschluss der Griechen aus der Eurozone zu fordern.”

    Wenn die Umschuldung für Griechenland irgendeinen Sinn machen soll, dann fürt m. E. kein Weg an einem Austritt aus der Währungsunion vorbei! Nur dann kann Griechenland wieder konkurrenzfähig werden, weil der Staat wieder die Hoheit über die Fiskalpolitik der eigenen Währung hat. Überhaupt macht die gesamte Währungsunion gar keinen Sinn, solange es keine poltische und wirtschaftliche Union gibt. Ein Geburtsfehler.

  2. Elisabeth Lutz sagt:

    und dann sind sie allein gelassen und verloren, wer möchte das?
    euopa ist doch die verinigung aller europäer
    Elisabeth

  3. Alex sagt:

    Wie immer und immer wieder. Ist doch das Ergebniss das selbe.
    Gewinne werden privatisiert und Verluste sozialisiert.
    Wenn es dann nicht mehr rentabel für unsere Wirtschaftsmagnaten ist wird abgeschoben.

  4. Norbert Figer sagt:

    In all dem Rubel um “Rettung von Griechenland” “Finanzrettungsschirm” und Mrd. von Euros als Hilfe, frage ich mich, welches Geld soll den Griechenland bekommen? Alle EU- Länder sind höchst verschuldet, zu dem jedes Jahr noch Unsummen dazukommen, Medien die dieses Horrorszenario als geschickten Schachzug beschreiben und Völker die nicht aufwachen wollen, ein Trug u. Betrugsszenario höchstem Maße! Im gegenständlichen Fall kann ich nur hoffen, dass diese Lügenburg mit allem was dazu gehört, baldigst zum Einsturz gebracht wird! Schluß mit dem Wahnsinn der Machthaberei u. Geldgier.
    Ich habe nichts gegen Reichtum, solange die Lebensqualität in einem Maße erhalten bleibt, dem jedem Erdenbürger angenehm ist.
    Aufklärung ist der Beginn des Zerfalls solcher Ideologien! Zum Glück gibt es bereits Medien die sich nicht von Drohgebärden beeindrucken lassen u. Aufklärung betreiben.

  5. tommmm sagt:

    Wie Sebastian schon schreibt: alles korrekt dargestellt, (bis auf Konsummodell mit Abstrichen), also ist es gar nicht nötig diese Initiative, so wie sie sich im Augenblick darstellt durch eine nähere beschreibung der Vergangenheit des Herrn Würth zu diskreditieren….sondern einfach mal kurz die reine Fakten (ohne Emotionen) auf sich wirken lassen und dann diese Initiative mit aller Kraft unterstützen und übernehmen….

    (Immer dieses Schubladendenken, was aus der oder der Ecke kommt ist schlecht….)

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