Kapitalismus ist geil!

Eine aufrechte Polemik

Von Sebastian Müller

Vergesst, was über die Krise geschrieben und palavert, endlos resümiert und kritisiert wurde – es war und ist alles für die Katz´. Nach dem Publizieren der folgenden bahnbrechenden Erkenntnis stelle ich das Schreiben ein.

Warum kompliziert denken, warum unnötig hohen Energieverbrauch durch unnütze Reflexion provozieren, wenn die einfache wie ökonomisch effiziente Lösung doch direkt vor uns liegt? Wir sind nur blind für das Seelenheil, verkennen die simple Gleichung der Weltformel, weil wir vor lauter ideologischer Verblendung den Wald vor lauter Bäumen nicht sehen.

Um aus unserer Gesellschaft endlich eine bessere zu machen, mehr Wohlstand zu schaffen, Konflikte und Kriege zu beseitigen, brauchen wir schlicht und einfach mehr Kapitalismus – wir müssen also “Mehr Kapitalismus wagen”, um es im Merz´schen Sinne auszudrücken.

Warum befinden wir uns in der gegenwärtigen Systemkrise? Die Antwort liegt auf der Hand: Weil Staat und Gesellschaft immer noch nicht ökonomisch genug denken. Weil den Segnungen des Kapitals Steine in den Weg gelegt werden – so viele, dass das große Getriebe kollabieren musste. Die Deregulierung der Finanzmärkte war noch nicht weit genug fortgeschritten – zu weit allerdings, als dass die noch zu sehr regulierte Realwirtschaft hätte mithalten können. Daher musste ein Ungleichgewicht entstehen und die Finanzblase platzen. Alan Greenspan hat all dies gewusst.

Die Lösung des Problems ist so simpel wie die Diagnose: Wir brauchen den Mut und die Eigenverantwortung, alle regulativen Schranken zu beseitigen. Freie Bahn für freie Wirtschaft! Dann wachsen auch die Blasen ohne zu platzen.

Ökonomisieren wir endlich unser gesamtes Dasein. Erst die vollständige, ungehemmte Kapitalakkumulation kann die Verheißungen der sozialen Marktwirtschaft einlösen – mehr Wachstum und mehr Wohlstand für die Reichen.

Das darf jetzt nicht missverstanden werden. Die Parole “Wohlstand für alle” ist eine vom Sozialstaatsgedanken verzerrte Polemik. Der Wohlstand für alle muss erst einmal warten. Er wird sich aber von alleine einstellen, wenn die Reichen, die Leistungsträger unserer Gesellschaft, erst einmal von der erdrückenden Abgabenlast, die ihr von unserer ineffizienten Staatsbürokratie auferlegt worden ist, befreit werden.

Peter Sloterdijk wusste, was er gegen den kleptokratischen Steuerstaat hat. Er ist aufgrund des progressiven Steuerzwanges semisozialistisch. Ohne diesen Zwang aber müsste die Crème de la Crème unserer Gesellschaft weder Steuern zahlen, noch unseren überflüssigen Sozialstaat finanzieren. Sie könnte dann noch mehr Leistung erbringen und noch reicher werden. Davon profitieren langfristig auch diejenigen, die bis dahin am Tropf der Fürsorge hingen. Denn die Reichen schaffen jetzt, von allen Regularien und Hindernissen befreit (Freiheit), Arbeitsplätze. Für den Rest – die Faulenzer – haben sie, durch den angehäuften Reichtum ermöglicht, sogar noch Spenden und Almosen parat.

Spenden und Almosen? Ein gefundenes Fressen für Karl Theodor zu Guttenberg, dessen adeligen Geblüt eine solch feudalistische PR sicher gut zu Gesicht stünde. Die Auflagen der Boulevardpresse würden exorbitant steigen. Der Kapitalismus bekäme so endlich einen nostalgisch-romantischen Anstrich, der seinen zu unrecht ruinierten Ruf – ob des linksextremistischen Vorwurfs der sozialen Kälte – aufpolieren würde.

Natürlich mag durch den notwendigen Rückbau des Umverteilungsstaates, der ja unsere Systemkrise erschaffen hat, viel Wut und Zorn entstehen, der auch allenthalben durch linke Demagogen geschürt wird. Doch selbst für die kurzfristige Zuspitzung der gesellschaftlichen Probleme gibt es schon längst in der Praxis erprobte Lösungsansätze. Denn das Geld, das der Staat und unsere Leistungsträger durch den Abbau von Staatsbürokratie und Wohlfahrt einsparen, kann in bessere und effizientere Überwachung, private Sicherheitsdienste und Militärfirmen sowie in private Hochsicherheitswohnviertel investiert werden. Kurzum: man hat endlich das Geld für die eigene Sicherheit zur Verfügung. Das ist Eigenverantwortung.

Doch die heilende Wirkung der totalen Kapitalakkumulation wird auch jeden Streit um ideologisierte, politische Konzepte, und damit die völlig ineffiziente und ökonomisch wenig nützliche Gesellschaftsform der Demokratie endlich überflüssig machen. So langsam dämmert es auch den Liberalen, die Demokratie ist ein Standortnachteil.

Mal im Ernst, wer will sich noch mit Politik und realitätsfremden Ideen auseinandersetzen, wenn für jeden Marktteilnehmer genug Angebot für die Nachfrage besteht und man sich ganz dem Konsum und der persönlichen Gewinnmaximierung widmen kann? Man hätte überhaupt keine Zeit mehr für zivilen Ungehorsam oder Protest. Wofür auch? Man könnte voll und ganz Kunde und Produzent sein, wäre von den lästigen, vormodernen Staatsbürgerpflichten befreit. Das Leben jedes Einzelnen könnte sich dann endlich auf das wesentliche konzentrieren – nämlich die Reproduktion.

Endlich hätten wir eine “Brave New World”, die diesen Namen auch verdient. Und in dieser neuen Welt würden auch keine Wachstumsgrenzen existieren. Willkommen also in der neuen Realpolitik – Kapitalismus ist geil! Denn der Kapitalismus ist nicht das Problem, sondern die Lösung, wie wir jetzt alle wissen.

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2 Kommentare zu "Kapitalismus ist geil!"

  1. Pit sagt:

    Das ist ja auch alles völlig überzeugend,nur sollte man nicht vergessen das dazu selbstverständlich von der schmarotzenden “Leistungselite” auch ein Teil des “Humankapitals” selektiert werden muss.Alte,Kranke,Renitente und ähnliches gehören zur Schaffung der kapitalistischen Idealbedingungen,dem sogenannten Faschismus,selbstverständlich wieder in Gaskammern wenn sie keine Erträge mehr bringen.

  2. M.Gatzke sagt:

    Ja, der Mann hat wirklich recht.

    Alles für die Katz.
    auch die ganzen Institute- wie z. .B. ” Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft”.ist nicht mehr als ein unnützer Geldfresser.
    Raus kommt dabei nichts, was wir nicht ohnehin schon wissen- den Rest sagt uns unser Bauchgefühl.
    Diese Leute sollen mal handfest zupacken, statt nur faseln und forschen, wo es nichts zu forschen gibt.
    Aber mehr haben sie wohl leider nicht gelernt.

    Deshalb ist es vollkommen richtig:
    Zitat: Vergesst, was über die Krise geschrieben und palavert, endlos resümiert und kritisiert wurde – es war und ist alles für die Katz´. Nach dem Publizieren der folgenden bahnbrechenden Erkenntnis stelle ich das Schreiben ein.

    Bravo- die beste Erkenntnis seit Ausbruch der Krise.
    Gilt übrigends noch für viele Hunderte andere Schreiberlinge ebenfalls.

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