Kein Land in Sicht

Die neuen Nahost-Friedensgespräche sind eine Farce

Von Sebastian Müller

Bevor die von den Vereinigten Staaten initiierten Nahost-Friedensgespräche überhaupt beginnen – nach einer Eiszeit von 2 Jahren ist es ein neuer von unzähligen Versuchen – droht auch dieser Gipfel schnell zu scheitern. Die Hamas ist an den Gesprächen, deren Grundlage die Road Map von 2002 sein soll, ohnehin nicht interessiert – sie nennt diese eine Farce. Allerdings nähert sich die Hamas wieder der Fatah an, was wiederum den Israelis nicht gefällt. Im Falle einer Versöhnung von Fatah und Hamas will Israel die Verhandlungen mit der palästinensischen Autonomiebehörde und Mahmoud Abbas aussetzen. Das ist Kalkül, denn sowohl die Israelis als auch Abbas wissen, dass jeder Vertrag wertlos ist, solange die Spaltung der Palästinenser nicht überwunden ist. Große Teile der Hamas wollen Israel nicht anerkennen und deshalb auch keinen Vertrag mit Israel einhalten. Allerdings hat auch die Hamas zuletzt von einer rein extremistischen Linie Abstand genommen.

Doch selbst wenn es zu ernsten Gesprächen kommen sollte, würde die Litanei von unerfüllbaren israelischen Forderungen weitergehen. Mit Benjamin Netanjahu und Avigdor Liebermann sitzen zwei kompromisslose Hardliner an der Macht, die scheinbar kein Interesse an fruchtbaren Verhandlungen haben, sondern diese nur als Selbstzweck sehen. Beide wissen genau, dass ihre Forderungen aus Sicht der Palästinenser haltlos sind: ernsthafte Sicherheitsregeln, einen “entmilitarisierten” Palästinenserstaat neben der Atommacht Israel, die Anerkennung Israels als dezidiert “jüdischen Staat” und dass das Verhandlungsergebnis endgültig sein müsse. Daher bezeichnete Liebermann den bevorstehenden Gipfel zynisch als “einen weiteren Festakt, wie es schon viele gegeben hat, ohne Folgen für den Nahen Osten”, und reist erst gar nicht an.

Die von US-Präsident George W. Bush am 24. Juni 2002 vorgestellte “Road Map”, die bereits 2005 mit einer Zwei-Staaten-Lösung umgesetzt werden sollte,  ist ohnehin schon eine Sanktionierung für sich. Bereits wenn das Abkommen von Oslo und damit der Vorschlag des damaligen israelischen Ministerpräsidenten Ehud Barak zustande gekommen wäre, hätte dies die  Reduzierung des zukünftigen Staates Palästina auf ein „Homeland“ bedeutet: Zerstreute Gebiete, die durch israelische Schnellstraßen, Sicherheits-Checkpoints und israelische Siedlungen getrennt würden. Zusätzlich wären, nach dem Vorschlag Israels, die Wasserressourcen und die Sicherung der Außengrenzen (vor allem an der Jordangrenze) sowie Zoll des palästinensischen Staates für 20 Jahre unter israelischer Kontrolle geblieben. Die Israelis erachteten dies für ihre Sicherheit als notwendig. Die Road Map jedoch basiert auf dem Osloer Friedensplan, sieht aber den israelischen Sperrzaun jenseits der grünen Linie, der sich tief in Palästinsergebiete erstreckt, und alle bis 2001 gebauten jüdischen Siedlungen auf diesem Territorium als legitimes israelisches Staatsgebiet an. Die Palästinser lehnten auch diese als Konvergenz-Plan bekannte “Lösung” folgerichtig ab.

Die Road Map wird nun von den Israelis als “Vorbedingung” bezeichnet, wie der palästinensische Journalist Hafez Barghouti betont. Israel wolle diese Dokumente zu Makulatur machen und wieder bei Null beginnen. Das bedeutet mit anderen Worten, den Palästinensern noch mehr Land streitig machen zu wollen. Offensichtliches Ziel ist es hierbei, einen Friedenschluss zu vermeiden, der Israel dazu verpflichten würde, große Teile der besetzten Gebiete wieder an Palästina zurückzugeben. Denn das würde das sichere Ende der Koalition aus der konservativen Likud und der rechtsextremen Jisra’el Beitenu bedeuten. So unterstreicht das strategische System der Mauerbau- und Siedlungspolitik die Absicht einer fortlaufenden Kolonisation, die einen lebensfähigen, eigenständigen Palästinenserstaat bereits jetzt unmöglich macht. Und Netanjahu gilt als entschiedener Gegner eines solchen, unabhängigen Staates. Er war es, der 1996 die Osloer-Friedensverhandlungen u.a. mit einer Intensivierung der Siedlungspolitik zum erliegen brachte. Nicht zuletzt deshalb dürfte den Palästinensern nicht viel mehr bleiben, als auch die neuen Forderungen Israels abzulehnen. Und aus dieser Sicht ist es durchaus nachzuvollziehen, warum die Hamas diese “Friedensgespräche” als Farce tituliert. Doch Gerüchten zufolge wird Abbas vom Nahost-Quartett die Pistole auf die Brust gesetzt: Kein Geld mehr ohne Verhandlungen.

Daher wird Abbas an den Verhandlungstisch zurückkehren, obwohl Netanjahu alle palästinensischen Vorbedingungen abgelehnt hat. Wie ernst es Israel mit den Verhandlungen ist, wird sich nicht zuletzt am 26. September entscheiden. An diesem Tag läuft ein einseitiger Baustopp Israels im Westjordanland aus. Der palästinensische Chefunterhändler Saeb Erekat betonte bereits, die Palästinenser könnten die Gespräche nicht fortsetzen, falls die Israelis ihre Bautätigkeit im Westjordanland wieder aufnehmen sollten.

Wenn die Nahost-Gespräche aber scheitern, und davon ist auszugehen, besteht die Gefahr, dass die nächste Generation von Palästinensern auch die Anerkennung Israels in Frage stellt, wie Barghouti betont: Die zionistische Politik könne zu der Vorstellung führen, dass es zu den extremen Konsequenzen, zu einem Kampf bis aufs Messer keine Alternative gibt. Das aber sei eine Linie, die inzwischen auch die Hamas aufgegeben hat. Sie könne in naher Zukunft aber wieder an Zuspruch gewinnen.

Zum Thema:

– Israel will den Frieden nicht – und profitiert von der Destabilisierungspolitik des Westens

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